Eine Untersuchung von faktorbasierten Aktien-ETF - VZ-Studie Wichtige Aspekte im Umgang mit Smart-Beta-Ansätzen - HSLU-Blogs
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VZ-Studie Eine Untersuchung von faktorbasierten Aktien-ETF Wichtige Aspekte im Umgang mit Smart-Beta-Ansätzen April 2018
Inhaltsverzeichnis Management Summary 3 1. Einleitung 4 2. Wissenschaftliche Erkenntnisse im Zusammenhang mit faktorbasierten Aktienanlagen 7 3. Konstruktionsweise von aktienbasierten Faktorindizes 10 3.1 Rahmenwerk für die Konstruktionsweise von Faktorindizes 10 3.2 Konstruktionsweise des MSCI World Enhanced Value Index 18 3.3 Konstruktionsweise der Weltaktienfaktorindizes 20 4. Rendite- und Risikoanalyse der Weltaktienfaktorindizes 22 4.1 Langfristiger Rendite- und Risikovergleich 23 4.2 Renditevergleich in ausgewählten Marktphasen 24 4.3 Vergleich der kalenderbasierten Jahresrenditen 25 4.4 Vergleich rollierender Renditen über verschiedene Perioden 26 5. Angebot und Gebühren von faktorbasierten Aktien-ETF 28 5.1 Wachstum und Angebot von faktorbasierten Aktien-ETF 28 5.2 Gebühren von faktorbasierten Aktien-ETF 29 5.3 Auswahl eines faktorbasierten Aktien-ETF 32 6. Fazit und Empfehlungen 34 Literaturverzeichnis 35 Autoren 40 2
Management Summary Der erste ETF (Exchange Traded Fund) in der Schweiz wurde im Jahr 2000 lanciert. Seither ist das Angebot auf über 1300 Produkte gestiegen. Trotz dieses attraktiven Angebots an kostengünstigen Produkten ist ein Grossteil der Privatanleger nach wie vor in deutlich teurere aktive Fonds investiert. Bisher haben ETF vor allem klassisch marktkapitalisierte Indizes wie zum Beispiel den SMI, den S&P 500 oder den MSCI World abgebildet. In den letzten Jahren sind an der Schweizer Börse aber immer mehr Aktien-ETF lanciert worden, die Faktorindizes mit alternativen Titel- auswahl- und Gewichtungsmethodiken abbilden. Dieses Marktsegment wächst weltweit stark. Immer mehr Anleger investieren mittels kostengünstigen ETF in solche Aktienfaktoren. Auch in der Schweiz fragen sich immer mehr Privatanleger, ob sie in ihren Portfolios Aktien- ETF auf Faktorindizes berücksichtigen oder weiterhin in die klassisch marktkapitalisierten Indizes investieren sollen. Das VZ nahm diese Frage zum Anlass, die Faktorindizes und die damit zusammenhängenden ETF detailliert zu untersuchen und zu beschreiben. Die vorlie- gende Studie erläutert, auf welche Aspekte Anleger bei der Investition in faktorbasierte Aktien- ETF achten müssen. Dabei sind insbesondere folgende Schlussfolgerungen festzuhalten: • Traditionelle Indizes sind oftmals nicht optimal diversifiziert und zusammengestellt. Mit Faktorindizes sollen diese Schwachstellen reduziert werden. • Mit ETF auf Faktorindizes soll langfristig eine Mehrrendite und/oder ein tieferes Risiko gegenüber klassisch marktkapitalisierten Indizes erreicht werden. Anleger müssen aber auch mit (längeren) Phasen mit (deutlichen) Minderrenditen rechnen. • Die Renditen verschiedener Aktienfaktoren können sich in bestimmten Marktphasen stark voneinander unterscheiden. Empfehlenswert ist deshalb eine Kombination verschiedener Faktoren, um das Portfolio stabiler auszugestalten. Im Portfoliokontext ist es ausserdem sinnvoll, klassische und faktorbasierte Indizes zu kombinieren, um eine breite Index diversifikation zu erzielen. Spannend sind auch regelbasierte Anlagestrategien, bei denen die einzelnen Faktoren prognosefrei über- oder untergewichtet werden. • Einige Faktorindizes sind für Anleger aufgrund ihrer komplexen Konstruktionsweise nur sehr schwierig zu verstehen. Ausserdem gibt es selbst auf denselben Faktor sehr unter schiedliche Indexkonzepte, was sich stark auf die Rendite- und Risikoeigenschaften auswirkt. • Anlegern wird empfohlen, sich vor einer Investition in einen Faktor-ETF umfassend mit dem zugrunde liegenden Index auseinanderzusetzen. Anleger sollten nur in Produkte investieren, die sie auch verstehen. • In der wissenschaftlichen Literatur lassen sich bereits über 300 Aktienfaktoren finden. Nur wenige davon finden aber breite Anerkennung und eignen sich zur Anlage. An der Schweizer Börse beschränkt sich das ETF-Angebot nur auf ein paar wenige Aktienfaktoren, was positiv zu bewerten ist. Es gibt aber auch Produkte, von denen basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen langfristig keine Mehrrendite, sondern eine Minderrendite zu erwarten ist. • ETF auf faktorbasierte Indizes sind in der Regel leicht teurer als klassische ETF. Die Produkte können aber immer noch als kostengünstig klassifiziert werden, gerade auch im Vergleich zu aktiven Fonds. 3
1. Einleitung der Schweizer Börse, welche entsprechend ihrer Grösse (Marktkapitalisierung) gewichtet sind. Bei Anlagefonds wird zwischen aktiven und passiven Fonds unterschieden. Die beiden Fondsarten unter- Nestlé beispielsweise ist im SMI per 31.12.2017 mit scheiden sich vor allem im Anlageziel. Fondsmanager 18,04 Prozent gewichtet und hat den grössten Einfluss von aktiven Fonds versuchen eine höhere Rendite als auf die Renditeentwicklung des Indexes. Die drei gröss- ihr Vergleichsindex (Benchmark) zu erzielen. Das be- ten Titel Nestlé, Roche und Novartis sind zusammen dingt ein Fondsmanagement mit Finanzanalysten, wel- mit über 50 Prozent gewichtet. Am wenigsten wird der che die im Index enthaltenen Titel laufend analysieren SMI durch Swiss Life bewegt. Diese im Verhältnis klein- und den Fonds anders positionieren als der Benchmark, kapitalisierte Aktie hat lediglich ein Gewicht von 1,20 indem beispielsweise gewisse Indexbestandteile über- Prozent (siehe Abbildung 2). oder untergewichtet werden. Passive Fonds verfolgen dieses Ziel nicht. Sie wollen den zugrunde liegenden Zusammensetzung des SMI Index möglichst exakt, also passiv, abbilden (siehe Abbil- dung 1). Sie können deshalb auf laufende Analysen von Titelgewichtungen innerhalb des SMI Titeln verzichten, was zu deutlich geringeren Ver- waltungsgebühren führt.1 18,04% 17,79% 17,71% 7,10% Nestlé Roche Novartis UBS Aktive und passive Fonds im Vergleich 4,88% 4,74% 4,61% 4,34% ABB Richemont Zurich CS Ziel einer Mehrrendite gegenüber dem Vergleichsindex? 2,71% 3,01% 2,01% 1,84% Lafarge Swiss Re Lonza Givaudan Ja Nein Holcim Aktive Fonds Passive Fonds 1,71% 1,63% 1,38% 1,37% kostenintensiv kostengünstig Sika Geberit SGS Julius Baer • Aktive Fonds • ETF • Indexfonds 1,35% 1,31% 1,26% 1,20% Swisscom Adecco Swatch Swiss Life Abbildung 1: Passive Fonds sind deutlich kostengünstiger als aktive Fonds. Abbildung 2: Der SMI gewichtet seine Indexbestandteile gemäss der Marktkapitalisierung.4 Anleger haben mit einem aktiven Fonds die Chance auf eine Mehrrendite gegenüber dem Benchmark, sie gehen Die Marktkapitalisierung eines Titels berechnet sich aber auch das Risiko ein, die Rendite des Vergleichsindexes wie folgt: deutlich zu verfehlen. Über den Leistungsausweis von ak- tiven Fonds wird seit Jahrzehnten kritisch berichtet. Tat- Marktkapitalisierung = sache ist: Während die Gebühren von aktiven Fonds hoch Anzahl herausgegebener Aktien x Aktienkurs sind, fallen die Renditen mehrheitlich unbefriedigend aus. Das zeigen diverse Untersuchungen.2 Obige Formel macht deutlich, dass sich die Marktkapi- talisierung und somit die Indexgewichte im Zeitablauf je Diese oft nicht zufriedenstellenden Resultate von akti- nach Kursentwicklung der einzelnen Aktien verändern.5 ven Fonds haben dazu geführt, dass die Nachfrage nach Als Beispiel: Per Anfang 2002 hatte Roche erst ein Ge- passiven Fonds in den letzten Jahren stark gestiegen ist. wicht von rund 10 Prozent.6 In der Schweiz wurde der erste Exchange Traded Fund (ETF) im Jahr 2000 lanciert.3 Seither erkennen immer Wird ein Aktienindex wie der SMI anhand der Markt mehr Anleger die Vorteile von ETF und investieren in kapitalisierung der einzelnen Titel zusammengestellt diese kostengünstigen Produkte, die passiv einem Index und gewichtet, bezeichnet man ihn als marktkapita- folgen, beispielsweise dem Schweizer Aktienindex SMI. lisierten Index. Die meisten der viel beachteten Ak- Er enthält die 20 liquidesten und grössten Aktien an tienindizes wie der Swiss Performance Index (SPI), der 1 Für eine ausführliche Beschreibung von ETF und Indexfonds siehe 4 Bloomberg (Daten per 31.12.2017). Rütsche & Zebiri (2017). 5 Im Normalfall werden nur die sich im Umlauf befindenden Aktien 2 Zum Leistungsausweis von aktiven Fonds siehe Rütsche & Huber miteinberechnet (Free Float). (2016). 6 Bloomberg (Daten per 31.12.2017). 4 3 SIX Swiss Exchange (2010).
