Shared Decision Making im allgemeinpsychiatrischen Akutsetting

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Schwerpunkt

      Shared Decision Making im
      allgemeinpsychiatrischen ­Akutsetting
      Eine cluster-randomisierte Studie in der Behandlung
      der Schizophrenie (SDMPLUS)

      Stephan Heres1, Fabian Holzhüter2, Johannes Hamann2                     lungen und freiheitsentziehenden Maßnahmen nacherhoben

                                                                                                                                                                         Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
      1 kbo-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der                     und ausgewertet.
         kbo-Tagesklinik und Institutsambulanz Nord Schwabing,                Ergebnis: Insgesamt wurden je 161 Patienten auf den Inter-
         München                                                              ventions- und Kontrollstationen in die Studie aufgenommen.
      2 Technische Universität München                                        Die Intervention SDMPLUS führte zu einem höheren Maß an
                                                                              empfundener Einbeziehung in die Entscheidungsprozesse, dar-
      ZUSAMMEN FA SS UN G                                                     gestellt durch einen mittleren Unterschied von 16,5 Punkten
      Ziel: Patienten, die an einer schwerwiegenden psychiatrischen           in der SMD-Q-9-Skala. Darüber hinaus waren die therapeuti-
      Erkrankung leiden, werden von den behandelnden Psychiatern              sche Allianz, die Zufriedenheit mit der Behandlung und die
      oft nicht im Rahmen einer partizipativen Entscheidungsfindung           selbstberichtete Adhärenz der Interventionspatienten höher
      (shared decision making, SDM) mit in die Entscheidungspro-              als in der Kontrollgruppe. Allerdings fanden sich in der Nach-
      zesse einbezogen. Da SDM auch die Behandlungsergebnisse in              beobachtungsphase über die Dauer eines Jahres hinweg keine
      der Therapie psychiatrischer Erkrankungen verbessern könnte,            Hinweise auf eine Erhöhung der Adhärenz oder eine Redukti-
      untersucht die dargestellte Studie (SDMPLUS) die Anwendung              on der Rehospitalisierungsraten. Auch zeigte die Intervention
      von SDM im Bereich akut erkrankter Patienten.                           keine direkte Auswirkung auf das Auftreten von Aggressions-
      Methodik: In dieser multizentrischen, cluster-randomisier-              handlungen oder die Anwendung von freiheitsentziehenden
      ten Studie wurde der Einsatz von SDMPLUS gegenüber der                  Maßnahmen oder Zwangsbehandlungen. Patienten mit einer
      Standardbehandlung auf 12 akutpsychiatrischen Stationen                 dokumentierten Aggressionshandlungen oder der Aufnahme
      in 5 Kliniken untersucht. Alle Patienten, die an einer schizoaf-        in die stationäre Behandlung entgegen ihrem Willen konnten
      fektiven Störung oder einer Schizophrenie litten und die Ein-           jedoch in gleichem Ausmaß von der Intervention hinsichtlich
      schlusskriterien der Studie erfüllten, wurden bei Aufnahme              der erlebten Einbeziehung in Entscheidungsprozesse profitie-
      auf die Stationen konsekutiv in die Studie eingeschlossen. Auf          ren wie die restlichen Teilnehmer der Studie.
      den Interventionsstationen erhielten sie ein Gruppentraining            Zusammenfassung: Die Studie konnte zeigen, dass die Kommu-
      in den Kommunikationstechniken des SDMPLUS. Die Behand-                 nikationstechniken des SDMPLUS (z. B. auch das Einbeziehen
      lungsteams dieser Stationen durchliefen 2 halbtägige Work-              von Elementen der motivierenden Gesprächsführung) eine
      shops zum Erwerb der Techniken. Auf den Kontrollstationen               Möglichkeit darstellen, die partizipative Entscheidungsfindung
      wurden weder Patienten noch Behandlungsteams trainiert, die             auch im akutpsychiatrischen Behandlungskontext im Interesse
      Behandlung verlief unverändert („treatment as usual“, TAU).             der Patienten einzusetzen. Die Schnittstellenproblematik zwi-
      Der primäre Zielparameter der Studie war das Ausmaß der                 schen der stationären und der post-stationären Behandlung
      subjektiv empfundenen Einbeziehung in die Entscheidungs-                muss hierbei aber künftig noch stärker in den Fokus genommen
      findungsprozesse der Patienten nach 3 Wochen. Retrospektiv              werden, um die Effekte nachhaltig zu festigen.
      wurden in einer Post-hoc-Analyse Daten zu Aggressionshand-

              Einleitung                                                                 mitunter auch gegen ihren Willen stationär aufgenommen
              Die partizipative Entscheidungsfindung, im Englischen                      und behandelt werden, praktisch gar nicht [5, 6]. Neben
              etwas griffiger als „shared decision making“ (SDM) bezeich-                den allgemein bekannten Umsetzungsproblemen von SDM
              net, wird von Patienten, Bezugspersonen und Psychiatern                    in der Medizin, beispielsweise dem Zeitdruck im klinischen
              gleichermaßen als sinnvolles Vorgehen anerkannt, da er-                    Alltag [7], scheinen darüber hinaus Faktoren eine Rolle zu
              wiesener Maßen durch sie die Zufriedenheit der Patienten                   spielen, die eher spezifisch für den psychiatrischen Fachbe-
              mit der Behandlung und die Therapieerfolge positiv beein-                  reich oder die psychiatrisch Erkrankten gelten.
              flusst werden können [1]. Generell kann man von einer ethi-
              schen Grundforderung sprechen, die hier erfüllt wird, denn                 Einleuchtend ist hierbei zunächst das mitunter deutlich ein-
              die Einbeziehung eines Patienten in die Entscheidungspro-                  geschränkte Engagement der Erkrankten, sich an einer par-
              zesse seiner Behandlung ist für jeden Therapeuten verpflich-               tizipativen Entscheidungsfindung selbst aktiv zu beteiligen.
              tend [2]. Dennoch wird gerade in der Psychiatrie SDM ge-                   Hierbei können eine krankheitsbedingte Antriebsminde-
              nerell eher selten praktiziert [3, 4], und man findet die An-              rung, generelle Passivität im Handeln [8], Hoffnungs- und
              wendung im akutpsychiatrischen Setting, in dem Patienten                   Perspektivlosigkeit [9, 10] oder ein Unterlegenheitsgefühl

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in der Patient-Arzt-Beziehung [6] zugrunde liegen. Diese
                                                                                     Methoden
eingeschränkte Fähigkeit, sich aktiv am Prozess der gemein-                           Studiendesign, Randomisierung und
samen Entscheidungsfindung zu beteiligen, sehen wiede-                               ­Verblindung
rum Psychiater als eine der größten Hürden in der Anwen-                             Die Studie wurde multizentrisch auf jeweils hinsichtlich
dung von SDM in der Akutpsychiatrie, gepaart mit einer                               mehrerer Parameter passend gepaarter Stationseinheiten
krankheitsimmanenten Schwierigkeit, die eigene Erkran-                               im geschützten akutpsychiatrischen Setting in Oberbayern
kung als solche zu erkennen und die Behandlungsbedürf-                               durchgeführt. Es beteiligten sich 5 Fachkrankenhäuser mit
tigkeit zu reflektieren [10–12]. Durch die Fürsorgepflicht                           insgesamt 12 Stationen, die in 6 Paare mittels Cluster-Ran-
des Behandelnden, der im besten Interesse des Erkrankten                             domisierung aufgeteilt wurden [16]. Jeweils eine Station
handeln sollte, und die beschriebenen Hürden entsteht ein                            eines Paares wurde der SDMPLUS-Intervention zugeordnet,
nicht aufzulösendes Dilemma. Eine Einbeziehung des Er-                               auf der anderen Station wurde die reguläre Patientenver-

