REFLEXIONEN 2019 Zeitung - Friedensbüro Salzburg

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REFLEXIONEN 2019 Zeitung - Friedensbüro Salzburg
2019
                WINTER

                                                 Zeitung

                         REFLEXIONEN 2019

                                       MIT DIESER AUSGABE möchten wir das vergangene Jahr Revue passieren lassen
I N T E R V I E W                      und einen Blick auf jene Themen werfen, die uns im Jahr 2019 intensiv beschäf-
Die Satyagraha-Normen bilden           tigt haben. Zum einen war dies der Schwerpunkt WIDERständig, im Rahmen des-
eine Einheit. Alle.         S. 04      sen wir biografische Gespräche mit politisch engagierten und widerständigen
                                       Menschen wie Sabine Beck (Netzaktivistin, Greenpeace), Martin Balluch (Tier-
P Ä D A G O G I K
                                       schützer) oder Fritz Ofner (Filmemacher) geführt haben. Darüber hinaus gab es
Frieden lernen und leben       S. 06
                                       die Möglichkeit, im Rahmen eines Lehrgangs über Protestformen zu reflektieren
                                       und unterschiedliche Methoden auszuprobieren und einzuüben. Den vorläufigen
                                       Abschluss fand das Jahresthema im Symposium WIDERständig, das vom 22.-23.
S Y M P O S I U M
                                       November im KunstQuartier stattfand. Auch unser Projekt WhyWar.at ging in
Würden Sie sich bitte wider-           eine neue Runde: Im Rahmen von Workshops setzten sich Schüler*innen intensiv
setzen!                        S. 10   mit dem Krieg in Syrien auseinander. Ein sich daraus entwickelter Schüler*innen-
                                       Rap wurde auf der Ars Electronica in Linz ausgezeichnet.           Die Redaktion

                         LEHRGANG „BEVOR’S KRACHT“ | AB FEBRUAR 2020 | SEITE 16
REFLEXIONEN 2019 Zeitung - Friedensbüro Salzburg
INTERVIEW

                                                                               Christa Wieland, Vorstandsmitglied
                                                                                        des Friedensbüro Salzburg

I N H A L T

02 Kommentar

03 Kurz & Bündig

04 Die Satyagraha-Normen bilden eine
   Einheit. Alle.

06 Frieden lernen und leben

10 Würden Sie sich bitte widersetzen!
                                                                           Widerständig werden, sein und
                                                                                                 bleiben
12 „Krieg ist schwarz“
                                                                   Es liegt fast 100 Jahre zurück, da veröffentlicht Ignaz Wrobel 1921 in der deut-
14 Veranstaltungen                                                 schen Weltbühne (Nr.40) unter dem Titel „Die Verteidigung des Vaterlandes“ fol-
                                                                   genden Satz: „Nichts ist schwerer und erfordert mehr Charakter, als sich in offe-
                                                                   nem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!“
                                                                   Damals wie heute bezieht sich das Nein-sagen auf die Kraft des Widerstands
                                                                   gepaart mit der Notwendigkeit, Zivilcourage zu zeigen. Wer Widerstand übt oder
                                                                   sich widerständig verhält, sendet eine Botschaft: Es geht um ein „Halt“, ein Auf-
                                                                   zeigen einer differenten Meinung, es geht um alles, wenn sich Widerstand for-
                                                                   miert und zu einer Bewegung heranwächst. Die Durchsetzung ihrer Ziele wird in
                                                                   der allgemeinen Wahrnehmung als Störung empfunden. Denn Widerstand ver-
                                                                   mag den Gleichklang des Alltags oder die scheinbare Gesetzmäßigkeit politischer
                                                                   Entwicklungen zu unterbrechen und kann den Frieden bedrohen.

                                                                   Gerade diesem Aspekt, nämlich Widerstand als Motor für Eskalationen und
                                                                   Gewalt, hat das Friedensbüro einen wesentlichen Teil seiner Arbeit im Jahr 2019
                                                                   gewidmet. Ausgehend von der Frage, inwieweit Ungehorsam und Verweigerung
              So können Sie uns erreichen:                         spezielle Spielarten des Widerstands sind und wie wichtig dabei selbstreflexives
              Friedensbüro Salzburg                                und deeskalierendes Verhalten innerhalb von Widerstandsgruppen ist, wurde in
              Franz-Josef-Str. 3, 5020 Salzburg                    Workshops, Lehrgängen und im Rahmen des WhyWar-Projekts über Widerstand
 KONTAKT

                                                                   diskutiert und Formen des Widerstands wurden geprobt. Ausdrücklich ging es
              tel/fax: 0662/87 39 31
                                                                   dabei nicht um oberflächliche Provokation oder reflexartige Ablehnung, sondern
              e-mail: office@friedensbuero.at
                                                                   um Widerstand als Verantwortungsübernahme, gesellschaftliche Kräfte wieder-
              www.friedensbuero.at                                 herzustellen, die in Dis-Balance geraten sind. Ob Widerstand zur Pflicht wird, wel-
              Bankverbindung: Salzburger Sparkasse,                che Spannungen und Ambivalenzen Widerständigkeit auslöst oder welche For-
              IBAN: AT102040400000017434                           men des Widerstands welche Wirkungen entfalten, sind Fragen, die am Ende des
              Öffnungszeiten:                                      Jahres im Rahmen des Symposions WIDERständig! aufgeworfen wurden.
              Mo & Mi: 9–11 Uhr • Di & Do: 15–18 Uhr
                                                                   Im Jahr 2019 hat es durch die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen
                                                                   viele Gründe für Widerstand als echte Gesellschaftsutopie gegeben. Fridays for
                                                                   Future ist dabei wohl eines der eindrücklichsten Zeichen, gewaltlosen Widerstand
 IMPRESSUM

              DER KRANICH                                          gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagezu zeigen. Die Arbeit des Friedens-
              Nr. 04/2019                                          büros folgt dem Auftrag, dort widerständig zu sein, wo ungerechte Strukturen
              An der Erstellung dieser Ausgabe haben
                                                                   positive gesellschaftliche Entwicklungen behindern. Das ist gut so und wichtig.
              mitgewirkt: Christine Czuma, Hans Peter Graß,
                                                                   Genauso wie es gut und wichtig ist, dass Sie uns als Mitglieder und Leser*innen,
              Desirée Summerer, Kristina Langeder.
              Layout: Kristina Langeder                            als Besucher*innen von Veranstaltungen und als Unterstützer*innen gewogen
              Grafisches Grundkonzept: Eric Pratter                bleiben und damit helfen, diese wichtige Arbeit auch zukünftig fortzusetzen.
              Titelbild: pixabay.com, freie kommerzielle Nutzung   Widerstand braucht Verbündete - wir auch. Danke!

                                                                                                                                      Christa Wieland

             02                                                                                               KRANICH 04/2019 – friedensbüro salzburg
REFLEXIONEN 2019 Zeitung - Friedensbüro Salzburg
KURZ & BÜNDIG

