Sieben Thesen zur Jugendsynode 2018 Offener Brief aus der Katholischen Hochschulgemeinde Edith Stein Freiburg gemeinsam mit der Fachstelle Junge ...
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Sieben Thesen zur Jugendsynode 2018 Offener Brief aus der Katholischen Hochschulgemeinde Edith Stein Freiburg gemeinsam mit der Fachstelle Junge Erwachsene der Erzdiözese Freiburg zur Bischofssynode unter dem Thema „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“ (03. bis 28.10.2018) und zur Vorsynode (19. bis 24.03.2018) 1
Liebe XX anlässlich der Jugendsynode 2018 in Rom möchten wir als junge Erwachsene aus Deutschland gerne einige Themen ansprechen, die unseren Alltag, unsere Lebenswelt und unser Verhältnis zur katholischen Kirche bestimmen und für die wir im offiziellen Fragebogen zur Synode leider keinen Platz gefunden haben. Bei einem Diskussionsabend im Januar 2018 haben wir Ideen und Vorschläge im Hinblick auf die Synode gesammelt, die wir in einigen Thesen zusammengefasst haben, und nun weitergeben möchten. Unser Wunsch ist, dass auch unsere kritischen Einwände als konstruktiv und vor allem loyal gegenüber der Kirche verstanden werden. Wir haben uns die Mühe gemacht, diese Petition zu erstellen und zu verbreiten, weil es uns am Herzen liegt, dass der Glaube an Jesus Christus und die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche weiterhin eine wichtige Rolle im Leben vieler junger Menschen spielen können und in den kommenden Generationen nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Wir sind davon überzeugt, dass die katholische Kirche sich möglichst bald und in vielen Bereichen sehr stark verändern und weiterentwickeln muss, um den Kontakt zur Generation der heutigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht vollständig zu verlieren. Als Gemeinschaft, die sich auf einen Gott beruft, der Mensch geworden ist, sollten wir selbst Mut zur Menschlichkeit aufbringen – das heißt unserer Meinung nach: keine falsche Scheu zu haben vor notwendigen Neuanfängen und Richtungsänderungen. Im Folgenden greifen wir jene sieben Thesen auf, die unsere Diskussionen dominiert haben. Wir hoffen, dass Sie Zeit finden, um sich mit ihnen zu beschäftigen, und sie Ihnen ein wenig Inspiration und Ermutigung für den synodalen Prozess geben können! Wir wünschen Ihnen einen produktive, fröhliche und gesegnete Synode! Herzliche Grüße 2
I. Wir glauben, dass wir dazu berufen sind Verantwortung zu übernehmen und selbst entscheiden können, welchen Weg wir dafür wählen. Spricht die Kirche von Berufungen, dann fallen oft die gleichen drei Lebenskonzepte: Priester, Orden oder die Ehe von Mann und Frau. Wir sind davon überzeugt, dass auch außerhalb dieser drei Konzepte ein gutes Leben möglich ist. Dabei denken wir beispielsweise an Singles, nicht- verheiratete Paare, Menschen in gleichgeschlechtlichen Ehen. Wir sind der Meinung, dass es bei der Berufung im Wesentlichen darauf ankommt, wie wir diese leben und weniger welche wir als die unsere wählen. Zu jeder Berufung gehört die Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln und die Menschen, mit denen wir unser Leben teilen. Dabei sind wir eine Generation, der sehr viele Möglichkeiten offenstehen, so dass es uns manchmal schwer fällt, uns überhaupt für eine Beziehung, ein Studium, einen Beruf, einen Lebensort zu entscheiden. Oftmals gibt es sowieso gar nicht mehr die eine Lebensentscheidung, sondern wir müssen uns immer wieder neu entscheiden und flexibel sein. Von der Kirche wünschen wir uns, dass sie uns in unseren Entscheidungsprozessen unterstützt und gleichzeitig Vertrauen in unsere Entscheidungskompetenz hat. Weil wir der Überzeugung sind, dass wir Verantwortung übernehmen können, wünschen wir uns auch, mehr an den kirchlichen Prozessen teilnehmen zu dürfen, damit nicht mehr nur über unsere Köpfe hinweg entschieden wird. Zur Freiheit der eigenen Berufung nachgehen zu können, gehört für uns auch, dass Frauen sich für ein Weiheamt und Priester sich für ein Leben ohne Zölibat entscheiden können dürfen. II. Habt Vertrauen in unser Verantwortungsbewusstsein – auch im Bereich der Sexualität! Was die Sexualethik angeht, gibt die Kirche relativ klare Normen an die Hand. Allerdings stehen diese Normen in krassem Kontrast zur gesellschaftlichen Realität und bieten für viele von uns keine glaubwürdige, realistische und von daher zeitgemäße Orientierung zu diesem Thema mehr. Verheiratet zu sein betrachten wir nicht als Bedingung, um Sex haben zu