US-Aktienindex S&P 500, der Weltaktienindex MSCI World und der deutsche Aktienindex DAX sind markt- Beispiele von klassischen und alternativen Aktienindizes kapitalisierte Indizes.7 Bei diesen Indizes folgt auch die Klassische Alternative Sektor- und Länderverteilung der Marktkapitalisierung Aktienindizes Aktienindizes der enthaltenen Aktien. Im MSCI World beispielsweise Aktien beträgt der Anteil von US-Aktien per 31.12.2017 59 SPI Schweiz SPI Multi Premia Prozent.8 Aktien MSCI World MSCI World MinVol Welt Abbildung 3 zeigt für die viel beachteten Aktienindizes Schweiz (SPI), Welt (MSCI World), USA (S&P 500) Aktien S&P 500 S&P 500 Equal Weight sowie Deutschland (DAX) auf, welches Gewicht die USA jeweils 10 Prozent grössten Titel im jeweiligen Index aus- Aktien MSCI Europe MSCI Europe Value machen (Daten per 31.12.2017). Es ist ersichtlich, dass Europa bei sämtlichen Indizes wenige Titel für einen Grossteil des Gewichts verantwortlich sind. Im SPI beispielsweise Selektion und Selektion und Gewichtung der Titel Gewichtung der Titel machen die 10 Prozent grössten Titel 82 Prozent des auf Basis der Markt- nur bedingt oder gar kapitalisierung. nicht auf Basis der Indexgewichts aus. Marktkapitalisierung. Abbildung 4: Die Selektion und Gewichtung von Titeln in klas- Gewichtung der 10 Prozent grössten Titel in sischen Indizes basieren primär auf der Marktkapitalisierung, marktkapitalisierten Aktienindizes während alternative Indizes unterschiedliche Ansätze anwenden. SPI MSCI World S&P 500 DAX Wie Abbildung 4 zeigt, stellt beispielsweise der S&P 500 Equal Weight eine Alternative zum marktkapitalisierten S&P 500 dar. Equal Weight bedeutet, dass die Titel im Abbildung 3: Ein kleiner Teil der Titel (hellblau) kann in Index gleichgewichtet werden. In den USA hat Wells marktkapitalisierten Indizes für einen Grossteil des Gewichts Fargo zwar bereits in den 1970er Jahren einen Ver- verantwortlich sein. such mit einem gleichgewichteten Indexfonds gewagt, das Produkt war aber wegen den damals hohen Trans Die wichtigsten marktkapitalisierten Indizes sind im aktionskosten kein Erfolg.10 In der jüngeren Vergangen- letzten Jahrhundert lanciert worden. Der US-Aktien- heit haben sich gleichgewichtete Indizes aber vermehrt index S&P 500 beispielsweise geht auf das Jahr 1957 durchgesetzt. Beim S&P 500 Equal Weight ist jede zurück, der Schweizer Aktienmarktindex SMI wurde Aktie mit 1/500 des Indexes bzw. 0,2 Prozent gewichtet. 1988 lanciert.9 AIs Alternative zu diesen etablierten klas- Beim herkömmlichen S&P 500 mit Gewichtung gemäss sischen Indizes haben in den letzten Jahren verschiedene Marktkapitalisierung haben die grössten 10 Aktien ein Indexanbieter vermehrt neuartige Indizes lanciert. Diese Gewicht von rund 20 Prozent.11 Die Gleichgewichtung Indizes unterscheiden sich von den herkömmlichen verhindert Klumpenrisiken in einzelnen Aktien, was ein darin, dass sich ihre Titelselektion und/oder -gewich- häufiges Problem von klassisch gewichteten Indizes ist. tungen nicht oder nur teilweise von der Marktkapitali- Alternativ gewichtete Indizes führen aber nicht nur zu sierung ableiten lassen (siehe Abbildung 4). anderen Titelgewichtungen, auch in der Länder- und Sektorgewichtung kann es zu grossen Verschiebungen kommen. 7 Eine Ausnahme stellt zum Beispiel der japanische Aktienmarktindex 9 S&P Dow Jones Indices (2017) und SIX Swiss Exchange (2017) Nikkei 225 oder der amerikanische Aktienindex Dow Jones dar. 10 Research Affiliates (2014). Weitere Informationen dazu finden sich hier: VZ Finanzportal (2017). 11 S&P Dow Jones Indices (2017), (Daten per 31.12.2017). 8 Bloomberg (Daten per 31.12.2017). 5
Alternativ gewichtete Indizes werden häufig als Smart Faktorbasiertes Investieren ist nicht neu, sondern nimmt Beta, Strategic Beta, Advanced Beta, Alternative Beta in der Wissenschaft schon lange einen grossen Stellen- oder auch Fundamental Indexing bezeichnet. Die meis- wert ein. Grundlage für die Faktorindizes sind wissen- ten dieser Indizes basieren implizit oder explizit auf schaftliche Untersuchungen, von denen viele mehrere sogenannten Aktienfaktoren. Man spricht in diesem Zu- Jahrzehnte alt sind (mehr dazu in Kapitel 2). Auch in sammenhang deshalb auch von faktorbasiertem Investie- der Praxis sind Faktoren nicht neu.17 Morningstar, ein ren.12 Faktorindizes sind beispielsweise die in Abbildung weltweit bekanntes Finanzinformations- und Analyse 4 aufgeführten Aktienindizes SPI Multi Premia, MSCI unternehmen, bietet seine viel beachtete Style Box be- World MinVol (Minimum Volatility) sowie MSCI Eu- reits seit 1992 an. Ein Instrument, das Anlagefonds rope Value. Unter einem Faktor versteht man eine be- nach Anlagestilen (Faktoren: Value vs. Growth, Small stimmte Eigenschaft bzw. ein bestimmtes Merkmal einer vs. Large) ordnet.18 Aktie bzw. einer Unternehmung. So steht beispielsweise der Value-Faktor für Aktien mit einer tiefen Bewertung Neu ist, dass Privatanleger direkt und kostengünstig in und der Size-Faktor für Aktien mit einer kleinen Markt- unterschiedliche Faktoren in verschiedenen Ausprägun- kapitalisierung (mehr dazu in Kapitel 3). gen investieren können. In den letzten Monaten sind an der Schweizer Börse immer mehr Aktien-ETF lanciert Marktkapitalisierte Indizes spiegeln den Gesamtmarkt worden, die sich auf Faktorindizes beziehen (mehr dazu zwar grundsätzlich am besten, sie stellen aber nicht in Kapitel 5). Faktoren sind aktuell einer der stärksten zwingend effiziente Benchmarks dar.13 Marktkapitali- Trends im ETF-Segment. Das steigende Produktange- sierte Indizes haben durchaus ihre Vorteile (z.B. gerin- bot erlaubt Privatanlegern, Faktoren zunehmend und ger Turnover, hohe Liquidität),14 sie sind aber häufig gezielt in ihren Portfolios einzusetzen. Weltweit sind schlecht diversifiziert und ihr Faktorexposure ergibt immer mehr Anleger in solchen Produkten investiert. sich relativ zufällig und kann deshalb auch nachteilig ausgeprägt sein.15 Die neuartigen Indizes haben durch Die vorliegende Studie ist in sechs Kapitel gegliedert. Im eine systematische Faktorsteuerung und/oder eine bes- nächsten Kapitel gehen wir auf wichtige wissenschaft- sere Diversifikation bessere Rendite- und/oder Risiko- liche Erkenntnisse und Punkte ein, die im Zusammen- eigenschaften zum Ziel als herkömmliche Indizes (siehe hang mit Faktoren stehen. In Kapitel 3 erläutern wir, auf Abbildung 5).16 Sowohl klassische als auch alternative welche Arten sich Faktorindizes konstruieren lassen und Indizes basieren auf klaren Regelwerken, und die In- was das für Anleger bedeutet. Kapitel 4 analysiert fünf dexanbieter stellen diese Regeln den Anlegern in Form populäre Faktorstrategien (Size, Momentum, Value, von Indexreglementen zur Verfügung. Die alternativen Quality, Volatility) sowie einen Multifaktoransatz hin- Indizes sind aber oft deutlich komplexer ausgestaltet und sichtlich Rendite- und Risikoeigenschaften. In Kapitel für Anleger deshalb weniger verständlich (mehr dazu 5 beurteilen wir die an der Schweizer Börse verfügbaren in Kapitel 4). Faktor-ETF, insbesondere hinsichtlich Produktangebot und Gebühren. Die Studie wird mit einem Fazit und Herausforderungen von klassischen Indizes und Empfehlungen für den Anleger abgerundet. Lösungsansätze von alternativen Indizes Klassisch marktkapitalisierte Indizes Schwachstelle: Schwachstelle: Suboptimal diversifiziert Zufälliges Faktorexposure Lösungsansatz: Lösungsansatz: Alternative Gewichtung Explizite Faktorensteuerung Abbildung 5: Alternative Indizes möchten die möglichen Schwachstellen von marktkapitalisierten Indizes mindern. 