                                                  Mut zu Kontroversen                               die Gesellschaft, wenn man immer wieder
                                                                                                    den gleichen Stimmen Gehör verschafft?
                                                  Im November ereignete sich eine Kontrover-        Alice Schwarzer gilt in der öffentlichen Wahr-
 Kurz& Bündig                                     se an der Universität für Angewandte Kunst
                                                  in Wien: Alice Schwarzer wurde am 25.11.
                                                                                                    nehmung immer noch als die deutschsprach-
                                                                                                    ige Feministin, ihre Positionen sind seit Jahren
                                                  zu einem Vortrag mit Diskussion eingeladen.       unverändert und bekannt. Wo ist hier die
                                                  Die deutsche Feministin sollte darüber spre-      Neuerung? Zudem darf an der Bereitschaft
                                                  chen, wie man mit Kampagnen gesellschaft-         zum kritischen Diskurs gezweifelt werden,
                                                  liche Veränderungen anregen kann. Die Stu-        wenn auf im Vorfeld geäußerte Kritik mit
                                                  dierendenvertretung der Angewandten               pauschaler Delegitimierung reagiert wird. Ist
Klimakiller Militär                               (hufak) kritisierte die Einladung, denn           nicht gerade die Kritikfähigkeit eine Kern-
                                                  Schwarzer verbreite „unter dem Deckmantel         kompetenz, die es im Laufe des Studiums zu
Das Thema „Klimawandel“ ist auch in militä-       des Feminismus anti-muslimischen                  schärfen gilt? Die Kritikpunkte, die die ÖH
rischen Kontexten angekommen und nicht            Rassismus“ und habe zudem zentrale Im-            gegen Schwarzer angeführt hat, bilden
überraschend reduziert sich die diesbezügli-      pulse feministischer Theoriebildung der           zudem aktuelle Kontroversen des feministi-
che Wahrnehmung auf Fragen von Sicherheit         letzten Jahre nicht aufgegriffen. Es sei          schen Diskurses ab und sind hochrelevant.
vor dem Hintergrund von Klimakriegen und          daher Zeit, anderen, moderneren Stimmen           Warum blieben sie unberücksichtigt?
Migrationsbewegungen. Die Zeitschrift „mili-      Raum zu geben, die den Status quo der             Andererseits ist das Original-Statement der
tär AKTUELL, Das Neue Österreichische Mili-       Forschung besser abbilden.                        hufak zumindest ambivalent formuliert,
tärmagazin“ 3/19 thematisiert den Klima-          Laut Eigenaussage forderte die hufak einen        sodass eine Ausschlussforderung gegen Alice
wandel als Kriegsgrund und die dazu nötigen       diverseren Diskurs, laut Aussage des Rektors      Schwarzer interpretiert werden kann. Auch
Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung. Auf          Gerald Bast die Absage derVeranstaltung.          so wird nicht die Bereitschaft zum offenen,
die Zusammenhänge von Militär und Klima           Darin wurde ein Angriff auf die Meinungs-         kritischen und diversen Diskurs signalisiert -
wird dabei nicht eingegangen. Dabei gäbe es       freiheit gesehen, teilweise war von „Mei-         ebensowenig wie durch Slogans wie „Your
zahlreiche Bezüge, die dahingehend proble-        nungsdiktatur“ die Rede. Im Gespräch mit          feminism is not valid“, wie sie auf Trans-
matisiert werden könnten. Ulrike Koushan          dem Standard (26.11.19) erklärte Rektor           parenten bei der Veranstaltung zu finden
hat in der Zeitschrift „Betrifft Frieden“ nur     Bast: „Man kann unterschiedlicher Meinung         waren. Bei allem Verständnis für die Anliegen
einige davon zusammengefasst: Während die         sein, aber Universität ist für mich [...] immer   der hufak mutet die Vorgehensweise (soweit
Politik gefordert ist, den Umstieg von privaten   noch ein Ort des kritischen Diskurses. Das        wir sie aus den Medien nachvollziehen kön-
PKWs auf öffentliche Verkehrsmittel attraktiv     ist die Aufgabe von Universitäten: Leute          nen) wenig konstruktiv an. Debatten wie jene
durchzusetzen und den Straßen- und Auto-          diskutieren zu lassen. So bringt man Neues        um Alice Schwarzer gilt es, auch differenziert
bahnbau zu minimieren, wird von der EU die        in die Gesellschaft.“                             und kontrovers zu führen, ohne in moralisch
Fähigkeit der Verkehrswege für den Transport      Aber bringt man tatsächlich so viel Neues in      aufgeladene Polarisierungen zu kippen. KL
von Truppen und schweren Waffen in den
Blick genommen. Bis 2050 sind dafür 500
Milliarden (!) Euro geplant. Für die Panzer-
tauglichkeit auf den Verkehrswegen wird es                                          Das Zitat
wohl mehr sein müssen. Im Dezember 2017
verpflichtete sich Österreich im Rahmen des

                                                                                                                                                BILD: severint.net - Das Blogmagazin | Präsentation von Ingrid Brodnig
PESCO (Permanent Structured Cooperation)
mit 22 anderen EU-Staaten, die Rüstungsaus-
gaben des Vorjahres jedes Jahr zu steigern
und folgte somit dem Prinzip Rüstungswachs-
tum. Das für unsere Zukunft im Hinblick auf
das Klima ruinöse „Wirtschaftswachstum“ ist
gewissermaßen Vorbild. Zuletzt: Das US-Mili-
tär verbraucht täglich 48 Millionen Liter Kero-
sin. Um diese Tagesmenge CO2 zu speichern,
braucht es 44.400 ha Wald, das ist ver-
gleichsweise ein Neuntel der österreichischen
Waldfläche. Multipliziert man die täglichen
CO2-Emissionen mit der Anzahl der Jahres-
tage müsste die nötige Aufforstung uner-
messliche Ausmaße annehmen, um diese
                                                      Das Bild (severint.net) wurde von Ingrid Brodnig in ihrem Vortrag „Die Rolle
riesigen Mengen von CO2 zu kompen-
                                                      der sozialen Medien in der Europaberichterstattung mit Bezug auf Fake
sieren. Zudem brauchen gepflanzte Bäum-
                                                      News“ auf der Tagung „EUropa in der Schule: Die EU und die Medien.
chen mindestens zwanzig Jahre, um als
                                                      Europapolitische Bildungsarbeit im Klassenzimmer“ am 25. November
Wald zu gelten. Nähere Infos: Betrifft
                                                      2019 an der PH Salzburg gezeigt.
Frieden, Stimmen zur Zeit, 4/19.
                                            HPG

KRANICH 04/2019 – friedensbüro salzburg                                                                                                                                                03
REFLEXIONEN 2019 Zeitung - Friedensbüro Salzburg
INTERVIEW

Die Satyagraha-Normen bilden eine Einheit. Alle.
Interview mit Reiner Steinweg
Das Gespräch führte Hans Peter Graß.

                                                                                                                       Kranich: Die Wahrnehmung Gandhis
                                                                                                                       in Indien ist ja auf der einen Seite
                                                                                                                       von einer starken Ikonisierung, auf
                                                                                                                       der anderen von einer völlig gegen-
                                                                                                                       sätzlichen Politik der herrschenden
                                                                                                                       hindunationalistischen Kräfte
                                                                                                                       geprägt. Was ist im heutigen Indien
                                                                                                                       von Gandhi sichtbar geblieben?
                                                                                                                       Steinweg: Noch vor einem Jahr hätte ich
                                                                                                                       gesagt: nach meiner Wahrnehmung in
                                                                                                                       Indien nichts. Ein Beispiel: Ich hatte,
                                                                                                                       nachdem ich bis dahin in Indien lediglich
                                                                                                                       Gandhi-Denkmäler gesehen habe, in
                                                                                                                       einer kleinen Stadt in Südindien ein
                                                                                                                       Haus gesehen, auf dem geschrieben
                                                                                                                       stand „Gandhi-Center“. Auf meine
                                                                                                                       Frage, was in diesem Haus geplant,
                                                                                                                       besprochen, gelebt wird, bekam ich die
                                                                                                                       Antwort „What are you speaking about?
                                                                                                                       Gandhi. Who is that?“ Gandhi ist
                                                                                                                       abseits von Denkmälern nicht präsent.
                                                                                                                       Das mag auch an Südindien gelegen
                                                                                            FOTO: Ulrike Breitwieser

                                                                                                                       haben. Im Norden war Gandhi präsenter
                                                                                                                       – und auch erforderlicher. Aber jetzt hat
                                                                                                                       sich das in meiner Wahrnehmung doch
                                                                                                                       etwas aufgehellt - und das hat mit Ekta
                                                                                                                       Parishad zu tun, eine sich auf Gandhi-
Im Rahmen des Gandhi-Symposiums „Etwas tun! Aber wie? - Symposium Aktive                                               sche Grundsätze berufende Initiative, die
Gewaltfreiheit“, das anlässlich des 150. Geburtstags von Mahatma Gandhi von 27. bis                                    mit enormer Anstrengung für die Ver-
29. September in Linz stattfand, unterhielten sich Hans Peter Graß und Reiner Stein-                                   besserung der ländlichen Situation ein-
weg über Gandhis Engagement und sein Erbe.                                                                             tritt, z.B. mit zwei Riesenmärschen mit
                                                                                                                       zigtausenden von Menschen. Am 2. Okt-
Kranich: Mahatma Gandhi wird in             der essen, dürfen nicht gleichzeitig den                                   ober 2019 hat der von Ekta Parishad
der Öffentlichkeit hauptsächlich in         Tempel betreten usw. Wenn Gandhi                                           angestoßene globale Marsch von Delhi
Bezug auf sein Wirken, die indische         heute einen wesentlichen Einfluss auf die                                  zur UNO nach Genf mit einem starken
Unabhängigkeit betreffend, wahrge-          Kongress-Partei hätte, wäre die heute mit                                  ökologischen Akzent begonnen.
nommen. Aber er hat sich auch stark         Sicherheit anders aufgestellt als sie es der-
mit sozialen, ökonomischen und              zeit ist. Ein zweiter Schwerpunkt wäre                                     Kranich: Die Gandhi-Tagung in Linz
ökologischen Themen auseinander-            sehr wahrscheinlich ein verträgliches Mit-                                 beschäftigte sich auch mit der Frage,
gesetzt. Wo würde Gandhi heute              einander der Angehörigen der verschiede-                                   welche Bedeutung die von antiras-
seinen Schwerpunkt setzen?                  nen Religionen nicht nur zu sichern, son-                                  sistischer und feministischer Seite
Steinweg: Wenn er in Indien wäre, vermu-    dern aufzubauen und weiterzuentwickeln.                                    formulierte Gandhi-Kritik für die
te ich, dass er nach wie vor seinen         Im Moment haben wir ja zwischen Indien                                     aktuelle Gandhi-Rezeption hat.
Schwerpunkt auf die ländliche Entwik-       und Pakistan eine Situation, die hoch                                      Steinweg: Das ist ein ganz wichtiger
klung setzen würde, die total im Argen      bedrohlich ist, weil der indische Premier-                                 Beitrag zur Gandhi-Forschung, zum
liegt. Es gibt noch immer in den Dörfern    minister Modi die Zugeständnisse an die                                    einen, weil natürlich zu spüren ist, dass
die extreme Entgegensetzung zwischen        Muslime in Kaschmir weitgehend beseitigt                                   in intellektuellen Kreisen, die z.B.
den Kastenangehörigen und den Dalits,       hat. Das waren aber, zumindest in den                                      Arundhati Roys Kritik wahrgenommen
die keiner Kaste angehören. Die sind nach   letzten 20 Jahren, neben dem Unabhän-                                      haben, fast eine pauschale Abwertung
wie vor sehr stark verfeindet, sprechen     gigkeitskampf ohnehin die Schwerpunkte                                     entstanden ist: „Ach, Gandhi können
nicht miteinander, dürfen nicht miteinan-   von Gandhis Wirken in Indien.                                              wir vergessen, der war doch nur Ras-

