Eine Untersuchung von faktorbasierten Aktien-ETF - VZ-Studie Wichtige Aspekte im Umgang mit Smart-Beta-Ansätzen - HSLU-Blogs

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VZ-Studie

Eine Untersuchung von faktorbasierten
Aktien-ETF
Wichtige Aspekte im Umgang mit Smart-Beta-Ansätzen

April 2018
Inhaltsverzeichnis

    Management Summary                                                                 3

    1. Einleitung                                                                      4

    2. Wissenschaftliche Erkenntnisse im Zusammenhang mit faktorbasierten Aktienanlagen 7

    3. Konstruktionsweise von aktienbasierten Faktorindizes                           10
       3.1 Rahmenwerk für die Konstruktionsweise von Faktorindizes                    10
       3.2 Konstruktionsweise des MSCI World Enhanced Value Index                     18
       3.3 Konstruktionsweise der Weltaktien­faktorindizes                            20

    4. Rendite- und Risikoanalyse der Weltaktienfaktorindizes                         22
       4.1    Langfristiger Rendite- und Risikovergleich                              23
       4.2    Renditevergleich in ausgewählten Marktphasen                            24
       4.3    Vergleich der kalenderbasierten Jahresrenditen                          25
       4.4    Vergleich rollierender Renditen über verschiedene Perioden              26

    5. Angebot und Gebühren von faktorbasierten Aktien-ETF                            28
       5.1 Wachstum und Angebot von faktorbasierten Aktien-ETF                        28
       5.2 Gebühren von faktorbasierten Aktien-ETF                                    29
       5.3 Auswahl eines faktorbasierten Aktien-ETF                                   32

    6. Fazit und Empfehlungen                                                         34

    Literaturverzeichnis                                                              35

    Autoren                                                                           40

2
Management Summary

Der erste ETF (Exchange Traded Fund) in der Schweiz wurde im Jahr 2000 lanciert. Seither
ist das Angebot auf über 1300 Produkte gestiegen. Trotz dieses attraktiven Angebots an
kostengünstigen Produkten ist ein Grossteil der Privatanleger nach wie vor in deutlich teurere
aktive Fonds investiert.

Bisher haben ETF vor allem klassisch marktkapitalisierte Indizes wie zum Beispiel den SMI,
den S&P 500 oder den MSCI World abgebildet. In den letzten Jahren sind an der Schweizer
Börse aber immer mehr Aktien-ETF lanciert worden, die Faktorindizes mit alternativen Titel-
auswahl- und Gewichtungsmethodiken abbilden. Dieses Marktsegment wächst weltweit stark.
Immer mehr Anleger investieren mittels kostengünstigen ETF in solche Aktienfaktoren.

Auch in der Schweiz fragen sich immer mehr Privatanleger, ob sie in ihren Portfolios Aktien-
ETF auf Faktorindizes berücksichtigen oder weiterhin in die klassisch marktkapitalisierten
Indizes investieren sollen. Das VZ nahm diese Frage zum Anlass, die Faktorindizes und die
damit zusammenhängenden ETF detailliert zu untersuchen und zu beschreiben. Die vorlie-
gende Studie erläutert, auf welche Aspekte Anleger bei der Investition in faktorbasierte Aktien-
ETF achten müssen. Dabei sind insbesondere folgende Schlussfolgerungen festzuhalten:

• Traditionelle Indizes sind oftmals nicht optimal diversifiziert und zusammengestellt. Mit
  Faktorindizes sollen diese Schwachstellen reduziert werden.
• Mit ETF auf Faktorindizes soll langfristig eine Mehrrendite und/oder ein tieferes Risiko
  gegenüber klassisch marktkapitalisierten Indizes erreicht werden. Anleger müssen aber auch
  mit (längeren) Phasen mit (deutlichen) Minderrenditen rechnen.
• Die Renditen verschiedener Aktienfaktoren können sich in bestimmten Marktphasen stark
  voneinander unterscheiden. Empfehlenswert ist deshalb eine Kombination verschiedener
  Faktoren, um das Portfolio stabiler auszugestalten. Im Portfoliokontext ist es ausserdem
  sinnvoll, klassische und faktorbasierte Indizes zu kombinieren, um eine breite Index­
  diversifikation zu erzielen. Spannend sind auch regelbasierte Anlagestrategien, bei denen
  die einzelnen Faktoren prognosefrei über- oder untergewichtet werden.
• Einige Faktorindizes sind für Anleger aufgrund ihrer komplexen Konstruktionsweise nur
  sehr schwierig zu verstehen. Ausserdem gibt es selbst auf denselben Faktor sehr unter­
  schiedliche Indexkonzepte, was sich stark auf die Rendite- und Risikoeigenschaften
  auswirkt.
• Anlegern wird empfohlen, sich vor einer Investition in einen Faktor-ETF umfassend mit
  dem zugrunde liegenden Index auseinanderzusetzen. Anleger sollten nur in Produkte
  investieren, die sie auch verstehen.
• In der wissenschaftlichen Literatur lassen sich bereits über 300 Aktienfaktoren finden. Nur
  wenige davon finden aber breite Anerkennung und eignen sich zur Anlage. An der Schweizer
  Börse beschränkt sich das ETF-Angebot nur auf ein paar wenige Aktienfaktoren, was positiv
  zu bewerten ist. Es gibt aber auch Produkte, von denen basierend auf wissenschaftlichen
  Erkenntnissen langfristig keine Mehrrendite, sondern eine Minderrendite zu erwarten ist.
• ETF auf faktorbasierte Indizes sind in der Regel leicht teurer als klassische ETF. Die
  Produkte können aber immer noch als kostengünstig klassifiziert werden, gerade auch im
  Vergleich zu aktiven Fonds.

                                                                                                   3
1. Einleitung                                                           der Schweizer Börse, welche entsprechend ihrer Grösse
                                                                            (Marktkapitalisierung) gewichtet sind.
    Bei Anlagefonds wird zwischen aktiven und passiven
    Fonds unterschieden. Die beiden Fondsarten unter-                       Nestlé beispielsweise ist im SMI per 31.12.2017 mit
    scheiden sich vor allem im Anlageziel. Fondsmanager                     18,04 Prozent gewichtet und hat den grössten Einfluss
    von aktiven Fonds versuchen eine höhere Rendite als                     auf die Renditeentwicklung des Indexes. Die drei gröss-
    ihr Vergleichsindex (Benchmark) zu erzielen. Das be-                    ten Titel Nestlé, Roche und Novartis sind zusammen
    dingt ein Fondsmanagement mit Finanzanalysten, wel-                     mit über 50 Prozent gewichtet. Am wenigsten wird der
    che die im Index enthaltenen Titel laufend analysieren                  SMI durch Swiss Life bewegt. Diese im Verhältnis klein-
    und den Fonds anders positionieren als der Benchmark,                   kapitalisierte Aktie hat lediglich ein Gewicht von 1,20
    indem beispielsweise gewisse Indexbestandteile über-                    Prozent (siehe Abbildung 2).
    oder untergewichtet werden. Passive Fonds verfolgen
    dieses Ziel nicht. Sie wollen den zugrunde liegenden                        Zusammensetzung des SMI
    Index möglichst exakt, also passiv, abbilden (siehe Abbil-
    dung 1). Sie können deshalb auf laufende Analysen von                                    Titelgewichtungen innerhalb des SMI
    Titeln verzichten, was zu deutlich geringeren Ver-
    waltungs­gebühren führt.1                                                        18,04%         17,79%          17,71%           7,10%
                                                                                     Nestlé          Roche          Novartis          UBS

        Aktive und passive Fonds im Vergleich                                        4,88%           4,74%           4,61%           4,34%
                                                                                      ABB          Richemont         Zurich            CS
                      Ziel einer Mehrrendite gegenüber
                             dem Vergleichsindex?                                                    2,71%
                                                                                     3,01%                           2,01%          1,84%
                                                                                                    Lafarge
                                                                                    Swiss Re                         Lonza         Givaudan
                         Ja                            Nein                                         Holcim

                     Aktive Fonds             Passive Fonds                          1,71%          1,63%            1,38%           1,37%
                     kostenintensiv           kostengünstig                           Sika          Geberit           SGS          Julius Baer
                   • Aktive Fonds            • ETF
                                             • Indexfonds                            1,35%          1,31%           1,26%           1,20%
                                                                                    Swisscom        Adecco          Swatch         Swiss Life
        Abbildung 1: Passive Fonds sind deutlich kostengünstiger als
        aktive Fonds.                                                           Abbildung 2: Der SMI gewichtet seine Indexbestandteile gemäss
                                                                                der Marktkapitalisierung.4

