Skript zum eLearning-Material "Muskel" - Carl-Ludwig-Institute for ...
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Skript zum eLearning-Material „Muskel“ UNIVERSITÄT LEIPZIG MEDIZINISCHE FAKULTÄT CARL-LUDWIG-INSTITUT FÜR PHYSIOLOGIE VERSION 1.2 Lerninhalte/Stichwörter: Unterschiede zwischen Skelettmuskel, Herzmuskulatur und glatter Muskulatur, direkte und indirekte Reizung, elektromechanische Kopplung, Latenzzeit, Kontraktionszeit, Erschlaffungszeit, Refraktärzeit, Summation von Einzelzuckungen, unvollständiger Tetanus, vollständiger Tetanus, Verschmelzungsfrequenz, motorische Einheit, kontraktiler Tonus der Skelettmuskulatur. Gültigkeit des Alles-oder-Nichts-Gesetzes für die Muskelfaser bzw. den Gesamtmuskel, Minimalreiz (Reizschwelle), Maximalreiz, passive Muskeleigenschaften (Ruhedehnungskurve), isotonische, isometrische und auxotonische Kontraktion, Unterstützungs- und Anschlagszuckung, Arbeit des Muskels, Struktur der Sarkomere und molekulare Mechanismen der Kontraktion. Unter folgendem Link finden Sie Videos und Materialien zu den Versuchen. Als Login/Passwort nutzen Sie die für das KIS (klinikintegrierendes Seminar) gültigen Angaben: http://physiologie.medizin.uni-leipzig.de/virtuelle_Lehre/Muskel/index.php Allgemeine Hinweise zum eLearning-Skript Liebe Studierende, aufgrund der aktuellen Einschränkungen findet das Praktikum „Muskel“ nicht als Präsenzveranstaltung sondern in elektronischer Form statt. Dies betrifft alle Gruppen, die bis zum 3. Mai 2020 1 für das Praktikum eingeteilt sind. Wir werden Sie darüber informieren, wie es mit den anderen Gruppen bzw. den anderen Praktika weitergeht1. Die elektronischen Praktika sind Pflichttermine, für die wir die nach Approbationsordnung verlangte „regelmäßige Teilnahme“ nicht überprüfen können, wohl aber - über die Klausur am Ende des Semesters - die ebenfalls verlangte „erfolgreiche Teilnahme“. Bitte arbeiten Sie die Materialien wie folgt durch: Ab dem Montag der Woche, in der Sie für das Praktikum eingeteilt sind, sollten Sie das Skript, das u.a. auf Lehrfilmen basiert, durcharbeiten. Bis Donnerstag der Woche senden Sie alle auftretenden Fragen an mich. Ich werde die Fragen und Antworten anonymisiert und eventuell zusammengefasst per Email am Ende der letzten Woche an die gesamte Gruppe zurücksenden. In dieser Email werden Sie (zu Ihrer Selbstkontrolle) auch Hinweise zur Lösung der im Skript beschriebenen Aufgaben finden. Leipzig, den 16.04.2020 Dr. Robert Kraft robert.kraft@medizin.uni-leipzig.de Teil 1: Experimente am Kraftmessplatz (Myographie) Die Experimente wurden mit einer computergestützten Messapparatur am Probanden durchgeführt (siehe Videos „Myograph“ http://physiologie.medizin.uni-leipzig.de/virtuelle_Lehre/Muskel/index.php). Alle Versuche erfolgen mittels indirekter Reizung, d.h. Stimulation des Muskels über den versorgenden Nerv. Im konkreten Fall wird der Nervus ulnaris im Bereich des Ellenbogens mittels Reizelektroden gereizt. Dies führt zur Kontraktion der versorgten Muskulatur, zu der der Musculus adductor pollicis (lat.: „Daumenheranzieher“) gehört. Eine ähnliche indirekte Reizung wurde bereits im Praktikum „Intensitäts–Dauer–Kurve und Leitgeschwindigkeit erregbarer Fasern“ verwendet. Zur Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit wurde dort der Nervus medianus am Handgelenk bzw. Oberarm stimuliert und ein EMG-Signal an der Hand (Thenar) abgeleitet. 1 Aktualisierung am 02.05.2020: Das Praktikum findet auch weiterhin als eLearning statt. 1 / 13