04                                                                                                                           KRANICH 04/2019 – friedensbüro salzburg
REFLEXIONEN 2019 Zeitung - Friedensbüro Salzburg
INTERVIEW

sist.“ Das aufzuklären ist enorm wich-        das ein großes Problem der indischen         zung mit Gandhi fragen, ob neben der
tig. Diese Wahrnehmung von Gandhi             Realverfassung war. Das ist es bis heute     starken Fokussierung auf private und
widerspricht dem, was unter den sog.          geblieben. Wenn Gandhi seinen Ein-           persönliche Konflikte nicht auch etwas
Satyagraha-Normen zu verstehen ist, zu        fluss – hätte er weitergelebt – ausbau-      fehlt, und zunehmend Interesse an dem
100%. Und so sehr ich Arundhati Roy           en hätte können, wäre das mit Sicher-        politischen Zugang Gandhis bekunden.
als Person und als Schriftstellerin schät-    heit sein Fokus gewesen. In seiner Zei-
ze, möchte ich offenlegen, an welcher         tung „Harijan“ hat er immer auch diese       Kranich: Es gibt in den letzten Jahren
Stelle sie zwar eine politische Aktivistin    stufenweise Entwicklung forciert – den       eine Renaissance von „Zivilem Unge-
ist, aber keine Historikerin, die das sach-   Glauben, man könne eine solch tief           horsam“, wenn man sich die Demo-
lich und objektiv beurteilt und abwägt.       verwurzelte Vorurteilsstruktur im Hand-      kratiebewegungen im Arabischen
                                              umdrehen flächendeckend beseitigen,          Frühling, am Maidan, Occupy-Wall-
Kranich: Lou Marin hat stark auf              konnte er nicht teilen.                      street oder aktuell „Fridays für Futu-
den historischen und biografischen                                                         re“, „Extinction Rebellion“ oder „Ende
Kontext hingewiesen, um Gandhis               Kranich: In seinen Ashrams war Gandhi        Gelände“ ansieht. Wieviel Satyagraha
Entwicklung zu verstehen.                     viel radikaler in Bezug auf die Dalits.      kannst du in diesen Aktionsformen
Steinweg: Ja, Gandhi ist ja ohne irgend-      Steinweg: Ja, bis hin zu der Forderung,      und Strategien erkennen?
eine Vorbereitung in die Situation in         wenn jemand im Ashram heiratet, dann         Steinweg: Das ist eine gute Frage. Wenn
Südafrika hineingestolpert. Dass man          müsse ein Teil des Paares Dalit sein.        ich das an den Satyagraha-Normen messe,
nicht mit der 1. Klasse fahren konnte,        Das ist zwar skurril, zeigt aber die enor-   dann würde ich sagen, vielleicht 30%,
war für ihn eine völlige Überraschung.        me Bedeutung, die die Gleichstellung         oder noch weniger? (lacht). Der Horizont
Der politische Gandhi ist ja erst in Süd-     der Dalits für ihn hatte. Dass man dem       von Gandhi und seine Fundierung sind
afrika gewachsen. Den gab es bis dahin        späten Gandhi vorwerfen könnte, er           nach wie vor so gut wie unbekannt. Man
nicht. Natürlich: Wer aus einer höheren       hätte da faule Kompromisse gemacht,          weiß natürlich, dass Ziviler Ungehorsam
Kaste in Indien kommt, hat zunächst           ist meiner Ansicht nach nicht berech-        und Gewaltfreiheit mit Gandhischer Tradi-
einmal Ungleichwertigkeit als Prinzip         tigt. Den Vorschlag, den Bhimrao             tion zu tun haben. Aber den Einfluss
internalisiert. Daran hat natürlich sein      Ambedkar gemacht hat, nämlich in der         würde ich da nicht überschätzen.
dreijähriger Aufenthalt in England nichts     zu schreibenden Verfassung den Dalits
geändert. Gandhi ist naiv mit diesen          eine Sonderstellung einzuräumen, was         Kranich: Welche Satyagraha-Formen
Voreinstellungen in die Situation in Süd-     ihre Präsenz im Parlament betrifft, hat      würdest du diesen protestierenden
afrika hineingeraten und hat erst nach        Gandhi abgelehnt. Ich vermute aus der        und engagierten Menschen sozusagen
und nach entdeckt, was da eigentlich          Befürchtung, das führe zu einer neuen        mitgeben?
vor sich ging. Aber er hat dann doch          Diskriminierung. Angenommen den              Steinweg: Die Satyagraha-Normen bil-
auf die schwarzen Unabhängigkeitsbe-          Dalits wäre der Schritt ins Parlament        den eine Einheit. Alle. Man kann nicht
wegungen in Afrika einen erheblichen          sozusagen geschenkt worden, unab-            sagen, die Norm „Begegne deinem Geg-
Einfluss ausgeübt – z. B. im ANC, für         hängig vom Wahlausgang bzw. der              ner vertrauensvoll und mit Respekt“
den die Entwicklungen in Indien offen-        Beteiligung der Dalits an den Wahlen,        oder „Du darfst nicht töten“ sei das
sichtlich Vorbildwirkungen hatten.            so hätte das möglicherweise an Stelle        Wichtigste. Was nötig ist, ist eine
                                              der Verachtung Neid und Missgunst            Beschäftigung mit diesem Normen-
Kranich: In Indien bezog sich die             gegenüber den Dalits geschürt. Man           System. Die Normen greifen ineinander.
Kritik an Gandhi in erster Linie auf          darf jedenfalls trotz der berechtigten       Es ist nicht zielführend, die eine oder
einen scheinbar paternalistischen             Kritik an Gandhis Ablehnung von              andere herauszuheben, sondern es ist
Zugang zu den Dalits, den von ihm             Ambedkars Vorschlag nicht vergessen,         der ganze Komplex, um den es geht
so genannten „Kindern Gottes“                 dass Gandhi auch in dieser Frage ein         und den es zu verstehen gilt.
(Harijan). Inwieweit ist auch das             absoluter Vorreiter war. Ambedkar war
historisch zu beurteilen?                     selbst Dalit. Aber außerhalb der Dalits      Kranich: Vielen Dank für das Gespräch!
Steinweg: Auch diese Kritik finde ich         war Gandhi sicher der herausragendste
wichtig, partiell auch berechtigt. Die        Befürworter ihrer Gleichstellung.            Das Interview führte Hans Peter Graß.
Frage der Dalits war spätestens ab
1932/33 für ihn eine Hauptfrage. Man          Kranich: Ist die Botschaft Gandhis in        Reiner Steinweg ist Brecht-Forscher
vergisst immer, dass die Dalits heute ein     unserer heutigen Gesellschaft präsent?       sowie Friedens- und Konfliktforscher. Er
Fünftel der Bevölkerung ausmachen,            Steinweg: Nach meiner aktuellen Wahr-        gründete in Kooperation mit der „Frie-
und ihre Lebensbedingungen waren              nehmung spielt Gandhi als Fixstern eine      densstadt Linz“ und dem „Österreichi-
und sind nach wie vor unmenschlich            Rolle, aber es gibt kaum eine politische     schen Studienzentrum für Frieden und
und unerträglich. Das war Gandhi              Orientierung an ihm. In der Vorberei-        Konfliktlösung“ (ÖSFKI/ASPR) das Insti-
bewusst. Er ist davon ausgegangen,            tung eines Gandhi-Seminars ist mir auf-      tut „Friedensforschung Linz“. Er wurde
dass man das nur stufenweise verän-           gefallen, dass es viele Menschen gibt,       u.a. mit der Humanitätsmedaille der
dern kann, weil es sich dermaßen ein-         die sich, aus der Tradition der Gewalt-      Stadt Linz (2006) und dem Goldenen
geschliffen hat, nicht zuletzt unter briti-   freien Kommunikation Marshall Rosen-         Ehrenzeichen der Stadt Linz (2019) aus-
schem Einfluss. Ihm war bewusst, dass         bergs kommend, in der Auseinanderset-        gezeichnet.