12 Amenc et al. (2015), Bender et al. (2014), Bender & Wang (2015), 14 Gestaltu (2017) oder MSCI Barra (2013). Bender & Wang (2016), CFA Institute (2017), FTSE Russell (2017), 15 Gemäss Amenc et al. (2014) haben marktkapitalisierte Indizes Lyxor (2014), Malkiel (2014), Morningstar (2014), MSCI Barra klassischerweise ein Large-Cap- und Growth-Exposure, was aus einer (2013), Research Affiliates (2017), Robeco (2017), Suhonen et al. Faktorprämien-Beurteilung nicht optimal ist (siehe dazu auch Kapitel 3). 6 (2017) oder UBS (2017). 16 FTSE Russell (2017), Glushkov (2016), Malkiel (2014), Morningstar 13 Amenc et al. (2013), Amenc et al. (2015) und MSCI Barra (2013). (2014).
2. Wissenschaftliche Erkenntnisse Mehrfaktorenmodell die zu verwendenden Faktoren klar im Zusammenhang mit definiert. Es berücksichtigte neben dem Marktfaktor faktorbasierten Aktienanlagen auch den zuvor entdeckten Size- und den Value-Faktor. Die Grundlage des faktorbasierten Anlegens ist die An- Wenige Jahre später erweiterte Mark Carhart 1997 das nahme, dass Aktien mit bestimmten «guten» Eigenschaf- Dreifaktorenmodell um einen weiteren Faktor, der zu- ten langfristig besser abschneiden als der Gesamtmarkt vor durch zwei andere Wissenschaftler aufgezeigt wurde. oder Aktien mit «schlechten» Eigenschaften. Diese An- Er fügte seinem Vierfaktorenmodell den Momentum- nahme basiert auf einer Vielzahl von wissenschaftlichen Faktor hinzu. Auch der Momentum-Effekt ist ein viel Untersuchungen. Die Frage, welche Eigenschaften die beachtetes Element in der Theorie und Praxis geblieben. Aktienrenditen massgeblich beeinflussen, beschäftigt die Finanzwissenschaften seit mehreren Jahrzehnten. Seither wurden immer mehr Faktoren entdeckt. Dazu beigetragen hat auch, dass ab den 1990er Jahren die Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Forschung war Forschung dank leistungsfähigeren und weiter verbreite- das in den 1960er Jahren entstandene Capital Asset ten Computern stark zugenommen hat. In Verbindung Pricing Model (CAPM), das auf der Portfoliotheorie damit hat sich die Datenverfügbarkeit ebenfalls wesent- von Markowitz aus den 1950er Jahren aufbaut. Die lich verbessert. In den 1980er Jahren wurde ungefähr ein Aktienrendite lässt sich gemäss diesem Modell mit nur Faktor pro Jahr entdeckt. In den letzten Jahren wurden einem Faktor bestimmen. Die zu erwartende Rendite jährlich mehrere Dutzend Faktoren aufgespürt. Die em- wird bestimmt durch das mit einer Aktie übernommene pirische Forschung hat mittlerweile über 300 Faktoren Marktrisiko. Das Marktrisiko und die zu erwartende an den Tag gebracht, welche die Renditedifferenzen von Rendite stehen gemäss CAPM in einer positiven linearen Aktien erklären sollen. Nachfolgend ein paar Beispiele:20 Beziehung zueinander. Das hierfür verwendete statisti- sche Mass ist die Kennzahl Beta.19 Das CAPM wurde • Leerverkaufeinschränkungen (1980) im Verlauf der Jahre aber zunehmend kritisiert, weil • Institutionelle Beteiligungen (1983) andere Untersuchungen diese positive lineare Beziehung • Dividendensteuersatz (1994) empirisch nicht bestätigten. • F&E Kapital (1996) • Kauf- und Verkaufsempfehlungen (1996) In der Folge etablierte sich in den 1970er Jahren die • Handelsvolumen (2000) Arbitrage Pricing Theory (APT). Im Unterschied zum • Ertragsnachhaltigkeit (2002) CAPM, das nur einen Faktor berücksichtigte, handelte • Medienberichterstattung (2009) es sich bei der APT um ein Mehrfaktorenmodell. Es • Cashflow Volatilität (2009) bildet die Tatsache ab, dass mehrere Faktoren die Ak- • Goodwill-Abschreibungen (2011) tienrenditen beeinflussen. Stephen Ross, der Entwickler dieses Modells, hatte aber nicht definiert, welche Fakto- Die einzelnen Faktoren lassen sich in Kategorien auftei- ren das Modell berücksichtigen soll. len, je nach verwendeten Daten für die Faktordefinition. Ein Grossteil der Faktoren kann den in Abbildung 6 Ab Ende der 1970er Jahre zeigten Wissenschaftler kon- aufgezeigten vier Kategorien zugewiesen werden. kreter auf, welche Faktoren bzw. Eigenschaften Aktien- renditen beeinflussen. Sie entdeckten beispielsweise mit dem Size- und Value-Faktor zwei Aktienmerkmale, die auch heute noch grossen Einfluss auf Theorie und Pra- xis haben. Daraus resultierte Anfang der 1990er Jahre das heute noch viel beachtete Dreifaktorenmodell von Eugene Fama und Kenneth French. Im Unterschied zu Ross hatten die zwei bekannten Wissenschaftler in ihrem 17 Suhonen et al. (2017). 20 Für eine Auflistung verschiedener Faktoren siehe Harvey et al. (2015) 18 Morningstar (2017). und Novy-Marx & Velikov (2015). 19 Die Beta-Kennzahl ist ein mit dem Verhältnis der Aktien- und Marktvolatilität skalierter Korrelationskoeffizient. Für Details siehe Zimmermann (2009). 7
• Hat der Faktor in der Vergangenheit zu einer statis- Kategorien von Faktoren tisch signifikanten Mehrrendite geführt? Faktorkategorie Beispiele für verwendete Daten • Kann der Faktor in unterschiedlichen Aktien Finanztechnisch Renditen, Volatilitäten, etc. regionen nachgewiesen werden? Verhaltenstechnisch Anlegerstimmung, Medienab- deckung, Analystenratings, etc. • Besteht die Faktor-Prämie auch dann, wenn die Buchhalterisch Eigenkapital, Cash Flows, etc. Faktordefinition leicht angepasst wird? Mikrostrukturtechnisch Liquidität, Volumen, etc. • Wurde der Faktor im Zeitablauf von mehreren Au- Abbildung 6: Faktoren lassen sich je nach Datenbasis toren und über verschiedene Zeitperioden bestätigt? unterschiedlichen Kategorien zuordnen.21 • Ist es realistisch, dass der Faktor nach Abzug der Transaktionsgebühren einen Mehrwert liefert? Im Zusammenhang mit dieser mittlerweile sehr gros- • Lässt sich begründen, weshalb der Faktor in der Ver- sen Anzahl von Faktoren ist der Begriff «Factor Zoo» gangenheit zu einer Mehrrendite geführt hat und entstanden.22 Er ist als Warnung für Anleger zu ver- auch in der Zukunft eine Prämie abwerfen soll? stehen. Es wäre nämlich ein Trugschluss zu glauben, dass sämtliche dieser über 300 Faktoren in der Zukunft Um sich vor Data Mining zu schützen, ist gerade auch für Anleger zuverlässige und realisierbare Faktorprämien der letzte Punkt zentral. Wenn es keine intuitive Erklä- liefern werden. Einige dieser Faktoren dürften auf Factor rung für die Existenz eines Faktors gibt, ist die Gefahr