Solar- und Elektroflugzeuge - Geschichte und Zukunft

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Solar- und Elektroflugzeuge - Geschichte und Zukunft
Rudolf Voit-Nitschmann

     Solar- und Elektroflugzeuge
     – Geschichte und Zukunft

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Die Verwendung eines Elektroantriebes für Flugzeuge ist nicht neu. Bereits am 21.
Oktober 1973 flog der Österreicher Brditschka mit einem elektrisch angetriebenen
Motorsegler auf eine Höhe von 300 Metern mit einer Batterieladung. Er drehte einige
                                                                                        Uhr auf der RAF Base Manston nicht weit
Platzrunden und landete sicher nach neun Minuten Flugzeit. Der Amerikaner R. J.
                                                                                        von London. Die direkte Verbindungs-
Boucher hat als erster ein unbemanntes ferngesteuertes Flugzeug mit Solarzellen aus-    strecke ist 262 Kilometer lang. Die größ-
gestattet und erfolgreich erprobt. Am 4. November 1972 flog seine Sunrise I zum         te Höhe während des Fluges betrug
                                                                                        3500 Meter MSL (Mean Sea Level). Das
ersten Mal mit der von Solarzellen gelieferten Energie etwa 100 Meter hoch und          Flugzeug hatte allerdings nur eine Zula-
kreiste dabei etwa 20 Minuten. Das Flugzeug hatte eine Spannweite von etwa zehn         dung von 42 Kilogramm (kg), und die
                                                                                        Struktur war sehr empfindlich und damit
Metern und eine Abflugmasse von zehn Kilogramm. Am 27. September 1975 er-
                                                                                        nicht für den Alltagseinsatz geeignet.
reicht Boucher mit dem Nachfolgemodell Sunrise 11 eine Flughöhe von 5250 Me-
                                                                                           In Deutschland entwickelte Günther
tern bei einer Flugzeit von drei Stunden und 24 Minuten. In Deutschland gelangen        Rochelt etwa zur gleichen Zeit seinen
dem Elektro- und Solarflugpionier Fred Militky am 16. August 1976 die ersten Solar-     Solair 1. Als Grundlage diente ihm ein
                                                                                        Entenflugzeug, die Canard von Farner.
flüge mit seinem Modell Solaris.                                                        Die Flügelfläche wurde mit 2500 Solar-
                                                                                        zellen belegt, die in Silicon eingebettet
                                                                                        waren und abschließend mit einer Poly-
                                                                                        esterfolie abgedeckt wurden. Die Lei-
                                            Kurze Historie der Solarflieger             stung der Zellen betrug bei voller Be-
                                                                                        strahlungsstärke 2200 Watt (W). Die Ab-
                                            Die größten Fortschritte auf dem Gebiet     flugmasse lag bei 180 kg. Am 21. Au-
                                            des bemannten Solarflugs brachten die       gust 1983 flog Rochelt mit der Solair 1
                                            Arbeiten von Paul B. McCready in Kalifor-   von Unterwössen mit Unterstützung von
                                            nien. Aufbauend auf seinen Muskelkraft-     Thermik fünf Stunden und 41 Minuten.
                                            flugzeugen Gossamer Condor und              Die Maschine ist heute im Deutschen
                                            Gossamer Albatross stattete er den          Museum in München ausgestellt.
                                            Gossamer Penguin 1980 mit einem So-
                                            larpanel aus. Am 7. August 1980 führte
                                                                                                            Rudolf Voit-Nitschmann      y
                                            die Pilotin Janice Brown mit dem Pen-
                                                                                                             Solar- und Elektroflugzeuge y
                                            guin einen drei Kilometer weiten De-
                                            monstrationsflug von14 Minuten Dauer
                                            aus. Die Fluggeschwindigkeit lag bei et-
                                            wa 6,5 Metern pro Sekunde. Das Flug-
                                            zeug war nur für sehr geringe Belastun-
                                            gen ausgelegt und konnte nur bei Wind-
                                            stille geflogen werden.
                                              Ein herausragender Meilenstein wurde
                                            mit der Entwicklung des Solar Challenger
                                            geschaffen. Es handelt sich um einen
                                            Motorsegler mit einer Spannweite von
                                            14,3 Metern. Am 7. Juli 1981 startete
                                            Stephen Ptacek mit dem Challenger um
                                            9:28 Uhr vom Flugplatz Puntoise-Cor-
                                            meilles bei Paris und landete um 14:51