KRANICH 04/2019 – friedensbüro salzburg                                                                                            05
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                                                                      Barbara Wick, pädagogische Leitung im
                                                                                      Friedensbüro Salzburg

Frieden lernen und leben
Resümee und Ausblick zu unserer friedenspädagogischen Arbeit
Von Barbara Wick.

Ein Rückblick auf das letzte Jahr zeigt das ungebrochen hohe Interesse an unseren Angeboten im Bereich Schule und darüber hin-
aus. Anlass genug, unsere Palette an Workshops, Seminaren und Fortbildungen kontinuierlich zu erweitern.

Als Friedensbüro begleiten und unterstüt-         sich das Stadt-Land-Gefälle verändert. 2018      der Erwachsenenbildung einbringen.
zen wir alle Personen im Umfeld der Schu-         wurde unser Angebot zu 43% in der Stadt          Bereits seit dem Frühjahr bereichern Angelika
le in ihren Bemühungen um eine Sensibili-         Salzburg und zu 56% von Institutionen aus        Rettenbacher und Katharina Fürbach unser
sierung gegenüber Gewalt. Wir stehen als          Landgemeinden genutzt. In diesem Jahr            Team durch ihren Tatendrang und ihre Kom-
externe Fachkräfte zur Verfügung, unter-          waren wir zu 38% in der Stadt Salzburg und       petenz. Angelika Rettenbacher ist systemi-
stützen Pädagog*innen darin, individuelle         zu 53% in Landgemeinden tätig.                   sche Ehe- und Familienberaterin, Psychomo-
Konzepte zur Gewaltprävention zu ent-             Unser Angebot haben wir auch heuer in die        torikerin und langjährige Kindergartenpäda-
wickeln und diese als ein Qualitätsmerkmal        Breite sowie in die Tiefe gehend überarbeitet.   gogin. Sie verstärkt das Team vor allem im
an der Schule zu etablieren. Ebenso stehen        Damit konnten wir aktuelle Themen aufgrei-       Bereich der Primarstufe sowie im Kindergar-
wir zur Verfügung, wenn Eskalationen an           fen und Bildungsangebote zur Gewaltprä-          ten und Vorschulbereich und bietet auch
Schulen den mediativen Blick und die Beglei-      vention, der zivilen Konfliktbearbeitung und     Fortbildungen für Eltern und Kindergartenpä-
tung von außen benötigen, um diese Situa-         im Bereich der politischen Bildung ausarbei-     dag*innen an. Katharina Fürbach arbeitet seit
tionen gewinnbringend zu bearbeiten. Darü-        ten. Sowohl die Workshops, die unterschied-      vielen Jahren mit Menschen mit Behinde-
ber hinaus bieten wir unterschiedliche For-       lichen Projekte, die Lehrgänge als auch die      rung. Sie ist angehende Supervisorin und hat
mate zu vielfältigen gesellschaftlich und poli-   Veranstaltungen, Tagungen und Symposien          gemeinsam mit Martina Rumpl ein inklusives
tisch relevanten Themen an, mit denen wir         sollen dazu anregen, Herausforderungen neu       Angebot zur Konfliktprävention und Konflikt-
Jugendliche und Erwachsene aus ganz unter-        und auch quer zu denken. Sie sollen aktivie-     intervention konzipiert. Auch sie verstärkt uns
schiedlichen Bereichen erreichen wollen.          ren, den wohlwollenden und gleichzeitig kri-     im Bereich der Primarstufe, da die Nachfrage
                                                  tischen Dialog untereinander fördern und         vor allem hier besonders groß ist.
Nun dürfen die Zahlen                             neue Handlungsspielräume öffnen.                 Verabschieden mussten wir uns hingegen
sprechen                                                                                           von Johannes Raher, der die nächsten drei
                                                  Neue Referent*innen mit viel-                    Jahre in einem entwicklungspolitischen Pro-
Die Statistik des zu Ende gehenden Jahres         fältigen Kompetenzen                             jekt in Mosambik sein wird.
liegt frisch ausgewertet auf meinem Schreib-                                                       Das Projektbudget der Abteilung 2 des Lan-
tisch und gibt den Blick frei auf ein interes-    Flexibilität und Themenvielfalt erfordern ein    des Salzburg, sowie eine Förderung der Salz-
santes, herausforderndes, vielfältiges und        breit aufgestelltes Expert*innen-Team.           burger Gebietskrankenkasse und die Projekt-
bewegtes Arbeitsjahr (s. Seite 9). Dieser         Sowohl im friedenspolitischen als im frieden-    förderung für das Projekt „WhyWar“ ermög-
Moment ist jedes Jahr spannend: Beein-            spädagogischen Bereich sind wir also weiter      lichten uns, einen Teil unserer Angebote
druckend ist zum Beispiel, dass wir 643,5         gewachsen. Unsere Referent*innen kommen          kostengünstig an Schulen umzusetzen. Der
Stunden an Schulen und in außerschulischen        aus verschiedenen Bereichen und verfügen         nachfolgende Überblick gibt Einblick daüber,
Einrichtungen verbrachten und mit insgesamt       über ein breites Methodenspektrum.               welche Inhalte uns im vergangen Jahr im
2582 Personen - Schüler*innen,                    So stärken uns Sara Wichelhaus und Ralph         Bereich der friedenspädagogischen Bildungs-
Pädagog*innen und Eltern gearbeitet haben.        Lanzdorf seit Herbst durch ihr Know-how in       arbeit besonders beschäftigten.
Bewegung hat es im Bereich der Zielgruppen        der Medienpädagogik.
gegeben. Hier fällt auf, dass wir 2019            Gerade in akuten Situationen wie etwa hoch-      Prävention lohnt sich
gesamt 719 Erwachsene (28%) erreicht              eskalierten Konfliktsituationen, in denen
haben. Das sind um 8% mehr als 2018.              Unterstützung erforderlich ist, sind wir         Während unserer Workshops äußern Schü-
Neben den 880 Schüler*innen der Volks-            bemüht, rasch zu reagieren. Um Wartezeiten       ler*innen häufig den Wunsch nach mehr
schulkassen (34%) ist die Erwachsenenbil-         kurz zu halten, haben wir auch das Team im       Mitbestimmung im Schulalltag. Sie wollen
dung somit an die 2. Stelle gerückt, noch vor     Bereich der Konfliktbearbeitung erweitert.       sich einbringen und gehört werden. Zudem
den 530 Schüler*innen der allgemeinen             Seit kurzem ist Eugen Würz Teil unseres          wünschen sie sich ein Klassenklima, in dem in
höheren Schulen (21%) und den 390 Schü-           Teams. Er startete seine Tätigkeiten im Rah-     angenehmer Atmosphäre gelernt werden
ler*innen (15%) der Neuen Mittelschulen.          men der offenen und außerschulischen             kann. Das leistet einen Beitrag zur Konflikt-
Unsere Referent*innen sind im gesamten            Jugendarbeit. Er ist Psychologe, Mediator und    prävention. Die steigende Zahl an Anfragen
Bundesland unterwegs.                             Supervisor und wird diese Kompetenzen vor        zu Workshops und Lehrer*innenfortbildun-
Seit mehreren Jahren beobachten wir, dass         allem in den Sekundarstufen I und II sowie in    gen in diesem Bereich belegt, dass die Wün-