Fishing zurückzuführen sein. Damit ist gemeint, dass von Data Mining hoch. Ein amüsantes Beispiel soll das die zur Verfügung stehenden Kursreihen und Daten so veranschaulichen: Vor etwa 20 Jahren haben Forscher lange ausgewertet werden, bis ein scheinbarer aber eben 99 Prozent der Rendite des amerikanischen Aktienmark- nicht real existierender Zusammenhang bzw. Faktor ge- tes mit der Butterproduktion in Bangladesch, der Käse- funden wird. In diesem Zusammenhang spricht man produktion und der Anzahl Schafe in den USA erklären auch von Data Mining. Eine Gefahr von Data Mining können.26 Statistisch betrachtet klingt das nach einem ist beispielsweise, dass in der simulierten (historischen) hervorragenden Modell. Es ist aber offensichtlich, dass Periode auf Basis des getesteten Faktors eine gute Ren- es sich dabei um ein statistisches Artefakt ohne logische dite erzielt wurde, die zukünftige Performance aber Erklärungsgrundlage handelt. Auf Basis eines solchen deutlich schlechter ausfällt, weil der Zusammenhang Zusammenhangs sollten Anleger ihr Geld nicht anlegen zwischen Faktor und Rendite zufällig ist bzw. es sich – viel zu gross wäre die Gefahr, dass der scheinbare Zu- nicht um einen real existierenden Faktor handelt. Data sammenhang abrupt endet. Mining muss auch aus der Perspektive gesehen werden, dass Wissenschaftler publizieren möchten bzw. müssen, Die Forschung hat in den letzten Jahrzehnten verschie- und negative Forschungsergebnisse im Normalfall nicht dene Erklärungsansätze für die Existenz unterschiedli- publiziert werden.23 Gewisse Wissenschaftler fordern cher Faktoren entwickelt. Grundsätzlich lassen sich diese heute, dass die bisher angewendeten statistischen Er- in zwei Kategorien einteilen, in risikobasierte Ansätze fordernisse erhöht werden sollten, um einen Faktor als und in verhaltensbasierte Ansätze. Die risikobasierten statistisch signifikant klassifizieren zu dürfen.24 Ansätze führen die Mehrrendite von Faktorstrategien darauf zurück, dass Anleger dafür höhere Risiken ein- Eine Faktorstrategie, die keine umfassende wissenschaft- gehen müssen, so dass beispielsweise ein bestimmter liche Folgeuntersuchungen aufweisen kann, bedeutet Faktor eine grössere Sensitivität gegenüber makroöko- in der Regel, dass die Publikation in der wissenschaft- nomischen Grössen hat wie zum Beispiel dem Wirt- lichen Welt nicht überzeugt hat. Ausserdem können schaftswachstum. Verhaltensbasierte Erklärungsansätze die folgenden Fragen Anlegern helfen, einen sinnvollen gehen davon aus, dass die Faktorprämien durch sys- Faktor zu identifizieren (die Fragen sollten bejaht wer- tematisches irrationales bzw. suboptimales Anlegerver- den können):25 halten generiert werden, indem Anleger beispielsweise aus psychologischen Gründen Kursgewinne zu schnell realisieren und Kursverluste zu lange laufen lassen. 21 Amenc et al. (2015) und Harvey & Liu (2015). 24 Harvey et al. (2015). 22 Cochrane (2011) und Feng et al. (2017). 25 Siehe dazu auch Berkin & Swedroe (2016). 23 Illmanen (2011) und Suhonen et al. (2017). 26 Antonacci (2015). 8
Die Abbildungen 7 und 8 listen fünf Aktienfaktoren sich Aktienrenditen erklären lassen.30 So berücksichti- auf, die in der Wissenschaft weitgehend anerkannt sind. gen die Untersuchungen in der Regel keine Transak- Diese Faktoren sind wissenschaftlich breit abgestützt tionskosten und es werden teilweise auch illiquide Titel und weisen auf der Plattform Social Science Research in die Analyse miteinbezogen. Weiter gibt es Faktoren, Network (SSRN) zwischen rund 260 (Volatility) und die zu hohen Transaktionskosten führen. Ausserdem 2300 (Value) publizierte Untersuchungen auf.27 Die handelt es sich im Normalfall um sogenannte Long-/ fünf Faktoren sind in den beiden Abbildungen kurz be- Short-Strategien. Bei solchen Strategien werden Aktien schrieben und mit Erklärungsansätzen versehen, die in mit «guten» Eigenschaften (z.B. unterbewertete Firmen) Untersuchungen vorgebracht wurden.28 gekauft, während Aktien mit «schlechten» Eigenschaften (z.B. überbewertete Firmen) leer verkauft (geshortet) In den folgenden zwei Kapiteln fokussieren wir uns werden. Dies im Unterschied zu den im Markt üblicher- auf diese fünf Faktoren, da sie wissenschaftlich weit weise angebotenen Long-Only-Produkten, bei denen anerkannt sind und in der Praxis zu den populärsten keine Leerverkäufe stattfinden. Weitere Ausführungen Strategien gehören.29 zu diesem Unterschied folgen in Kapitel 3. Abschliessend gilt es zu beachten, dass es den Wissen- schaftlern bei ihrer Forschung grösstenteils nicht um investierbare Indizes ging. Den Autoren der verschie- denen wissenschaftlichen Faktor-Untersuchungen ging es primär nicht darum, praxistaugliche Anlagestrategien oder für Anleger investierbare Indizes zu entwickeln. Sie wollten vielmehr Faktoren identifizieren, mit denen Übersicht über allgemein anerkannte Aktienfaktoren Faktor Selektion von Aktien mit folgenden Merkmalen Beispiel für Selektionskennzahl Value Günstige Bewertung Kurs-Buchwert-Verhältnis Size Tiefe Marktkapitalisierung Marktkapitalisierung Momentum Hohe Rendite in der Vergangenheit Rendite der vergangenen sechs Monate Volatility Tiefe Kursschwankungen in der Vergangenheit Volatilität der vergangenen zwölf Monate Quality Solide und konstante Unternehmenserträge Gewinnstabilität Abbildung 7: Kurzbeschreibung von fünf Aktienfaktoren, die in der Wissenschaft breite Akzeptanz finden. Erklärungsansätze für allgemein anerkannte Aktienfaktoren Faktor Risikobasierte Erklärungsansätze Verhaltensorientierte Erklärungsansätze Value • Titel reagieren sensitiv auf makroökonomische Faktoren. • Überreaktion bei schlechten Neuigkeiten. • Unsicherheit bezüglich zukünftiger Gewinne. • Recency bias führen dazu, dass Value-Titel ver- nachlässigt werden. Size • Tiefe Liquidität von kleinkapitalisierten Firmen. • Small Caps werden durch Anleger vernachlässigt • Titel reagieren sensitiv auf makroökonomische Faktoren. (Limited Investor Attention). Momentum • Titel reagieren sensitiv auf makroökonomische Faktoren. • Anleger unterliegen einem Herdentrieb, was zu • Schnelle Umkehrrisiken (auch bei Marktturnarounds). einer Überreaktion führen kann (Overreaction). • Neuen Informationen wird anfänglich zu wenig Bedeutung geschenkt (Underreaction). Volatility • Titel können einen hohen Tracking Error gegenüber dem • Titel werden oftmals durch Anleger vernachlässigt, Vergleichsindex aufweisen. weil sie zu wenig attraktiv aussehen (siehe auch Lotterie-Effekt). Quality • Titel mit einer hohen Profitabilität sind einem erhöhten • Anleger bevorzugen Titel mit einer spannenderen Konkurrenzdruck ausgesetzt, was sich negativ auf ihre (Wachstums-)Story. zukünftigen Gewinne auswirken kann. Abbildung 8: Beispiele von Erklärungsansätzen für fünf Aktienfaktoren, die in der Wissenschaft breite Akzeptanz finden.31 27 Beck et al. (2016). 30 MSCI Barra (2013). 28 Für eine Übersicht mit zentralen wissenschaftlichen Untersuchungen 31 Soliman (2008), MSCI Barra (2013), Amenc et al. (2015), siehe Amenc et al. (2015). BlackRock (2015). 29 MSCI Barra (2013). 9