Abbildung 1: Lage des zu untersuchenden Muskels als Teil der tiefen Daumenballenmuskulatur Zur Untersuchung der Kraft- bzw. Längenänderung des M. adductor pollicis wird der rechte Unterarm eines Probanden in eine Fixationseinrichtung so eingespannt, dass der Drehpunkt des Daumengelenks in der Drehachse der Motor-/Sensoreinheit des Gerätes liegt. Auf der Drehachse ist ein Hebel angebracht, der zur Fixierung des Daumens mittels Klettband dient. Die Drehbewegungen und -kräfte der Motor-/Sensoreinheit werden in Beziehung zu den realen Muskelkräften bzw. Muskellängen gebracht. Der M. adductor pollicis hat eine fächerförmige Gestalt, die näherungsweise einem Kreisbogen entspricht. Daten für den idealisierten Muskelradius und die Hebellänge (Strecke zwischen Drehachse und Daumenhalterung) wurden für den Probanden ermittelt und betrugen 5 cm (Muskelradius) sowie 10 cm (Hebellänge). Die Geometrie der Hand und des M. adductor pollicis ist in Abbildung 1 schematisch dargestellt. Zusätzlich zur Registrierung der Muskelkraft bzw. –länge ermöglicht die Apparatur die Erfassung des Elektromyogramms (EMG) vom M. adductor pollicis. Ableitelektroden für das EMG befinden sich in einer Art Dose, deren Position und Andruckkraft auf dem Daumenballen variiert werden kann. In den bereitgestellten Videos sind die Elektroden nicht zu sehen, da sie auf der Innenseite der Hand platziert sind. 1.1 Einzelkontraktionen bei ansteigender Reizstromstärke Die Einzelzuckung stellt die Grundform der Muskeltätigkeit dar. Die zeitliche Auflösung der Einzelzuckung ergibt für Skelett-, Herz- und glatte Muskeln charakteristische Unterschiede (v.a. bzgl. der Kontraktionszeiten und Erschlaffungszeiten). Für den Skelettmuskel ist die Einzelzuckung nur bei phasischen Eigenreflexen bedeutsam. Willkürbewegungen entstehen durch Summation bzw. Superposition von Einzelzuckungen. Die charakteristischen Parameter der Einzelzuckung sind: Latenzzeit: Die Latenzzeit TL wird vom Reizzeitpunkt bis zum Beginn einer Kraftwirkung des Muskels gemessen. Sie setzt sich aus der elektrischen Latenzzeit T EL (vom Reizbeginn bis zum EMG-Beginn) und der elektromechanischen Latenz T EM (vom EMG-Beginn bis zum Beginn der Kraftwirkung) zusammen. Kontraktionszeit (Gipfelzeit): Die Kontraktionszeit TK wird vom Beginn der Kraftwirkung bis zum Zeitpunkt der maximalen Kraft gemessen. Erschlaffungszeiten: Gemessen wird vom Zeitpunkt der maximalen Kraft bis zum Zeitpunkt, an dem die Kraft nur noch 50% (TE50) (Halberschlaffungszeit) bzw. 10% (TE10) ist. 1 Aktualisierung am 02.05.2020: Das Praktikum findet auch weiterhin als eLearning statt. 2 / 13