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sche nach Partizipation und einem guten      Konfliktintervention                               verstärkt haben, denn Schüler*innen können
Klassenklima auch gehört werden. Fielen                                                         sich aus einer solch hocheskalierten Konflikt-
2018 noch 28% der Stunden auf diesen         Die Anfragen nach interventiven Workshops          situation ohne Hilfe von außen nicht selbst
Bereich, so waren es 2019 bereits 34%        in Schulklassen sind im Vergleich zum ver-         befreien. Um Pädagog*innen zu einem
und damit über 220 Stunden. Inhaltlich lag   gangenen Jahr relativ gleich geblieben. Ist        schnellen und raschen Eingreifen zu befähi-
der Fokus in diesem Jahr vor allem beim      eine Gruppe einmal bereit, mit einem Team          gen, bieten wir eine Schulung zur Methode
Training zum konstruktiven Umgang mit        von außen an ihren Konflikten zu arbeiten,         „No Blame Approach“ an. Diese Erste-
Konflikten, der Schulung von Sozialkompe-    kommt es häufig zu einer Entlastung, weil          Hilfe-Maßnahme arbeitet nicht mit Schuld-
tenz und Empathie, der Unterstützung bei     der angestaute Druck endlich entweichen            zuweisungen und ist lösungsorientiert ange-
der Implementierung eines lösungsorien-      darf und durch die Begleitung der                  legt. Es freut uns, dass diese Fortbildung
tierten Klassenrates in der Schule sowie     Mediator*innen in eine fördernde Richtung          heuer bereits von 326 Personen aus dem
beim Thema Zivilcourage und dem              gelenkt wird. Die Themen, zu denen wir bei         Umfeld der Schule die diese Fortbildung
Umgang mit Medien.                           diesen Interventionsworkshops gerufen wer-         besucht wurde, was eine Steigerung von
Pädagog*innen und andere Multiplikator*-     den, sind vielfältig: Ausgrenzung und Mob-         6% im Vergleich zum Vorjahr bedeutet.
innen konnten sich in unserem Lehrgang       bing sind dabei genauso Themen wie Grup-           Um das Problemfeld Mobbing noch umfas-
„Bevor’s kracht - praxis- & lösungs-         pen, die eine ganze Klasse dominieren und          sender zu beleuchten und den Erste-Hilfe-
orientierte Wege in der Gewaltpräven-        durch schädigendes Verhalten unterdrücken.         Kasten mit weiteren lösungsorientierten
tion“ Grundlagen der Gewaltprävention,       Häufig stellt sich bei einem Workshop auch         Ansätzen zu bestücken, bieten wir den Lehr-
lösungsorientierte Interventionsansätze      heraus, dass der Konflikt, der sich in der Klas-   gang „Umgang mit Mobbing“ an. Dieser
sowie Kenntnisse zu Konfliktdiagnose und     se entladen hat, seinen Ursprung im Umfeld         wird vom Berliner Mediator und Pädagogen
Auftragsklärung aneignen. Ebenso erhiel-     der Eltern oder des Pädagog*innenteams             Holger Specht begleitet.
ten sie praktische Hinweise zum Handeln      nahm. Moderierte Abende mit Eltern und
vor und in Gewaltsituationen und konnten     Pädagog*innen sowie die Konfliktbear-              Systemischer Ansatz &
Handlungsweisen einüben. Aufgrund der        beitung innerhalb eines Pädagog*innen-             Peer Mediation
ausgezeichneten Rückmeldungen der letz-      teams waren in solchen Situationen hilf-
ten Jahre kann der Lehrgang ab Februar       reich und dienten auch dem Wohl der                Individuelle Angebote sind wichtig, denn kein
2020 zum 3. Mal genboten werden (nähe-       Kinder und Jugendlichen.                           Schulstandort gleicht dem anderen. „LOOK
re Infos dazu auf S. 16 und unter            Hervorzuheben ist, dass sich die Anfragen          TWICE – Schulen schauen hin“ wird über
www.friedensbuero.at).                       zum Thema Mobbing in den letzten Jahren            den Zeitraum von zwei Semestern an Schulen

                                                                                                                                                 BEZAHLTE ANZEIGE

KRANICH 04/2019 – friedensbüro salzburg                                                                                                    07
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im Bundesland Salzburg durchgeführt. Das         mit unseren Angeboten schulen.                   Thema Cybermobbing. Herzstück ist die
Projekt setzt bei den Besonderheiten und         Einen besonderen Schwerpunkt stellt das          Durchführung eines Online-Rollenspiels,
Bedürfnissen des jeweiligen Schulstandortes      Projekt WhyWar dar, das wir bereits seit         wobei über das Handy oder den Laptop
an. Ziel ist es, gemeinsam mit der Schule ein    mehreren Jahren durchführen und das sich         eine Cybermobbing-Situation simuliert wird
individuelles Angebot zur Gewaltprävention       mit jedem Durchgang einem spezifischen           und die Schüler*innen in den unterschied-
zu entwickeln, um eine konstruktive Konflikt-    Krieg annimmt. Seit 2017 wurden                  lichen Rollen des Gruppenphänomens dabei
kultur zu fördern und die Partizipation von      Schüler*innen dazu angeregt, sich sowohl         sind. Während des virtuellen Parts wird
Schüler*nnen sowie Eltern zu fördern.            mit den Hintergründen des Krieges in Syrien      immer wieder gestoppt, um die Erkennt-
Peer Mediation trägt zur Verankerung             auseinanderzusetzen als auch ihre eigene         nisse daraus zu reflektieren und festzuhal-
einer konstruktiven Streitkultur, zur Demo-      Betroffenheit - sei sie direkt oder indirekt -   ten. Dabei erleben die Schüler*innen, wel-
kratieerziehung und zur Konfliktprävention       künstlerisch-kreativ zu artikulieren und zu      che Aspekte hilfreich sind, um das Cyber-
bei und ist ein wichtiger Baustein der           bearbeiten (vgl. S. 12-13). 314 Jugendliche      mobbing zu beenden.
Gewaltprävention an Schulen. Die Ausbil-         konnten mit diesem Workshopangebot               Die Schüler*innen sollen erfahren, wie sie
dung zur Peer Mediator*in kann ab dem            erreicht werden. Ein Rap, der im Rahmen          sich gegenseitig stärken und wo sie im
Volksschulalter in allen Schultypen erfol-       des Projekts an der NMS Liefering entstand,      Akutfall Hilfe bekommen können. Weitere
gen und wird von zwei Friedensbüro-Refe-         wurde auf der Ars Eltectronica 2019 ausge-       Workshopinhalte sind unter anderem:
rent*innen geleitet. Um Peer Mediation an        zeichnet, was uns besonders freut.               Informationen zur Gruppendynamik in
die individuellen Anforderungen der Schu-        Einen neuen Impuls konnten wir auch in           Mobbingprozessen und wie diese funktio-
le anzupassen, legen wir großen Wert auf         puncto Gesprächsführung setzen. Während          nieren, das Erkennen von Mobbing sowie
die enge Kooperation mit einem projekt-          Angebote wie „Paroli den Parolen“ die            Aufklärung über rechtliche Aspekte.
begleitenden Lehrer*innen-Team.                  Argumentationsfähigkeit vor allem gegen          Start des Workshops ist Febraur 2020. Der
                                                 polarisierende, vorurteilsgeladene und popu-     Workshop wird für Schüler*innen ab der 5.
Frieden lernen im Kinder-                        listische Aussagen fördern will, gibt es seit    Schulstufe konzipiert. Er beinhaltet ein Vor-
garten                                           letztem Jahr auch das Angebot „Philoso-          und Nachgespräch mit den Klassenvorstän-
                                                 phieren mit Kindern, Jugendlichen und            den sowie dem eigentlichen Workshop in
Mit der Prävention von Gewalt kann nie früh      Erwachsenen“. Desirée Summerer leitet            der Schulklasse mit 5 Unterrichtseinheiten.
genug begonnen werden. Im vergangenen            diese Workshops und geht mit
Jahr haben wir das Präventionsangebot            Schüler*innen unterschiedlicher Altersstufen     Dampf ablassen im Kraftlabor
„Frieden leben im Kindergarten“ ent-             sowie mit Erwachsenen dialogisch-fragend         Lehrer*innen wachen streng darüber, dass
wickelt, das sowohl Angebote für Kinder als      vielfältigen Themen auf den Grund. Wohin         sich Schüler*innen nicht körperlich angreifen.
auch für Kindergartenpädagog*innen und           gehen wir, wenn wir sterben? Was bedeutet        Allerdings ist bekannt, dass Kinder gerne ihre
Eltern miteinschließt. In unseren Fortbildun-    Friede? Was ist eine Gemeinschaft? Welcher       Kräfte messen, dass sie auch wild sein wollen
gen für Pädagog*innen vermitteln wir viele       Raum kann Schule sein? Es werden Gedan-          und die eigenen Grenzen austesten möchten.
praktische Übungen und Methoden, um Kin-         ken ausgetauscht, Erfahrungen miteinbezo-        Diese Eigenschaften werden häufig unter-
dern spielerisch zu vermitteln, was sie selbst   gen, Standpunkte dargestellt und daraus          drückt, was langfristig dazu führt, dass vor
zu einem friedvollen Umgang miteinander          neue Zusammenhänge geknüpft.                     allem Buben ihre eigenen Bedürfnisse nicht
beitragen können. Außerdem werden theo-          Aktuell bemühen wir uns, unser Angebot im        mehr spüren oder verstehen.
retische Grundlagen für den konstruktiven        Bereich der politischen Bildung zu erweitern     In diesem Projekt unterstützen wir
Umgang mit Konflikten vermittelt. Unsere         und haben diesbezügich im Herbst 2019            Pädagog*innen darin, individuelle Krafträume
Angebote sind auf unserer Homepage               einen umfassenden Entwicklungsprozess            an der Schule zu entwickeln. Wichtig ist, dass
(www.friedensbuero.at) einsehbar.                angestoßen. Unter der Koordination von           gemeinsam Regeln entwickelt werden, die
                                                 Kristina Langeder werden bis Mitte 2020          genauso wie das Ritual zu Beginn und zum
Politische Bildung                               neue Konzepte und Formate entstehen, die         Ende für einen guten Rahmen sorgen.
                                                 sich ebenfalls an unterschiedliche Alters-       Über die Möglichkeiten des Ausagierens ihrer
Mit unserer politischen Bildungsarbeit wol-      und Zielgruppen richten werden.                  überschüssigen Energien sollen Schüler*innen
len wir Kinder, Jugendliche und Erwachsene                                                        ihre Selbstwirksamkeit auch körperlich erfah-
für Themen wie Vorurteile, Rassismus, Dis-       Programme in den Start-                          ren. Sie sollen lernen mit Nähe und Distanz
kriminierung und Kränkungen sensibilisie-        löchern                                          umzugehen und die Grenzen anderer zu ach-
ren, denn ein reflektierter und konstruktiver                                                     ten. Langfristig sollen sie lernen, ihre Kräfte
Umgang mit diesen Phänomenen trägt zum           Auch im Bereich der Konfliktbearbeitung und      zu dosieren, denn Gewaltprävention wirkt,
Frieden innerhalb und außerhalb des Klas-        Gewaltprävention erweitern wir unser Ange-       wenn Spannungen auch gezielt körperlich
senzimmers bei. Ebenso setzen wir Angebo-        bot kontinuierlich. Im nächsten Jahr werden      abgebaut werden dürfen.
te im Themenkomplex Extremismus/Popu-            wir u.a. folgende Formate anbieten:
lismus sowie Zivilcourage und Widerstand.                                                         Barbara Wick hat die pädagogische
Letzterer knüpft an unser Schwerpunktthe-        Cybermobbing verstehen und                       Leitung im Friedensbüro inne. Sie ist
ma 2019 an und fand u.a. in einem Lehr-          bekämpfen                                        Sozialarbeiterin, selbstständige Media-
gang seinen Ausdruck (vgl. dazu S. 10-11).       In einem Wechsel aus Theorie und Praxis          torin und Theaterpädagogin und verfügt
Auch den Umgang mit Hass im Netz sowie           sowie zwischen realer und virtueller Welt        über langjährige Erfahrung in der
eine reflektierte Mediennutzung wollen wir       beschäftigen sich die Schüler*innen mit dem      Workshop-/Seminarleitung.