    Anleger haben mit einem aktiven Fonds die Chance auf
    eine Mehrrendite gegenüber dem Benchmark, sie gehen                     Die Marktkapitalisierung eines Titels berechnet sich
    aber auch das Risiko ein, die Rendite des Vergleich­sindexes            wie folgt:
    deutlich zu verfehlen. Über den Leistungsausweis von ak-
    tiven Fonds wird seit Jahrzehnten kritisch berichtet. Tat-              Marktkapitalisierung =
    sache ist: Während die Gebühren von aktiven Fonds hoch                  Anzahl herausgegebener Aktien x Aktienkurs
    sind, fallen die Renditen mehrheitlich unbefriedigend
    aus. Das zeigen diverse Untersuchungen.2                                Obige Formel macht deutlich, dass sich die Marktkapi-
                                                                            talisierung und somit die Indexgewichte im Zeitablauf je
    Diese oft nicht zufriedenstellenden Resultate von akti-                 nach Kursentwicklung der einzelnen Aktien verändern.5
    ven Fonds haben dazu geführt, dass die Nachfrage nach                   Als Beispiel: Per Anfang 2002 hatte Roche erst ein Ge-
    passiven Fonds in den letzten Jahren stark gestiegen ist.               wicht von rund 10 Prozent.6
    In der Schweiz wurde der erste Exchange Traded Fund
    (ETF) im Jahr 2000 lanciert.3 Seither erkennen immer                    Wird ein Aktienindex wie der SMI anhand der Markt­
    mehr Anleger die Vorteile von ETF und investieren in                    kapitalisierung der einzelnen Titel zusammengestellt
    diese kostengünstigen Produkte, die passiv einem Index                  und gewichtet, bezeichnet man ihn als marktkapita-
    folgen, beispielsweise dem Schweizer Aktienindex SMI.                   lisierten Index. Die meisten der viel beachteten Ak-
    Er enthält die 20 liquidesten und grössten Aktien an                    tienindizes wie der Swiss Performance Index (SPI), der

    1     Für eine ausführliche Beschreibung von ETF und Indexfonds siehe   4     Bloomberg (Daten per 31.12.2017).
          Rütsche & Zebiri (2017).                                          5     Im Normalfall werden nur die sich im Umlauf befindenden Aktien
    2     Zum Leistungsausweis von aktiven Fonds siehe Rütsche & Huber            miteinberechnet (Free Float).
          (2016).                                                           6     Bloomberg (Daten per 31.12.2017).
4   3     SIX Swiss Exchange (2010).
US-Aktienindex S&P 500, der Weltaktienindex MSCI
World und der deutsche Aktienindex DAX sind markt-                            Beispiele von klassischen und alternativen
                                                                              Aktienindizes
kapitalisierte Indizes.7 Bei diesen Indizes folgt auch die
                                                                              Klassische                              Alternative
Sektor- und Länderverteilung der Marktkapitalisierung                         Aktienindizes                           Aktienindizes
der enthaltenen Aktien. Im MSCI World beispielsweise
                                                                                                          Aktien
beträgt der Anteil von US-Aktien per 31.12.2017 59                                      SPI
                                                                                                         Schweiz
                                                                                                                         SPI Multi Premia

Prozent.8
                                                                                                          Aktien
                                                                                    MSCI World                         MSCI World MinVol
                                                                                                           Welt
Abbildung 3 zeigt für die viel beachteten Aktienindizes
Schweiz (SPI), Welt (MSCI World), USA (S&P 500)                                                           Aktien
                                                                                      S&P 500                         S&P 500 Equal Weight
sowie Deutschland (DAX) auf, welches Gewicht die                                                           USA

jeweils 10 Prozent grössten Titel im jeweiligen Index aus-
                                                                                                          Aktien
                                                                                   MSCI Europe                          MSCI Europe Value
machen (Daten per 31.12.2017). Es ist ersichtlich, dass                                                   Europa
bei sämtlichen Indizes wenige Titel für einen Grossteil
des Gewichts verantwortlich sind. Im SPI beispielsweise                       Selektion und                           Selektion und
                                                                              Gewichtung der Titel                    Gewichtung der Titel
machen die 10 Prozent grössten Titel 82 Prozent des                           auf Basis der Markt-                    nur bedingt oder gar
                                                                              kapitalisierung.                        nicht auf Basis der
Indexgewichts aus.                                                                                                    Marktkapitalisierung.

                                                                              Abbildung 4: Die Selektion und Gewichtung von Titeln in klas-
    Gewichtung der 10 Prozent grössten Titel in
                                                                              sischen Indizes basieren primär auf der Marktkapitalisierung,
    marktkapitalisierten Aktienindizes
                                                                              während alternative Indizes unterschiedliche Ansätze anwenden.
         SPI          MSCI World          S&P 500             DAX

                                                                             Wie Abbildung 4 zeigt, stellt beispielsweise der S&P 500
                                                                             Equal Weight eine Alternative zum marktkapitalisierten
                                                                             S&P 500 dar. Equal Weight bedeutet, dass die Titel im
    Abbildung 3: Ein kleiner Teil der Titel (hellblau) kann in               Index gleichgewichtet werden. In den USA hat Wells
    marktkapitalisierten Indizes für einen Grossteil des Gewichts            Fargo zwar bereits in den 1970er Jahren einen Ver-
    verantwortlich sein.
                                                                             such mit einem gleichgewichteten Indexfonds gewagt,
                                                                             das Produkt war aber wegen den damals hohen Trans­
Die wichtigsten marktkapitalisierten Indizes sind im                         aktionskosten kein Erfolg.10 In der jüngeren Vergangen-
letzten Jahrhundert lanciert worden. Der US-Aktien-                          heit haben sich gleichgewichtete Indizes aber vermehrt
index S&P 500 beispielsweise geht auf das Jahr 1957                          durchgesetzt. Beim S&P 500 Equal Weight ist jede
zurück, der Schweizer Aktienmarktindex SMI wurde                             Aktie mit 1/500 des Indexes bzw. 0,2 Prozent gewichtet.
1988 lanciert.9 AIs Alternative zu diesen etablierten klas-                  Beim herkömmlichen S&P 500 mit Gewichtung gemäss
sischen Indizes haben in den letzten Jahren verschiedene                     Marktkapitalisierung haben die grössten 10 Aktien ein
Indexanbieter vermehrt neuartige Indizes lanciert. Diese                     Gewicht von rund 20 Prozent.11 Die Gleichgewichtung
Indizes unterscheiden sich von den herkömmlichen                             verhindert Klumpenrisiken in einzelnen Aktien, was ein
darin, dass sich ihre Titelselektion und/oder -gewich-                       häufiges Problem von klassisch gewichteten Indizes ist.
tungen nicht oder nur teilweise von der Marktkapitali-                       Alternativ gewichtete Indizes führen aber nicht nur zu
sierung ableiten lassen (siehe Abbildung 4).                                 anderen Titelgewichtungen, auch in der Länder- und
                                                                             Sektorgewichtung kann es zu grossen Verschiebungen
                                                                             kommen.

7     Eine Ausnahme stellt zum Beispiel der japanische Aktienmarktindex      9 S&P Dow Jones Indices (2017) und SIX Swiss Exchange (2017)
      Nikkei 225 oder der amerikanische Aktienindex Dow Jones dar.           10 Research Affiliates (2014).
      Weitere Informationen dazu finden sich hier: VZ Finanzportal (2017).   11 S&P Dow Jones Indices (2017), (Daten per 31.12.2017).
8     Bloomberg (Daten per 31.12.2017).
                                                                                                                                               5
Alternativ gewichtete Indizes werden häufig als Smart                  Faktorbasiertes Investieren ist nicht neu, sondern nimmt
    Beta, Strategic Beta, Advanced Beta, Alternative Beta                  in der Wissenschaft schon lange einen grossen Stellen-
    oder auch Fundamental Indexing bezeichnet. Die meis-                   wert ein. Grundlage für die Faktorindizes sind wissen-
    ten dieser Indizes basieren implizit oder explizit auf                 schaftliche Untersuchungen, von denen viele mehrere
    sogenannten Aktienfaktoren. Man spricht in diesem Zu-                  Jahrzehnte alt sind (mehr dazu in Kapitel 2). Auch in
    sammenhang deshalb auch von faktorbasiertem Investie-                  der Praxis sind Faktoren nicht neu.17 Morningstar, ein
    ren.12 Faktorindizes sind beispielsweise die in Abbildung              weltweit bekanntes Finanzinformations- und Analyse­
    4 aufgeführten Aktienindizes SPI Multi Premia, MSCI                    unternehmen, bietet seine viel beachtete Style Box be-
    World MinVol (Minimum Volatility) sowie MSCI Eu-                       reits seit 1992 an. Ein Instrument, das Anlagefonds
    rope Value. Unter einem Faktor versteht man eine be-                   nach Anlagestilen (Faktoren: Value vs. Growth, Small
    stimmte Eigenschaft bzw. ein bestimmtes Merkmal einer                  vs. Large) ordnet.18
    Aktie bzw. einer Unternehmung. So steht beispielsweise
    der Value-Faktor für Aktien mit einer tiefen Bewertung                 Neu ist, dass Privatanleger direkt und kostengünstig in
    und der Size-Faktor für Aktien mit einer kleinen Markt-                unterschiedliche Faktoren in verschiedenen Ausprägun-
    kapitalisierung (mehr dazu in Kapitel 3).                              gen investieren können. In den letzten Monaten sind an
                                                                           der Schweizer Börse immer mehr Aktien-ETF lanciert
    Marktkapitalisierte Indizes spiegeln den Gesamtmarkt                   worden, die sich auf Faktorindizes beziehen (mehr dazu
    zwar grundsätzlich am besten, sie stellen aber nicht                   in Kapitel 5). Faktoren sind aktuell einer der stärksten
    zwingend effiziente Benchmarks dar.13 Marktkapitali-                   Trends im ETF-Segment. Das steigende Produktange-
    sierte Indizes haben durchaus ihre Vorteile (z.B. gerin-               bot erlaubt Privatanlegern, Faktoren zunehmend und
    ger Turnover, hohe Liquidität),14 sie sind aber häufig                 gezielt in ihren Portfolios einzusetzen. Weltweit sind
    schlecht diversifiziert und ihr Faktorexposure ergibt                  immer mehr Anleger in solchen Produkten investiert.
    sich relativ zufällig und kann deshalb auch nachteilig
    ausgeprägt sein.15 Die neuartigen Indizes haben durch                  Die vorliegende Studie ist in sechs Kapitel gegliedert. Im
    eine systematische Faktorsteuerung und/oder eine bes-                  nächsten Kapitel gehen wir auf wichtige wissenschaft-
    sere Diversifikation bessere Rendite- und/oder Risiko-                 liche Erkenntnisse und Punkte ein, die im Zusammen-
    eigenschaften zum Ziel als herkömmliche Indizes (siehe                 hang mit Faktoren stehen. In Kapitel 3 erläutern wir, auf
    Abbildung 5).16 Sowohl klassische als auch alternative                 welche Arten sich Faktorindizes konstruieren lassen und
    Indizes basieren auf klaren Regelwerken, und die In-                   was das für Anleger bedeutet. Kapitel 4 analysiert fünf
    dexanbieter stellen diese Regeln den Anlegern in Form                  populäre Faktorstrategien (Size, Momentum, Value,
    von Indexreglementen zur Verfügung. Die alternativen                   Quality, Volatility) sowie einen Multifaktoransatz hin-
    Indizes sind aber oft deutlich komplexer ausgestaltet und              sichtlich Rendite- und Risikoeigenschaften. In Kapitel
    für Anleger deshalb weniger verständlich (mehr dazu                    5 beurteilen wir die an der Schweizer Börse verfügbaren
    in Kapitel 4).                                                         Faktor-ETF, insbesondere hinsichtlich Produktangebot
                                                                           und Gebühren. Die Studie wird mit einem Fazit und
     Herausforderungen von klassischen Indizes und                         Empfehlungen für den Anleger abgerundet.
     Lösungsansätze von alternativen Indizes