dürfen. Künstliche Verhütungsmittel zu benutzen, sehen wir als Selbstverständlichkeit an. Wichtig ist, dass man sich innerhalb einer Partnerschaft über die Art und Weise die gemeinsame Sexualität zu leben, verständigt hat. Für viele von uns hat die Kirche sich durch ihre Haltung in diesem Bereich schon so ins Abseits gestellt, dass ihre Aussagen in dieser Richtung von vorne herein nicht mehr ernst genommen werden können. Zwar nehmen wir auch jene Stimmen wahr, die meinen, dass die Kirche hier die Rolle einer Gegenstimme innerhalb unserer Gesellschaft haben sollte, plädieren aber dafür, dass sie sich zukünftig in diesem Bereich nicht durch ihren „moralischen Zeigefinger“, sondern durch den Dialog mit den Menschen, um deren Sexualität es geht, auszeichnen sollte. 3
Insgesamt sollte die kirchliche Sexualethik weniger von einer Haltung des Misstrauens und des Verdachts als vielmehr vom Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein junger Menschen geprägt sein. Es ist ja keineswegs so, dass die meisten von uns leichtfertig eine Kurz-Zeit- Beziehung nach der anderen eingehen. Wer Zeit und Energie in eine Partnerschaft investiert, wünscht sich auch, dass diese gelingt – egal, ob es sich dabei um verschieden- oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften handelt. Von daher sollte dann auch die Ehe nicht auf die Aspekte Sexualität und Fortpflanzung reduziert werden. Der Fokus sollte auf der Frage liegen: Wie können Treue und Verantwortung füreinander gelingen? III. Wir brauchen neue Antworten auf neue Fragen und mehr Offenheit gegenüber der Welt und den Menschen. Wenn Vertreter*innen der Kirche – sei es in Predigten, Lehrschreiben oder Diskussionen – sich zu Themen aus Bereichen der Gender Studies, der Sexualwissenschaft, der historischen und philosophischen Forschung u.a. äußern, dann werden oft Argumente herangezogen, die nicht (mehr) dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Standard entsprechen. Häufig scheint die Argumentation der Kirche sogar in der Scholastik bei Thomas von Aquin stehen geblieben zu sein. Die Welt hat sich seitdem aber geändert und wir brauchen neue Antworten auf neue Fragen. Deshalb wünschen wir uns, dass die Kirche moderne wissenschaftliche Erkenntnisse, u.a. auch aus der Theologie, rezipiert und in ihren Urteilen und Bewertungen zurückhaltender ist. Die Welt, die Gesellschaft und die Menschen sind nicht per se mangelhaft, sondern von Gott gewollt und geschaffen. Deshalb sollte die Kirche in und von der Welt lernen, statt vergeblich zu versuchen ihr Konzepte überzustülpen. Der Kirche sollte bewusst sein, dass auch der Glaube keine hundertprozentige Sicherheit bietet, sondern immer vorläufig bleibt. Wenn die Kirche ihre Botschaft vermittelt, dann sollte sie unserer Wahrnehmung nach mehr darauf achten, wie und was von ihrer Botschaft bei den Menschen ankommt. Hat man nämlich keinen persönlichen Zugang zur Kirche und kennt sie nur „von außen“, z.B. aus der medialen Berichterstattung, verstärkt sich oftmals das Bild einer kritikresistenten und vormodernen Institution. Möchte man sich ein persönlicheres Bild von der Kirche machen, so ist es oft gar nicht so einfach in den entsprechenden Gruppen Anschluss zu finden. Wir beobachten gerade in der kirchlichen Jugendarbeit, bei den Ministrant*innen, der KjG oder den Pfadfindern, aber auch als Hochschulgemeinde, dass von diesen Gruppen oft nur ein bestimmtes gesellschaftliches Milieu angesprochen wird. Als positives Beispiel dafür, wie die Kirche besser agieren könnte, möchten wir Taizé anbringen: hier kommen Menschen aus vielen Teilen der Welt und aus verschiedenen Konfessionen zusammen, die offen voneinander lernen, miteinander suchen, beten und aktiv werden. 4
IV. Wir wünschen uns eine nachdenklichere und zugleich selbstbewusstere Spiritualität! Wir glauben an einen Gott, den wir als überaus widerspruchsvoll wahrnehmen: Er entzieht sich unserer sinnlichen Wahrnehmung und doch bekennen wir, dass er uns nicht näher sein könnte, weil er selbst unser menschliches Leben geteilt hat in Jesus aus Nazareth. Der Glaube an diesen Gott ist anspruchsvoll, provoziert immer wieder Nachfragen, Zweifel und nicht zuletzt Klage. Die Psalmen des Alten Testaments und die letzten Worte Jesu am Kreuz geben hiervon Zeugnis. Wir wünschen uns eine nachdenkliche Spiritualität, die der Klage, der Sprachlosigkeit und dem Zweifel Raum gibt. Manchmal haben wir das Gefühl, dass innerhalb unserer Kirche vor allem Begeisterung, Anbetung und