3. Konstruktionsweise von In den folgenden Abschnitten werden diese vier Schritte aktienbasierten Faktorindizes näher erläutert und auch auf die Unterschiede zu klassisch marktkapitalisierten Indizes hingewiesen: 3.1 Rahmenwerk für die Konstruktionsweise von Faktorindizes Schritt 1: Definition des Anlageuniversums Wie wir im Kapitel 1 erklärt haben, sind marktkapitali- Als Anlageuniversum verwenden Faktorindizes im sierte Indizes oftmals nicht optimal diversifiziert. Zudem Normalfall diejenigen Titel, welche in einem klassisch entsteht das zugrundliegende Faktorexposure im Zeitab- marktkapitalisierten Index vertreten sind. Das Anlage- lauf relativ zufällig und kann dadurch zum Nachteil des universum beinhaltet normalerweise eine Anlageregion Anlegers ausgeprägt sein. Faktorindizes versuchen diese (z.B. Aktien USA) oder mehrere Anlageregionen zusam- Nachteile zu mildern. Während einige dieser Indizes nur men (z.B. Aktien Welt). Zudem gibt es Indizes, die sich einen dieser beiden Nachteile abschwächen (zufälliges auf Aktiensektoren (z.B. Gesundheitswesen) beziehen. Faktorexposure), konzentrieren sich andere darauf, bei- den Schwachstellen entgegenzuwirken. Durch die speziel- Schritt 2: Titelselektion aus dem Anlageuniversum le Konstruktionsweise haben Faktorindizes das Potenzial, langfristig gegenüber klassischen Indizes eine Mehrren- Komplexitätsgrad dite zu erzielen. Auf der anderen Seite sind Faktorindizes Der Titelselektionsprozess ist bei klassisch marktkapita- aufgrund ihrer speziellen Konstruktionsweise für Anleger lisierten Indizes für Anleger relativ einfach zu verstehen. jedoch oftmals deutlich schwieriger zu verstehen. Ausser- Im Grundsatz werden diejenigen Aktien mit der höchsten dem gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Kons Marktkapitalisierung gekauft. Bei Faktorindizes kann truktionsweisen, die sich je nach Index und Indexanbieter der Selektionsprozess deutlich komplexer ausfallen und unterscheiden können. erweiterte mathematische und finanztechnische Kennt- nisse erfordern. Gewisse Indizes sind deshalb für Anleger Im Grundsatz sind bei der Konstruktion von Faktorindi- nur schwierig nachzuvollziehen. Der Komplexitätsgrad zes vier Bereiche relevant (siehe Abbildung 9). Die Aus- kann sich aber je nach Index deutlich unterscheiden. So gestaltung dieser Bereiche hat Einfluss auf die Rendite, das ist zum Beispiel ein klassischer Small-Cap-Index relativ Risiko (Volatilität, Drawdowns), die relative Abweichung leicht verständlich, da dieser die Titel mit der kleinsten zum klassischen marktkapitalisierten Vergleichsindex, Marktkapitalisierung kauft. den Indexturnover sowie die Handelsliquidität. Schnittmenge mit dem Anlageuniversum Rahmenwerk für die Konstruktionsweise von Einige Faktorindizes übernehmen sämtliche Aktien aus Faktorindizes dem Anlageuniversum und gewichten diese dann nur teilweise oder gar nicht auf Basis der Marktkapitali- 1. Anlage- 2. Titel 3. Gewich- universum selektion tung sierung. Andere Faktorindizes wiederum selektionieren nur einen Teil der Aktien aus dem Anlageuniversum. Die 4. Rebalancing nachfolgende Abbildung veranschaulicht diese beiden Möglichkeiten anhand eines vereinfachten Beispiels mit einem Anlageuniversum von 10 Titeln. Abbildung 9: Für die Definition eines Faktorindexes müssen in vier Bereichen klare Regeln definiert werden. 10
Vollständige oder selektive Berücksichtigung der Titel aus dem Anlageuniversum Anlageuniversum Gewichtung der Titel im Index (in %) Anzahl 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Titel Variante 1: Selektion sämtlicher Titel Variante 2: Selektive Titelauswahl Gewichtung Gewichtung der Titel im der Titel im Index (in %) Index (in %) Anzahl Anzahl 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Titel 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Titel Selektion im Faktorindex Selektion im Faktorindex Marktkapitalisierter Index Abbildung 10: Faktorindizes können sämtliche Aktien aus dem Anlageuniversum selektieren oder nur einen Teil des Anlageuniversums berücksichtigen. Zwei konkrete Beispiele: Der MSCI World Value sind für die verschiedenen Aktienfaktoren gängige Fak- Weighted Index selektioniert sämtliche Titel aus dem tordefinitionen entstanden, auf die wir im Kapitel 2 in Anlageuniversum (MSCI World Index) entsprechend der Abbildung 7 eingegangen sind. So wird zum Beispiel der Variante 1 in Abbildung 10. Der MSCI World En- für die Value-Definition als klassische Selektionskenn- hanced Value Index basiert dagegen auf der zweiten Va- zahl das Kurs-Buchwert-Verhältnis herangezogen. In der riante und führt somit eine selektive Titelauswahl durch. Praxis ist es aber so, dass die Indexanbieter oftmals von den etablierten wissenschaftlichen Faktordefinitionen Faktordefinition abweichen. Die jeweils angewendete Faktordefinition Wird nur eine Teilmenge aus dem Anlageuniversum ge- muss deshalb genau und kritisch beurteilt werden. So kauft (Variante 2 in Abbildung 10), ist die zentrale Frage, können Indizes bei einem gleichen Faktor unterschiedli- mit welcher Faktordefinition die Titel ausgewählt wer- che Selektionskennzahlen anwenden. Und selbst bei der den. Aber auch bei der Variante 1 in Abbildung 10 spielt gleichen Selektionskennzahl kann es zu Abweichungen die Faktordefinition im nachgelagerten dritten Schritt kommen, je nachdem wie die Kennzahl berechnet wird. eine wichtige Rolle bei der Titelgewichtung. Denn hier ist sie für die Bestimmung des Über- oder Untergewichts Bei einigen Indizes werden die Aktien auch mit mehreren der einzelnen Aktien relevant. Selektionskennzahlen beurteilt. Bei einem Value-Index beispielsweise kann das bedeuten, dass neben dem Kurs- Mit der Faktordefinition ist gemeint, wie zum Beispiel Buchwert-Verhältnis auch noch die Dividendenrendite bei einem Value-Faktorindex die Value-Komponente oder das Unternehmenswert-Cashflow-Verhältnis in der einzelnen Aktien beurteilt wird. Oder anders aus- den Auswahlprozess einfliessen. Eine solche Vorgehens- gedrückt: Wie wird bestimmt, ob eine Aktie über- oder weise kann durchaus ihre Vorteile haben, wie die poten- unterbewertet ist? Aus der wissenschaftlichen Forschung ziell stabilere Wertentwicklung des Indexes. Gerade bei 11