                   Klassisch marktkapitalisierte Indizes

           Schwachstelle:                       Schwachstelle:
       Suboptimal diversifiziert          Zufälliges Faktorexposure

            Lösungsansatz:                      Lösungsansatz:
        Alternative Gewichtung           Explizite Faktorensteuerung

     Abbildung 5: Alternative Indizes möchten die möglichen
     Schwachstellen von marktkapitalisierten Indizes mindern.

    12 Amenc et al. (2015), Bender et al. (2014), Bender & Wang (2015),    14 Gestaltu (2017) oder MSCI Barra (2013).
       Bender & Wang (2016), CFA Institute (2017), FTSE Russell (2017),    15 Gemäss Amenc et al. (2014) haben marktkapitalisierte Indizes
       Lyxor (2014), Malkiel (2014), Morningstar (2014), MSCI Barra           klassischerweise ein Large-Cap- und Growth-Exposure, was aus einer
       (2013), Research Affiliates (2017), Robeco (2017), Suhonen et al.      Faktorprämien-Beurteilung nicht optimal ist (siehe dazu auch Kapitel 3).
6      (2017) oder UBS (2017).                                             16 FTSE Russell (2017), Glushkov (2016), Malkiel (2014), Morningstar
    13 Amenc et al. (2013), Amenc et al. (2015) und MSCI Barra (2013).        (2014).
2. Wissenschaftliche Erkenntnisse                                           Mehrfaktorenmodell die zu verwendenden Faktoren klar
   im Zusammenhang mit                                                      definiert. Es berücksichtigte neben dem Marktfaktor
   faktorbasierten Aktienanlagen                                            auch den zuvor entdeckten Size- und den Value-Faktor.

Die Grundlage des faktorbasierten Anlegens ist die An-                      Wenige Jahre später erweiterte Mark Carhart 1997 das
nahme, dass Aktien mit bestimmten «guten» Eigenschaf-                       Dreifaktorenmodell um einen weiteren Faktor, der zu-
ten langfristig besser abschneiden als der Gesamtmarkt                      vor durch zwei andere Wissenschaftler aufgezeigt wurde.
oder Aktien mit «schlechten» Eigenschaften. Diese An-                       Er fügte seinem Vierfaktorenmodell den Momentum-
nahme basiert auf einer Vielzahl von wissenschaftlichen                     Faktor hinzu. Auch der Momentum-Effekt ist ein viel
Untersuchungen. Die Frage, welche Eigenschaften die                         beachtetes Element in der Theorie und Praxis geblieben.
Aktienrenditen massgeblich beeinflussen, beschäftigt
die Finanzwissenschaften seit mehreren Jahrzehnten.                         Seither wurden immer mehr Faktoren entdeckt. Dazu
                                                                            beigetragen hat auch, dass ab den 1990er Jahren die
Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Forschung war                       Forschung dank leistungsfähigeren und weiter verbreite-
das in den 1960er Jahren entstandene Capital Asset                          ten Computern stark zugenommen hat. In Verbindung
Pricing Model (CAPM), das auf der Portfoliotheorie                          damit hat sich die Datenverfügbarkeit ebenfalls wesent-
von Markowitz aus den 1950er Jahren aufbaut. Die                            lich verbessert. In den 1980er Jahren wurde ungefähr ein
Aktienrendite lässt sich gemäss diesem Modell mit nur                       Faktor pro Jahr entdeckt. In den letzten Jahren wurden
einem Faktor bestimmen. Die zu erwartende Rendite                           jährlich mehrere Dutzend Faktoren aufgespürt. Die em-
wird bestimmt durch das mit einer Aktie übernommene                         pirische Forschung hat mittlerweile über 300 Faktoren
Marktrisiko. Das Marktrisiko und die zu erwartende                          an den Tag gebracht, welche die Renditedifferenzen von
Rendite stehen gemäss CAPM in einer positiven linearen                      Aktien erklären sollen. Nachfolgend ein paar Beispiele:20
Beziehung zueinander. Das hierfür verwendete statisti-
sche Mass ist die Kennzahl Beta.19 Das CAPM wurde                           •   Leerverkaufeinschränkungen (1980)
im Verlauf der Jahre aber zunehmend kritisiert, weil                        •   Institutionelle Beteiligungen (1983)
andere Untersuchungen diese positive lineare Beziehung                      •   Dividendensteuersatz (1994)
empirisch nicht bestätigten.                                                •   F&E Kapital (1996)
                                                                            •   Kauf- und Verkaufsempfehlungen (1996)
In der Folge etablierte sich in den 1970er Jahren die                       •   Handelsvolumen (2000)
Arbitrage Pricing Theory (APT). Im Unterschied zum                          •   Ertragsnachhaltigkeit (2002)
CAPM, das nur einen Faktor berücksichtigte, handelte                        •   Medienberichterstattung (2009)
es sich bei der APT um ein Mehrfaktorenmodell. Es                           •   Cashflow Volatilität (2009)
bildet die Tatsache ab, dass mehrere Faktoren die Ak-                       •   Goodwill-Abschreibungen (2011)
tienrenditen beeinflussen. Stephen Ross, der Entwickler
dieses Modells, hatte aber nicht definiert, welche Fakto-                   Die einzelnen Faktoren lassen sich in Kategorien auftei-
ren das Modell berücksichtigen soll.                                        len, je nach verwendeten Daten für die Faktordefinition.
                                                                            Ein Grossteil der Faktoren kann den in Abbildung 6
Ab Ende der 1970er Jahre zeigten Wissenschaftler kon-                       aufgezeigten vier Kategorien zugewiesen werden.
kreter auf, welche Faktoren bzw. Eigenschaften Aktien-
renditen beeinflussen. Sie entdeckten beispielsweise mit
dem Size- und Value-Faktor zwei Aktienmerkmale, die
auch heute noch grossen Einfluss auf Theorie und Pra-
xis haben. Daraus resultierte Anfang der 1990er Jahre
das heute noch viel beachtete Dreifaktorenmodell von
Eugene Fama und Kenneth French. Im Unterschied zu
Ross hatten die zwei bekannten Wissenschaftler in ihrem