                                                                                                                                                           Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
krankten in die Entscheidung kann zu einem Diskussionser-                            sorgung als Kontrollsetting unverändert fortgeführt („treat-
gebnis führen, das aus Sicht der Therapeuten nicht optimal                           ment as usual“, TAU). Die bestmögliche Paarung der Statio-
oder gar dem Genesungsprozess gegenläufig ist, und den-                              nen wurde hinsichtlich der Anzahl der behandelten Patien-
noch im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung lege                           ten, der Verteilung von Diagnosen, der Rahmenbedingung
artis verlaufen ist. Folglich hält die Angst vor einem derarti-                      der Behandlung und des Personalschlüssels vorgenommen.
gen Ergebnis viele Therapeuten vom Einsatz des SDM ab, in
der Annahme, so im besten Interesse des Patienten zu han-                            Aufgrund des gewählten Studiendesigns war es nicht er-
deln, was aber auch als Bevormundung oder Eingriff in die                            forderlich, innerhalb einer Station eine Verblindung bezüg-
Persönlichkeitsrechte eines Erkrankten verstanden werden                             lich der angewandten Interventionen durchzuführen. Zwi-
kann oder sogar muss.                                                                schen der Interventions- und Kontrollstation wurde aber
                                                                                     striktes Stillschweigen über die vermittelten Inhalte ver-
Ziel der aktuellen Studie war es, gerade im Setting einer voll-                      einbart. Eine Verblindung bezüglich der Erhebung des pri-
stationären akutpsychiatrischen Behandlung den Prozess                               mären Endpunktes der Studie war nicht möglich, da hier-
einer partizipativen Entscheidungsfindung proaktiv anzu-                             bei eine Selbstbeurteilungsskala an die behandelten Pati-
leiten und bezüglich messbarer Effekte auf die Patienten-                            enten ausgegeben wurde. Dies war auch bei den meisten
zufriedenheit mit der Behandlung zu untersuchen. Hierzu                              sekundären Zielparametern der Fall.
wurde eine komplexe Intervention, SDMPLUS (shared deci-
sion making PLUS) [13] eingesetzt, die gezielt die beschrie-                         Studienteilnehmer
benen Hürden in der Anwendung von SDM durch Schulun-                                 Alle Patienten im Alter von 18 bis 65 Jahre, die unter der
gen von Patienten in aktiver Entscheidungsfindung sowie                              Diagnose einer Schizophrenie (ICD-10 F20.x) oder einer
Behandlungsteams in motivierenden und deeskalierenden                                schizoaffektiven Störung (ICD 10 F25.x) aufgenommen
Gesprächstechniken senkt. Die komplexe Intervention soll                             wurden, erfüllten die Einschlusskriterien, wenn es ihnen
es den Erkrankten erleichtern, eigene Präferenzen und Wün-                           möglich war, an einstündigen Schulungen absehbar teil-
sche zu identifizieren und in die Entscheidungsfindung aktiv                         zunehmen und ihr schriftliches Einverständnis zur Studi-
mit einzubringen. Auf Seiten des Behandlungsteams lag der                            enteilnahme abzugeben. Sämtlichen Patienten, die diese
Schwerpunkt auf der Motivation der Patienten und spezifi-                            Kriterien erfüllten, wurde die Studienteilnahme angebo-
schen Hilfestellungen, verfahrene Gesprächssituationen zu                            ten. Lediglich diejenigen Patienten, die an einem fortge-
einem konstruktiveren Verlauf zu wenden. Dadurch könnte                              schrittenen demenziellen Prozess litten oder sich aufgrund
auf Seiten der Erkrankten ein höheres Maß an empfundener                             geringer Sprachkenntnisse nicht aktiv an einer Entschei-
Einbeziehung in Entscheidungsprozesse der eigenen The-                               dungsfindung in deutscher Sprache beteiligen konnten,
rapie resultieren, was abgesehen von möglichen positiven                             wurden nicht berücksichtigt. Explizit wurde denjenigen
Effekten der jeweiligen Entscheidung auf den weiteren Ver-                           Patienten die Studienteilnahme angeboten, die nicht auf-
lauf der Therapie per se einen Zugewinn an Behandlungszu-                            grund ihrer freien Willensentscheidung in die stationäre
friedenheit darstellen würde [2]. Denkbar wäre ebenso eine                           Behandlung aufgenommen worden waren.
Reduktion von aggressivem Verhalten oder freiheitsentzie-
hender Maßnahmen während des Aufenthaltes, was in einer                              Intervention und Kontrollbedingung
Post-hoc-Analyse näher betrachtet wurde. Ein besonderes                              Die SDMPLUS-Intervention wurde von den Autoren konzi-
Augenmerk lag hierbei in der Gruppe derjenigen Patienten,                            piert [13], einige Bestandteile (z. B. die Schulung der Pati-
die entgegen ihrem Willen in die Klinik aufgenommen wor-                             enten) sind bereits in vorausgegangenen Studien erprobt
den waren oder bereits in der Vergangenheit aggressives                              und beschrieben worden [18]. Die komplexe Intervention
Verhalten aus Sicht der Behandler gezeigt hatten. Auch über                          SDMPLUS unterstützt Patienten und Behandlungsteams
den stationären Behandlungsrahmen hinaus wären positi-                               im wechselseitigen Initiieren und gemeinsamen Führen
ve Effekte auf das generelle Patienten-Arzt-Verhältnis, die                          von partizipativen Entscheidungsprozessen. Bestehen-
Beteiligung an der Gestaltung des weiteren Genesungspro-                             de Konzepte zur Schulung von Behandlungsteams [19]
zesses und die Verhinderung von Rückfällen denkbar und                               wurden vor allem hinsichtlich des aktiven Einbeziehens
wünschenswert [14, 15].                                                              von Patienten mit eingeschränkter oder fehlender Krank-

Heres S et al. Shared Decision Making Nervenheilkunde 2021; 40: 436–444 | © 2021. Thieme. All rights reserved.                                       437
Schwerpunkt

           heitseinsicht, aber auch Erkrankter mit eingeschränkten                 Baselinedaten
           Fähigkeiten zur gemeinsamen Entscheidungsfindung er-                    Von allen Teilnehmern wurden anamnestische (Anzahl der
           weitert. Techniken der motivationalen Gesprächsführung                  stationären Voraufenthalte, Dauer der Erkrankung etc.)
           fanden ebenso Berücksichtigung wie Interventionen aus                   und soziodemografische Daten, die Diagnose und die
           der deeskalierenden Verhandlungsführung [13].                           Einschätzung der Krankheitsschwere (CGI-S) und des glo-
                                                                                   balem Funktionsniveaus (GAF) bei Studieneinschluss er-
           Die beiden Studieninitiatoren JH und SH der TUM (Fachärz-               fasst. Ergänzend wurde die Krankheitseinsicht anhand der
           te für Psychiatrie und Psychotherapie) führten interaktive              „Birchwood Insight Scale“ [21] und die Wahrnehmung der
           Workshops mit den gesamten Behandlungsteams (Pfle-                      aktuellen stationären Einweisung mittels der „MacArthur
           gepersonal, Ärzte, Sozialpädagogen, Psychologen, Fach­                  Admission Experience Survey“ [22] beurteilt.
           therapeuten) der Interventionsstationen durch. Die beiden