                                                                                                                                     89
WechselWirkungen   y
                                                   zeuge noch eines gemeinsam: Es handelt        Lage sein, aus eigener Kraft mit gespei-
                               Jahrbuch 2001 y     sich in allen Fällen um Flugzeuge, die        cherter Energie auf 450 Meter Höhe zu
                                                   speziell auf eine Aufgabe oder einen Re-      steigen, wobei die Steiggeschwindigkeit
                                                   kordflug hin entworfen und gebaut wur-        zwei Meter pro Sekunde betragen soll.
                                                   den. Sie waren nicht praxistauglich in        Ferner muß es bei einer Sonneneinstrah-
                                                   dem Sinne, wie es heutige Segelflugzeu-       lung von 500 W pro Quadratmeter (m2)
                                                   ge oder Motorsegler sind, das heißt bei       möglich sein, einen allein durch Sonnen-
                                                   nicht optimalem Wetter mußten die             energie getriebenen Horizontalflug durch-
                                                   Geräte am Boden bleiben. Darüber hin-         zuführen.
                                                   aus war in allen Fällen das zulässige Pilo-
                                                                                                    Aus all diesen Vorgaben ergaben sich
   Einen dem Solair 1 ähnlichen Ansatz             tengewicht beziehungsweise die maxi-
                                                                                                 für die anfangs über 40 Teams aus aller
verfolgte Eric Raymond in den USA, der             male Nutzlast gering.
                                                                                                 Welt extreme Anforderungen an Aerody-
mit seinem Sunseeker 1990 mit vielen                                                             namik, Leichtbau, Effizienz und Antriebs-
Zwischenstopps von Kalifornien an die                                                            technik ihrer Flugzeuge.
Ostküste der Vereinigten Staaten flog.             Stand der Technik bemannter
Beim Sunseeker betrug die Zuladung                 Solarflugzeuge                                   Auch die Fakultät Luft- und Raumfahrt-
etwa 75 kg bei einer Flugzeugleermasse                                                           technik der Universität Stuttgart stellte
von 90 kg. Aufgrund der zwar leichten,             Preisträger des Berblinger-Wett-              sich mit dem Projekt „icaré 2“ diesen
jedoch im Wirkungsgrad schlechten, po-             bewerbs                                       Anforderungen.
lykristallinen Siliziumzellen in Folienform                                                         Weitere herausragende Projekte wa-
                                                   Durch die Ausschreibung des Berblinger-
war die installierte Solarleistung gering.                                                       ren „Solair II“ des Teams um Prof. Günter
                                                   Wettbewerbs der Stadt Ulm für 1996
Der bürstenlose Motor hatte eine Startlei-                                                       Rochelt und „O sole mio“ des italieni-
                                                   wurde ähnlich wie durch die Kremer-Prei-
stung von etwa 2,2 Kilowatt (kW), die                                                            schen Teams um Dr. Antonio Bubbico.
                                                   se ein Anreiz geschaffen, die Technologie
aber wegen der verwendeten Akkus nur                                                             Beide Projekte konnten zwar in weit fort-
                                                   des solar-elektrischen Fliegens weiter vor-
über kurze Zeit zur Verfügung standen.                                                           geschrittenem Zustand präsentiert wer-
                                                   anzutreiben. In den Anforderungen der
   Ein Horizontalflug allein mit der Lei-          Ausschreibung waren neben Straßen-            den, waren jedoch zum Zeitpunkt des
stung des Solargenerators über längere             transporttauglichkeit, aerodynamischer        Wettbewerbes nicht flugfähig. Solair II
Zeit hinweg war bei diesen Flugzeugen              Steuerung und den Bau- und Dokumenta-         absolvierte dann mit ca. zweijähriger Ver-
auch bei optimaler Einstrahlung nicht              tionsrichtlinien vor allem folgende Punkte    spätung seinen Erstflug.
möglich. Trotz aller Weiterentwicklungen           zu berücksichtigen: Bei einer Pilotenmas-        Im Gegensatz zu icaré 2, das kompro-
haben die bisher aufgezählten Solarflug-           se von 90 kg muß das Flugzeug in der          mißlos auf die Wettbewerbsausschrei-
                                                                                                 bung hin entwickelt wurde (25 Meter
                                                                                                 Spannweite, 25 m2 Flügelfläche), wurde
                                                                                                 bei den beiden Mitkonkurrenten eher der
                                                                                                 Kompromiß gesucht, die Flugzeuge kom-
                                                                                                 pakter und damit leichter zu gestalten
                                                                                                 (Solair II, 20 Meter Spannweite, 14,5 m2
                                                                                                 Flügelfläche). Damit wurde allerdings die
                                                                                                 Möglichkeit aufgegeben, auch bei gerin-
                                                                                                 gerer Einstrahlung oder über längere Zeit
                                                                                                 solar fliegen zu können. Gemessene
                                                                                                 Flugleistungen der Solair II sind leider bis
                                                                                                 heute nicht verfügbar. In der Praxis be-
                                                                                                 deutet das, daß diese beiden Solarflug-
                                                                                                 zeuge mit Hilfe des eingebauten Solarge-
                                                                                                 nerators im Flug die Akkus in etwa einer
                                                                                                 Stunde wieder aufladen können.

                                                                                                 Aktueller Stand der Technik am
                                                                                                 Beispiel des icaré 2

                                                                                                 Um eine Vorstellung der großen Heraus-
                                                                                                 forderung des Solarfluges zu erhalten,
                                                                                                 muß man sich die Randbedingungen ge-
                                                                                                 nauer betrachten. Abbildung 3 zeigt uns
                                                                                                 beispielsweise für Stuttgart die maximal
                                                                                                 gegebene Globalstrahlung der Sonne auf
                                                                                                 eine horizontale Fläche über das Jahr.
                                                                                                 Die höchste nutzbare Leistung im Juni an
                                                                                                 einem klaren Tag in Stuttgart beträgt ca.
Abb. 1: Solar Challenger.                                                                        880 W/m2. Soll das Solarflugzeug auch

90
Solarflugzeug „icaré 2“

Abb. 2: Preisträger des Berblinger-Wettbewerbs.

                                                    3. Preis Solarflugzeug „Solair II“

                                                                                                3. Preis Solarflugzeug „O sole mio“

bei schlechteren Bedingungen und über             gen konnten damit zwar nicht vollständig
längere Zeit rein solar fliegen, muß die          erfüllt werden, jedoch ist das Flugzeug
erforderliche Schwebeleistung wesent-             damit in der Lage, ca. fünf Stunden aus-
lich geringer sein. Deshalb wurden inner-         schließlich mit Solarenergie zu fliegen.
halb des Berblinger-Wettbewerbes 500              Bei höherer Einstrahlung um die Mittags-
W/m2 als Grenzwert vorgeschrieben. Die            zeit ist es dann sogar möglich, leicht zu
Auswertungen der Jury zeigten für das             steigen. Damit ist ein Streckenflug von et-
icaré 2 einen Schwebeleistungsbedarf,             wa 500 Kilometern ohne Nutzung von
der einer Einstrahlung von 580 W/m2               Thermik möglich.                                            WechselWirkungen        y

entspricht. Die Wettbewerbsanforderun-                                                                             Jahrbuch 2001      y