17 Suhonen et al. (2017).                                                   20 Für eine Auflistung verschiedener Faktoren siehe Harvey et al. (2015)
18 Morningstar (2017).                                                         und Novy-Marx & Velikov (2015).
19 Die Beta-Kennzahl ist ein mit dem Verhältnis der Aktien- und
   Marktvolatilität skalierter Korrelationskoeffizient. Für Details siehe
   Zimmermann (2009).                                                                                                                                  7
• Hat der Faktor in der Vergangenheit zu einer statis-
     Kategorien von Faktoren                                          tisch signifikanten Mehrrendite geführt?
      Faktorkategorie             Beispiele für verwendete Daten    • Kann der Faktor in unterschiedlichen Aktien­
      Finanztechnisch             Renditen, Volatilitäten, etc.       regionen nachgewiesen werden?
      Verhaltenstechnisch         Anlegerstimmung, Medienab-
                                  deckung, Analystenratings, etc.
                                                                    • Besteht die Faktor-Prämie auch dann, wenn die
      Buchhalterisch              Eigenkapital, Cash Flows, etc.      Faktordefinition leicht angepasst wird?
      Mikrostrukturtechnisch      Liquidität, Volumen, etc.         • Wurde der Faktor im Zeitablauf von mehreren Au-
      Abbildung 6: Faktoren lassen sich je nach Datenbasis
                                                                      toren und über verschiedene Zeitperioden bestätigt?
      unterschiedlichen Kategorien zuordnen.21                      • Ist es realistisch, dass der Faktor nach Abzug der
                                                                      Transaktionsgebühren einen Mehrwert liefert?
    Im Zusammenhang mit dieser mittlerweile sehr gros-              • Lässt sich begründen, weshalb der Faktor in der Ver-
    sen Anzahl von Faktoren ist der Begriff «Factor Zoo»              gangenheit zu einer Mehrrendite geführt hat und
    entstanden.22 Er ist als Warnung für Anleger zu ver-              auch in der Zukunft eine Prämie abwerfen soll?
    stehen. Es wäre nämlich ein Trugschluss zu glauben,
    dass sämtliche dieser über 300 Faktoren in der Zukunft          Um sich vor Data Mining zu schützen, ist gerade auch
    für Anleger zuverlässige und realisierbare Faktorprämien        der letzte Punkt zentral. Wenn es keine intuitive Erklä-
    liefern werden. Einige dieser Faktoren dürften auf Factor       rung für die Existenz eines Faktors gibt, ist die Gefahr
    Fishing zurückzuführen sein. Damit ist gemeint, dass            von Data Mining hoch. Ein amüsantes Beispiel soll das
    die zur Verfügung stehenden Kursreihen und Daten so             veranschaulichen: Vor etwa 20 Jahren haben Forscher
    lange ausgewertet werden, bis ein scheinbarer aber eben         99 Prozent der Rendite des amerikanischen Aktienmark-
    nicht real existierender Zusammenhang bzw. Faktor ge-           tes mit der Butterproduktion in Bangladesch, der Käse-
    funden wird. In diesem Zusammenhang spricht man                 produktion und der Anzahl Schafe in den USA erklären
    auch von Data Mining. Eine Gefahr von Data Mining               können.26 Statistisch betrachtet klingt das nach einem
    ist beispielsweise, dass in der simulierten (historischen)      hervorragenden Modell. Es ist aber offensichtlich, dass
    Periode auf Basis des getesteten Faktors eine gute Ren-         es sich dabei um ein statistisches Artefakt ohne logische
    dite erzielt wurde, die zukünftige Performance aber             Erklärungsgrundlage handelt. Auf Basis eines solchen
    deutlich schlechter ausfällt, weil der Zusammenhang             Zusammenhangs sollten Anleger ihr Geld nicht anlegen
    zwischen Faktor und Rendite zufällig ist bzw. es sich           – viel zu gross wäre die Gefahr, dass der scheinbare Zu-
    nicht um einen real existierenden Faktor handelt. Data          sammenhang abrupt endet.
    Mining muss auch aus der Perspektive gesehen werden,
    dass Wissenschaftler publizieren möchten bzw. müssen,           Die Forschung hat in den letzten Jahrzehnten verschie-
    und negative Forschungsergebnisse im Normalfall nicht           dene Erklärungsansätze für die Existenz unterschiedli-
    publiziert werden.23 Gewisse Wissenschaftler fordern            cher Faktoren entwickelt. Grundsätzlich lassen sich diese
    heute, dass die bisher angewendeten statistischen Er-           in zwei Kategorien einteilen, in risikobasierte Ansätze
    fordernisse erhöht werden sollten, um einen Faktor als          und in verhaltensbasierte Ansätze. Die risikobasierten
    statistisch signifikant klassifizieren zu dürfen.24             Ansätze führen die Mehrrendite von Faktorstrategien
                                                                    darauf zurück, dass Anleger dafür höhere Risiken ein-
    Eine Faktorstrategie, die keine umfassende wissenschaft-        gehen müssen, so dass beispielsweise ein bestimmter
    liche Folgeuntersuchungen aufweisen kann, bedeutet              Faktor eine grössere Sensitivität gegenüber makroöko-
    in der Regel, dass die Publikation in der wissenschaft-         nomischen Grössen hat wie zum Beispiel dem Wirt-
    lichen Welt nicht überzeugt hat. Ausserdem können               schaftswachstum. Verhaltensbasierte Erklärungsansätze
    die folgenden Fragen Anlegern helfen, einen sinnvollen          gehen davon aus, dass die Faktorprämien durch sys-
    Faktor zu identifizieren (die Fragen sollten bejaht wer-        tematisches irrationales bzw. suboptimales Anlegerver-
    den können):25                                                  halten generiert werden, indem Anleger beispielsweise
                                                                    aus psychologischen Gründen Kursgewinne zu schnell
                                                                    realisieren und Kursverluste zu lange laufen lassen.

    21 Amenc et al. (2015) und Harvey & Liu (2015).                 24 Harvey et al. (2015).
    22 Cochrane (2011) und Feng et al. (2017).                      25 Siehe dazu auch Berkin & Swedroe (2016).
    23 Illmanen (2011) und Suhonen et al. (2017).                   26 Antonacci (2015).

8
Die Abbildungen 7 und 8 listen fünf Aktienfaktoren                         sich Aktienrenditen erklären lassen.30 So berücksichti-
auf, die in der Wissenschaft weitgehend anerkannt sind.                    gen die Untersuchungen in der Regel keine Transak-
Diese Faktoren sind wissenschaftlich breit abgestützt                      tionskosten und es werden teilweise auch illiquide Titel
und weisen auf der Plattform Social Science Research                       in die Analyse miteinbezogen. Weiter gibt es Faktoren,
Network (SSRN) zwischen rund 260 (Volatility) und                          die zu hohen Transaktionskosten führen. Ausserdem
2300 (Value) publizierte Untersuchungen auf.27 Die                         handelt es sich im Normalfall um sogenannte Long-/
fünf Faktoren sind in den beiden Abbildungen kurz be-                      Short-Strategien. Bei solchen Strategien werden Aktien
schrieben und mit Erklärungsansätzen versehen, die in                      mit «guten» Eigenschaften (z.B. unterbewertete Firmen)
Untersuchungen vorgebracht wurden.28                                       gekauft, während Aktien mit «schlechten» Eigenschaften
                                                                           (z.B. überbewertete Firmen) leer verkauft (geshortet)
In den folgenden zwei Kapiteln fokussieren wir uns                         werden. Dies im Unterschied zu den im Markt üblicher-
auf diese fünf Faktoren, da sie wissenschaftlich weit                      weise angebotenen Long-Only-Produkten, bei denen
anerkannt sind und in der Praxis zu den populärsten                        keine Leerverkäufe stattfinden. Weitere Ausführungen
Strategien gehören.29                                                      zu diesem Unterschied folgen in Kapitel 3.

Abschliessend gilt es zu beachten, dass es den Wissen-
schaftlern bei ihrer Forschung grösstenteils nicht um
investierbare Indizes ging. Den Autoren der verschie-
denen wissenschaftlichen Faktor-Untersuchungen ging
es primär nicht darum, praxistaugliche Anlagestrategien
oder für Anleger investierbare Indizes zu entwickeln.
Sie wollten vielmehr Faktoren identifizieren, mit denen

 Übersicht über allgemein anerkannte Aktienfaktoren

  Faktor             Selektion von Aktien mit folgenden Merkmalen                  Beispiel für Selektionskennzahl
  Value              Günstige Bewertung                                            Kurs-Buchwert-Verhältnis
  Size               Tiefe Marktkapitalisierung                                    Marktkapitalisierung
  Momentum           Hohe Rendite in der Vergangenheit                             Rendite der vergangenen sechs Monate
  Volatility         Tiefe Kursschwankungen in der Vergangenheit                   Volatilität der vergangenen zwölf Monate
  Quality            Solide und konstante Unternehmenserträge                      Gewinnstabilität

  Abbildung 7: Kurzbeschreibung von fünf Aktienfaktoren, die in der Wissenschaft breite Akzeptanz finden.

 Erklärungsansätze für allgemein anerkannte Aktienfaktoren

  Faktor             Risikobasierte Erklärungsansätze                              Verhaltensorientierte Erklärungsansätze
  Value              • Titel reagieren sensitiv auf makroökonomische Faktoren.     • Überreaktion bei schlechten Neuigkeiten.
                     • Unsicherheit bezüglich zukünftiger Gewinne.                 • Recency bias führen dazu, dass Value-Titel ver-
                                                                                     nachlässigt werden.
  Size               • Tiefe Liquidität von kleinkapitalisierten Firmen.           • Small Caps werden durch Anleger vernachlässigt
                     • Titel reagieren sensitiv auf makroökonomische Faktoren.       (Limited Investor Attention).
  Momentum           • Titel reagieren sensitiv auf makroökonomische Faktoren.     • Anleger unterliegen einem Herdentrieb, was zu
                     • Schnelle Umkehrrisiken (auch bei Marktturnarounds).           einer Überreaktion führen kann (Overreaction).
                                                                                   • Neuen Informationen wird anfänglich zu wenig
                                                                                     Bedeutung geschenkt (Underreaction).
  Volatility         • Titel können einen hohen Tracking Error gegenüber dem • Titel werden oftmals durch Anleger vernachlässigt,
                       Vergleichsindex aufweisen.                              weil sie zu wenig attraktiv aussehen (siehe auch
                                                                               Lotterie-Effekt).
  Quality            • Titel mit einer hohen Profitabilität sind einem erhöhten    • Anleger bevorzugen Titel mit einer spannenderen
                       Konkurrenzdruck ausgesetzt, was sich negativ auf ihre         (Wachstums-)Story.
                       zukünftigen Gewinne auswirken kann.