                                                                                                                                                                   Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
           halbtägigen Workshops in den teilnehmenden Fachkran-                    Studienendpunkte
           kenhäusern umfassten Vorträge zum wissenschaftlichen                    Primärer Studienendpunkt
           Hintergrund, Einführungen in die unterschiedlichen Inter-               Wir definierten als primären Studienendpunkt die sub-
           ventionen, Fallbeispiele und zahlreiche Rollenspiele, um                jektiv empfundene Einbeziehung in die medikamentöse
           die Techniken einzuüben. Für das komplette ärztliche Per-               Therapieentscheidung während des stationären Aufent-
           sonal war die Teilnahme an beiden Workshops verpflich-                  haltes, gemessen durch die SDM-Q-9-Skala nach 3 Wo-
           tend und Voraussetzung für die Studiendurchführung, die                 chen (T1) im Studienverlauf (oder zum Zeitpunkt der Ent-
           anderen Berufsgruppen sollten in möglichst hohem Aus-                   lassung, falls diese vor Ablauf der 3 Wochen stattfand).
           maß vertreten sein. Die Ärzte wurden über den gesamten                  Entsprechend der Erfahrung der Forschungsgruppe Ro-
           Fortgang der Studie kontinuierlich vom Studienteam in der               denburg-Vandenbussche und Kollegen [23] mit der An-
           Umsetzung der Techniken wöchentlich durch Supervision                   wendung der SDM-Q-9-Skala interpretierten wir einen Un-
           unterstützt und fortlaufend dazu angehalten, das Erwor-                 terschied von 15 Punkten zwischen der Interventions- und
           bene in die Behandlung der Patienten fortwährend einzu-                 der Kontrollgruppe als klinisch relevant.
           bringen. Die Patienten wurden in einem Gruppentraining
           2-mal pro Woche fortlaufend geschult. Hierbei wurden                    Sekundäre Studienendpunkt (3-Wochen-­
           Rollenspiele und unterstützende Materialien, z. B. Frage-               Messzeitpunkt)
           bögen zur Vorbereitung der Visitengespräche oder Anlei-                 Den möglichen Einfluss auf die therapeutische Allianz bzw.
           tungen zur Hierarchisierung der Wünsche und Präferenzen                 das Patient-Therapeuten-Verhältnis beurteilten wird durch
           genutzt [20]. Das Programm wurde über den gesamten                      die „Helping Alliance Scale“ (Patientenversion HAS-P und
           Ablauf der Studie hinweg in allen teilnehmenden Kliniken                Therapeutenversion HAS-C) [24]. Die Patientenzufrie-
           vom Studienpersonal der TUM (unter Umständen auch in                    denheit mit der Behandlung untersuchten wir mittels der
           Gegenwart von Mitgliedern des Behandlungsteams) an-                     „Questionnaire on Patients’ Treatment Satisfaction” (ZUF8)
           geboten, und es wurde sichergestellt, dass jeder Studi-                 und das Bestehen bzw. Fortbestehen von bisher nicht aus-
           enteilnehmer mindestens 2 der angebotenen Schulungs-                    reichend adressierten Bedürfnissen in der Bewältigung der
           termine besucht hat. Die Patienten und das Personal der                 Aufgaben des täglichen Lebens anhand des „Camberwell
           Kontrollstationen wurden nicht geschult und keinerlei In-               Assessment of Need self-report questionnaire“ (CANSAS-P).
           formationen zur Studie wurden in den betreffenden Klini-                Das Ausmaß der Adhärenz mit der aktuellen medikamentö-
           ken zugänglich gemacht. Im Nachgang der Studie wurde                    sen Behandlungsstrategie bildeten wir durch die „Medicati-
           ihnen angeboten, einen kompletten Schulungszyklus zu                    on Adherence Rating Scale“ (MARS) ab [25].
           durchlaufen und die Durchführung der Patientengruppen
           kennenzulernen.                                                          Sekundäre Studienendpunkte (6- bzw.
                                                                                   ­12-Monate-Messzeitpunkt)
           Datenerhebung                                                           Im weiteren Verlauf nach Entlassung erfassten wir jeweils
           Zu 4 Zeitpunkten (Baseline; 3 Wochen nach Baseline bzw.                 das subjektive Wohlbefinden und die Lebensqualität der
           bei Entlassung, je nachdem, was zuerst eintrat; 6 und                   Patienten durch den „WHO-5 well-being index“ und die
           12 Monate nach Entlassung) wurden in gleicher Weise                     „EUROHIS-QOL“ (generic quality of life questionnaire)
           Daten der Interventions- und Kontrollgruppe erhoben. Da-                [26]. Ebenso wurde der weiter behandelnde Psychiater
           rüber hinaus wurden die retrospektiv erhobenen Daten                    nach möglichen erneuten stationären Aufnahmen des
           zu Aggression von Patientenseite und freiheitsentziehen-                Studienteilnehmers im Nachverfolgungszeitraum befragt.
           den Maßnahmen 3 Zeitfenstern zugeordnet: Präinterven-
           tionsphase (stationäre Aufnahme bis Studieneinschluss),                  Daten zu Aggressionshandlungen und
           Interventionsphase (Studieneinschluss bis zur Entlassung                ­freiheitsentziehenden Maßnahmen
           oder Zeitpunkt 3 Wochen, je nachdem, was früher ein-                    In den 3 Zeitfenstern wurden die Beschreibungen der Vor-
           trat) und Postinterventionsphase (Ende der Intervention                 kommnisse, ihre Häufigkeit und die jeweilige Dauer aus
           bis zur Entlassung, falls Patienten nicht zuvor entlassen               den Krankenakten extrahiert. Die Operationalisierung der
           worden waren).                                                          Aggressionshandlungen erfolgte über die „modified overt

438                                               Heres S et al. Shared Decision Making Nervenheilkunde 2021; 40: 436–444 | © 2021. Thieme. All rights reserved.
▶Tab. 1 Soziodemografie

                                                                                        Intervention (n = 161)          Kontrolle (n = 161)            p-Wert

    Alter in Jahren (Mittelwert, Standardabweichung)                                    42,1 (12,9)                     41,4 (13,6)                    0,61

    Frauen                                                                              84 (52 %)                       76 (47 %)                      0,37
    Hauptdiagnose                                                                       F20: 99 (61 %)                  F20: 115 (71 %)                0,21
                                                                                        F25: 52 (32 %)                  F25: 38 (24 %)
                                                                                        Andere F2x-Diagnose: 10 (6 %)   Andere F2x-Diagnose: 8 (5 %)
    Unfreiwillige stationäre Aufnahme                                                   61 (40 %)                       41 (28 %)                      0,03