                                                                                                                                 91
WechselWirkungen     y
                                                            Abbildung 4 zeigt, daß letztendlich     Die Beschaffungskosten beliefen sich auf
                                    Jahrbuch 2001 y     nur 13 Prozent der verfügbaren Einstrah-    ca. 150 000 Mark. Es waren zwar zur da-
                                                        lung nach Abzug aller Verluste als An-      maligen Zeit bereits Zellen verfügbar mit
                                                        triebsleistung zur Verfügung stehen. Der    19 Prozent Wirkungsgrad zum doppelten
                                                        gesamte Antriebsstrang ist eine der wich-   Preis, jedoch nicht innerhalb eines halben
                                                        tigsten Komponenten eines Solarflugzeu-     Jahres lieferbar. Die Situation hat sich bis
                                                        ges. Am Beispiel des icaré 2 soll der ge-   heute kaum geändert. Das Hauptproblem
    Eine äußerst effiziente Nutzung der
                                                        genwärtige Stand der Technik erläutert      für die Anwendung von Solarzellen für
verfügbaren Solarleistung ist folglich die
                                                        werden.                                     den Antrieb von Luftfahrzeugen liegt also
große Herausforderung bei der Entwick-
                                                                                                    momentan noch in der Verfügbarkeit und
lung leistungsfähiger Solarflugzeuge.                      Der Solargenerator besteht aus Solar-
                                                                                                    den Beschaffungskosten von Solarzellen
Dies betrifft nicht nur den gesamten An-                zellen der Firma ASE. Die monokristalli-
                                                                                                    hohen Wirkungsgrades. Die technologi-
triebsstrang, sondern auch die Auslegung                nen Siliziumzellen weisen einen mittleren
                                                                                                    schen Probleme der Einbettung der So-
des Flugzeuges selbst.                                  Wirkungsgrad von ca. 17 Prozent auf.
                                                                                                    larzellen in die Tragflügelstruktur konnten
                                                                                                    sowohl bei icaré 2 als auch bei Solair II
                                                                                                    zufriedenstellend gelöst werden. Eine
                                                                                                    Schlüsselrolle hierbei spielte die Einbet-
                                                                                                    tung der Solarzellen in polyesterverstärk-
                                                                                                    tes Glasgewebe. Dadurch wurden die
                                                                                                    Zellen krümmbar und konnten somit in
                                                                                                    die gewölbte Tragflügeloberfläche inte-
                                                                                                    griert werden. Optisch konnten keine
                                                                                                    Nachteile festgestellt werden. Auch nach
                                                                                                    inzwischen fünf Jahren Flugbetrieb hat
                                                                                                    sich der Solargenerator bewährt. Ledig-
                                                                                                    lich die Verbindungen der einzelnen So-
                                                                                                    larpanels bereiteten Probleme. Acht ein-
                                                                                                    zelne Solarzellenstränge kommen beim
                                                                                                    icare 2 zum Einsatz. Jeder Strang ist mit
                                                                                                    einem sogenannten Maximum- Power-
                                                                                                    Point-Tracker ausgerüstet. Dies ist ein
                                                                                                    Regler, der die Spannung des Systems
                                                                                                    an den maximalen Leistungspunkt des
                                                                                                    Generators anpaßt. Für den Start und
                                                                                                    Steigflug sorgen 386 Nickel-Cadmium-
                                                                                                    Zellen (je 2,0 Amperestunden (Ah), Ge-
Abb. 3: Einstrahlung auf eine horizontale Fläche.

Abb. 4: Aufteilung der Leistungsverluste.

92