  Abbildung 8: Beispiele von Erklärungsansätzen für fünf Aktienfaktoren, die in der Wissenschaft breite Akzeptanz finden.31

27 Beck et al. (2016).                                                     30 MSCI Barra (2013).
28 Für eine Übersicht mit zentralen wissenschaftlichen Untersuchungen      31 Soliman (2008), MSCI Barra (2013), Amenc et al. (2015),
   siehe Amenc et al. (2015).                                                 BlackRock (2015).
29 MSCI Barra (2013).
                                                                                                                                        9
3. Konstruktionsweise von                                        In den folgenden Abschnitten werden diese vier Schritte
        aktienbasierten Faktorindizes                                 näher erläutert und auch auf die Unterschiede zu klassisch
                                                                      marktkapitalisierten Indizes hingewiesen:
     3.1 Rahmenwerk für die Konstruktionsweise
         von Faktorindizes                                            Schritt 1: Definition des Anlageuniversums
     Wie wir im Kapitel 1 erklärt haben, sind marktkapitali-          Als Anlageuniversum verwenden Faktorindizes im
     sierte Indizes oftmals nicht optimal diversifiziert. Zudem       Normalfall diejenigen Titel, welche in einem klassisch
     entsteht das zugrundliegende Faktorexposure im Zeitab-           marktkapitalisierten Index vertreten sind. Das Anlage-
     lauf relativ zufällig und kann dadurch zum Nachteil des          universum beinhaltet normalerweise eine Anlageregion
     Anlegers ausgeprägt sein. Faktorindizes versuchen diese          (z.B. Aktien USA) oder mehrere Anlageregionen zusam-
     Nachteile zu mildern. Während einige dieser Indizes nur          men (z.B. Aktien Welt). Zudem gibt es Indizes, die sich
     einen dieser beiden Nachteile abschwächen (zufälliges            auf Aktiensektoren (z.B. Gesundheitswesen) beziehen.
     Faktorexposure), konzentrieren sich andere darauf, bei-
     den Schwachstellen entgegenzuwirken. Durch die speziel-          Schritt 2: Titelselektion aus dem Anlageuniversum
     le Konstruktionsweise haben Faktorindizes das Potenzial,
     langfristig gegenüber klassischen Indizes eine Mehrren-          Komplexitätsgrad
     dite zu erzielen. Auf der anderen Seite sind Faktorindizes       Der Titelselektionsprozess ist bei klassisch marktkapita-
     aufgrund ihrer speziellen Konstruktionsweise für Anleger         lisierten Indizes für Anleger relativ einfach zu verstehen.
     jedoch oftmals deutlich schwieriger zu verstehen. Ausser-        Im Grundsatz werden diejenigen Aktien mit der höchsten
     dem gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Kons­            Marktkapitalisierung gekauft. Bei Faktorindizes kann
     truktionsweisen, die sich je nach Index und Indexanbieter        der Selektionsprozess deutlich komplexer ausfallen und
     unterscheiden können.                                            erweiterte mathematische und finanztechnische Kennt-
                                                                      nisse erfordern. Gewisse Indizes sind deshalb für Anleger
     Im Grundsatz sind bei der Konstruktion von Faktorindi-           nur schwierig nachzuvollziehen. Der Komplexitätsgrad
     zes vier Bereiche relevant (siehe Abbildung 9). Die Aus-         kann sich aber je nach Index deutlich unterscheiden. So
     gestaltung dieser Bereiche hat Einfluss auf die Rendite, das     ist zum Beispiel ein klassischer Small-Cap-Index relativ
     Risiko (Volatilität, Drawdowns), die relative Abweichung         leicht verständlich, da dieser die Titel mit der kleinsten
     zum klassischen marktkapitalisierten Vergleichsindex,            Marktkapitalisierung kauft.
     den Indexturnover sowie die Handelsliquidität.
                                                                      Schnittmenge mit dem Anlageuniversum
      Rahmenwerk für die Konstruktionsweise von                       Einige Faktorindizes übernehmen sämtliche Aktien aus
      Faktorindizes                                                   dem Anlageuniversum und gewichten diese dann nur
                                                                      teilweise oder gar nicht auf Basis der Marktkapitali-
            1. Anlage-           2. Titel­          3. Gewich-­­
            universum           selektion              tung           sierung. Andere Faktorindizes wiederum selektionieren
                                                                      nur einen Teil der Aktien aus dem Anlageuniversum. Die
                              4. Rebalancing
                                                                      nachfolgende Abbildung veranschaulicht diese beiden
                                                                      Möglichkeiten anhand eines vereinfachten Beispiels mit
                                                                      einem Anlageuniversum von 10 Titeln.
      Abbildung 9: Für die Definition eines Faktorindexes müssen in
      vier Bereichen klare Regeln definiert werden.

10
Vollständige oder selektive Berücksichtigung der Titel aus dem Anlageuniversum

                                                                         Anlageuniversum

                                       Gewichtung
                                       der Titel im
                                       Index (in %)

                                                                                                                      Anzahl
                                           1       2       3        4     5      6   7       8       9       10       Titel

                Variante 1: Selektion sämtlicher Titel                                                   Variante 2: Selektive Titelauswahl

 Gewichtung                                                                          Gewichtung
 der Titel im                                                                        der Titel im
 Index (in %)                                                                        Index (in %)

                                                                        Anzahl                                                                       Anzahl
   1     2      3      4    5     6    7       8       9       10       Titel            1       2       3        4      5     6   7    8   9   10   Titel

                    Selektion im Faktorindex                                                                 Selektion im Faktorindex

   Marktkapitalisierter Index

 Abbildung 10: Faktorindizes können sämtliche Aktien aus dem Anlageuniversum selektieren oder nur einen Teil des Anlageuniversums
 berücksichtigen.

Zwei konkrete Beispiele: Der MSCI World Value                                        sind für die verschiedenen Aktienfaktoren gängige Fak-
Weighted Index selektioniert sämtliche Titel aus dem                                 tordefinitionen entstanden, auf die wir im Kapitel 2 in
Anlageuniversum (MSCI World Index) entsprechend                                      der Abbildung 7 eingegangen sind. So wird zum Beispiel
der Variante 1 in Abbildung 10. Der MSCI World En-                                   für die Value-Definition als klassische Selektionskenn-
hanced Value Index basiert dagegen auf der zweiten Va-                               zahl das Kurs-Buchwert-Verhältnis herangezogen. In der
riante und führt somit eine selektive Titelauswahl durch.                            Praxis ist es aber so, dass die Indexanbieter oftmals von
                                                                                     den etablierten wissenschaftlichen Faktordefinitionen
Faktordefinition                                                                     abweichen. Die jeweils angewendete Faktordefinition
Wird nur eine Teilmenge aus dem Anlageuniversum ge-                                  muss deshalb genau und kritisch beurteilt werden. So
kauft (Variante 2 in Abbildung 10), ist die zentrale Frage,                          können Indizes bei einem gleichen Faktor unterschiedli-
mit welcher Faktordefinition die Titel ausgewählt wer-                               che Selektionskennzahlen anwenden. Und selbst bei der
den. Aber auch bei der Variante 1 in Abbildung 10 spielt                             gleichen Selektionskennzahl kann es zu Abweichungen
die Faktordefinition im nachgelagerten dritten Schritt                               kommen, je nachdem wie die Kennzahl berechnet wird.
eine wichtige Rolle bei der Titelgewichtung. Denn hier
ist sie für die Bestimmung des Über- oder Untergewichts                              Bei einigen Indizes werden die Aktien auch mit mehreren
der einzelnen Aktien relevant.                                                       Selektionskennzahlen beurteilt. Bei einem Value-Index
                                                                                     beispielsweise kann das bedeuten, dass neben dem Kurs-
Mit der Faktordefinition ist gemeint, wie zum Beispiel                               Buchwert-Verhältnis auch noch die Dividendenrendite
bei einem Value-Faktorindex die Value-Komponente                                     oder das Unternehmenswert-Cashflow-Verhältnis in
der einzelnen Aktien beurteilt wird. Oder anders aus-                                den Auswahlprozess einfliessen. Eine solche Vorgehens-
gedrückt: Wie wird bestimmt, ob eine Aktie über- oder                                weise kann durchaus ihre Vorteile haben, wie die poten-
unterbewertet ist? Aus der wissenschaftlichen Forschung                              ziell stabilere Wertentwicklung des Indexes. Gerade bei