nicht-wissenschaftlichen mehrdimensionalen Faktorde- positive Rendite erzielen. Dies steht im Unterschied zu finitionen muss man aber besonders kritisch hinschauen. Long-/Short-Strategien, bei denen bei einer negativen So besteht zum Beispiel die Gefahr, dass eine simulierte Faktorprämie sehr grosse Verluste entstehen können. Indexperformance vor allem auf das Resultat von Data Mining zurückzuführen ist. Wie Studien zeigen, droht Einzelfaktor- vs. Multifaktorindex bei komplexen Faktorindizes eine grössere Gefahr, dass Bei der Konstruktionsweise von Faktorindizes wird die Live-Rendite im Vergleich zur simulierten Rendite zwischen Einzelfaktor- und Multifaktorindizes unter- enttäuscht.32 schieden. Bei einem Einzelfaktorindex wird bei der Titelselektion nur jeweils ein Faktor berücksichtigt, Long-/Short vs. Long-Only während Multifaktorindizes die Titel basierend auf meh- In der wissenschaftlichen Forschung liegt der Fokus reren Faktoren auswählen (siehe Abbildung 11 und 12). auf Long-/Short-Strategien. Bei solchen Strategien werden Aktien mit «guten» Eigenschaften gekauft, wie Wie der Name bereits andeutet, betrachten Einzelfaktor- z.B. unterbewertete Firmen. Man spricht in diesem Fall indizes jeweils nur einen Faktor pro Index. Bei diesem von einer Long-Position. Hingegen werden Titel mit Ansatz werden die jeweiligen Titel aus dem Anlage- «schlechten» Merkmalen (z.B. überbewertete Firmen) universum mit den gewünschten Faktoreigenschaften leer verkauft (geshortet). Dies im Unterschied zu den herausgefiltert oder entsprechend gewichtet. Zu dieser in der Praxis mehrheitlich angebotenen Long-Only-In- Art von Indizes zählt beispielsweise der oben erwähnte dizes bzw. ETF, bei denen keine Leerverkäufe gemacht MSCI World Enhanced Value Index. Möchte ein An- werden.33 Laut Blitz et al. (2014) sind Long-Only-An- leger in verschiedene Einzelfaktoren investieren, kauft er sätze grundsätzlich überlegen. Dies unter anderem we- bei dieser Variante pro Aktienfaktor dementsprechend gen des einzugehenden Risikos, aufgrund praktischer einen ETF. Gemäss der obigen Abbildung könnte ein Gegebenheiten sowie tieferen Implementationskosten. Anleger ein Portfolio zusammenstellen, das mittels fünf Ausserdem ist man bei Long-Only-Strategien als Anleger verschiedener Faktoren-Indizes bzw. Faktoren-ETF die weniger stark abhängig von der Faktorprämie. Selbst Faktoren Volatility, Momentum, Size, Quality und wenn der entsprechende Faktor in der Zukunft keine Value abdeckt. Diese Vorgehensweise gibt dem An- Prämie mehr abwirft, sollte der Anleger immer noch mit leger eine hohe Flexibilität, so dass er die einzelnen der Marktprämie entschädigt werden – und somit eine ETF beispielsweise mit einem Relative-Stärke-Ansatz Einzelfaktorindizes Einzelfaktorindex Anlage- Anlage- Anlage- Anlage- Anlage- universum universum universum universum universum Volatility- Momentum- Size- Quality- Value- Faktor Faktor Faktor Faktor Faktor Volatility- Momentum- Size- Quality- Value- ETF ETF ETF ETF ETF • Einzeln betrachtete Faktoren • Ein Faktor pro ETF • Anleger kann mit mehreren ETF ein Multifaktorportfolio selber bilden Abbildung 11: Einzelfaktorindizes berücksichtigen bei der Titelauswahl nur einen Faktor. 32 Suhonen et al. (2017). 33 Asness & Liew (2014). 12
Multifaktorindizes Multifaktorindex Variante 1 Variante 2 Anlage- Anlage- Anlage- Anlage- Anlage- Anlage- universum universum universum universum universum universum Volatility- Momentum- Size- Quality- Value- Multifaktor Faktor Faktor Faktor Faktor Faktor (Volatility, Momentum, Size, Quality, Value) Multifaktor-ETF Multifaktor-ETF • Einzeln betrachtete Faktoren • Gesamtheitlich betrachtete Faktoren • Jede Aktie aus dem Anlageuniversum wird nacheinander nach verschiedenen • Jede Aktie aus dem Anlageuniversum Faktoren bewertet wird gleichzeitig nach verschiedenen • Ein Faktor pro Subportfolio Faktoren bewertet • Subportfolios werden zu einem Multifaktorportfolio gewichtet • Mehrere Faktoren pro ETF • Mehrere Faktoren pro ETF • Anleger delegiert das Zusammenstellen • Anleger delegiert das Zusammenstellen des Multifaktorportfolios an den des Multifaktorportfolios an den Index- Indexanbieter anbieter Abbildung 12: Multifaktorindizes beziehen bei der Titelauswahl mehrere Faktoren ein. selbstständig steuern kann.34 Auf der anderen Seite hat sein oder gleiche Titel eine unterschiedliche Gewich- dieser Ansatz den Nachteil, dass es dabei zu ungewoll- tung vorweisen. Diese Subindizes werden im Anschluss ten Klumpenrisiken von einzelnen Titeln, Ländern oder mit einem Gewichtungsansatz kombiniert und bilden Sektoren kommen kann, wenn diese in mehreren Einzel- so den Multifaktorindex. Der zweite Multifaktoransatz faktorindizes eine hohe Gewichtung haben. Ein weiterer (Variante 2) besteht darin, die unterschiedlichen Einzel- Nachteil ist, dass es bei diesem Ansatz zu einem höhe- faktoren gesamtheitlich zu betrachten. Die Aktien aus ren Turnover als bei Multifaktorindizes kommen kann. dem Anlageuniversum werden für sämtliche Faktoren Ursache dafür ist die fehlende Möglichkeit, im Portfolio gleichzeitig nach verschiedenen Faktoren bewertet. ein sogenanntes «natural crossing» vorzunehmen. Das «natural crossing» erlaubt es, den Turnover in Multi- Verschiedene Multifaktorindizes müssen nicht die glei- faktorportfolios zu reduzieren, indem man jene Titel chen Einzelfaktoren berücksichtigen. Welche Faktoren miteinander verrechnet, die aus einem Einzelfaktorindex im konkreten Fall in einem Index Berücksichtigung herausfallen und zugleich bei einem anderen Einzelfak- finden, muss der Anleger im jeweiligen Indexreglement torindex hinzugekauft werden. nachschlagen. Hierzu ein Beispiel: Der MSCI World Diversified Multiple-Factor berücksichtigt die Faktoren Multifaktorindizes (Variante 1 und 2 in der Abbildung Value, Momentum, Quality und Size, während der SPI 12) ermöglichen eine Anlage in mehrere Faktoren mit- Multi Premia Index zusätzlich die Faktoren Low Risk, tels nur einem ETF. Dadurch kann der Anleger die Residual Momentum und Reversal miteinbezieht. einzelnen Faktoren nicht selbstständig steuern. Variante 1 betrachtet die Einzelfaktoren zunächst einzeln (analog Abschliessend soll darauf hingewiesen werden, dass die der Einzelfaktorindizes) und bildet daraus Subportfolios angewendeten Methodiken der Subindizes in Multi für die jeweiligen Faktoren. Je nachdem können in je- faktorindizes nicht mit anderen Einzelfaktorindizes des- dem dieser Subindizes unterschiedliche Titel enthalten selben Indexanbieters übereinstimmen müssen. 34 Für eine Einführung in den Relative-Stärke-Ansatz siehe Weber et al. (2015). 13