samtmasse ca. 25 kg). Zum damaligen           b [m]
Zeitpunkt waren dies die einzigen verfüg-
baren Akkus mit der nötigen spezifischen
Energie und vor allem spezifischen Lei-
stung ( Energie und Leistung bezogen
auf die Masse).

    Es mußte für den Wettbewerb ein
Steigflug auf möglichst große Höhe (min-
destens 450 Meter) demonstriert wer-
den. Dazu ist eine möglichst hohe spezifi-
sche Leistungsfähigkeit der Akkus ent-
scheidend. Technologisch hat sich die Si-
tuation in der Zwischenzeit auf diesem
Gebiet am stärksten weiterentwickelt (da-
zu später). Ein sognannter Lademanager
überwacht die Ladung des Akkus im Flug
und verhindert vor allem die Überladung.
In der Antriebskette folgt dann der Wech-
selrichter, der die Drehfelder für die bei-
den Phasen des Elektromotors erzeugt.
Außerdem erfolgt die Leistungsregelung
über diese Komponente. Der maximale
Wirkungsgrad des Wechselrichters be-
trägt 98,5 Prozent. Als Antriebsmotor
kommt ein Transversalfluß-Motor zum
Einsatz, der eine extreme spezifische Lei-
stungsfähigkeit aufweist. Der Wirkungs-
grad dieses Motors liegt bei Start bezie-      Abb. 5: Entwurfsdiagramm icaré 2, Überschußleistung P[W] in Abhängigkeit von Flügelfläche             S [m2]
                                               S [m2] und Spannweite b[m].
hungsweise bei Schwebeleistung bei 92
Prozent und 93 Prozent Wirkungsgrad
und stellt bezüglich der Leistungsfähig-       W/m2 Solarstrahlung und die Steigflug-                das Flugzeug gerade beginnt, den hori-
keit das momentan Machbare dar. Das            forderung mit zwei Metern pro Sekunde                 zontalen Schwebeflug zu erfüllen. Bei
gesamte Antriebssystem wurde an der            auf 450 Meter Höhe bildeten die größte                +100 W stehen 100 W an Überschuß-
Uni Braunschweig im Auftrag für das Pro-       Herausforderung.                                      leistung zur Verfügung. Aus dem Dia-
jekt icaré entwickelt. Der Motor treibt ei-                                                          gramm ist ersichtlich, daß unendlich viele
                                                  Auf die Auslegungsberechnungen
nen kohlefaserverstärkten (Cfk) Propeller                                                            Lösungen für das Entwurfsproblem des
                                               kann hier nicht detailliert eingegangen
(Durchmesser 2,4 Meter) eigener Ent-                                                                 Solarflugzeuges möglich sind. Durch die
                                               werden. Zusammenfassend kann ange-
wicklung an, dessen Wirkungsgrad mit                                                                 Erläuterung der beiden Extremfälle soll
                                               geben werden, daß ein hinsichtlich mini-
87 Prozent vermessen wurde. Für den                                                                  die Entwurfsproblematik verdeutlicht
                                               maler Antriebsleistung optimierter Ent-
Segelflug kann der Propeller mit Hilfe ei-                                                           werden.
                                               wurf eine möglichst große Spannweite
ner mechanischen Bremse abgebremst             bei gleichzeitig geringem Gewicht und ei-                Wie aus dem Diagramm ersichtlich,
und nach hinten gefaltet werden. Das An-       ner großen Flügelfläche für die Solarzel-             besteht die Möglichkeit, ein Flugzeug mit
triebssystem mit dem Motor im Seiten-          len aufweisen muß. Die benötigte Lei-                 relativ geringer Flügelfläche zu realisieren
leitwerk hat sich in der Praxis sehr be-       stung für den horizontalen Schwebeflug                (zum Beispiel 19 m2), allerdings bei sehr
währt. Der Verfasser würde dieses An-          muß durch die Solarzellen zur Verfügung               großer Spannweite (größer als 30 Me-
triebssystem aus eigener Flugerfahrung         gestellt werden. Die bereitstehende Lei-              ter). Die relativ geringe benötigte Solar-
jedem Klapptriebwerk vorziehen. Ledig-         stung abzüglich der erforderlichen Lei-               zellenfläche würde zu einer beträchtli-
lich die Verbindungen der einzelnen So-        stung ergibt einen Leistungsüberschuß.                chen Kosteneinsparung für den Solarge-
larpanels und der Maxmimum-Power-                                                                    nerator führen. Andererseits wäre eine
Point-Tracker hatten während des Flug-            Abbildung 5 zeigt die Überschußlei-
                                                                                                     Spannweite von über 30 Meter im prakti-
betriebes Probleme bereitet.                   stung, aufgetragen über der Flügelfläche
                                                                                                     schen Betrieb kaum mehr handhabbar.
                                               und der Spannweite. Hierbei wurde
   Abgesehen vom Antriebsstrang ist der        selbstverständlich die Änderung des Flü-
Entwurf des Solarflugzeuges selbst für         gelgewichtes in Abhängigkeit von Spann-
minimale Antriebsleistung eine wichtige        weite und Streckung berücksichtigt. Be-
Aufgabe für den Entwicklungsprozeß ei-         züglich der verfügbaren Leistung wurde
nes leistungsfähigen Solarflugzeuges. Für      von jeweils maximal möglicher Solarzel-
das Projekt icaré wurden hier konsequent       lenbelegung der Flügelfläche ausgegan-
die Forderungen des Berblinger-Wettbe-         gen. Man könnte diese Darstellung als
werbes zugrunde gelegt. Die Forderung          Entwurfsdiagramm für ein Solarflugzeug                                              WechselWirkungen        y