                                                                                                                                                              11
nicht-wissenschaftlichen mehrdimensionalen Faktorde-                        positive Rendite erzielen. Dies steht im Unterschied zu
     finitionen muss man aber besonders kritisch hinschauen.                     Long-/Short-Strategien, bei denen bei einer negativen
     So besteht zum Beispiel die Gefahr, dass eine simulierte                    Faktorprämie sehr grosse Verluste entstehen können.
     Indexperformance vor allem auf das Resultat von Data
     Mining zurückzuführen ist. Wie Studien zeigen, droht                        Einzelfaktor- vs. Multifaktorindex
     bei komplexen Faktorindizes eine grössere Gefahr, dass                      Bei der Konstruktionsweise von Faktorindizes wird
     die Live-Rendite im Vergleich zur simulierten Rendite                       zwischen Einzelfaktor- und Multifaktorindizes unter-
     enttäuscht.32                                                               schieden. Bei einem Einzelfaktorindex wird bei der
                                                                                 Titelselektion nur jeweils ein Faktor berücksichtigt,
     Long-/Short vs. Long-Only                                                   während Multifaktorindizes die Titel basierend auf meh-
     In der wissenschaftlichen Forschung liegt der Fokus                         reren Faktoren auswählen (siehe Abbildung 11 und 12).
     auf Long-/Short-Strategien. Bei solchen Strategien
     werden Aktien mit «guten» Eigenschaften gekauft, wie                        Wie der Name bereits andeutet, betrachten Einzelfaktor-
     z.B. unterbewertete Firmen. Man spricht in diesem Fall                      indizes jeweils nur einen Faktor pro Index. Bei diesem
     von einer Long-Position. Hingegen werden Titel mit                          Ansatz werden die jeweiligen Titel aus dem Anlage-
     «schlechten» Merkmalen (z.B. überbewertete Firmen)                          universum mit den gewünschten Faktoreigenschaften
     leer verkauft (geshortet). Dies im Unterschied zu den                       herausgefiltert oder entsprechend gewichtet. Zu dieser
     in der Praxis mehrheitlich angebotenen Long-Only-In-                        Art von Indizes zählt beispielsweise der oben erwähnte
     dizes bzw. ETF, bei denen keine Leerverkäufe gemacht                        MSCI World Enhanced Value Index. Möchte ein An-
     werden.33 Laut Blitz et al. (2014) sind Long-Only-An-                       leger in verschiedene Einzelfaktoren investieren, kauft er
     sätze grundsätzlich überlegen. Dies unter anderem we-                       bei dieser Variante pro Aktienfaktor dementsprechend
     gen des einzugehenden Risikos, aufgrund praktischer                         einen ETF. Gemäss der obigen Abbildung könnte ein
     Gegebenheiten sowie tieferen Implementationskosten.                         Anleger ein Portfolio zusammenstellen, das mittels fünf
     Ausserdem ist man bei Long-Only-Strategien als Anleger                      verschiedener Faktoren-Indizes bzw. Faktoren-ETF die
     weniger stark abhängig von der Faktorprämie. Selbst                         Faktoren Volatility, Momentum, Size, Quality und
     wenn der entsprechende Faktor in der Zukunft keine                          Value abdeckt. Diese Vorgehensweise gibt dem An-
     Prämie mehr abwirft, sollte der Anleger immer noch mit                      leger eine hohe Flexibilität, so dass er die einzelnen
     der Marktprämie entschädigt werden – und somit eine                         ETF beispielsweise mit einem Relative-Stärke-Ansatz

      Einzelfaktorindizes

                                                                  Einzelfaktorindex

          Anlage-                       Anlage-                        Anlage-                      Anlage-                   Anlage-
         universum                     universum                      universum                    universum                 universum

          Volatility-                 Momentum-                          Size-                      Quality-                   Value-
           Faktor                       Faktor                          Faktor                       Faktor                    Faktor

          Volatility-                 Momentum-                          Size-                      Quality-                   Value-
             ETF                         ETF                              ETF                        ETF                        ETF

      • Einzeln betrachtete Faktoren
      • Ein Faktor pro ETF
      • Anleger kann mit mehreren ETF ein Multifaktorportfolio selber bilden

      Abbildung 11: Einzelfaktorindizes berücksichtigen bei der Titelauswahl nur einen Faktor.

     32 Suhonen et al. (2017).
     33 Asness & Liew (2014).

12
Multifaktorindizes

                                                                    Multifaktorindex

                                              Variante 1                                                               Variante 2

      Anlage-             Anlage-              Anlage-              Anlage-             Anlage-                         Anlage-
     universum           universum            universum            universum           universum                       universum

     Volatility-        Momentum-                Size-              Quality-            Value-                        Multifaktor
      Faktor              Faktor                Faktor               Faktor             Faktor           (Volatility, Momentum, Size, Quality, Value)

                                           Multifaktor-ETF                                                          Multifaktor-ETF

 • Einzeln betrachtete Faktoren                                                                    • Gesamtheitlich betrachtete Faktoren
 • Jede Aktie aus dem Anlageuniversum wird nacheinander nach verschiedenen                         • Jede Aktie aus dem Anlageuniversum
   Faktoren bewertet                                                                                 wird gleichzeitig nach verschiedenen
 • Ein Faktor pro Subportfolio                                                                       Faktoren bewertet
 • Subportfolios werden zu einem Multifaktorportfolio gewichtet                                    • Mehrere Faktoren pro ETF
 • Mehrere Faktoren pro ETF                                                                        • Anleger delegiert das Zusammenstellen
 • Anleger delegiert das Zusammenstellen des Multifaktorportfolios an den                            des Multifaktorportfolios an den Index-
   Indexanbieter                                                                                     anbieter

 Abbildung 12: Multifaktorindizes beziehen bei der Titelauswahl mehrere Faktoren ein.

selbstständig steuern kann.34 Auf der anderen Seite hat                           sein oder gleiche Titel eine unterschiedliche Gewich-
dieser Ansatz den Nachteil, dass es dabei zu ungewoll-                            tung vorweisen. Diese Subindizes werden im Anschluss
ten Klumpenrisiken von einzelnen Titeln, Ländern oder                             mit einem Gewichtungsansatz kombiniert und bilden
Sektoren kommen kann, wenn diese in mehreren Einzel-                              so den Multifaktorindex. Der zweite Multifaktoransatz
faktorindizes eine hohe Gewichtung haben. Ein weiterer                            (Variante 2) besteht darin, die unterschiedlichen Einzel-
Nachteil ist, dass es bei diesem Ansatz zu einem höhe-                            faktoren gesamtheitlich zu betrachten. Die Aktien aus
ren Turnover als bei Multifaktorindizes kommen kann.                              dem Anlageuniversum werden für sämtliche Faktoren
Ursache dafür ist die fehlende Möglichkeit, im Portfolio                          gleichzeitig nach verschiedenen Faktoren bewertet.
ein sogenanntes «natural crossing» vorzunehmen. Das
«natural crossing» erlaubt es, den Turnover in Multi-                             Verschiedene Multifaktorindizes müssen nicht die glei-
faktorportfolios zu reduzieren, indem man jene Titel                              chen Einzelfaktoren berücksichtigen. Welche Faktoren
miteinander verrechnet, die aus einem Einzelfaktorindex                           im konkreten Fall in einem Index Berücksichtigung
herausfallen und zugleich bei einem anderen Einzelfak-                            finden, muss der Anleger im jeweiligen Indexreglement
torindex hinzugekauft werden.                                                     nachschlagen. Hierzu ein Beispiel: Der MSCI World
                                                                                  Diversified Multiple-Factor berücksichtigt die Faktoren
Multifaktorindizes (Variante 1 und 2 in der Abbildung                             Value, Momentum, Quality und Size, während der SPI
12) ermöglichen eine Anlage in mehrere Faktoren mit-                              Multi Premia Index zusätzlich die Faktoren Low Risk,
tels nur einem ETF. Dadurch kann der Anleger die                                  Residual Momentum und Reversal miteinbezieht.
einzelnen Faktoren nicht selbstständig steuern. Variante
1 betrachtet die Einzelfaktoren zunächst einzeln (analog                          Abschliessend soll darauf hingewiesen werden, dass die
der Einzelfaktorindizes) und bildet daraus Subportfolios                          angewendeten Methodiken der Subindizes in Multi­
für die jeweiligen Faktoren. Je nachdem können in je-                             faktorindizes nicht mit anderen Einzelfaktorindizes des-
dem dieser Subindizes unterschiedliche Titel enthalten                            selben Indexanbieters übereinstimmen müssen.