                                                                                                                                                                      Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
    Bestehendes Betreuungsverhältnis                                                    94 (61 %)                       86 (58 %)                      0,31
    Dauer der Erkrankung in Jahren (Mittelwert, Standardabweichung)                     12,4 (10,3)                     13,0 (11,3)                    0,62
    Vorausgegangene stationäre Aufenthalte (Mittelwert, Standardabwei-                  6,9 (6,7)                       7,6 (7,5)                      0,39
    chung)
    CGI (Mittelwert, Standardabweichung)                                                5,3 (0,9)                       5,5 (0,8)                      0,04
    GAF (Mittelwert, Standardabweichung)                                                37,7 (13,3)                     36,1 (12,4)                    0,28
    Krankheitseinsicht (Mittelwert, Standardabweichung)                                 7,7 (2,9)                       8,0 (3,1)                      0,45
    MacArthur Admission Experience (Mittelwert, Standardabweichung)                     2,5 (2,0)                       2,1 (1,9)                      0,13

aggression scale” (MOAS), einer validierten Skala zur Er-                            nearen Regressionsmodells analysiert, entsprechend dem
fassung aggressiver Handlungen und deren Schweregrad                                 primären Zielparameter. Für den binären kategorischen se-
[27]. Die ursprüngliche Form der Skala unterscheidet 4 Ka-                           kundären Parameter (Rehospitalisierung) wurde wiederum
tegorien von Aggression – verbale Aggression, Aggression                             ein gemischtes lineares Regressionsmodell herangezogen.
gegenüber Objekten, Autoaggression und Aggression ge-                                Da alle Zielparameter des Beobachtungszeitraums nach der
genüber Dritten – und fasst diese in einem Summenwert                                Entlassung aus der stationären Behandlung statistisch nicht
zusammen. Für unsere Analyse wurde der Summenwert                                    signifikant waren, beschränken wir uns in diesem Bericht auf
in dichotomer Weise betrachtet, wobei lediglich ein Wert                             die Darstellung der wesentlichen Parameter.
gleich Null als Nichtauftreten von Aggression, alle ande-
ren Werte als Auftreten von Aggression angesehen wurde.                              Registrierung der Studie und Votum der
                                                                                     Ethikkommission
Freiheitsentziehende Maßnahmen oder Zwangsbehand-                                    Die Studie wurde durch die Ethikkommission der Medizini-
lung wurden ebenfalls dichotom erfasst, sodass jeglicher                             schen Fakultät der Technischen Universität München, Kli-
Einsatz, unabhängig von der Häufigkeit, gleichermaßen als                            nikum rechts der Isar, begutachtet. Nach dem auflagefrei-
das Kriterium erfüllend bewertet wurde. Da diesen Maß-                               en Votum wurde die Studie im Oktober 2016 begonnen.
nahmen Antragsprozesse vor-/nachgeschaltet sind, waren                               Sämtliche Befragte gaben nach ausführlicher Aufklärung
entsprechende Aufzeichnungen in den Krankenakten ver-                                ihr schriftliches Einverständnis zur Teilnahme an der Stu-
fügbar. Darüber hinaus wurde das Vorliegen einer gesetzli-                           die, die beim Deutschen Register Klinischer Studien ange-
chen Betreuung, die Einweisung entgegen den Willen des                               meldet wurde (Registrierungsnummer DRKS00010880).
Patienten und der Zeitpunkt des ersten unbegleiteten Aus-
gangs von Station nach Aufnahme erfasst.
                                                                                     Ergebnisse
Statistische Analyse                                                                 Von Oktober 2016 bis März 2018 wurden insgesamt
Der primäre Zielparameter der dargestellten Studie war der                           322 Patienten in die Studie eingeschlossen.
Vergleich des Mittelwertes der SDM-Q-9-Skala zum Zeit-
punkt Woche 3 (bzw. bei Entlassung, je nachdem, was zu-                              Daten bei Studieneinschluss
erst aufgetreten war] zwischen der Interventions- und der                            Die Teilnehmer waren überwiegend weiblich, im Mittel
Kontrollgruppe. Um den Effekt der Intervention auf den                               circa 42 Jahre alt und litten zumeist an einer Schizophre-
kontinuierlichen primären Endpunkt abzuschätzen, ver-                                nie. Die bisherige Krankheitsdauer lag bei durchschnittlich
wendeten wir ein gemischtes lineares Regressionsmodell                               13 Jahren und beinhaltete im Mittel 7 stationäre Aufent-
mit der Clusterzuteilung als zufälliger und der Interventi-                          halte vor der aktuellen Aufnahme. Die Krankheitsschwere
onszuweisung als fixer Größe, bei dem ein Signifikanzlevel                           wurde anhand des CGI-S mit „deutlich erkrankt“ beschrie-
von α = 5 % angenommen wurde. Der Einfluss der Interven-                             ben, das globale Funktionsniveau erreichte im Mittel einen
tion auf die sekundären Zielparameter wurde anhand von                               Wert von 37 (von 100) auf der GAF-Skala (▶ Tab. 1). Von
exploratorischen Analysen beschrieben. Die kontinuierli-                             den Studienteilnehmern wurden 103 Patienten (32 %) ent-
chen sekundären Zielparameter wurden anhand eines li-                                gegen ihrem Willen in die Klinik eingewiesen. Bei 111 Pati-

Heres S et al. Shared Decision Making Nervenheilkunde 2021; 40: 436–444 | © 2021. Thieme. All rights reserved.                                                  439
Schwerpunkt

                          Mögliche Rekruerungseinheiten: 12 Cluster = 6 Paare vergleichbarer geschützter Staonen

                                                                                           Davon ausgeschlossen: keine

                                                    Randomisierte Rekruerungseinheiten:

                                                                                                                                                                    Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
                                            12 Cluster = 6 Paare vergleichbarer geschützter Staonen

                       Der Intervenon zugeordnet:                                        Der Kontrolle zugeordnet:
                       6 Cluster (Staonen), Intervenon wurde                            6 Clusters (Staonen), treatment as usual
                       von allen komple absolviert                                       (TAU) wurde aufrecht erhalten
                       Milere Clustergröße 27 Paenten                                   Milere Clustergröße 27 Paenten
                       (min/max: 22/31)                                                   (min/max: 22/30)
                       Paenten im Screening: 495                                         Paenten im Screening: 376
                       Anzahl der ausgeschlossenen Paenten:                              Anzahl der ausgeschlossenen Paenten:
                            Ausschlusskriterium: 128                                          Ausschlusskriterium: 85
                            Keine Zusmmung: 206                                              Keine Zusmmung: 130
                       Paenten rekruert: 161                                            Paenten rekruert: 161

                       „Lost to follow up“                                                 „Lost to follow up“
                       bis zum primären Studienendpunkt:                                   bis zum primären Studienendpunkt:
                       Kein Cluster vorzeig verloren                                      Kein Cluster vorzeig verloren
                       32 Paenten aufgrund vorzeiger                                     31 Paenten aufgrund vorzeiger
                       Entlassung ohne Messung verloren                                    Entlassung ohne Messung verloren

                       Stassch analysierte Fälle:                                        Stassch analysierte Fälle:
                       Die Daten aller Cluster wurden analysiert,                          Die Daten aller Cluster wurden analysiert,
                       primäre Endpunktanalyse bei                                         primäre Endpunktanalyse bei
                       129 Paenten möglich                                                130 Paenten möglich