Diese Werte, insbesondere TK, bestimmen auch das Summationsverhalten des Skelettmuskels. Mit steigender Reizstromstärke vom unterschwelligen bis zu supramaximalen Reizen werden Einzelzuckungen registriert. Im Video „Steigende Reizserie“ sehen Sie Muskelantworten bei Reizintensitäten von 2 bis 18 mA. Das zugehörige Video „Auswertung 1“ zeigt die Kraftentwicklung und das EMG-Signal bei einer Reizintensität von 14 mA. Aus dieser Einzelmessung vervollständigen Sie anhand der im Video „Auswertung 1“ ermittelten Zeiten das unten stehende Protokoll. In Abbildung 2 finden Sie analoge Messungen (aus einem anderen Versuch), die Sie ausdrucken und für die Markierung der Zeiten nutzen können. Beachten Sie, dass die im Video (und im Unterschied zu Abbildung 2) dargestellte Zeitachse des EMG-Signals zur Veranschaulichung gedehnt wurde. Die Summe aus Kontraktionszeit T K (auch als Gipfelzeit bezeichnet) und der Zeit bis zur vollständigen Erschlaffung ergibt die Dauer der Einzelzuckung. In Näherung kann die Dauer der Einzelzuckung auch als Summe von TK und TE10 angegeben werden. Abbildung 2: Einzelzuckung mit EMG Für die Ermittlung von Minimal- und Maximalreiz nutzen Sie die im Anhang am Ende des Skripts befindliche Auswertung des Versuchs. Die Amplituden der Kraft sind definiert als die Differenz zwischen Basallinie und Gipfel der Kraftkurven bei der jeweiligen Reizintensität (von 2 bis 18 mA). Der Minimalreiz entspricht der Reizschwelle, d.h. der Reizintensität, bei der erstmalig eine deutliche Kraftentwicklung sichtbar ist. Der Maximalreiz entspricht der Reizintensität, ab der keine weitere deutliche Kraftentwicklung auftritt (Beginn der Plateau-Phase). Protokoll: • Markieren Sie in Abb. 2 die Latenzzeiten T L, TEL, TEM, die Kontraktionszeit TK sowie die Erschlaffungszeiten TE50 und TE10. Notieren Sie die im Video „Auswertung 1“ ermittelten Werte: TL = …………… TEL = …………… TEM = …………… TK = …………… TE50 = …………… TE10 = …………… Dauer der Einzelzuckung ~ TK + TE10 = …………… • In welchem Bereich liegen die Dauern der Einzelzuckungen (bzw. rhythmischer Aktivität) von Skelettmuskeln, Herzmuskel und glatten Muskeln? Daten hierzu finden Sie z.B. im Lehrbuch „Physiologie“ (Pape, Kurz, Silbernagl, 2018; dort Abbildungen 4.10., 4.20., 4.23.). 1 Aktualisierung am 02.05.2020: Das Praktikum findet auch weiterhin als eLearning statt. 3 / 13
Skelettmuskeln: ….. Herzmuskel: ….. Glatte Muskeln: ….. • Ordnen Sie die folgenden Prozesse der elektrischen Latenzzeit T EL sowie der elektromechanischen Latenzzeit TEM zu: (1) Erregung der Nervenfasern, (2) saltatorische Nervenleitung, (3) synaptische Übertragung an der motorischen Endplatte, (4) Erzeugung des Endplattenpotentials, (5) Erzeugung und Weiterleitung des Aktionspotentials im Muskel, (6) elektromechanische Kopplung TEL : ….. TEM : ….. • Vergleichen Sie die Kontraktion von Skelett- und Herzmuskel (Lehrbuch). Warum ist der Herzmuskel nicht tetanisierbar? Beachten Sie dabei das jeweilige Verhältnis von Aktionspotential- und Zuckungsdauer. ….. • Bestimmen Sie den Minimal- und Maximalreiz