des solaren Schwebefluges bei nur 500          bezeichnen. Die Kurve 0 bedeutet, daß                                                       Jahrbuch 2001   y

                                                                                                                                                      93
WechselWirkungen       Schwebefluges hatte sicherlich für die
                                           y
                                                                                             Ausblick auf zukünftige
                            Jahrbuch 2001 y    Wettbewerbsjury die erste Priorität und       Entwicklungen
                                               macht andererseits den besonderen Reiz
                                               des Flugzeuges aus. Bei abgestelltem An-      Weiterentwicklungen der Einzelkom-
                                               trieb allerdings muß man Segelfluglei-        ponenten
                                               stungen hinnehmen, die nicht den ge-
                                               genwärtigen Stand der Technik repräsen-       Die Weiterentwicklung der herkömmli-
                                               tieren. Zukünftige Ausschreibungen soll-      chen Silizium-Solarzellen wird sich in klei-
                                               ten sich mehr daran orientieren, elektri-     nen Schritten vollziehen. Auch die Preise
                                               schen beziehungsweise solarelektrischen       werden erst dann in Bewegung geraten,
                                               Antrieb mit einem Hochleistungssegel-         wenn größere Stückzahlen zur Anwen-
                                               flugzeug zu kombinieren.                      dung kommen. Erfolgversprechender
                                                                                             scheint beispielsweise die Entwicklung
Der andere extreme Auslegungsfall wäre            Für die gesamte Struktur des icare 2       von Silizium-Dünnschicht-Zellen laut Aus-
eine sehr große Flügelfläche von ca. 29        kommt hauptsächlich die CFK-Wa-               kunft unseres Kollegen, Prof. Jürgen H.
m2 mit einem entsprechend großen und           bensandwich-Bauweise zur Anwendung.           Werner, Institut für Physikalische Elektro-
teuren Solargenerator, aber andererseits       Der icaré-Flügel ist dreiteilig ausgeführt.   nik (IPE). Labormuster dieser Zellen mit
einer wesentlich besser handhabbaren           Der größte Teil erhielt einen rechteckigen    einem Wirkungsrad von ca. 20 Prozent
Spannweite von ca. 20 Metern. Diese            Grundriß, um die Solarzellen optimal auf-     waren bereits vor Jahren am IPE ent-
Auslegung hätte natürlich den Nachteil         bringen zu können. Es wurde in Kauf ge-       wickelt worden. Die Verfügbarkeit derarti-
des wesentlich teureren Solargenerators        nommen, daß der große Rechteckteil            ger Zellen in genügender Anzahl und zu
und würde außerdem bei abgeschalte-            Nachteile für die Manövrierbarkeit um die     einem akzeptablen Preis würde der solar-
tem Antrieb schlechtere Segelflugleistun-      Längsachse mit sich bringt. Die Flügel-       elektrischen Fliegerei zum Durchbruch
gen aufweisen als eine Auslegung mit           struktur erhielt eine geschlossene Tor-       verhelfen. Die aufwendige Integration der
größerer Spannweite beziehungsweise            sionsnase aus einem Kohlegelege-Wa-           relativ schweren Silizium-Zellen-Panel
größerer Streckung. Wie so oft beim            bensandwich. Auf der Oberseite erstreckt      (1,2 kg/m2) in die Struktur wird damit
Flugzeugentwurf wurde ein Kompromiß            sich das Wabensandwich bis zur Hinter-        überflüssig, und die Zellen könnten
getroffen. Das icaré 2 wurde schließlich       kante, um die Solarzellen zu tragen. Hin-     nachträglich auf die Tragflügelstruktur
mit einer Spannweite von 25 Metern und         ter dem Holm sind Stütz-Rippen ange-          aufgebracht werden. Innerhalb der näch-
einer Flügelfläche von 25,7 Quadratme-         bracht. Auf der Unterseite ist der Flügel     sten fünf bis zehn Jahre wäre dies vor-
tern realisiert.                               hinter dem Holm bespannt.                     stellbar.
   Vor allem die Forderung nach horizon-
talem Schwebeflug bei einer Einstrah-
lung von 500 W/m2 in Verbindung mit
                                               n
der hohen Zuladung machen eine sehr            n
große Flügelfläche erforderlich. Die ge-       n
wählte Flügelfläche für den icare 2 ist
etwa um zehn Quadratmeter größer als               Wie so oft beim Flugzeugent-
die Flügelfläche eines Leistungssegelflug-
zeuges der offenen Klasse mit derselben
Spannweite. Dies führt in der Konse-               wurf wurde ein Kompromiß
quenz zu einer äußerst geringen Flächen-
belastung, die sich im Segelflug ungün-
stig auf die Streckenfluggeschwindigkeit
auswirkt und führt gleichzeitig zu einer
                                                   getroffen.                                                                           n
                                                                                                                                        n
schlechteren Gleitzahl (Verhältnis von Wi-                                                                                              n
derstand zu Auftrieb 1:36) im Gegensatz
zu vergleichbaren Segelflugzeugen der
offenen Klasse mit derselben Spannweite
(Gleitzahl ca. 1:60).
                                                  Durch die konsequente Anwendung               Der dem Solargenerator nachgeschal-
   Die Kombination von großer Flügel-          der CFK-Wabensandwich-Bauweise konn-          tete Maximum-Power-Point-Tracker weist
fläche und der an der unteren Grenze           te das Strukturgewicht im Vergleich zu        bereits beim icaré 2 einen Wirkungsgrad
dimensionierten Größe des Seitenleitwer-       Serienflugzeugen wesentlich reduziert         von 98 Prozent auf. Bei dieser Kompo-
ke führten zu einem sehr hohen negati-         werden, dies allerdings teilweise auf Ko-     nente kann zukünftig lediglich eine Minia-
ven Wendemoment (Rollwendemoment),             sten der Oberflächenqualität und somit        turisierung verbunden mit einer Ge-
welches die Handhabung des Flugzeuges          der aerodynamischen Güte. Weitere             wichtsreduzierung erwartet werden.
erschwert. In diesem Punkt wurden zwar         Kompromisse wurden bezüglich der              Auch bezüglich Wechselrichter, Motor-
geringe Verbesserungen mit einfachen           Steifigkeit der Einzelkomponenten hinge-      steuerung und Elektromotor selbst ist
Maßnahmen erzielt, aber im Grundsatz           nommen (vor allem Torsionssteifigkeit         das technisch Machbare bezüglich der
muß man sich mit diesem Nachteil abfin-        des Tragflügels), was die Schnellflugtaug-    Wirkungsgrade ausgereizt. Die zukünftige
den. Die Verwirklichung des rein solaren       lichkeit einschränkt.                         Aufgabenstellung wird hier vor allem die