Scores vs. Ranks ist bei der Auswahl der Gewichtungsverfahren, ob sämt- Um ein möglichst hohes Faktorexposure zu erreichen liche Aktien oder nur eine Teilmenge aus dem Anlage- und um unterschiedlich hohe Selektionskennzahlen zu universum selektioniert werden. standardisieren, wenden Faktorindizes bei der Selektion von Aktien aus dem Anlageuniversum unterschiedliche Werden sämtliche Titel aus dem Anlageuniversum se- Verfahren an.35 Man unterscheidet dabei zwischen dem lektioniert (siehe Variante 1 in Abbildung 13), dürfen Rankingverfahren und dem Scoring. diese nicht ausschliesslich auf Basis der Marktkapitali- sierung gewichtet werden. Ansonsten würde es zu keiner Beim Rankingverfahren werden die jeweiligen Selek- Abweichung im Vergleich zum klassisch marktkapitali- tionskennzahlen unverändert betrachtet und für jede sierten Index kommen. Wenn allerdings eine selektive Kennzahl eine Rangliste erstellt. Die verschiedenen Titelauswahl durchgeführt wird (siehe Variante 2 in Ranglisten werden anschliessend in Abhängigkeit von der Abbildung 13), kann grundsätzlich auch eine Ge- der gewünschten Gewichtung der Kennzahlen zu einer wichtung ausschliesslich nach Marktkapitalisierung vor- Gesamtrangliste zusammengefasst. Daraus werden die genommen werden. Titel mit dem besten Ranking selektiert und die Titel am unteren Ende der Rangliste ausgeschlossen. Ein mögliches Gewichtungsverfahren besteht beispiels- weise darin, die selektionierten Aktien gleich zu gewich- Eine geläufigere Methode ist das Scoring. Dabei wird ten. Bei dieser Vorgehensweise haben alle Indextitel das für die jeweiligen Selektionskennzahlen ein sogenannter gleiche Gewicht. Ein Beispiel für diese Gewichtungsme- Z-Score berechnet, der die Verteilung der Kennzahlen thodik ist der MSCI World Mid Cap Equal Weighted besser miteinander vergleichbar macht. Dadurch lassen Index. sich verschiedene Kennzahlen auch besser miteinander kombinieren. Der Z-Score (Z) der Selektionskennzahl Es gibt auch Gewichtungsansätze, bei denen nur die eines Titels wird ermittelt, indem von der jeweiligen Faktoren relevant sind, ohne dass die Marktkapitalisie- Kennzahl (x) der Durchschnittswert dieser Kennzahl rung einbezogen wird. Eine weitere Möglichkeit besteht aller Titel im Anlageuniversum (μ) abgezogen und durch darin, dass sich die Gewichtungen am Risiko der ent- die Standardabweichung der Kennzahl aller Titel im An- haltenen Titel orientieren. So können Titel mit einem lageuniversum ( ) dividiert wird: hohen Risiko beispielsweise geringer gewichtet werden als Titel mit einem geringen Risiko, sodass sie alle einen gleichen Beitrag zum Risiko (z.B. Tracking Error) im Index liefern. Wenn man nun beispielsweise ein Verfahren anwendet, Ein anderer Ansatz besteht darin, für die Bestimmung wo bei der Zusammenstellung des Indexes nur Titel der Titelgewichtungen in Faktorindizes die Marktkapi- ab einem gewissen Z-Score zugelassen werden, kann talisierung mit dem jeweiligen Faktor-Score zu multipli- die Titelanzahl variieren. Wendet der Indexanbieter ein zieren. Bei diesem Ansatz hat die Marktkapitalisierung Rankingverfahren an, muss eine fixe Anzahl Titel defi- ein relativ hohes Gewicht im Faktorindex. Allerdings niert werden. tragen hier die jeweiligen Selektionskennzahlen zur Ge- wichtung mit bei. Der MSCI World Enhanced Value Schritt 3: Gewichtung der selektionierten Aktien Index zählt beispielweise zu dieser Kategorie. Gewichtungsmethoden Im Folgenden wird erklärt, wie die Titelgewichtun- Wie wir bereits im Kapitel 1 gesehen haben, stellt die gen in Multifaktorindizes hergeleitet werden können. Gewichtung ein zentrales Unterscheidungsmerkmal Bei der Variante 1 aus Abbildung 12 müssen die se- zwischen Faktorindizes und klassischen Indizes dar. Für lektionierten Titel zuerst in den Subportfolios ge- die Festlegung der Titelgewichtungen in Faktorindizes wichtet werden. Jedem dieser Subportfolios wird im gibt es aber unterschiedliche Verfahren. Von Relevanz Anschluss ein bestimmtes Gewicht zugeteilt, so dass ein 35 BlackRock (2015). 14
Gewichtung bei der vollständigen und selektiven Titelauswahl Anlageuniversum Gewichtung der Titel im Index (in %) Anzahl 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Titel Variante 1: Selektion sämtlicher Titel Variante 2: Selektive Titelauswahl Gewichtung Gewichtung der Titel im der Titel im Index (in %) Index (in %) Anzahl Anzahl 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Titel 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Titel Selektion im Faktorindex Selektion im Faktorindex Marktkapitalisierter Index Faktorindex Abbildung 13: Selektioniert man sämtliche Titel aus dem Anlageuniversum ist eine alternative Gewichtungsform notwendig. Bei einer selekti- ven Titelauswahl kann auch eine Gewichtung nach Marktkapitalisierung erfolgen. Multifaktorportfolio resultiert. Der SPI Multi Premia zwei Faktoren (Value und Quality) verwendet werden. Index beispielsweise wendet dieses Prinzip an, wobei die Die beiden Beispiele in den Abbildungen 14 und 15 Subindizes so gewichtet werden, dass das relative Risiko verdeutlichen, dass die Titelgewichtungen für die beiden (Tracking Error) zu gleichen Teilen auf die unterschied- Varianten stark voneinander abweichen können. Wäh- lichen Subportfolios verteilt wird.36 Die Abbildung 14 rend in diesen Beispielen in Variante 1 die drei Titel sehr illustriert die Vorgehensweise bei der Variante 1 aus ähnlich gewichtet sind, weist Titel 3 in Variante 2 die Abbildung 12. Dazu werden zur Vereinfachung ledig- weitaus höchste Gewichtung vor. Ob bei der Konstruk- lich drei Titel, zwei verschiedene Faktoren (Value und tionsweise von Multifaktorindizes die Variante 1 oder 2 Quality) sowie ein Gleichgewichtungsansatz der beiden überlegen ist, kann nicht eindeutig bestimmt werden. Faktoren verwendet. Dass es diesbezüglich verschiedene Ansichten gibt, sieht man auch daran, dass in der Praxis beide Ansätze zur Bei der Variante 2 in Abbildung 12 werden keine Sub- Anwendung kommen. Für Anleger ist wichtig, bei der portfolios gebildet, sondern das Multifaktorportfolio Investition in einen Index die jeweilige Konstruktions- direkt hergeleitet. Dieser Ansatz wird beispielsweise weise und deren Auswirkungen zu verstehen. vom MSCI World Diversified Multiple-Factor Index angewendet, bei dem die Titel so gewichtet werden, Titel-/Sektor-/Länderrestriktionen dass das Marktrisiko (Volatilität) ähnlich hoch ist wie Je nach Indexmethodik sind bei Faktorindizes Restrik- im klassisch marktkapitalisierten MSCI World Index. tionen der Gewichtungen von Sektoren, Ländern oder Die Abbildung 15 veranschaulicht stark vereinfacht die einzelnen Titeln möglich. Ziel dieser Einschränkungen Vorgehensweise der Variante 2, wobei wie in der Ab- kann sein, eine bessere Diversifikation im Index zu er- bildung 14 zur Vereinfachung lediglich drei Titel und reichen und Klumpenrisiken zu vermeiden. So können 36 SIX Swiss Exchange (2017b). 15