aus den im Anhang befindlichen Daten am Ende des Skripts. Diese Daten sind dem im Video „Steigende Reizserie“ dargestellten Experiment entnommen. Minimalreiz: …………… Maximalreiz: …………… • Der Kraftzuwachs bei Reizen, deren Intensität zwischen Minimal- und Maximalreiz liegt, wird durch welches Prinzip der Kraftabstufung des Skelettmuskels hervorgerufen? Beachten Sie hierbei, dass der Muskel aus mehreren motorischen Einheiten besteht. Warum gibt es bei Reizintensitäten, die größer als der Maximalreiz sind, in diesem Versuch keinen weiteren Kraftzuwachs? ….. 1 Aktualisierung am 02.05.2020: Das Praktikum findet auch weiterhin als eLearning statt. 4 / 13
1.2 Isometrische Zuckungen In Analogie zum Arbeitsdiagramm des Herzmuskels lässt sich auch das Arbeitsdiagramm des Skelettmuskels aus isotonischen (zumindest in Näherung) und isometrischen Zuckungen konstruieren. In Abbildung 3 finden Sie beispielhafte isometrische Zuckungen des M. adductor pollicis. Hierbei wurde eine bestimmte Vordehnung über den Messhebel des Myographen am Daumen eingestellt. Nach Reizauslösung (bei supramaximaler Reizintensität) fixiert der Hebel den Daumen so, dass sich der Muskel nicht verkürzen kann. Der Kraftzuwachs wird dabei registriert. Ein Video wird für diesen Versuch nicht bereitgestellt. Abbildung 3: Isometrische Messung: Nach dem Reiz (bei t=4 s) kommt es zu einem Kraftzuwachs (links). Die Muskellänge ändert sich dabei (bei t=4 s) nicht (rechts). Dargestellt sind Kurven bei zunehmender Vordehnung. Protokoll: • Wie verändert sich die Kraftentwicklung isometrischer Kontraktionen bei unterschiedlicher Vordehnung? Nutzen Sie für die Beantwortung z.B. das Lehrbuch „Physiologie“ (Pape, Kurz, Silbernagl, 2018; dort Abbildung 4.12. und Abschnitt 4.2.6.). ….. • Wird aus physikalischer Sicht bei isometrischen Kontraktionen mechanische Arbeit verrichtet (Begründung)? Nennen Sie ein praktisches Beispiel für isometrische Muskelaktivität. ….. 1.3 Isotonische Zuckungen, Hill-Kurve und Leistungskurve Während isometrische Zuckungen durch eine Kraftentfaltung bei unveränderter Muskellänge gekennzeichnet sind, tritt bei isotonischen Zuckungen keine Kraftänderung auf – es herrscht ein Gleichgewicht zwischen aktiver Muskelkraft und Dehnungskraft (Vordehnung, Last) am Muskel. Gleichzeitig wird die Muskellänge verändert, d.h. der Muskel verkürzt sich und die zugehörige anatomische Struktur (z.B. der Daumen) verändert ihre Lage. Unter physiologischen Bedingungen treten am Skelettmuskel keine rein isotonischen Zuckungen auf, d.h. die Muskeltätigkeit beinhaltet isometrische sowie auxotone Kontraktionen. Am Myographen können auxotone Kontraktionen technisch bis zu einem gewissen Grad kompensiert werden (durch rückgekoppeltes Austarieren der Last/Dehnung) um näherungsweise isotonisch zu erfolgen. In Abbildung 4 sehen Sie ein Experiment, bei dem der Daumen unterschiedlich stark vorgedehnt und dann der M. adductor pollicis durch indirekte Reizung (bei supramaximaler Reizintensität) stimuliert wurde. Der Muskel verkürzt sich zeitweise, d.h. der Daumen schnipst nach vorn (und bewegt sich anschließend wieder in die Ausgangslage). Registriert wird die Muskelverkürzung (Weg), erkennbar als Ausschlag der Längenkurven 1 Aktualisierung am 02.05.2020: Das Praktikum findet auch weiterhin als eLearning statt. 5 / 13