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                                            WORKSHOPS & FORTBILDUNGEN 2019

  GESAMTSTUNDEN: 643,5 | GESAMTTEILNEHMER*INNEN (TN): 2583 (Stand: November 2019)

    TN NACH THEMEN                                      Paroli den Parolen:                                       Andere Bundesländer                        3%
    Konfliktprävention               34%                Argumentationstraining                         2%
    Konfliktintervention             24%                Look Twice                                     4%         TN NACH ZIELGRUPPE
    Peer Mediation                    6%                Medienbildung                                  3%         Volksschule                              34%
    No Blame Approach                14%                Herzliche Aggression
REFLEXIONEN 2019 Zeitung - Friedensbüro Salzburg
SCHWERPUNKTTHEMA
                                                          Desirée Summerer, Mitarbeiterin im Friedensbüro &
                                                                                        Symposiums-Leitung

Würden Sie sich bitte widersetzen!
Ein Rückblick auf unser Schwerpunktthema 2019
Von Desirée Summerer.

                                                                                                                                                       BILD: Marlene Marbach
Von links nach rechts: Der Friedens- und Konfliktforscher Johannes Becker, die Aktivistinnen Mahsa Ghafari, Sabine Beck (Greenpace) und Clara
Tempel (JunepA) im Gespräch mit Desirée Summerer (Friedensbüro Salzburg) über unterschiedliche Spielarten und Facetten des Widerstands.

Als sich vor zwei Jahren die türkis-blaue        Würden Sie sich bitte                             ber fand das Schwerpunktthema mit dem
Regierung konstituierte, war das nicht           widersetzen!                                      künstlerisch-friedenspolitischen Symposium
erst der Beginn des Sozialabbaus, einer                                                            für dieses Jahr seinen Abschluss.
verfehlten Politik in Klima, Asyl, Frauen-       Diese Aussage stellte einerseits die aufkom-
schutz, Bildung, Pensionen, und und und,         mende Motivation des Friedensbüros dar            Reden über den Widerstand
aber eine klare Verschärfung der Tenden-         und brachte andererseits das Anliegen auf
zen mit neuem Wind. Dieser Wind war              den Punkt. Die Aufforderung zur Aktion soll-      Dagegen sein. Für etwas eintreten. Sich
besser gesagt ein alter und der Geruch,          te von globalen bis privaten Belangen, wie        widersetzen. Menschen im Protest beziehen
der einem mit ihm entgegenschlug, roch           etwa dem Stoppen von Gewaltdynamiken in           eine Position, nehmen Standpunkte ein und
einigen bekannt verdächtig. Daraufhin            Beziehungen reichen. Mit dieser Idee wurde        machen sich sichtbar, um Gehör zu erlan-
hat sich in Österreich auch der Gegen-           ein Jahresprogramm geschnürt, das aus drei        gen. Die Gäste, die 2019 zur biografischen
wind verstärkt, der großteils aus der Zivil-     Formaten bestand: Den Auftakt bildete das         Gesprächsreihe WIDERständig eingeladen
gesellschaft kommt und seither auf               erste von sieben biografischen Gesprächen         wurden, sind Aktivist*innen aus Vereinen,
unterschiedlichen Ebenen weht. Auch              mit Menschen, die Aspekte des Widerstan-          Politik und Zivilgesellschaft, die sich zu unter-
rund um das Friedensbüro stellte man             des im Sinne der Emanzipation aus unter-          schiedlichen Themen gewaltfrei engagieren.
fest, dass es wieder an der Zeit sei, der        schiedlichen Bereichen gesellschaftlichen         Darunter sind Sabine Beck, die für Greenpe-
Ohnmacht in Bezug darauf und auf glo-            Lebens verkörpern. Im Frühjahr 2019 luden         ace im Bereich Netpeace aktiv ist, Sigi Mau-
bale Herausforderungen wie der Klima-            wir zum Lehrgang WIDERständig in Salzburg         rer, bekannt u.a. als Politikerin, der Aktion-
katastrophe und Krieg vehementer etwas           ein, der konkrete Handlungswerkzeuge für          strainer Marc Amann, Martin Balluch vom
entgegenzusetzen. Deshalb wurde schlus-          all jene bot, die Veränderungsprozesse im         Verein gegen Tierfabriken, die syrische
sendlich für das Jahr 2019 der Schwer-           privaten, beruflichen oder politischen Kon-       Künstlerin Diala Brisly, Fritz Ofner, österrei-
punkt WIDERständig gewählt.                      text anstreben. Und von 22. Bis 23. Novem-        chischer Dokumentarfilmer und die junge