34 Für eine Einführung in den Relative-Stärke-Ansatz siehe Weber et al. (2015).

                                                                                                                                                        13
Scores vs. Ranks                                          ist bei der Auswahl der Gewichtungsverfahren, ob sämt-
     Um ein möglichst hohes Faktorexposure zu erreichen        liche Aktien oder nur eine Teilmenge aus dem Anlage-
     und um unterschiedlich hohe Selektionskennzahlen zu       universum selektioniert werden.
     standardisieren, wenden Faktorindizes bei der Selektion
     von Aktien aus dem Anlageuniversum unterschiedliche       Werden sämtliche Titel aus dem Anlageuniversum se-
     Verfahren an.35 Man unterscheidet dabei zwischen dem      lektioniert (siehe Variante 1 in Abbildung 13), dürfen
     Rankingverfahren und dem Scoring.                         diese nicht ausschliesslich auf Basis der Marktkapitali-
                                                               sierung gewichtet werden. Ansonsten würde es zu keiner
     Beim Rankingverfahren werden die jeweiligen Selek-        Abweichung im Vergleich zum klassisch marktkapitali-
     tionskennzahlen unverändert betrachtet und für jede       sierten Index kommen. Wenn allerdings eine selektive
     Kennzahl eine Rangliste erstellt. Die verschiedenen       Titelauswahl durchgeführt wird (siehe Variante 2 in
     Ranglisten werden anschliessend in Abhängigkeit von       der Abbildung 13), kann grundsätzlich auch eine Ge-
     der gewünschten Gewichtung der Kennzahlen zu einer        wichtung ausschliesslich nach Marktkapitalisierung vor-
     Gesamtrangliste zusammengefasst. Daraus werden die        genommen werden.
     Titel mit dem besten Ranking selektiert und die Titel
     am unteren Ende der Rangliste ausgeschlossen.             Ein mögliches Gewichtungsverfahren besteht beispiels-
                                                               weise darin, die selektionierten Aktien gleich zu gewich-
     Eine geläufigere Methode ist das Scoring. Dabei wird      ten. Bei dieser Vorgehensweise haben alle Indextitel das
     für die jeweiligen Selektionskennzahlen ein sogenannter   gleiche Gewicht. Ein Beispiel für diese Gewichtungsme-
     Z-Score berechnet, der die Verteilung der Kennzahlen      thodik ist der MSCI World Mid Cap Equal Weighted
     besser miteinander vergleichbar macht. Dadurch lassen     Index.
     sich verschiedene Kennzahlen auch besser miteinander
     kombinieren. Der Z-Score (Z) der Selektionskennzahl       Es gibt auch Gewichtungsansätze, bei denen nur die
     eines Titels wird ermittelt, indem von der jeweiligen     Faktoren relevant sind, ohne dass die Marktkapitalisie-
     Kennzahl (x) der Durchschnittswert dieser Kennzahl        rung einbezogen wird. Eine weitere Möglichkeit besteht
     aller Titel im Anlageuniversum (μ) abgezogen und durch    darin, dass sich die Gewichtungen am Risiko der ent-
     die Standardabweichung der Kennzahl aller Titel im An-    haltenen Titel orientieren. So können Titel mit einem
     lageuniversum ( ) dividiert wird:                         hohen Risiko beispielsweise geringer gewichtet werden
                                                               als Titel mit einem geringen Risiko, sodass sie alle einen
                                                               gleichen Beitrag zum Risiko (z.B. Tracking Error) im
                                                               Index liefern.

     Wenn man nun beispielsweise ein Verfahren anwendet,       Ein anderer Ansatz besteht darin, für die Bestimmung
     wo bei der Zusammenstellung des Indexes nur Titel         der Titelgewichtungen in Faktorindizes die Marktkapi-
     ab einem gewissen Z-Score zugelassen werden, kann         talisierung mit dem jeweiligen Faktor-Score zu multipli-
     die Titelanzahl variieren. Wendet der Indexanbieter ein   zieren. Bei diesem Ansatz hat die Marktkapitalisierung
     Rankingverfahren an, muss eine fixe Anzahl Titel defi-    ein relativ hohes Gewicht im Faktorindex. Allerdings
     niert werden.                                             tragen hier die jeweiligen Selektionskennzahlen zur Ge-
                                                               wichtung mit bei. Der MSCI World Enhanced Value
     Schritt 3: Gewichtung der selektionierten Aktien          Index zählt beispielweise zu dieser Kategorie.

     Gewichtungsmethoden                                       Im Folgenden wird erklärt, wie die Titelgewichtun-
     Wie wir bereits im Kapitel 1 gesehen haben, stellt die    gen in Multifaktorindizes hergeleitet werden können.
     Gewichtung ein zentrales Unterscheidungsmerkmal           Bei der Variante 1 aus Abbildung 12 müssen die se-
     zwischen Faktorindizes und klassischen Indizes dar. Für   lektionierten Titel zuerst in den Subportfolios ge-
     die Festlegung der Titelgewichtungen in Faktorindizes     wichtet werden. Jedem dieser Subportfolios wird im
     gibt es aber unterschiedliche Verfahren. Von Relevanz     Anschluss ein bestimmtes Gewicht zugeteilt, so dass ein

     35 BlackRock (2015).

14
Gewichtung bei der vollständigen und selektiven Titelauswahl

                                                                          Anlageuniversum

                                        Gewichtung
                                        der Titel im
                                        Index (in %)

                                                                                                                       Anzahl
                                            1       2       3        4     5      6   7       8       9       10       Titel

                Variante 1: Selektion sämtlicher Titel                                                    Variante 2: Selektive Titelauswahl

 Gewichtung                                                                           Gewichtung
 der Titel im                                                                         der Titel im
 Index (in %)                                                                         Index (in %)

                                                                         Anzahl                                                                       Anzahl
    1    2      3      4    5     6     7       8       9       10       Titel            1       2       3        4      5     6   7    8   9   10   Titel

                    Selektion im Faktorindex                                                                  Selektion im Faktorindex

   Marktkapitalisierter Index         Faktorindex

 Abbildung 13: Selektioniert man sämtliche Titel aus dem Anlageuniversum ist eine alternative Gewichtungsform notwendig. Bei einer selekti-
 ven Titelauswahl kann auch eine Gewichtung nach Marktkapitalisierung erfolgen.

Multifaktorportfolio resultiert. Der SPI Multi Premia                                 zwei Faktoren (Value und Quality) verwendet werden.
Index beispielsweise wendet dieses Prinzip an, wobei die                              Die beiden Beispiele in den Abbildungen 14 und 15
Subindizes so gewichtet werden, dass das relative Risiko                              verdeutlichen, dass die Titelgewichtungen für die beiden
(Tracking Error) zu gleichen Teilen auf die unterschied-                              Varianten stark voneinander abweichen können. Wäh-
lichen Subportfolios verteilt wird.36 Die Abbildung 14                                rend in diesen Beispielen in Variante 1 die drei Titel sehr
illustriert die Vorgehensweise bei der Variante 1 aus                                 ähnlich gewichtet sind, weist Titel 3 in Variante 2 die
Abbildung 12. Dazu werden zur Vereinfachung ledig-                                    weitaus höchste Gewichtung vor. Ob bei der Konstruk-
lich drei Titel, zwei verschiedene Faktoren (Value und                                tionsweise von Multifaktorindizes die Variante 1 oder 2
Quality) sowie ein Gleichgewichtungsansatz der beiden                                 überlegen ist, kann nicht eindeutig bestimmt werden.
Faktoren verwendet.                                                                   Dass es diesbezüglich verschiedene Ansichten gibt, sieht
                                                                                      man auch daran, dass in der Praxis beide Ansätze zur
Bei der Variante 2 in Abbildung 12 werden keine Sub-                                  Anwendung kommen. Für Anleger ist wichtig, bei der
portfolios gebildet, sondern das Multifaktorportfolio                                 Investition in einen Index die jeweilige Konstruktions-
direkt hergeleitet. Dieser Ansatz wird beispielsweise                                 weise und deren Auswirkungen zu verstehen.
vom MSCI World Diversified Multiple-Factor Index
angewendet, bei dem die Titel so gewichtet werden,                                    Titel-/Sektor-/Länderrestriktionen
dass das Marktrisiko (Volatilität) ähnlich hoch ist wie                               Je nach Indexmethodik sind bei Faktorindizes Restrik-
im klassisch marktkapitalisierten MSCI World Index.                                   tionen der Gewichtungen von Sektoren, Ländern oder
Die Abbildung 15 veranschaulicht stark vereinfacht die                                einzelnen Titeln möglich. Ziel dieser Einschränkungen
Vorgehensweise der Variante 2, wobei wie in der Ab-                                   kann sein, eine bessere Diversifikation im Index zu er-
bildung 14 zur Vereinfachung lediglich drei Titel und                                 reichen und Klumpenrisiken zu vermeiden. So können

36 SIX Swiss Exchange (2017b).

                                                                                                                                                               15
beispielsweise Titel aus einem bestimmten Sektor über-                           Sektorengewichtung wie im MSCI World Index re-
     durchschnittlich positive Selektionskennzahlen vorwei-                           sultiert. Auch Länderrestriktionen werden in diesem
     sen, wodurch eine starke Sektorkonzentration im Index                            Zusammenhang häufig von den Indexanbietern ange-
     zustande kommt. Ein weiteres Ziel von Restriktionen                              wandt. Je nach Index können solche Restriktionen, die
     kann sein, zum Beispiel bei den Sektorgewichtungen                               sich auf den Hauptindex beziehen, aber eine optima-
     nicht zu stark vom Hauptindex abzuweichen. So wird                               le Diversifikation im Faktorindex erschweren. Dafür
     beispielsweise der MSCI World Sector Neutral Qua-                                wird aber die potenzielle Renditeabweichung bzw. das
     lity Index so konstruiert, dass eine möglichst ähnliche                          Benchmarkrisiko reduziert.