94
Entwicklung preiswerterer Systeme bei
möglichst hohem Wirkungsgrad sein. Im
Rahmen der Entwicklung des Antriebssy-
stems für die Antares (Lange Flugzeug-
bau) wurde gezeigt, daß dies möglich ist.
   Abgesehen vom Solargenerator stellt
der Energiespeicher die Komponente mit
dem zukünftig größten Weiterentwick-
lungspotenzial dar. Seit Entwicklungsbe-
ginn des icaré bis heute hat sich bei-
spielsweise die nutzbare Kapazität der
eingesetzten Ni-Cd-Akkus nahezu verdop-
pelt ( derzeitig ca. 41 Wh/kg ). Für den
Startvorgang ist vor allem die spezifische
Leistung (W/kg) eines Energiespeichers
entscheidend ( momentan ca. 520 W/kg
bei Ni-Cd-Akkus ). Die verfügbare Energie    Abb. 6: Ansicht eines zukünftigen Solarflugzeuges.

muß in möglichst kurzer Zeit in Höhe um-
gesetzt werden. 1996 waren diesbezüg-
lich immer noch Ni-Cd-Sinterzellen Ak-       gelder einzuwerben und kompetente In-                dem Aspekt der zusätzlichen direkten
kus allen anderen Systemen überlegen.        dustriepartner zu gewinnen. Weltweit                 Nutzung der Solarenergie neu überdacht
In der Zwischenzeit weisen Ni-Metall-Hy-     steht die Verwirklichung eines über eine             werden.
drid-Akkus oder auch Lithium- Ionen- Ak-     Brennstoffzelle betriebenen bemannten
                                                                                                    Welche Serienflugzeug-Kategorien
kus ähnliche spezifische Leistungen auf.     Luftfahrzeuges noch aus.
                                                                                                  werden sich auf der Basis solar/elektri-
Bezüglich der spezifischen Energie sind                                                           scher Antriebssysteme zukünftig auf dem
sie den Ni-Cd-Akkus weit überlegen. Für                                                           Markt etablieren? Die Antwort könnte fol-
die Antares werden mit Hilfe dieser Akku-    Auslegung von zukünftigen solar/
                                                                                                  gendermaßen aussehen:
systeme beeindruckende Steighöhen er-        elektrisch getriebenen Motorseglern
                                                                                                  b   Segelflugzeuge mit ausklappbarer
reicht. In die Zukunft extrapoliert er-
                                             Die Integration des Antriebes in die Sei-                elektrischer Heimkehrhilfe
scheint eine weitere Verdoppelung der
                                             tenleitwerksflosse hat sich am Beispiel              b   Segelflugzeuge selbststartend mit
spezifischen Energie innerhalb der näch-
                                             des icaré 2 sehr gut bewährt. Der Antrieb                elektrischem Antriebssystem
sten 15 Jahre möglich.
                                             kann kurzzeitig jederzeit aktiviert werden           b   Solarflugzeuge mit Pufferakkus (Solar-
                                             und bietet somit auch Sicherheitsvorteile                generator nur zum Aufladen der Akkus
                                             gegenüber Klapptriebwerken. Im Segel-                    innerhalb von zwei bis vier Stunden di-
Integration einer Brennstoffzelle –          flugbetrieb faltet sich der abgebremste                  mensioniert)
Forschungsgelder und Industrie-              Propeller nach hinten und beeinflußt so-             b   Reine Solarflugzeuge mit Pufferakkus
partner könnten Verwirklichung               mit nur geringfügig die Segelflugleistun-                (solarer Flug über längere Zeit auch
erleichtern                                  gen. Da der Antrieb nicht nur für kurze                  ohne Inanspruchnahme der Pufferak-
                                             Zeit im Steigflug, sondern bei entspre-                  kus möglich, nach gegenwärtigen FAI-
Als Energiequelle der Zukunft für
                                             chender Einstrahlung auch über längere                   Regularien bei einer Einstrahlung ab
solar/elektrisch getriebene Motorsegler
                                             Zeit im Reiseflug betrieben wird, ist bei                500W/m2).
könnte ebenso wie für Fahrzeuge die
                                             Solarflugzeugen ein Klapptriebwerksy-
Brennstoffzelle zur Anwendung kommen.                                                               Abbildung 6 zeigt, wie ein zukünftiges
                                             stem nicht sinnvoll. Aus diesen Gründen
Untersuchungen am Institut für Flugzeug-                                                          Solarflugzeug aussehen könnte.
                                             und eigener Flugerfahrung ist der Verfas-
bau unserer Universität und bei der DLR
                                             ser überzeugt von den Vorteilen der An-
Stuttgart brachten das Ergebnis, daß das
                                             triebsanordnung im Seitenleitwerk. Dies
icaré 2 etwa zwei Stunden im Horizontal-
                                             wäre auch eine gute Anordnung für elek-
flug über eine Leichtbau-Brennstoffzelle
                                             trisch selbststartende Segelflugzeuge. Als
betrieben werden könnte. Die Masse der
                                             Nachteil muß akzeptiert werden, daß die
Brennstoffzelle selbst und die spezifische
                                             Umrüstung eines Serienflugzeuges sich
Leistung liegt dabei im Kurzzeit-Überlast-
                                             wesentlich aufwendiger gestaltet. Auf-
betrieb (Startvorgang) etwa in der glei-
                                             grund der Massenverteilung wird zumin-
chen Größenordnung wie die der Ni-Cd
                                             dest das Verschieben des Tragflügels
Akkus. Allerdings müssen zusätzlich noch
                                             nach hinten erforderlich.
die Tanks für Wasserstoff und Sauerstoff
berücksichtigt werden. Ein entsprechen-         Ein weiterer interessanter Aspekt wird
des Forschungsprojekt mit dem Ziel der       durch den wahlweisen beziehungsweise
Integration einer Brennstoffzelle bei-       teilweisen Einsatz der Solarenergie für
spielsweise in ein UL-Flugzeug wurde bei     Absaugungsmaßnahmen zur Laminarhal-
uns vorgeschlagen. Leider ist es noch        tung der Flügelumströmung eröffnet. Die                                       WechselWirkungen    y