Lobpreis, weniger aber das zweifelnde Ringen und das Nachdenken als Ausdruck einer tiefen Beziehung zu Gott anerkannt werden. Dass der Glaube an Gott mit großer Unsicherheit verbunden ist, wird häufig nicht offen artikuliert. Wir sind davon überzeugt, dass wir selbstbewusst und ehrlich vor Gott stehen dürfen und es Ausdruck davon ist, dass wir groß von ihm denken, wenn wir ihm auch unsere Sorgen und unseren kritischen Blick auf die Welt zumuten! Als seine Freund*innen und Partner*innen brauchen wir uns vor ihm nicht klein zu machen, sondern dürfen ihm in aller Freiheit und Offenheit – und auch mit Humor! – begegnen. V. Wir möchten unsere Gottesdienste aus dem „Heute“ heraus feiern! Die Frage nach dem, was wir hoffen, und vielleicht sogar die Sehnsucht nach Gott, sind in unserer Gegenwartskultur viel präsenter als es in kirchlichen Milieus oft wahrgenommen wird. Wer einmal auf aktuelle Songtexte achtgibt, ins Kino geht oder Serien schaut, sich für Literatur, Kunst und Politik interessiert, begegnet auf Schritt und Tritt der Frage nach dem guten Leben und dem richtigen Handeln sowie der Suche nach einem Sinn unseres Lebens und Sterbens – und nach einer Instanz, die diese Suche zu einem Ziel führen könnte. Wir leben jeden Tag in und mit diesen kulturellen Ausdrucksformen. Gottesdienst aus dem „Heute“ heraus zu feiern bedeutet für uns, diese Formen und die mit ihnen verbundenen Fragen und Sehnsüchte kreativ in unsere Liturgie aufzunehmen! Wir möchten mit aktueller Musik, mit Videos und Performances, mit Texten und Methoden experimentieren und so einen neuen Zugang finden, um über unseren Glauben und unsere Hoffnungen zu sprechen, sie zu reflektieren und zu feiern. Insbesondere für die Feier der Eucharistie wünschen wir uns neue und gerne von auch jungen Menschen selbst formulierte Gebete. Dabei denken wir insbesondere an Tages-, Hoch- und Segensgebete in einer theologisch durchdachten, inklusiven, alltagsnahen und zeitgemäßen Sprache. VI. Überdenken wir unsere Prioritäten! Bei den aktuellen Diskussionen, die innerhalb der katholischen Kirche geführt werden, beobachten wir die Tendenz, sich auf einige wenige Themen zu beschränken: Es gab eine Familiensynode, es wird viel über das Thema Berufung gesprochen, die Diskussionen drehen 5
sich rund um den Umgang mit alternativen Lebensentwürfen jenseits des klassischen Familienbildes. Das ist alles gut und wichtig, aber der Blick darf gleichzeitig nicht von anderen wichtigen Themen, wie z.B. der Umwelt, dem Klimawandel und der sozialen Gerechtigkeit abgelenkt werden. Warum werden so viele private Angelegenheiten der Gläubigen moralisch verurteilt und im Vergleich dazu so wenig über die wirklichen Probleme in unserer Welt, z.B. die fatale Ressourcenausbeutung und die mutlose Umweltpolitik, diskutiert? Papst Franziskus sprach Letzteres in seiner Enzyklika Laudato si sehr deutlich an. Wir haben aber nicht das Gefühl, dass dies für die Kirche im Alltag großartige Konsequenzen zur Folge hat. Wir sollten unsere weltweite Vernetzung nutzen, um z.B. allgemeine Standards zum Schutz der Menschen- und Kinderrechte, der Umwelt und des Klimas festzulegen! Von wirtschaftlicher Ausbeutung, einem Leben in Armut und den zerstörerischen Konsequenzen des Klimawandels sind nicht „irgendwelche anderen“ Menschen betroffen, mit denen wir nichts zu tun haben, sondern unsere eigenen Glaubensgeschwister! VII. Wir beobachten, dass die Strukturen der Kirche dem Glauben an einen menschenfreundlichen Gott nicht immer dienlich sind! Viele der innerkirchlichen Diskussionen drehen sich scheinbar nur um Struktur-, manche sagen auch um Machtfragen. Wir sind der Überzeugung, dass diese Konflikte wichtig sind und bald gelöst werden müssen. Sie lenken von der Frage nach Gott ab, die uns eigentlich beschäftigen sollte. Deshalb kann man sie nicht einfach beiseiteschieben. Die Frage nach Gott und die Frage nach den Strukturen der Kirche hängen miteinander zusammen! Denn dort, wo ungerechte und diskriminierende Strukturen und Gesetze herrschen, wird die Verkündigung eines menschenfreundlichen und gerechten Gottes unglaubwürdig. Deshalb muss sich die Kirche endlich den altbekannten, aber immer noch „heißen Eisen“ stellen! Einige haben wir in den vorangehenden Thesen angedeutet, u.a. die Rolle der Frau, den Zölibat, die Teilhabe von Menschen verschiedenster sexueller Orientierungen am kirchlichen Leben, die Sexualethik, das Problem der Kirchenspaltung. 6
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