(zwischen t=4 s und t=4,5 s) nach unten. Die Muskelverkürzungen weisen zwar unterschiedliche Amplituden auf, sind aber vom Zeitverlauf ähnlich. Abbildung 5 zeigt die zugehörigen Längenänderungen bei unterschiedlicher Vordehnung (etwa im Bereich von 4 bis 26 N). Da es sich hier um isotonische Kontraktionen handelt, entspricht der Betrag der aktiven Kraft des Muskels der jeweiligen Vordehnung (Last). Ausgehend von der Ruhedehnungskurve (Quadrate) ist zu erkennen, dass bei geringer Vordehnung die Längenänderung (waagerechte Projektion auf das jeweilige Kreuz) groß ist (ca. 6 mm bei etwa 5 N) und mit zunehmender Last kleiner wird (weniger als 2 mm bei etwa 25 N). Im Anhang am Ende des Skripts finden Sie (nicht im Video dargestellte) Werte aus einem weiteren Experiment für die Längenänderung bei isotonischer Kontraktion in Abhängigkeit von der voreingestellten Dehnung. Die zugehörigen Zeiten bis zur maximalen Verkürzung (Kontraktionszeit) des Muskels sind ebenfalls angegeben und bleiben weitgehend konstant. Abbildung 4: Isotonische Messung: Nach dem Reiz kommt es zu einer reversiblen Muskelverkürzung (bei t=4 s, rechts). Die Kraft sollte sich nach dem Reiz eigentlich nicht ändern (links). Eine vollständige Kompensation der physiologisch bedingten auxotonen Kontraktion ist auch technisch schwer realisierbar. Abbildung 5: Ruhedehnungskurve und isotonische Maxima Protokoll: • Berechnen Sie die Verkürzungsgeschwindigkeit v aus den im Anhang am Ende des Skripts befindlichen Werten für Muskelverkürzung L und der Verkürzungszeit t v=L/t und stellen Sie diese in Abhängigkeit von der Vordehnung (Last) F als Graph dar. Der Verlauf dieses Graphen entspricht dem von Archibald V. Hill 1938 vorgestellten Zusammenhang von Verkürzungsgeschwindigkeit und Last bei isotonischen Zuckungen (sog. Hill-Kurve). Weitere Informationen finden Sie z.B. im Lehrbuch „Physiologie“ (Pape, Kurz, Silbernagl, 2018; dort Abbildung 4.14.). 1 Aktualisierung am 02.05.2020: Das Praktikum findet auch weiterhin als eLearning statt. 6 / 13
• Berechnen Sie die Leistung P des Muskels aus der Kontraktionsgeschwindigkeit v und den im Anhang am Ende des Skripts befindlichen Werten für die Vordehnung (Last) F P=v*F und stellen Sie diese in Abhängigkeit von der Vordehnung (Last) F als Graph dar. Diese Leistungskurve sollte einen Verlauf mit einem lokalen Maximum haben. • Maximale Muskelleistung bei einer Vordehnung (Last) F = ............... • Bei etwa wie viel Prozent der maximalen Vordehnung (Last) arbeitet der Skelettmuskel optimal (siehe Lehrbuch)? Die maximale Last wird erreicht, wenn der Muskel sich nicht mehr verkürzen kann. ............... 