nicht gelungen, die nötigen Forschungs-      Definition des Segelfluges sollte unter                                           Jahrbuch 2001   y

                                                                                                                                          95
WechselWirkungen    y
                                                generators größere Flügelflächen und ge-      b   einen kostengünstigeren Betrieb,
                            Jahrbuch 2001 y     ringere Flächenbelastungen benötigen,         b   flexiblere Einsatzmöglichkeiten, da die-
                                                als es bei abgestelltem Antrieb für ein           se je nach Bedarf positioniert werden
                                                entsprechendes Leistungs-Segelflugzeug            können,
                                                nötig wäre mit den bereits beschriebenen      b   missionsangepasste Upgrade- und
                                                negativen Auswirkungen auf die                    Wartungsmöglichkeiten,
                                                Streckenflugleistungen. In der Praxis         b   einen umweltschonenderen Betrieb
                                                kann damit gerechnet werden, daß gute             durch den Einsatz neuartiger Antriebs-
                                                Solarflugwetterlagen und gute Thermik-            konzepte (Solar-Antrieb, Brennstoffzel-
                                                wetterlagen meist gleichzeitig auftreten,         len) sowie die Vermeidung von Lang-
                                                wenn man einmal von alternden, stabilen           zeit-Abfallprodukten, wie dies bei Sa-
                                                Hochdruckwetterlagen absieht. Dann ist            telliten unumgänglich ist.
                                                für einen zeitoptimierten Streckenflug           Das Kernproblem für die Realisierung
                                                das moderne Hochleistungssegelflug-           derartiger Plattformen liegt vor allem im
                                                zeug dem reinen Solarflugzeug überle-         Energiebedarf für den langanhaltenden
                                                gen. Der unverhältnismäßig hohe Auf-          Einsatz (mehrere Tage oder gar Monate).
                                                wand für das reine Solarflugzeug lohnt        Auch aus der Arbeitshöhe von größer 20
                                                sich unter diesem luftsportlichen Aspekt      Kilometer ergeben sich weitere hohe An-
                                                nicht. Aus diesem Blickwinkel erscheint       forderungen an das Gesamtsystem. Bei-
Visionen für den solar/elektrisch               das Solarflugzeug mit Pufferakku, das auf     spielsweise beträgt die Luftdichte nur
unterstützten Segelflug                         Streckenflugleistungen hin optimiert ist,     noch 1/100 des Wertes in Meereshöhe,
                                                als die in näherer Zukunft interessanteste    die Temperaturen liegen bei ca. –40° C
Auch für Thermik-Streckenflüge sind völ-        Variante.                                     und die mittleren Windgeschwindigkeiten
lig neue Flugszenarien für reine Solarflug-
                                                   Die Vision des konsequent umwelt-          betragen 20-60 Meter pro Sekunde. Die
zeuge denkbar. Etwa der frühzeitige Start
                                                freundlichen eigenstartfähigen Solar-Se-      Lösung dieser Probleme ist trotz vielfälti-
mit Hilfe der Pufferakkus mit anschließen-
                                                gelflugzeuges, das multifunktionsfähig ei-    ger weltweiter Anstrengungen bis heute
dem Horizontalflug mit Solarenergie bei
                                                nerseits stundenlange Flüge nur unter         nicht gelungen. Bereits 1997 wurde von
minimalem Leistungsbedarf des Flugzeu-
                                                Nutzung des eingebauten Solargenera-          der Fakultät gemeinsam mit dem Deut-
ges, allerdings deshalb verbunden mit ei-
                                                tors ausführt und andererseits bei abge-      schen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
ner geringen Reisegeschwindigkeit. Spä-
                                                stelltem Antrieb vergleichbare Leistun-       (DLR) ein Forschungsantrag beim Bundes-
ter bei entwickelter Thermik der Über-
                                                gen heutiger Leistungsegelflugzeuge auf-      forschungsministerium eingereicht mit
gang in den klassischen Segelflug mit
                                                weist, wird somit in nächster Zukunft Visi-   der Absicht, aufbauend auf den Projekten
Unterstützung des Vorwärtsfluges durch
                                                on bleiben. Doch die Hoffnung bleibt,         Lotte, icaré und Solitair (DLR) Grundlagen
den Elektromotor, um die mittlere Flugge-
                                                daß Entwicklungen wie beispielsweise          für Hochfliegende Plattformen zu erfor-
schwindigkeit zu steigern. Oder je nach
                                                die Berblinger-Preisträger oder die aktuel-   schen. Aufgrund der fehlenden Industrie-
Wetterlage Speicherung der Solarener-
                                                len Elektrosegler Projekte wie Silent und     beteiligung und der mangelnden Einsicht
gie, um Flauten zu überbrücken oder um
                                                Antares uns dieser Vision immer näher         über die Bedeutung dieser Thematik ist
einen Flugplatz anzufliegen, um eine
                                                bringen.                                      dieser Antrag gescheitert.
Außenlandung zu vermeiden. Selbst für
Solarflugzeuge mit Pufferakkus sind takti-                                                       Damit wollten wir uns jedoch nicht
sche Entscheidungen zu treffen. Etwa                                                          geschlagen geben. Die Herausforderung
die Frage, ob die gespeicherte Energie          Anwendungen für Beobachtungs- und             dieser stark interdisziplinär geprägten
für die Überbrückung von Flauten oder           Überwachungsaufgaben                          Forschungsaufgaben möchte man inner-
für die Erhöhung der Reisegeschwindig-                                                        halb der Fakultät Luft- und Raumfahrt-
keit eingesetzt werden soll. Für die takti-     Bereits während der Projektarbeiten zu        technik annehmen. Das Thema „Autono-
sche Planung und Durchführung eines             icaré 2 wurde erkannt, daß die erarbeite-     me Hochfliegende Plattformen“ wurde
optimalen Streckenfluges unter Berück-          ten Technologien für sogenannte „Hoch-        deshalb von der Fakultät als eines der
sichtigung der klassischen Streckenflug-        fliegende Plattformen“ einsetzbar             Leitprojekte für die Zukunft benannt.
theorie in Kombination mit der direkten         sind. Unter Hochfliegenden Plattformen        Gegenwärtig sind wir bestrebt, im Rah-
Nutzung der Solarenergie eröffnen sich          (HALE, high flying long endurance)            men einer Landesfinanzierung einen For-
somit bisher nicht bekannte Möglichkei-         versteht man Nutzlastplattformen, die in-     schungsschwerpunkt zu dieser Thematik
ten.                                            nerhalb der Stratosphäre ( 20 bis 30 Ki-      einzurichten. Die Fakultätsprojekte Lotte
                                                lometer Höhe) oberhalb des Wetterge-          (Solarluftschiff) und das Solarflugzeug-
   Gespräche mit Vertretern der Fédéra-
                                                schehens und oberhalb des übrigen Luft-       projekt icaré bilden eine solide Grundlage
tion Aéronautique Internationale (FAI)
                                                verkehrs stationiert werden. Sie können       für dieses Vorhaben. Für die Anregung,
zeigten sehr viel Aufgeschlossenheit be-
                                                dann teilweise Aufgaben übernehmen,           Luftschiffe als Basis für hochfliegende
züglich der Schaffung neuer, an die Sze-
                                                für die heutzutage noch Satelliten einge-     Plattformen anzuwenden, erhielt Profes-
narien von Solarflugzeugen angepaßten
                                                setzt werden (Telekommunikationsdien-         sor Kröplin 1999 den Körber Preis. Im
Wettbewerbsregeln.
                                                ste, Umwelt- und Erdbeobachtung). Man         Rahmen dieser Projekte wurden bereits
   Die Kategorie der reinen Solarflugzeu-       erhofft sich von derartigen Plattformen im    Grundlagen für Kerntechnologien erarbei-
ge wird jedoch zukünftig auch bei deut-         Vergleich zu weltraumbasierten oder fest      tet, die auch für Höhenplattformen zur
lich besseren Wirkungsgraden des Solar-         am Boden installierten Einrichtungen          Anwendung kommen können:

96
Boeing 747) wird angestrebt, in Höhen
                                                                                                                  bis zu 70000 feet (ca. 21 Kilometer) bis
                                                                                                                  zu 96 Stunden Erdbeobachtung und At-
                                                                                                                  mosphärenforschung zu betreiben. Das
                                                                                                                  Flugzeug wird von 14 Elektromotoren an-
                                                                                                                  getrieben. Es stehen insgesamt 35 kW
                                                                                                                  Solar-Leistung zur Verfügung. Der Wir-
                                                                                                                  kungsgrad der Solarzellen beträgt18,3
                                                                                                                  Prozent. Damit steigt das Gerät im Laufe
                                                                                                                  mehrerer Tage auf seine Einsatzhöhe. Zur
                                                                                                                  Überbrückung der Nacht ist die Integrati-
                                                                                                                  on regenerativer Brennstoffzellen vorge-
                                                                                                                  sehen. Tagsüber eingespeicherte Über-
                                                                                                                  schußenergie läßt sich damit für die
                                                                                                                  Höhenhaltung während der Nacht einset-
                                                                                                                  zen.