                ▶Abb. 1 Rekrutierungsübersicht (CONSORT-Diagramm)

           enten fanden wir mindestens eine dokumentierte Aggres-                   sen Therapie klinisch und statistisch signifikant (p = 0,002)
           sionshandlung über den gesamten stationären Aufenthalt                   mehr einbezogen als diejenigen der Kontrollgruppe. Dies
           hinweg. Freiheitsentziehende Maßnahmen ließen sich bei                   konnte durch einen mittleren Unterschied von 16,5 Punk-
           76 Teilnehmern den Krankenakten entnehmen und bei                        ten in der SMD-Q-9-Skala gezeigt werden.
           31 Patienten fand eine medikamentöse Zwangsbehand-
           lung statt. Wie man der Darstellung des zeitlichen Verlaufs              SDMPLUS zeigte keinen nachweisbaren Effekt auf das Auf-
           in ▶Abb. 1 entnehmen kann, datieren die meisten Aggres-                  treten von Aggressionshandlungen oder freiheitsentziehen-
           sionshandlungen und freiheitsentziehenden Maßnahmen                      den Maßnahmen während der Interventionsphase. Auch
           auf die ersten Tage nach der stationären Aufnahme und                    bei Patienten, die nach der Intervention weiter in der Kli-
           somit in die Präinterventionsphase der Studie.                           nik behandelt wurden, konnte in der Postinterventionspha-
                                                                                    se kein Effekt gezeigt werden. Ebenso ergab sich kein Hin-
           Primärer Zielparameter                                                   weis auf einen Unterschied zwischen den Behandlungsgrup-
           Die Teilnehmer in der Interventionsgruppe fühlte sich in                 pen auf die Latenz bis zum ersten Alleinausgang von Station
           die Entscheidungsprozesse bezüglich der medikamentö-                     [28]. Hinsichtlich des primären Studienendpunktes konn-

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ten unter dem Aspekt der Aggressionshandlungen fand sich                             serte sich die therapeutische Beziehung zu den Ärzten , die
ein marginal signifikanter Unterschied in der SDM-Q-9-Ska-                           Zufriedenheit mit der Therapie und (selbst eingeschätzte)
la bei Patienten, die entgegen ihrem Willen in die Behand-                           Adhärenz mit der vereinbarten medikamentösen Behand-
lung aufgenommen wurden versus derjenigen, die freiwillig                            lungsstrategie. Im anschließenden Nachbeobachtungszeit-
in die Klinik gekommen waren (26,1 vs. 12,4; t-test = 1,988,                         raum zeigten sich über ein Jahr hinweg jedoch keine Effek-
df = 228, p = 0,048). Diese Subgruppenanalyse legt nahe,                             te auf Wiederaufnahmeraten, die berichtete Adhärenz oder
dass der Effekt der SDMPLUS-Intervention auf die subjektiv                           die Lebensqualität der Teilnehmer. Auch konnten wir keinen
erlebte Einbeziehung in Therapieentscheidungen bei un-                               Effekt auf das Auftreten von aggressivem Verhalten oder
freiwilliger Aufnahme messbar bleibt, oder in dieser Grup-                           freiheitsentziehenden Maßnahmen während des stationä-
pe vielleicht sogar stärker ausgeprägt sein könnte.                                  ren Aufenthaltes feststellen. Interessanter Weise prädizierte
                                                                                     aber das Auftreten von Aggressionshandlungen und/oder

                                                                                                                                                           Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
Sekundäre Zielparameter                                                              freiheitsentziehender Maßnahmen nicht das Ausmaß des
Auch hinsichtlich der Beurteilung des therapeutischen Ver-                           Effekts der Intervention, schienen diese also, zumindest in
hältnisses, der Zufriedenheit mit der Behandlung und der                             unserer Analyse, nicht zu beeinträchtigen. Auch profitierten
Selbstbeurteilung der Adhärenz mit der gewählten medi-                               Patienten, die unfreiwillig in die Klinik gekommen waren,
kamentösen Behandlungsstrategie zeigten die Patienten                                mindestens im selben Ausmaß von der Intervention wie Pa-
in der Interventionsgruppe am Beobachtungszeitpunkt T1                               tienten, die freiwillig aufgenommen worden waren.
(3 Wochen nach Studieneinschluss bzw. zum Zeitpunkt der
Entlassung, je nachdem, was zuerst eingetreten war) höhe-                            Stärken und Schwächen der Studie
re Werte als diejenigen der Kontrollgruppe, was für alle 3                           Während des Ablaufs der Studie wurden die Teilnehmer
Parameter ein besseres Ergebnis darstellt[29]. Im Gegen-                             konsekutiv rekrutiert, um einen Selektionsbias zu verhin-
satz hierzu konnten wir keine statistisch signifikanten Un-                          dern. Gleichzeitig konnten sich aber weniger Patienten auf
terschiede in der Dauer des stationären Aufenthaltes, der                            den Interventionsstationen, denen die Studienteilnahme
Krankheitsschwere, dem globalen Funktionsniveau oder                                 vorgeschlagen wurde, zur Teilnahme entschließen. Dies
den Berichten zu den nicht ausreichend adressierten Be-                              könnte einen Einfluss auf die Ausgewogenheit des Rekru-
dürfnissen in der Bewältigung der Aufgaben des täglichen                             tierungsprozesses zwischen der Interventions- und der
Lebens am Beobachtungszeitpunkt T1 finden [29].                                      Kontrollgruppe gehabt haben. Entsprechend beobachte-
                                                                                     ten wir beispielsweise eine höhere Rate von unfreiwilligen
Langfristige sekundäre Zielparameter                                                 stationären Aufnahmen in der Interventionsgruppe. Dies
Während des insgesamt 12-monatigen Nachbeobach-                                      sollte jedoch in überschaubarem Ausmaß zum Tragen ge-
tungsintervalls zeigten sich keine Unterschiede zwischen                             kommen sein, da die Ergebnisse der Gruppenunterschiede
den Gruppen bezüglich der Einschätzung der Adhärenz,                                 sowohl im primären als auch in den sekundären Zielpara-
der berichteten Lebensqualität und der Anzahl der statio-                            metern unter Berücksichtigung der Baseline-Unterschie-
när-psychiatrischen Aufnahmen.                                                       de unverändert blieben.

                                                                                     Obwohl wir in wöchentlichen Kontakten mit den Interventi-
Diskussion
                                                                                     onsstationen versuchten, die vermittelten Inhalte zu vertie-
Bisher haben mehrere Studien untersucht, wie man die                                 fen und deren Anwendung in der Therapie der dort behan-
partizipative Entscheidungsfindung in der Psychiatrie bes-                           delten Patienten zu unterstützen, konnten wir das Ausmaß
ser zur Anwendung bringen könnte. Es zeigten sich aber                               der tatsächlichen Umsetzung letztlich methodisch nicht
höchstens mäßige Effekte, außerdem wurden nur selten                                 standardisieren und müssen von einer gewissen Varianz in
akut Erkrankte oder Patienten, die entgegen ihrem Willen                             der Umsetzung der komplexen Intervention rechnen. Das
in die stationäre Behandlung gekommen waren in die Stu-                              ärztliche Personal konnte im Rahmen der Schulungen voll-
dien mit einbezogen [5].                                                             ständig erfasst werden, die Einbindung der anderen Berufs-
                                                                                     gruppen erreichte in den unterschiedlichen Kliniken jedoch
In dieser Studie kam erstmals eine komplexe Intervention                             lediglich 10–50 % der potenziell schulbaren Mitarbeiter. Dies
zum Einsatz, in der gleichzeitig sowohl Patienten in ihren                           kann in multiprofessionell arbeitenden Behandlungsteams
Bemühungen, an der partizipativen Entscheidungsfindung                               ebenfalls einen limitierenden Faktor in der ganzheitlichen
mitzuwirken als auch komplette Behandlungsteams in der                               Umsetzung der Schulungsinhalte darstellen.
deren Engagement, Erkrankten an Entscheidungsprozes-
sen proaktiv teilhaben zu lassen, unterstützt wurden. Die                            Diskussion der Ergebnisse
Untersuchung wurde im akutpsychiatrischen Setting unter                              Vorrangiges Ziel des SDMPLUS Ansatzes ist die Unterstüt-
Einbeziehung auch gegen ihren Willen aufgenommener                                   zung der tatsächlichen Umsetzungen von partizipativen
Patienten durchgeführt. Durch die komplexe Intervention                              Entscheidungsprozessen in der Akutpsychiatrie im klini-
konnte die von Patienten erlebte Einbeziehung in die Ent-                            schen Alltag. Gerade diejenigen Patienten, die schwer er-
scheidungsprozesse während eines stationären Aufenthal-                              krankt sind, eine geringe oder nicht gegebene Krankheits-
tes klinisch signifikant gesteigert werden, ebenso verbes-                           einsicht mit in die Behandlung bringen oder sogar entge-