beispielsweise Titel aus einem bestimmten Sektor über- Sektorengewichtung wie im MSCI World Index re- durchschnittlich positive Selektionskennzahlen vorwei- sultiert. Auch Länderrestriktionen werden in diesem sen, wodurch eine starke Sektorkonzentration im Index Zusammenhang häufig von den Indexanbietern ange- zustande kommt. Ein weiteres Ziel von Restriktionen wandt. Je nach Index können solche Restriktionen, die kann sein, zum Beispiel bei den Sektorgewichtungen sich auf den Hauptindex beziehen, aber eine optima- nicht zu stark vom Hauptindex abzuweichen. So wird le Diversifikation im Faktorindex erschweren. Dafür beispielsweise der MSCI World Sector Neutral Qua- wird aber die potenzielle Renditeabweichung bzw. das lity Index so konstruiert, dass eine möglichst ähnliche Benchmarkrisiko reduziert. Illustration eines Multifaktorindexes mit der Variante 1 Schritt 1: Bildung des Value-Subportfolios Gewichtung im Hauptindex Value Score Nicht-adjustierte Gewichtungen Subportfolio 1: Value Faktor Titel 1 20,3% 0,80 20,3% x 0,80 = 16,2% 58,1% Titel 2 35,8% 0,02 35,8% x 0,02 = 0,7% 2,6% Titel 3 43,9% 0,25 43,9% x 0,25 = 11,0% 39,3% 100,0% 100,0% Kommentar: Bildung des Value-Subportfolios unter Einbeziehung der Titelgewichtungen im marktkapitalisierten Hauptindex und des Value Scores. Der Value Score gibt an, wie gut der Titel die Value-Eigenschaft erfüllt. Für das Subportfolio werden die nicht-adjustierten Gewichtungen auf 100 Prozent skaliert. Schritt 2: Bildung des Quality-Subportfolios Gewichtung im Hauptindex Quality Score Nicht-adjustierte Gewichtungen Subportfolio 2: Quality Faktor Titel 1 20,3% 0,15 20,3% x 0,15 = 3,0% 5,7% Titel 2 35,8% 1,00 35,8% x 1,00 = 35,8% 67,1% Titel 3 43,9% 0,33 43,9% x 0,33 = 14,5% 27,2% 100,0% 100,0% Kommentar: Bildung des Quality-Subportfolios unter Einbeziehung der Titelgewichtungen im marktkapitalisierten Hauptindex und des Quality Scores. Der Quality Score gibt an, wie gut der Titel die Quality-Eigenschaft erfüllt. Für das Subportfolio werden die nicht- adjustierten Gewichtungen auf 100 Prozent skaliert. Schritt 3: Bildung des Multifaktorportfolios Subportfolio 1: Value Faktor Subportfolio 2: Quality Faktor Multifaktorportfolio Titel 1 58,1% 5,7% (58,1% + 5,7%) : 2 = 31,9% Titel 2 2,6% 67,1% ( 2,6% + 67,1%) : 2 = 34,9% Titel 3 39,3% 27,2% (39,3% + 27,2%) : 2 = 33,2% 100,0% 100,0% 100,0% Kommentar: Bildung des Multifaktorportfolios unter Einbeziehung der Titelgewichtungen in den Einzelfaktor-Subportfolios. Die Titelgewichtungen der beiden Einzelfaktor-Subportfolios werden für das Multifaktorportfolio in diesem Beispiel zu gleichen Teilen berücksichtigt. Abbildung 14: Vereinfachtes Beispiel zur Herleitung der Gewichtungen eines Multifaktorindexes nach der Variante 1.37 Illustration eines Multifaktorindexes mit der Variante 2 Multifaktor- Gewichtung im Hauptindex Value Score Quality Score Nicht-adjustierte Gewichtungen portfolio Titel 1 20,3% 0,80 0,15 20,3% x 0,80 x 0,15 = 2,4% 35,8% Titel 2 35,8% 0,02 1,00 35,8% x 0,02 x 1,00 = 0,7% 10,5% Titel 3 43,9% 0,25 0,33 43,9% x 0,25 x 0,33 = 3,6% 53,7% 100,0% 100,0% Kommentar: Bildung des Multifaktorportfolios unter gleichzeitiger Einbeziehung der Titelgewichtungen im marktkapitalisierten Hauptindex, des Value Scores und des Quality Scores. Der Value und der Quality Score geben an, wie gut der Titel die Value- und Quality-Eigenschaft erfüllt. Für das Multifaktorportfolio werden die nicht-adjustierten Gewichtungen in diesem Beispiel einfach auf 100 Prozent skaliert. Abbildung 15: Vereinfachtes Beispiel zur Herleitung der Gewichtungen eines Multifaktorindexes nach Variante 2.38 37 Illustration in Anlehnung an FTSE Russell (2017a). 38 Illustration in Anlehnung an FTSE Russell (2017a). 16
Schritt 4: Rebalancingprozess Multifaktor weisen bereits klar höhere Turnovers vor. Beim Rebalancingprozess wird regelmässig überprüft, Sie liegen im Durchschnitt zwischen 30 und 43 Prozent. ob die im Index enthaltenen Titel ausgetauscht oder Mit Abstand am meisten Transaktionen verursacht der neu gewichtet werden müssen. Falls notwendig, wird Momentum-Index mit einem durchschnittlichen Turn- der Index neu zusammengestellt und die dafür notwen- over von 131 Prozent. digen Käufe und Verkäufe ausgelöst. Optimalerweise versuchen Indizes, die Transaktionsanzahl für ETF oder Turnoverentwicklung verschiedener Faktorindizes Indexfonds, die den Index abbilden, möglichst gering 180% zu halten – mit entsprechend positivem Effekt auf die 160% Handelskosten. Gesteuert werden kann die Transak- 140% tionsanzahl mit der Häufigkeit des Rebalancings oder 120% mit Beschränkungen des Turnovers. 100% 80% Häufigkeit des Rebalancings 60% Bei vielen Faktorindizes wird das Rebalancing halb- 40% jährlich durchgeführt. Wird der Rebalancingprozess 20% zu häufig vollzogen, können durch die notwendigen 0% Transaktionen hohe Kosten entstehen. Soll die Anzahl 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 Transaktionen reduziert werden, kann die Rebalancing- MSCI World Enhanced Value MSCI World Multifaktor frequenz verringert werden.39 Es muss aber berücksich- MSCI World Size MSCI World Momentum MSCI World MinVol MSCI World Quality tigt werden, dass ein zu seltenes Rebalancing dazu führen MSCI World kann, dass die Indexzusammensetzung im Laufe der Zeit Abbildung 16: Turnoverdaten von Faktorindizes im Vergleich zu stark von der definierten Zielgewichtung abweicht. zum klassisch marktkapitalisierten Index.41 Die optimale Häufigkeit des Rebalancings kann je nach Faktor unterschiedlich ausfallen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Indexanbieter Beschränkungen des Turnovers die Höhe des Turnovers limitieren können. Einerseits ist Unter Turnover versteht man den Prozentsatz eines es möglich, den Turnover fix auf einen bestimmten Wert Portfolios, der innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu beschränken. Beispielsweise hat der MSCI World umgeschichtet wird. Ein Turnover von 100 Prozent MinVol eine Turnoverlimite von 20 Prozent. Das Op- bedeutet, dass Positionen im Wert des gesamten Port- timierungsmodell des Indexes ist so konzipiert, dass der folios einmal gehandelt werden. Wie Untersuchungen Turnover bei jedem Rebalancing höchstens 20 Prozent zeigen, weisen Faktorindizes tendenziell einen höheren betragen soll. Bei einem halbjährlichen Rebalancing be- Turnover auf als klassische Aktienindizes.40 Dies ist vor trägt diese Limite 40 Prozent im Jahr. Aus Abbildung 16 allem darauf zurückzuführen, dass die Selektionskenn- geht aber hervor, dass diese Grenze in den Krisenjahren zahlen der Titel über bestimmte Zeiträume stärker vari- 2008 und 2009 überschritten wurde. ieren als ihre Marktkapitalisierung. Einerseits muss man aber zwischen den einzelnen Faktoren differenzieren, Ein anderer geläufiger Ansatz besteht darin, einen «Turn- andererseits hat auch die Indexkonstruktionsweise einen over Buffer» zu berücksichtigen. Bei diesem Prinzip wird Einfluss auf die Höhe des Turnovers. Zur Veranschauli- der Turnover reduziert, indem man beispielsweise die chung haben wir in der Abbildung 16 die jährliche Höhe Höhe der Differenz der Titelgewichtungen vor dem des Turnovers von sechs Weltaktienfaktorindizes im Rebalancing und der für das Rebalancing berechneten Vergleich mit dem klassisch marktkapitalisierten MSCI Zielgewichtungen verringert (z.B. MSCI World Enhan- World Index von 2000 bis 2016 abgebildet. Mit einem ced Value Index). Turnover von durchschnittlich rund 7 Prozent benötigt der MSCI World relativ wenig Transaktionen. Die Indi- zes für die Faktoren Quality, Size, Value, Volatility und 39 Siehe dazu auch Research Affiliates (2013). 40 Clare et al. (2015). 41 BlackRock (Daten per 31.12.2016). 17
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