1.4 Doppelreiz – Superposition Im Video „Doppelreiz“ sehen Sie Experimente, bei denen am N. ulnaris 2 Reize mit einer Intensität von jeweils 12 mA (supramaximale Reize) appliziert wurden. Der zeitliche Abstand zwischen den beiden Reizen wird bei jedem Einzelversuch systematisch verkleinert (von 500 ms auf 0,5 ms). Bei genügend kleinem Reizabstand überlagern sich die 2 Zuckungen des M. adductor pollicis – man spricht von einer Superposition (siehe auch Abbildung 4 von einer anderen Messung). Diese Superposition ist, wie im Video zu sehen, zunächst durch einen Zuwachs der Gesamtkraft des Muskels gegenüber der Einzelzuckung (Twitch) gekennzeichnet. Für die bei Superposition von 2 Zuckungen auftretende Maximalkraft werden in der Regel Werte gefunden, die das Doppelte der Kraft der Einzelzuckung übersteigen. Bei sehr kurzem Reizabstand nimmt die maximal erreichbare Gesamtkraft wieder ab. Dieser Effekt steht im Zusammenhang mit der mangelnden Erholung des Aktionspotentials (der Refraktärität) im Muskel (bzw. im versorgenden Nerv). Die relative Refraktärzeit ist die Zeit (Reizabstand), innerhalb derer nicht alle motorischen Einheiten (bzw. versorgenden Nervenfasern) eine Erholung des vorangehenden Aktionspotentials zeigen, und damit die Superposition nicht die Maximalkraft erreicht. Die absolute Refraktärzeit ist die Zeit (Reizabstand), innerhalb derer keinerlei Erholung auftritt, d.h. die Gesamtkraft der Superposition die Kraft der Einzelzuckung (Twitch) nicht deutlich übersteigt. Hierbei sind alle motorischen Einheiten (bzw. Nervenfasern) refraktär. Abbildung 4: Beginnende Summierung der Kräfte (Superpostion) bei einem Doppelreiz (Reizabstand: 100 ms) und zugehörige EMG-Signale 1 Aktualisierung am 02.05.2020: Das Praktikum findet auch weiterhin als eLearning statt. 7 / 13
Protokoll: • Berechnen Sie aus den im Anhang am Ende des Skripts befindlichen Werten die Quotienten der Kraft der jeweiligen Superposition und der Einzelzuckung (Twitch) in Abhängigkeit vom Reizabstand. Diese Daten sind den im Video „Doppelreiz“ dargestellten Experimenten entnommen. Die Kraft der Einzelzuckung (Twitch) ist die Kontraktionskraft F(K) bei 2 Hz (500 ms Reizabstand). • Tragen Sie die berechneten Werte für die Kräfteverhältnisse Superposition/Twitch in Abb. 5 ein. • Bestimmen Sie aus Abb. 5 die Refraktärzeiten der motorischen Fasern! Zur Bestimmung der relativen Refraktätzeit nutzen Sie den Reizabstand, ab demein steiler (deutlicher) Abfall der Gesamtkraft auftritt. Relative Refraktärzeit: …………… Absolute Refraktärzeit: ……………… Abbildung 5: Superposition-Twitch-Verhältnis in Abhängigkeit vom Reizabstand 1.5 Tetanus Im Video „Tetanus“ sehen Sie Experimente, bei denen am N. ulnaris innerhalb einer Sekunde mehrere Reize mit einer Intensität von jeweils 8 mA appliziert wurden. Der Reizabstand wird, ähnlich zum Versuch „Doppelreiz“, verringert, die Zahl der Reizungen nimmt allerdings zu (z.B. 10 Reize bei einem Reizabstand von 100 ms). Von einer genügend schnellen Reizfolge ab (Verschmelzungsfrequenz) lassen sich die zugeordneten Einzelzuckungen 1 Aktualisierung am 02.05.2020: Das Praktikum findet auch weiterhin als eLearning statt. 8 / 13