Heres S et al. Shared Decision Making Nervenheilkunde 2021; 40: 436–444 | © 2021. Thieme. All rights reserved.                                       441
Schwerpunkt

           gen ihrem eigenen Willen stationär aufgenommen worden                   Hinsichtlich des Auftretens von Aggressionshandlungen
           sind, und große Schwierigkeiten in der Mitgestaltung ihrer              oder freiheitsentziehenden Maßnahmen konnte durch
           eigenen Therapie haben, sollen von dieser komplexen In-                 unsere Intervention kein Effekt nachgewiesen werden.
           tervention profitieren können. Denn gerade diesen Pati-                 Wir können jedoch nicht ausschließen, dass dies vor allem
           enten wird oft die Teilnahme am gemeinsamen Entschei-                   auch methodische Gründe hat. Die meisten derartigen
           dungsprozess per se nicht angeboten oder von den The-                   Handlungen oder Maßnahmen fanden direkt nach Auf-
           rapeuten nicht zugetraut [11]. Die Studie sollte zeigen,                nahme, also in der Präinterventionsphase statt. Eventu-
           dass die Anwendung von SDMPLUS-Techniken bei genau                      ell setzte also die Intervention im zeitlichen Verlauf des
           dieser Patientengruppe ein höheres Maß an erlebter Ein-                 stationären Aufenthaltes zu spät ein, um einen Effekt auf
           beziehung in Entscheidungsprozesse während eines sta-                   die Vorkommnisse haben zu können. Während der Inter-
           tionären Aufenthaltes bewirken kann. Man kann nun ge-                   ventionsphase und in der Postinterventionsphase war die

                                                                                                                                                                   Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
           teilter Meinung sein, ob die bloße Einbeziehung zu einer                Inzidenz dieser Vorkommnisse per se sowohl in der Kon-
           tatsächlichen Verbesserung der therapeutischen Behand-                  troll- als auch in der Interventionsgruppe sehr gering,
           lungsergebnisse in klinischer oder gar ökonomischer Hin-                was den Nachweis eines möglicherweise existierenden
           sicht führen kann, dennoch sehen wir 2 klar hervorzuhe-                 Effekts methodisch erschwert („floor effect“). Darüber
           bende Vorteile unseres Ansatzes:                                        hinaus war von Interesse, ob sozusagen in einem Umkehr-
                                                                                   schluss solche Vorkommnisse den Effekt der Interventi-
           Generell haben Klienten und Patienten den nachvollzieh-                 on minimieren oder komplett aufheben. Diese Annah-
           baren und gerechtfertigten Anspruch an das Gesundheits-                 me wird durch Aussagen von Patienten, dass das Erleben
           system, so auch an das psychiatrische Versorgungssys-                   von „Ohnmacht“ und „Ausgeliefersein“ (z. B. im Rahmen
           tem, ihre Autonomie und ihre Würde bestmöglich wäh-                     einer mechanischen Beschränkung oder Zwangsbehand-
           rend einer Konsultation oder Therapie gewahrt zu sehen                  lung) zu einer geringeren Beteiligung in Entscheidungs-
           [30]. SDMPLUS unterstützt diesen Wunsch. Des Weiteren                   prozessen führt [23], oder die Ausübung von Zwang ge-
           unterstreichen unsere Studienergebnisse, dass Patienten                 nerell die therapeutische Allianz stört [24], untermauert.
           trotz schwerer psychischer Erkrankung an einer partizi-                 Diesen Effekt konnten wir in unsere Studie nicht erken-
           pativen Entscheidungsfindung teilhaben können. Weder                    nen. Somit kann man daraus den Schluss ziehen, dass es
           aktuelle Symptome noch Krankheitseinsicht des Patien-                   für eine gemeinsame Entscheidungsfindung quasi „nie
           ten sollten Therapeuten davon abhalten, die Autonomie                   zu spät“ ist.
           der Behandelten in Entscheidungsprozessen maximal zu
           wahren. Die Forschungsergebnisse von Kollegen [31], die
                                                                                       FA ZIT F Ü R DI E KL I N I SCH E PR A XI S
           im Einklang mit unseren aktuellen Erkenntnissen stehen,
           zeigen, dass dies trotz aller Vorbehalte der Therapeuten                    Der Einsatz der komplexen Intervention SDMPLUS
           möglich ist. Abgesehen davon besteht selbstredend und                       zeigt, dass die Teilhabe an Entscheidungsprozessen
           allgemein anerkannt die ethische Verpflichtung, die Pati-                   auch schwer psychisch Erkrankten, die auf geschütz-
           entenautonomie und die Bedürfnisse der Erkrankten zu re-                    ten Stationen und möglicherweise entgegen ihrem
           spektieren und deren Erfüllung zu unterstützen.                             Willen behandelt werden, möglich ist. Die Adapta-
                                                                                       tion bestehender Modelle, beispielsweise der moti-
           Unsere Studie konnte darüber hinaus zeigen, dass die Zu-                    vierenden Gesprächsführung und deeskalierender
           friedenheit mit der stationären Behandlung, das therapeu-                   Interaktionstechniken, konnte den bisher konzipier-
           tische Verhältnis und die erlebte Adhärenz mit der medi-                    ten, klassischen Shared-Decision-Making(SDM)-An-
           kamentösen Therapiestrategie durch SDMPLUS positiv be-                      satz erweitern und die Anpassung auf die Bedürf-
           einflusst werden können. Dies fügt sich in den Kontext von                  nisse dieser Patientengruppe weiter optimieren
           beschriebenen Beobachtungen von Giacco und Kollegen                         helfen. Gepaart mit fortlaufenden unterstützenden
           ein, die durch intensivierte individuelle Behandlungspla-                   Schulungen der Patienten in der aktiven Teilnahme
           nung bei unfreiwillig stationär Behandelten eine Verbes-                    an Entscheidungsprozessen entsteht erstmals eine
           serung mehrerer weiterer Therapieziele abseits der Einbe-                   mehrdimensionale Empowerment-Strategie, die
           ziehung in Entscheidungsprozesse erreichen konnten [32].                    tatsächlich das Ausmaß der empfundenen Einbezie-
           In dieser Interventionsstudie waren die erzielten Effekte                   hung in Entscheidungsprozesse, die Zufriedenheit
           sogar über den Entlassungszeitpunkt hinaus weiter nach-                     mit der Behandlung, das therapeutische Verhältnis
           weisbar, was in unserer aktuellen Studie bedauernswerter                    und die Adhärenz gegenüber der vereinbarten medi-
           Weise nicht gezeigt werden konnte. Möglicherweise wäre                      kamentösen Behandlungsstrategie verbessern kann.
           ein nachhaltigerer Effekt zu erzielen gewesen, hätte man                    Diese positiven Effekte scheinen jedoch nach Verlas-
           die Therapeuten, die sich um die Fortführung der Behand-                    sen der Klinik nicht weiter messbar fortzubestehen.
           lung Patienten nach der Entlassung gekümmert haben,                         Daher wäre eine behandlungssektorübergreifende
           ebenso in der SDMPLUS-Intervention geschult, und letzt-                     Strategie in künftigen Studien hinsichtlich einer
           lich auch die Schulungsangebote für die Patienten, bei-                     nachhaltigeren Verbesserung empfehlenswert.
           spielsweise über elektronische Formate, fortgeführt.