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Aktivistin Clara Tempel. Im Setting des          was er mit den Widerständigen selbst          stand“. Er gab Impulse als Basis für
Erzählcafés fand ein Gespräch zwischen           macht. Ziel war es, Spannungsverhältnisse,    Diskussionen über die Wirksamkeit
ihnen und jeweils einer Person des Friedens-     Ambivalenzen und Dilemmata im Kontext         unterschiedlicher Praktiken und Positio-
büros in kleiner Runde statt. Was ermutigt       von Widerstand zu thematisieren und einen     nen in Hinblick auf die Zukunft.
sie dazu, die Komfortzone zu verlassen? Was      breiten Diskurs dazu zu initiieren.
gibt ihnen ihr Engagement? Im Gespräch           Eröffnet wurde die Tagung von Schauspiel-     An dieser Stelle möchten wir uns gerne
gingen wir auf die Suche nach den persön-        studierenden des Thomas Bernhard Instituts    bei allen Partner*innen der Veranstal-
lichen Wurzeln des Widerstandes der Gäste,       mit einem Theaterprojekt rund um Antigo-      tungen zum Schwerpunktthema bedan-
ihren Vorbildern, dem täglichen Antrieb,         ne. Dabei wurden bereits die Spannungsfel-    ken: ARGEkultur Salzburg, Radiofabrik
dem Umgang mit Hürden und                        der und Ambivalenzen deutlich, die Wider-     Salzburg, FS1 - Freies Fernsehen Salz-
Gegner*innen sowie inneren Zweifeln und          stand mit sich bringt, und die Frage aufge-   burg, Universität Mozarteum Salzburg –
Grenzen. Dabei wurden Spannungsfelder            worfen, was ihn vom überflüssigen Trotz       Thomas Bernhard Institut, Prolit Salzburg
und Ambivalenzen deutlich, die für das           unterscheidet und wer die Definitionsmacht    und Wissenschaft und Kunst. Unser
Thema typisch sind.                              darüber hat. Aufgrund der Relevanz der        Dank geht auch an das Land Salzburg,
                                                 Themen, aber vor allem durch das hervorra-    welches uns im Rahmen der Aktion DIA-
Raus aus der Ohnmacht und                        gende Schauspiel und die mitreißende          LOG 2019 unterstützt hat.
hinein in den Widerstand!                        Inszenierung unter der Leitung von Jörg
                                                 Lichtenstein konnte damit ein gelungener      Die Vorträge des Symposiums und die bio-
Im April 2019 startete der Lehrgang              Auftakt gefeiert werden.                      grafischen Gespräche wurden durch FS1 auf-
WIDERständig mit einem Angebot an alle,          Robert Misik setzte am Folgetag fort,         gezeichnet und sind als Videostream länger-
die Umstände im privaten, beruflichen            indem er die Dimensionen und Formen           fristig abrufbar. Alle Infos dazu finden sich
oder politischen Kontext verbessern oder         von Widerständigkeit diskutierte. Er ging     auf www.friedenbsuero.at.
verändern wollen. Dabei sollten jene             auch der Frage nach, welche Zeitpunkte,
erreicht werden, die eventuell bereits           Haltungen und Handlungsmotivationen es        Desirée Summerer hat Soziologie und
Ideen für politische Aktionen bis zum            braucht, um zu verteidigen, was gegen-        Kommunikationswissenschaft mit dem
Interesse zivilcouragierten oder deeskalie-      wärtig in Gefahr scheint: unsere demokra-     Schwerpunkt Zivilgesellschaft/Gender und
renden Einschreitens hatten. Die Trainings-      tischen Gepflogenheiten, Institutionen und    Entwicklung studiert. Sie war als Verant-
Module des Lehrgangs legten ihre Schwer-         Selbstverständnisse.                          wortliche für die biografischen Gespräche
punkte auf politischen Aktivismus und                                                          sowie als Leitung des Symposiums maß-
Deeskalation/Eskalation. Die Referenten          „Widerstand initiiert, provoziert und         geblich an der Umsetzung des Schwer-
Markus Hopf, Deeskalationstrainer und            belebt persönliche und gesellschaftliche      punktthemas Widerstand beteiligt.
Lebens- und Sozialberater, sowie Marc            Konflikte und ist daher ein permanen-
Amann , u.a. Herausgeber des Aktions-            tes, unverzichtbares Korrektiv für Fehl-
handbuches „go.stop.act! Die Kunst des           entwicklungen aller Art.“ (Hans Peter
kreativen Straßenprotests“, verbanden            Graß, Geschäftsführer Friedensbüro Salz-
theoretische Grundlagen und praktische           burg, Symposiums-Leitung)
Übungen und gingen auf Ideen der Teil-
nehmer*innen ein. Beide Module haben             Anschließend wurde ein Podium mit Schil-
die Gäste laut Feedbacks überzeugen und          derungen durch Johannes M. Becker über
praktische Tools vermitteln können. Das          die Bewegung der Gelbwesten in Frank-
dritte Modul zum Thema Zivilcourage ist in       reich, Sabine Becks Impulse zum Thema
diesem Lehrgang aufgrund geringerer              Widerstand im Netz sowie durch die Einblik-
Nachfrage nicht zustande gekommen.               ke in das Tun der jungen Aktivistinnen
                                                 Mahsa Ghafari und Clara Tempel in den
Wenn Friedenspolitik auf                         Bereichen Feminismus, Flucht und Asyl
Kunst trifft...                                  sowie Klimagerechtigkeit geboten. Dabei
                                                 wurde analysiert, welches Potential, welche
Dem Phänomen WIDERSTAND widmeten                 Risiken und Grenzen in diesen Formen
sich zirka 100 Teilnehmer*innen beim Sym-        gelebten Konflikts liegen.
posium von 22.-23. November 2019, das als        In Workshops bestand die Möglichkeit,
Höhepunkt des Jahresschwerpunktes in             sich mit persönlichen Fragen zum Thema
                                                                                                                                               BILD: Desirée Summerer

interdisziplinärer Form mittels Kunst, Litera-   Widerstand auseinanderzusetzen, das
tur, Friedenspolitik und Wissenschaft statt-     Potential von Crowdpower im Netz ken-
fand. Ausgehend davon, dass es aktuell zu        nenzulernen und sich auch die Span-
einer breiten Renaissance des Begriffes          nungsfelder im Kontext von Massenbewe-
WIDERSTAND gekommen ist, wurde im                gungen genauer anzusehen.
KunstQuartier und den Räumlichkeiten von         Den Abschluss des Symposiums bildete          Robert Misik beim Vortrag „Die Gratwande-
Wissenschaft & Kunst den Fragen nachge-          Harald Welzer u.a. beim W&K-Forum             rungen der Widerständigkeit“ am 23.
gangen, was diesen ausmacht, aber auch,          mit dem Thema „Dafür-Sein als Wider-          November 2019.

KRANICH 04/2019 – friedensbüro salzburg                                                                                                  11
PROJEKTBERICHT
                                                                             Hans Peter Graß, Geschäftsführer des Friedensbüro &
                                                                                     Mitglied der Projektgruppe WhyWar.at/Syrien

                   „Krieg ist schwarz“
                   WhyWar.at/Syrien
                   Von Hans Peter Graß.

                   Hans Peter Graß blickt auf zahlreiche Workshops zurück, in denen sich Schüler*innen verschiedener Salzburger Schulen seit Herbst 2017 mit dem
                   Krieg in Syrien befassten. Neben den Kriegshintergründen setzten sie sich künstlerisch-kreativ mit der Thematik auseinander.