nicht mehr nachweisen (glatter Tetanus). In Abbildung 6 (andere Messung) wird der glatte (vollständige) Tetanus bei einer Reizfrequenz von etwa 30 Hz erreicht. Ein unvollständiger Tetanus ist bei niedrigerer Reizfrequenz erkennbar (10 bis 25 Hz). Abbildung 6: Tetanus: Die Zahlen neben den Kurven geben die Anzahl der Reize innerhalb der Sekunde (Reizfrequenz) an. Protokoll: • Berechnen Sie aus den im Anhang am Ende des Skripts befindlichen Werten die Quotienten der jeweils maximalen Kraft des Tetanus und der Einzelzuckung (Twitch) in Abhängigkeit vom Reizabstand. Diese Daten sind den im Video „Tetanus“ dargestellten Experimenten entnommen. Die Kraft der Einzelzuckung (Twitch) ist die Kontraktionskraft bei 2 Hz. • Tragen Sie die berechneten Werte für die Kräfteverhältnisse Tetanus/Twitch in Abb. 7 ein. Abbildung 7: Tetanus-Twitch-Verhältnis in Abhängigkeit von der Reizfrequenz 1 Aktualisierung am 02.05.2020: Das Praktikum findet auch weiterhin als eLearning statt. 9 / 13
Teil 2: Elektromyogramm (EMG) Das Elektromyogramm (EMG) wird in der Sportmedizin und zur Diagnose neuromuskulärer Erkrankungen genutzt. Neben der Messung der Nervenleitgeschwindigkeit bei z.B. neuronaler Degeneration steht hierbei auch die Analyse von Muskelerkrankungen (Myopathien) im Vordergrund. Unter http://physiologie.medizin.uni-leipzig.de/virtuelle_Lehre/Muskel/index.php und dem Button „EMG“ finden Sie Material, das technische Hinweise zur Elektromyographie (siehe „Überblick EMG“) sowie Patientendaten (siehe „Elektromyogramme“) enthält. Konzentrieren Sie sich beim Durcharbeiten von „Überblick EMG“ (emg.pdf) auf die Folien, die Auskunft über den Aufbau von Nadel- und Oberflächen- Elektroden und den damit verbundenen Signalverlauf von Nadel- und Oberflächen-EMG geben, d.h. die Folien 1 bis 10. Rekapitulieren Sie das Prinzip der Signalentstehung des EMG (Stichwort: biphasisches Signal), das wir im Praktikum „Intensitäts–Dauer–Kurve und Leitgeschwindigkeit erregbarer Fasern“ bereits behandelt haben. Protokoll: • Wie entsteht ein Elektromyogramm (EMG)? Das EMG-Signal einer einzelnen Muskelfaser hat prinzipiell einen biphasischen Verlauf. Wie kommt dieser zustande? ….. • Wodurch unterscheiden sich Nadel- und Oberflächen-EMG? Schätzen Sie jeweils die Amplitude und die Dauer des biphasischen Signals von Nadel- und Oberflächen-EMGs ab. Nutzen Sie hierfür Folie Nr. 3 (emg.pdf) sowie Abbildung 2 aus diesem Skript weiter oben (Punkt 1.1; „Steigende Reizserie“). Nadel-EMG: Amplitude: +/- ……. mV Dauer: ca. …… Oberflächen-EMG: Amplitude: +/- ……. mV Dauer: ca. …… • Kann beim Oberflächen-EMG die Amplitude prinzipiell noch größer werden? Wovon hängt die Amplitude beim Oberflächen-EMG ab? ….. • Wovon hängt beim Oberflächen-EMG die Dauer eines biphasischen Signals hauptsächlich ab? ….. 1 Aktualisierung am 02.05.2020: Das Praktikum findet auch weiterhin als eLearning statt. 10 / 13