442                                               Heres S et al. Shared Decision Making Nervenheilkunde 2021; 40: 436–444 | © 2021. Thieme. All rights reserved.
Interessenkonflikt                                                                         perceptions. Patient education and counseling 2008; 73(3):
                                                                                           526–35
                                                                                     [8]   Hamann J, Maris N, Iosifidou P, et al. Effects of a question
      Erklärung zu finanziellen Interessen
                                                                                           prompt sheet on active patient behaviour: a randomized
      Forschungsförderung erhalten: ja; Honorar/geldwerten                                 controlled trial with depressed outpatients. The Internatio-
      Vorteil für Referententätigkeit erhalten: ja; Bezahlter                              nal journal of social psychiatry 2014; 60(3): 227–35
      Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: ja;
                                                                                     [9]   Hamann J, Langer B, Winkler V, et al. Shared decision making
      Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner,
                                                                                           for in-patients with schizophrenia. Acta psychiatrica Scandi-
      Kinder) an Firma (Nicht-Sponsor der Veranstaltung): nein;
                                                                                           navica 2006; 114(4): 265–73
      Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner,
      Kinder) an Firma (Sponsor der Veranstaltung): nein.                            [10] Hamann J, Kohl S, McCabe R, et al. What can patients do
                                                                                          to facilitate shared decision making? A qualitative study of
      Erklärung zu nicht finanziellen Interessen
                                                                                          patients with depression or schizophrenia and psychiatrists.

                                                                                                                                                                  Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
      Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.                         Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol 2016; 51(4): 617–25
                                                                                     [11] Hamann J, Mendel R, Cohen R, et al. Psychiatrists’ use of
                                                                                          shared decision making in the treatment of schizophrenia:
                                                                                          patient characteristics and decision topics. Psychiatric ser-
 Beratende Ethikkommission und                                                            vices 2009; 60(8): 1107–12
­Studienregistrierung                                                                [12] Seale C, Chaplin R, Lelliott P, et al. Sharing decisions in
                                                                                          consultations involving anti-psychotic medication: a qualita-
                                                                                          tive study of psychiatrists’ experiences. Social science & me-
      Die Studie wurde von der Ethikkommission der Medizini-
                                                                                          dicine 2006; 62(11): 2861–73
      schen Fakultät der Technischen Universität München
      beurteilt, alle Patienten gaben ihr schriftliches Einverständ-                 [13] Hamann J, Heres S. Adapting Shared Decision Making for
      nis zur Studienteilnahme. Die Studie ist im Deutschen                               Individuals With Severe Mental Illness. Psychiatric services
      Register Klinischer Studien aufgeführt (DRKS00010880).                              2014; 65(12): 1483–6
                                                                                     [14] Priebe S, Richardson M, Cooney M, et al. Does the
                                                                                          therapeutic relationship predict outcomes of psychiatric
                                                                                          treatment in patients with psychosis? A systematic review.
Korrespondenzadresse                                                                      Psychotherapy and psychosomatics 2011; 80(2): 70–7
                                                                                     [15] Zolnierek KB, Dimatteo MR. Physician communication and
                                                                                          patient adherence to treatment: a meta-analysis. Medical
      Prof. Dr. med. Stephan Heres
                                                                                          care 2009; 47(8): 826–34
      kbo-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Nord
      Schwabing der kbo-Tagesklinik und Institutsambulanz Nord                       [16] Hamann J, Holzhuter F, Stecher L, et al. Shared decision
      Schwabing, Kölner Platz 1, Haus 7                                                   making PLUS – a cluster-randomized trial with inpatients
      80804 München, Deutschland                                                          suffering from schizophrenia (SDM-PLUS). BMC Psychiatry
      Tel. 089/412006158                                                                  2017; 17(1): 78
      stephan.heres@kbo.de                                                           [17] Craig P, Dieppe P, Macintyre S, et al. Developing and
                                                                                          evaluating complex interventions: the new Medical Research
                                                                                          Council guidance. BMJ 2008; 337: a1655
Literatur                                                                            [18] Hamann J, Parchmann A, Sassenberg N, et al. Training
                                                                                          patients with schizophrenia to share decisions with their
                                                                                          psychiatrists: a randomized-controlled trial. Soc Psychiatry
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                                                                                          Psychiatr Epidemiol 2017; 52(2): 175–82
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                                                                                          shared decision making: multistage consultation process.
[2]   Drake RE, Deegan PE. Shared decision making is an ethical
                                                                                          BMJ2017; 359: j4891
      imperative. Psychiatric services 2009; 60(8): 1007
                                                                                     [20] Hamann J, Mendel R, Meier A, et al. “How to speak to your
[3]   Hamann J, Mendel RT, Fink B, et al. Patients’ and psychiat-
                                                                                          psychiatrist”: shared decision-making training for inpati-
      rists’ perceptions of clinical decisions during schizophrenia
                                                                                          ents with schizophrenia. Psychiatric services 2011; 62(10):
      treatment. J Nerv Ment Dis 2008; 196(4): 329–32
                                                                                          1218–21
[4]   McCabe R, Khanom H, Bailey P, et al. Shared decision-ma-
                                                                                     [21] Birchwood M, Smith J, Drury V, et al. A self-report Insight
      king in ongoing outpatient psychiatric treatment. Patient
                                                                                          Scale for psychosis: reliability, validity and sensitivity to
      education and counseling 2013; 91(3): 326–8
                                                                                          change. Acta psychiatrica Scandinavica 1994; 89(1): 62–7
[5]   Giacco D, Mavromara L, Gamblen J, et al. Shared decisi-
                                                                                     [22] O’Donoghue B, Roche E, Ranieri V, et al. Service users’
      on-making with involuntary hospital patients: a qualitative
                                                                                          perceptions about their hospital admission elicited by
      study of barriers and facilitators. BJPsych Open 2018; 4(3):
                                                                                          service user-researchers or by clinicians. Psychiatric services
      113–8
                                                                                          2013; 64(5): 416–22
[6]   Hamann J, Kohl S, McCabe R, et al. What can patients do
                                                                                     [23] Rodenburg-Vandenbussche S, Pieterse AH, Kroonenberg
      to facilitate shared decision making? A qualitative study of
                                                                                          PM, et al. Dutch Translation and Psychometric Testing of the
      patients with depression or schizophrenia and psychiatrists.
                                                                                          9-Item Shared Decision Making Questionnaire (SDM-Q-9)
      Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol 2016; 51(4): 617–25
                                                                                          and Shared Decision Making Questionnaire-Physician Versi-
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      update of a systematic review of health professionals’