      Illustration eines Multifaktorindexes mit der Variante 1
      Schritt 1: Bildung des Value-Subportfolios

                     Gewichtung im Hauptindex                Value Score        Nicht-adjustierte Gewichtungen      Subportfolio 1: Value Faktor
       Titel 1                     20,3%                           0,80              20,3% x 0,80 = 16,2%                        58,1%
       Titel 2                     35,8%                           0,02              35,8% x 0,02 = 0,7%                          2,6%
       Titel 3                     43,9%                           0,25              43,9% x 0,25 = 11,0%                        39,3%
                                  100,0%                                                                                         100,0%
      Kommentar: Bildung des Value-Subportfolios unter Einbeziehung der Titelgewichtungen im marktkapitalisierten Hauptindex und des
      Value Scores. Der Value Score gibt an, wie gut der Titel die Value-Eigenschaft erfüllt. Für das Subportfolio werden die nicht-adjustierten
      Gewichtungen auf 100 Prozent skaliert.
      Schritt 2: Bildung des Quality-Subportfolios

                     Gewichtung im Hauptindex                Quality Score      Nicht-adjustierte Gewichtungen     Subportfolio 2: Quality Faktor
       Titel 1                     20,3%                           0,15              20,3% x 0,15 = 3,0%                          5,7%
       Titel 2                     35,8%                           1,00              35,8% x 1,00 = 35,8%                        67,1%
       Titel 3                     43,9%                           0,33              43,9% x 0,33 = 14,5%                        27,2%
                                  100,0%                                                                                         100,0%
      Kommentar: Bildung des Quality-Subportfolios unter Einbeziehung der Titelgewichtungen im marktkapitalisierten Hauptindex und
      des Quality Scores. Der Quality Score gibt an, wie gut der Titel die Quality-Eigenschaft erfüllt. Für das Subportfolio werden die nicht-
      adjustierten Gewichtungen auf 100 Prozent skaliert.

      Schritt 3: Bildung des Multifaktorportfolios

                         Subportfolio 1: Value Faktor                   Subportfolio 2: Quality Faktor                 Multifaktorportfolio
       Titel 1                        58,1%                                          5,7%                         (58,1% + 5,7%) : 2 = 31,9%
       Titel 2                          2,6%                                        67,1%                         ( 2,6% + 67,1%) : 2 = 34,9%
       Titel 3                        39,3%                                         27,2%                         (39,3% + 27,2%) : 2 = 33,2%
                                     100,0%                                        100,0%                                                 100,0%
      Kommentar: Bildung des Multifaktorportfolios unter Einbeziehung der Titelgewichtungen in den Einzelfaktor-Subportfolios. Die
      Titelgewichtungen der beiden Einzelfaktor-Subportfolios werden für das Multifaktorportfolio in diesem Beispiel zu gleichen Teilen
      berücksichtigt.

      Abbildung 14: Vereinfachtes Beispiel zur Herleitung der Gewichtungen eines Multifaktorindexes nach der Variante 1.37

      Illustration eines Multifaktorindexes mit der Variante 2

                                                                                                                                     Multifaktor-
                     Gewichtung im Hauptindex                Value Score      Quality Score      Nicht-adjustierte Gewichtungen       portfolio
       Titel 1                     20,3%                         0,80              0,15             20,3% x 0,80 x 0,15 = 2,4%             35,8%
       Titel 2                     35,8%                         0,02              1,00             35,8% x 0,02 x 1,00 = 0,7%             10,5%
       Titel 3                     43,9%                         0,25              0,33             43,9% x 0,25 x 0,33 = 3,6%             53,7%
                                  100,0%                                                                                                  100,0%
      Kommentar: Bildung des Multifaktorportfolios unter gleichzeitiger Einbeziehung der Titelgewichtungen im marktkapitalisierten
      Hauptindex, des Value Scores und des Quality Scores. Der Value und der Quality Score geben an, wie gut der Titel die Value- und
      Quality-Eigenschaft erfüllt. Für das Multifaktorportfolio werden die nicht-adjustierten Gewichtungen in diesem Beispiel einfach auf
      100 Prozent skaliert.

      Abbildung 15: Vereinfachtes Beispiel zur Herleitung der Gewichtungen eines Multifaktorindexes nach Variante 2.38

     37 Illustration in Anlehnung an FTSE Russell (2017a).
     38 Illustration in Anlehnung an FTSE Russell (2017a).

16
Schritt 4: Rebalancingprozess                               Multifaktor weisen bereits klar höhere Turnovers vor.
Beim Rebalancingprozess wird regelmässig überprüft,         Sie liegen im Durchschnitt zwischen 30 und 43 Prozent.
ob die im Index enthaltenen Titel ausgetauscht oder         Mit Abstand am meisten Transaktionen verursacht der
neu gewichtet werden müssen. Falls notwendig, wird          Momentum-Index mit einem durchschnittlichen Turn-
der Index neu zusammengestellt und die dafür notwen-        over von 131 Prozent.
digen Käufe und Verkäufe ausgelöst. Optimalerweise
versuchen Indizes, die Transaktionsanzahl für ETF oder       Turnoverentwicklung verschiedener Faktorindizes
Indexfonds, die den Index abbilden, möglichst gering
                                                              180%
zu halten – mit entsprechend positivem Effekt auf die
                                                              160%
Handelskosten. Gesteuert werden kann die Transak-
                                                              140%
tionsanzahl mit der Häufigkeit des Rebalancings oder
                                                              120%
mit Beschränkungen des Turnovers.
                                                              100%
                                                               80%
Häufigkeit des Rebalancings
                                                               60%
Bei vielen Faktorindizes wird das Rebalancing halb-
                                                               40%
jährlich durchgeführt. Wird der Rebalancingprozess
                                                               20%
zu häufig vollzogen, können durch die notwendigen
                                                                0%
Transaktionen hohe Kosten entstehen. Soll die Anzahl              2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016
Transaktionen reduziert werden, kann die Rebalancing-
                                                               MSCI   World Enhanced Value     MSCI World Multifaktor
frequenz verringert werden.39 Es muss aber berücksich-         MSCI   World Size               MSCI World Momentum
                                                               MSCI   World MinVol             MSCI World Quality
tigt werden, dass ein zu seltenes Rebalancing dazu führen      MSCI   World
kann, dass die Indexzusammensetzung im Laufe der Zeit
                                                             Abbildung 16: Turnoverdaten von Faktorindizes im Vergleich
zu stark von der definierten Zielgewichtung abweicht.        zum klassisch marktkapitalisierten Index.41
Die optimale Häufigkeit des Rebalancings kann je nach
Faktor unterschiedlich ausfallen.
                                                            Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Indexanbieter
Beschränkungen des Turnovers                                die Höhe des Turnovers limitieren können. Einerseits ist
Unter Turnover versteht man den Prozentsatz eines           es möglich, den Turnover fix auf einen bestimmten Wert
Portfolios, der innerhalb eines bestimmten Zeitraums        zu beschränken. Beispielsweise hat der MSCI World
umgeschichtet wird. Ein Turnover von 100 Prozent            MinVol eine Turnoverlimite von 20 Prozent. Das Op-
bedeutet, dass Positionen im Wert des gesamten Port-        timierungsmodell des Indexes ist so konzipiert, dass der
folios einmal gehandelt werden. Wie Untersuchungen          Turnover bei jedem Rebalancing höchstens 20 Prozent
zeigen, weisen Faktorindizes tendenziell einen höheren      betragen soll. Bei einem halbjährlichen Rebalancing be-
Turnover auf als klassische Aktienindizes.40 Dies ist vor   trägt diese Limite 40 Prozent im Jahr. Aus Abbildung 16
allem darauf zurückzuführen, dass die Selektionskenn-       geht aber hervor, dass diese Grenze in den Krisenjahren
zahlen der Titel über bestimmte Zeiträume stärker vari-     2008 und 2009 überschritten wurde.
ieren als ihre Marktkapitalisierung. Einerseits muss man
aber zwischen den einzelnen Faktoren differenzieren,        Ein anderer geläufiger Ansatz besteht darin, einen «Turn-
andererseits hat auch die Indexkonstruktionsweise einen     over Buffer» zu berücksichtigen. Bei diesem Prinzip wird
Einfluss auf die Höhe des Turnovers. Zur Veranschauli-      der Turnover reduziert, indem man beispielsweise die
chung haben wir in der Abbildung 16 die jährliche Höhe      Höhe der Differenz der Titelgewichtungen vor dem
des Turnovers von sechs Weltaktienfaktorindizes im          Rebalancing und der für das Rebalancing berechneten
Vergleich mit dem klassisch marktkapitalisierten MSCI       Zielgewichtungen verringert (z.B. MSCI World Enhan-
World Index von 2000 bis 2016 abgebildet. Mit einem         ced Value Index).
Turnover von durchschnittlich rund 7 Prozent benötigt
der MSCI World relativ wenig Transaktionen. Die Indi-
zes für die Faktoren Quality, Size, Value, Volatility und

39 Siehe dazu auch Research Affiliates (2013).
40 Clare et al. (2015).
41 BlackRock (Daten per 31.12.2016).

                                                                                                                          17
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