• Vergleichen Sie die EMGs in Abbildung 2 (dieses Skript, Punkt 1.1; „Steigende Reizserie“) und in Folie Nr. 3, rechts (emg.pdf). Warum sieht man einmal einen biphasischen Verlauf (Abb. 2) und einmal ein „verrauschtes“ EMG-Signal (Folie Nr. 3, rechts)? Weitere Informationen finden Sie z.B. im Lehrbuch „Physiologie“ (Pape, Kurz, Silbernagl, 2018; dort Abbildung 4.11.). ….. Der Unterpunkt „Elektromyogramme“ enthält mehrere Beispielkurven und die jeweils zugehörigen Audiodateien von 3 Personen, die Sie abspielen bzw. über Kopfhörer oder Computer-Lautsprecher anhören können. Sowohl für die gesunde Versuchsperson als auch die beiden Patienten (P010 und P016) gibt es Beschreibungen/Anamnesen, Befunde der aufgezeichneten Kurven und zugehörige Beurteilungen. Bei den Patienten (P010 und P016) wurden Myotonien (Muskelerkrankungen mit verzögerter Muskelentspannung) diagnostiziert. Die Diagnose bei Patient P010 lautet „Becker-Myotonie“; bei Patient P016 handelt es sich um eine „chondrodystrophische Myotonie Schwartz-Jampel“. Bei der autosomal rezessiv vererbten Muskeldystrophie Becker ist das Gen CLCN1 betroffen; beim ebenfalls autosomal rezessiv vererbten Schwartz-Jampel-Syndrom liegen Mutationen im HSPG2-Gen vor. HSPG2 kodiert für ein Strukturprotein (Perlecan) in der Basalmembran verschiedener Epithelien. CLCN1 kodiert für ein Chlorid-Kanalprotein in Skelettmuskeln. Chlorid-Kanäle spielen für die Repolarisation (die Stabilisierung des Ruhemembranpotentials) in Skelettmuskelfasern eine wichtige Rolle. Die (damaligen) therapeutischen Überlegungen zur symptomatischen Behandlung der Patienten betrafen Substanzen, wie Mexiletin (P010) und Carbamazepin (P016). Beide Substanzen gelten als Inhibitoren (Blocker) spannungsabhängiger Natriumkanäle. • Wählen Sie sich einen pathologischen Fall aus: Patient …. ▫ Schreiben Sie eine kurze Fallzusammenfassung. ….. ▫ Skizzieren Sie den zugehörigen Signalverlauf. 1 Aktualisierung am 02.05.2020: Das Praktikum findet auch weiterhin als eLearning statt. 11 / 13
Anhang Zu 1.1: siehe Video „Steigende Reizserie“ Reizstrom in mA Kraft in N 2 0,6 2,7 0,6 3,4 0,8 4,0 0,6 4,7 0,8 5,4 1,8 6,0 6,0 6,7 11,6 7,4 14,4 8,0 16,6 8,7 17,6 9,4 18,2 10 19 10,7 19,8 11,4 18,8 12 19,2 12,7 19,2 13,4 20,2 14 19,2 14,7 19,2 15,4 19,4 16 19,4 16,7 19,6 17,4 19,4 18 19,4 Zu 1.3: Daten für Hill-Kurve und Leistungskurve Vordehnung (Last) F in N Muskelverkürzung L in mm Verkürzungszeit t in s 2,5 5,4 0,045 4,9 4,7 0,046 7,2 3,8 0,052 9,5 3 0,051 11,9 2,1 0,051 14,1 1,3 0,052 16,5 1 0,058 18,7 0,8 0,057 19,9 0,6 0,056 21,2 0,4 0,051 1 Aktualisierung am 02.05.2020: Das Praktikum findet auch weiterhin als eLearning statt. 12 / 13
Zu 1.4: siehe Video „Doppelreiz“ Reizabstand in ms Kraft der Superposition in N 0,5 20,4 0,7 20,4 1 20,8 1,5 30,8 2 39 2,5 45 3 48 5 51,6 10 50,4 13 50,4 20 48,8 30 47 40 44,4 50 41,2 100 33,8 200 22,0 333 19,4 500 20,2 Kraft der Einzelzuckung (Twitch) 20,2 Zu 1.5: siehe Video „Tetanus“ Reizfrequenz in Hz max. Kraft in N 2 16,6 5 19,8 10 44 15 58,2 20 64,4 25 68 30 69,6 50 65,4 100 61,8 250 55,6 500 51,8 Kraft der Einzelzuckung (Twitch) 16,6 1 Aktualisierung am 02.05.2020: Das Praktikum findet auch weiterhin als eLearning statt. 13 / 13
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