Heres S et al. Shared Decision Making Nervenheilkunde 2021; 40: 436–444 | © 2021. Thieme. All rights reserved.                                              443
Schwerpunkt

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                                                                                          Bibliografie
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                                                                                          © 2021. Thieme. All rights reserved.
                domized trial with inpatients suffering from schizophrenia
                                                                                          Georg Thieme Verlag KG, Rüdigerstraße 14,
                (SDM-PLUS). Epidemiol Psychiatr Sci 2020; 29: e137
                                                                                          70469 Stuttgart, Germany

444                                                      Heres S et al. Shared Decision Making Nervenheilkunde 2021; 40: 436–444 | © 2021. Thieme. All rights reserved.
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                       der Fragen!
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        VNR 2760512021160211169

                                                                                                                                           Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
Frage 1                                                                    Frage 4
Mit dem Begriff „shared decision making“ (SDM) beschreibt man …            SDMPLUS-Training umfasst …
A die gemeinsame Entscheidung von Patient und Angehörigen                  A Workshops für Angehörige von psychisch Erkrankten.
  im Rahmen eines professionell angeleiteten Gespräches.                   B virtuelle Informationsangebote für Angehörige von psychisch
B die gemeinsame Entscheidung mehrerer medizinischer Fach-                   Erkrankten.
  disziplinen in Form eines multidisziplinären Boards.                     C eModule mit Entscheidungsalgorithmen in der Antipsychoti-
C die gemeinsame Entscheidung von gesetzlichem Betreu-                       katherapie.
  er und Vertretern des Behandlungsteam nach festgelegten                  D einen circa einjährigen Fachkurs.
  Checklisten.                                                             E Patiententraining in Kommunikationstechniken sowie paralle-
D die gemeinsame Entscheidung von Patient und Behandler                      le Workshops für Behandlungsteams in den SDMPLUS-Techni-
  nach beiderseitigem Austausch von Informationen zum Ent-                   ken (double empowerment strategy).
  scheidungsgegenstand.
E die Entscheidung des Patienten nach Durchsicht von virtuell              Frage 5
  aufbereiteten evidenzbasierten Informationsmaterialien.                  In der beschriebenen SDMPLUS-Studie wurden Patienten …
                                                                           A im ambulanten Behandlungssetting untersucht.
Frage 2                                                                    B mit einer schweren Depression eingeschlossen.
Das Konzept des SDM …                                                      C im tagklinischen Behandlungssetting einbezogen.
A wird von Patienten weitestgehend abgelehnt.                              D im Rahmen eines akutpsychiatrischen vollstationären Aufent-
B wird von Psychiatern zu nahezu 95 % in allen Entscheidungs­                haltes in einem geschützten Setting um ihre Teilnahme gebe-
  situationen angewandt.                                                     ten.
C ist in vielen Bereichen der Psychiatrie zwar allseits gewünscht,         E mit der Grunderkrankung einer Schizophrenie ohne Einwil-
  wird aber wenig angewandt.                                                 ligung aufgrund der nicht gegebenen Einwilligungsfähigkeit
D kann im psychiatrischen Setting aufgrund der eingeschränk-                 in der Akutphase der Erkrankung mit Zustimmung der Ethik-
  ten Krankheitseinsicht der Patienten, die an Schizophrenie lei-            kommission erstmals rekrutiert.
  den, kategorisch nicht angewandt werden.
E kann nur in Notfallsituationen angewandt werden.                         Frage 6
                                                                           An der Studie nahmen …
Frage 3                                                                    A Patienten aus Kliniken in insgesamt 7 europäischen Ländern
SDMPLUS wiederum …                                                           teil.
A führt zu besseren Ergebnissen als klassisches SDM in allen kli-          B Angehörige aus dem Landkreis München teil.
  nischen Settings.                                                        C Patienten und deren Angehörige aus den deutschsprachigen
B ersetzt das klassische SDM komplett und sollte ausschließlich              Ländern der EU teil.
  Anwendung finden.                                                        D Patienten und Behandlungsteams von 12 Akutstationen aus
C verwendet z. B. Techniken der motivationalen Gesprächsfüh-                 5 Kliniken teil.
  rung (motivational interviewing).                                        E ausschließlich Trialoggruppen aus Angehörigen, Patienten
D ist bisher nur theoretisch verfügbar, aber wurde noch nie in               und einem Arzt teil.
  einer Studie untersucht.
E existiert nur für andere Fachbereiche, aber nicht in der Psychi­
  atrie.

Nervenheilkunde 2021; 40: 445–446 | © 2021. Thieme. All rights reserved.                                                            445
CME-Fortbildung

      Punkte sammeln auf CME.thieme.de
      Fortsetzung …

Frage 7                                                              Frage 9
Die Randomisierung der Studie erfolgte …                             Das Messinstrument für den primären Endpunkt der Studie war
A doppelblind und placebokontrolliert.                               die …

                                                                                                                                                           Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
B im Matching-Verfahren.                                             A   PANSS-Skala.
C durch ein Mirror-Image-Verfahren.                                  B   CGI-S-Skala.
D in Form einer Einzelrandomisierung jedes teilnehmenden Pa-         C   MARS-Skala.
  tienten.                                                           D   PSP-Skala.
E als Cluster-Randomisierung, d. h. die Stationen wurden ein-        E   SDM-Q-9-Skala.
  malig randomisiert, nicht aber die Teilnehmer selbst.
                                                                     Frage 10
Frage 8                                                              Die Intervention wirkte sich …
Die Ergebnisse der SDMPLUS-Studie zeigten zugunsten der Inter-       A auf Patienten, die entgegen ihrem Willen in die stationäre Be-
vention …                                                              handlung aufgenommen worden waren, hinsichtlich der er-
A eine statistisch signifikant erhöhte subjektiv erlebte Einbezie-     lebten Einbeziehung in Entscheidungsprozesse in etwa ver-
  hung der Teilnehmer in Entscheidungsprozesse.                        gleichbar aus wie auf die freiwillig stationär aufgenommenen
B deutlich niedrigere Rehospitalisierungsraten in der Postinter-       Teilnehmer.
  ventionsphase.                                                     B auf Patienten, die dokumentierte Aggressionshandlungen
C eine Verdoppelung der Compliance mit der verordneten                 aufwiesen, besonders effektiv aus.
  ­Medikationseinnahme nach Entlassung aus der stationären           C auf Patienten, die Zwangsbehandlungen in der Präinterventi-
   Behandlung.                                                         onsphase erlebt hatten, in besonders hohem Maße aus.
D eine messbare Zunahme der therapeutischen Allianz bis zum          D bei allen Patienten mit einer Verkürzung der Dauer bis zum
   Endpunkt der Nachbeobachtung nach 12 Monaten.                       ersten Alleinausgang von der geschützten Station aus.
E eine Zunahme der Diskussionsdauer der Entscheidungsfin-            E vor allem in der Postinterventionsphase bei Patienten mit do-
   dungsprozesse während des stationären Aufenthaltes um               kumentierten freiheitsentziehenden Maßnahmen in Form
   circa 30 %.                                                         einer signifikant erhöhten therapeutischen Allianz aus.

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