                   „Überall Blut, Menschen mit Wunden“.               ,Überall Blut, Menschen mit Wunden – ich         Workshop-Formaten thematisiert. Einerseits
                   Schüler*innen der Neuen Mittelschule Liefe-        hab’ meine Familie nicht mehr gefunden’          wurden die politischen, ökonomischen, histo-
                   ring wurden mit dem Schicksal von Flüchtlin-       und ,Überall nur noch Waffen – egal wo           rischen Hintergründe des Krieges behandelt.
                   gen konfrontiert – so sie nicht ohnehin selbst     man hingeht in den Straßen – alles voller        Andererseits setzten sich die Schüler*innen
                   Fluchterfahrung hatten – und wurden dann           Blut’. Jugendliche machen hier für andere        mit der Frage auseinander: „Was hat Krieg
                   dabei unterstützt, zum Thema zu rappen.“           Jugendliche das Schicksal von Jugendlichen       mit mir zu tun?“
                   So béginnt der ORF-Journalist Simon Hadler         nachvollziehbar und entreißen sie so dem         Für diese Thematik drängten sich künstleri-
                   seinen Beitrag über die Verleihung des             Ausgeliefertsein der herzlosen Ignoranz, die –   sche Formen auf. Wir entschieden uns für
                   young-actors award im Rahmen des Ars Elec-         getrieben von der Lust nach Action im Kul-       musikalische und literarische Zugänge. Ein
                   tronica Festivals in Linz, den die 3a-Klasse der   turkampf der Nationen und von Gier – viel-       Fokus dieser kreativen Projektarbeit lag auf
                   NMS Liefering am 4. September dieses Jahres        leicht mancherorts im Elternhaus (und von        Schreibwerkstätten, in denen die
                   überreicht bekam. Und er fährt fort: „Wenig        Politikern) vermittelt wird.“                    Schüler*innen Texte mit sehr persönlichen
                   berührt so sehr, wie plötzlich die Stimmen         Seit Herbst 2017 konnten sich Schüler*innen      Bezügen erstellten. Begleitet wurden sie
                   jener zu hören, die man 2015 als Kinder im         aus verschiedenen Salzburger Schulen unter       dabei von Luna Al-Mousli, einer österrei-
                   Fernsehen gesehen hat, deren Existenz vom          Begleitung des Friedensbüros im Rahmen des       chisch-syrischen Schriftstellerin, die in ihren
                   Online-Mob damals geleugnet wurde, weil ja         Projektes whywar.at mit dem Thema „Krieg         Büchern von ihrer Kindheit in Damaskus und
                   angeblich nur junge Männer gekommen                und Frieden“ auseinandersetzen. Der thema-       ihrem Ankommen und Leben in Österreich
                   sind, die es sich wirtschaftlich verbessern        tische Schwerpunkt galt dem Krieg in Syrien.     erzählt. Den musikalischen Part begleitete
                   wollten. Jetzt sind sie Jugendliche. Und in        Dieser Krieg, dem es an Komplexität und          Yasin Ulu, Rapper und Musikproduzent zahl-
                   ihrem Namen rappen die Kids der NMS:               Dynamik nicht fehlt, wurde in verschiedenen      reicher Alben. Mit seiner langjährigen päda-
                                                                                                                       gogischen Erfahrung brachte er den Schü-
                                                                                                                       ler*innen das Thema mithilfe von Raps als
                                                                                                                       Ausdrucksmöglichkeit näher.
                                                                                                                       Unter dem Titel „Krieg ist schwarz“ wurden
                                                                                                                       Gedichte, Briefe, Radiobeiträge und Raps aus
                                                                                                                       den NMS Grödig, Lehen und Liefering, aus
                                                                                                                       dem ABZ St. Josef, dem Polytechnischen
                                                                                                                       Lehrgang Bischofshofen und dem BG Zau-
                                                                                                                       nergasse am 19. Juni in einem übervollen
                                                                                                                       Literaturhaus einem begeisterten Publikum
                                                                                                                       präsentiert. Im Anschluss daran führte Luna
                                                                                                                       Al-Mousli ein Gespräch mit der syrischen
                                                                                                                       Künstlerin Diala Brisly über die Rolle der
                                                                                                                       Kunst in Zeiten des Krieges und über Brislys
                                                                                                                       traumatherapeutisches Kunstprojekt „Zelt-
                                                                                                                       schule” im Libanon. Diesem Projekt galt
                                                                                                                       auch die Zuwendung eines Benefizprojek-
                                                                                                                       tes. Teresa Thalhammer und Anna Schei-
                                                                                                                       blehner übergaben den Reinerlös aus dem
                                                                                                                       Verkauf ihres Kinderbuchs UBUNTU an das
                                                                                                                       Projekt „Zeltschule“.

                                                                                                                       Infos und Weblink:
                                                                                                                       http://www.whywar.at/projektergebnisse/
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                                                                                                                       des Friedensbüro Salzburg und langjäh-
                                                                                                                       riges Mitglied der Projektgruppe
                                                                                                                       „WhyWar.at“.

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PROJEKTBERICHT

Krieg ist schwarz,                              Sinn finde ich dahinter nicht, nicht hinter    bruch, Nasenbluten oder die Wunde, die
Schwarz wie die Dunkelheit,                     Krieg.                                         nicht heilbar ist?
Dunkelheit ist schrecklich für mich – es tut    Krieg führt zu Hoffnungslosigkeit.             Ist es das wert, dass die Kinder leiden?
weh.                                            Hoffnungslosigkeit in der Welt?                Leiden sollen wir nicht,
Weh tut es tief im inneren Herzen des Men-      Welt bedeutet für mich kunterbunt.             nicht die Kinder.
schen.                                          Kunterbunt sollte der Krieg werden um ihn      Kinder sind das A und O in der Familie.
Menschen rund herum verlaufen sich.             aufzuhalten.                                   Familien dürfen nicht getrennt werden.
Sich wirklich hineinversetzen? Nein, das kann   Halten müssen wir uns Menschen fest            Werden wir alle betroffen sein?
ich nicht.                                      gemeinsam.                                     Sein Herz, mein Herz, ihr Herz: macht doch
Nicht bitter, nicht sauer ist der Krieg, aber   Gemeinsam sind wir stark.                      keinen Unterschied. Menschen können den
wie dann?                                       Stark sind wir, aber nur dann wenn wir für-    Krieg stoppen.
Dann schaue ich mich an und bedanke mich        einander da sind.                              Stoppen wir den Krieg?
für mein Leben, das Gott mir ermöglicht hat.    Sind Kinder verletzt?                          Krieg wird gestoppt.
Hat das alles einen Sinn?                       Verletzt inwiefern, Schürfungen, Knochen-      (Schülerin ABZ St. Josef, WhyWar-Workshop)

                                          VERANSTALTUNGSRÜCKBLICK 2019

  31. Januar | JBZ                              13. Mai | Antoniussaal                         27.-29. September | VHS Linz
  Lesung & Diskussion „Herrschaftsfrei          Podiumsdiskussion „Wählt Europa“               Symposium „Etwas tun! Aber wie?“ aus
  leben!“ Mit Markus Pühringer                  Mit Susanne Scholl, Philippe Narval,           Anlass von Gandhis 150. Geburtstag
                                                Oliver Scheiber                                Mit: Reiner Steinweg, Lou Marin,
  7. Februar | Shakespeare Salzburg                                                            Severin Renoldner, u.a
  Gespräch „WIDERständig“                       14. Mai | Shakespeare Salzburg
  Mit Sabine Beck                               Gespräch „WIDERständig“                        4. Oktober | Literaturhaus
                                                Mit Martin Balluch                             Lesung & Gespräch „Bleib stark“
  8. Februar | St. Virgil Salzburg                                                             Mit: Rosa Gitta Martl
  Lesung & Diskussion „Schwedenrei-             20. Mai | Aula der Universitätsbibliothek
  ter: Zwischen Erinnern und Verdrän-           Seminar & Lesung„Zeit der Häutung. Das         16. Oktober | Shakespeare Salzburg
  gen“ Mit Hanna Sukare, Brigitte               kroatisch-faschistische Ustascha-Regime“       Gespräch „WIDERständig“
  Höfert, Michael Mooslechner                   Mit Robert Kleindienst, Elke Calic             Mit: Fritz Ofner

  7. März | ARGEkultur                          11. Juni | Afroasiatisches Institut            22.-23. Oktober | Brunauer Zentrum
  Gespräch „WIDERständig“ Mit Sigi Maurer       Diskussion „Afrika. Exkursion an den Rändern   Tagung „CyberMobbing macht das
                                                des Weltsystems“                               Leben schwer“
  7. März | ARGEkultur                          Mit Günther Lanier                             Mit: Mechthild Schäfer, Rupert Her-
  Podiumsdiskussion „Fempowa: (Netz-)                                                          zog, u.a.
  Gewalt und Widerstand“ Mit Sigrid Mau-        14. Juni | Literaturhaus
  rer, Joland Spiess-Hegglin, Anne Roth         Lesung, Gespräch & Piano „Kunst und Krieg“     30. Oktober | Academy Bar
                                                Mit Jad Turjman, Aeham Ahmad                   Vortrag & Gespräch „Nordsyrien/Rojava
  7. März | Edmundsburg                                                                        und die europäische Verantwortung“
  Vortrag & Diskussion „Vertrieben und          18. Juni | SecondFloor                         Mit: Berivan Aslan
  verletzt“ Mit David Becker                    Gespräch „WIDErständig“
                                                Mit Dialy Brisley                              23. November | Afroasiatisches Institut
  11. April | ARGEkultur                                                                       Vortrag & Diskussion „Yemeni Insider.
  Gespräch „WIDERständig“                       19. Juni | Literaturhaus                       Global Space Jemen“
  Mit Marc Amann                                Diskussion „Krieg ist schwarz“                 Mit: Gawaher Asaad
                                                Mit Luna Al-Mousli, Diala Brisly
  26. April | Ignaz Rieder Kai                                                                 10. Dezember | ARGEkultur
  Gedenkveranstaltung „Gedenkstunde für         16. September | St. Virgil Salzburg            Podiumsdiskussion & Ausstellung
  Roma und Sinti“ Mit Rosa Gitta Martl, u.a.    Vortrag & Diskussion „Der andere Name          „20 Jahre Platttform Menschenrechte.
                                                des Friedens“                                  Eine Geschichte von Scheitern und
  30. April | Salzburg Museum                   Mit: Isolde Charim                             Widerstand“
  Gedenkveranstaltung zur Bücherverbren-                                                       Mit Albert Mondschein, Flüchtlingsge-
  nung „Zivilcourage. gestern: heute“ Mit       19. September | DAS Kino                       spräche; Verleihung der „Rose für
  Heinz Patzelt, Ludwig Laher, u.a.             Film & Diskussion „Inland“ Mit: Ulli Gladik    Menschenrechte“

KRANICH 04/2019 – friedensbüro salzburg                                                                                                  13
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