                                                                                                                  Nachwort
Abb. 7: SOLITAIR, Studie einer hochfliegenden Solardrohne für ganzjährige Stationierung bis ca. +/- 55° Breite,
DLR, Institut für Flugsystemtechnik.                                                                              Bedeutung des Solarflugzeug-
                                                                                                                  projektes icaré für Lehre und
                                                                                                                  Forschung der Fakultät Luft-
                                                                                                                  und Raumfahrttechnik
                                                                                                                  Das Solarflugzeugprojekt icaré erforderte
                                                                                                                  vielseitige Fähigkeiten und Erfahrungen
                                                                                                                  aller Beteiligten. Ein Projekt dieser Größen-
                                                                                                                  ordnung und Komplexität konnte nur von
                                                                                                                  einem hochmotivierten und hocheffizien-
                                                                                                                  ten Team zum Erfolg gebracht werden.
                                                                                                                  Es gelang, die Ressourcen und Fähigkei-
                                                                                                                  ten der gesamten Fakultät zu bündeln
                                                                                                                  und in das Projekt einzubringen. Alle Insti-
                                                                                                                  tute, deren Mitarbeiter und Professoren
                                                                                                                  leisteten wesentliche Beiträge für das
                                                                                                                  Gelingen dieses Projektes. Zahlreiche
                                                                                                                  Konstruktions- und Entwicklungsaufga-
                                                                                                                  ben wurden im Rahmen der Lehre als
                                                                                                                  Studien- und Diplomarbeiten bearbeitet.
                                                                                                                  Entwicklung und Bau des Prototypen
                                                                                                                  wurden am Institut für Flugzeugbau
                                                                                                                  durchgeführt. Die Studierenden und Wis-
                                                                                                                  senschaftler trainierten dabei das Umset-
                                                                                                                  zen der wissenschaftlichen Lehrinhalte in
Abb. 8: Landung des Helios- Prototypen, Dryden Flight Research Center, USA, Foto: NASA Dryden, Tom Tschida.       die Schaffung eines Hochtechnologie-
                                                                                                                  Produktes.

b   Einbettung der Solarzellen in hochfle-                  International am weitesten fortge-                      Der Nutzen für die Lehre läßt sich
    xible, gewölbte und belastete Flächen                schritten sind Forschungsarbeiten in den                 durch die Vermittlung von folgenden
b   Solarelektrischer Antriebsstrang mit                 USA auf diesem Gebiet. Im Jahre 1994                     Fähigkeiten aufzeigen:
    hohem Gesamtwirkungsgrad bei gerin-                  wurde - zuerst im Rahmen der SDI-Initia-
    gem Gewicht                                          tive der US-Regierung und jetzt im Rah-
b   Entwurf von Luftfahrzeugen mit mini-                 men des „Environmental Research
    malem Antriebsbedarf                                 Aircraft and Sensor Technology“ (ERAST)
b   Betriebserfahrungen mit einem be-                    Programms der NASA – der Pathfinder
    mannten Versuchsträger mit elektri-                  von Aero Vironment fertiggestellt. Dieser
    schem Antriebssystem.                                Erprobungsträger wurde in der Zwi-
                                                         schenzeit weiterentwickelt zur Plattform
  Auch die Industrie hat in der Zwi-                     Helios. Bei diesem unbemannten Nurflü-
schenzeit ihr Interesse an derartigen Vor-               gelflugzeug mit einer Spannweite von                                               WechselWirkungen    y

haben bekundet.                                          247 feet (75 Meter, größer als die                                                     Jahrbuch 2001   y

                                                                                                                                                           97
WechselWirkungen         y

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b   Interdisziplinäres Denken und teamori-
    entierte Zusammenarbeit, Vermittlung
    von sozialer Kompetenz, Informations-
                                                            Prof. Dipl.-Ing.
    austausch zwischen Industrie, For-
                                                            Rudolf Voit-Nitschmann
    schung und Lehre                                        Prof. Dipl.-Ing. Rudolf Voit-
b   Abwicklung eines Projektes im Zeit-                     Nitschmann, Autor des Ausblicks
    und Kostenrahmen, Einblick in Projekt-                  auf die „Entwicklung der Solar-
    planung, Entwicklungsablauf und Ma-                     und Elektromotorsegler“, ist seit
                                                            Januar 1994 als Professor für
    nagement
                                                            Flugzeugentwurf am Institut für
b   Anwendung der Lehrinhalte an einem                      Flugzeugbau tätig. 1950 in Ei-
    Projekt                                                 senbach in Thüringen geboren,
b   Entwurfsseminare                                        studierte Rudolf Voit-Nitsch-
b   Motivation der Studenten durch den                      mann an der Universität Stutt-
    Wettbewerbscharakter.                                   gart Luft- und Raumfahrttechnik
                                                            und erhielt dort 1977 sein Di-
   Auch für die Forschung gingen we-                        plom. Seine Stationen: Wissen-
sentliche Impulse von diesem Projekt                        schaftlicher Mitarbeiter beim
aus. Es kristallisierten sich im Rahmen                     DLR Stuttgart, Entwicklungslei-
der Projektarbeiten zukünftige For-                         ter und Chefkonstrukteur bei
schungsschwerpunktthemen heraus wie                         Gyroflug/FFT (SC 01 Speed
                                                            Canard, Eurotrainer), Leiter des
die „Hochfliegenden Plattformen“. Im Zu-
                                                            Bereiches Leichtflugzeugbau bei
sammenhang mit der Attraktivität des
                                                            der Grob Luft- und Raumfahrt-
Projektes wurden Drittmittel in Höhe von                    technik GmbH (EFIS, G 115T),
ca. 1,7 Mio DM akquiriert. Als Haupt-                       Hauptabteilungsleiter Struktur-
sponsor konnte der Ehrensenator der Uni                     entwicklung und Technologie bei
Stuttgart, Prof. Dr. h.c. Artur Fischer, ge-                der Dornier Luftfahrt GmbH. Auf
wonnen werden. Weitere Sponsoren                            dem Gebiet der Forschung arbei-
waren                                                       tet Prof. Voit-Nitschmann heute
                                                            neben dem schwerpunktmäßig
b   Ministerium für Wissenschaft und For-                   am Institut für Flugzeugbau be-
    schung Baden-Württemberg                                triebenen Gebiet Faserverbund-
b   Landesgirokasse Stuttgart – Stiftung                    Leichtbau vor allem auf dem
    Natur und Umwelt                                        Gebiet Flugzeugentwurf und
                                                            Konstruktion. In der Lehre liegt
b   Leonberger Bausparkasse
                                                            ihm daran, den Studierenden ei-
b   Daimler Benz AG.                                        nen guten Gesamtüberblick, Ge-
   Außerdem wurde in Zeiten der rück-                       samtsystemdenken und praxis-
läufigen Studentenzahlen innerhalb der                      nahe Konstruktionsmethoden für
                                                            den Flugzeugbau zu vermitteln.
Ingenieurwissenschaften ein spürbarer
                                                            Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit
Werbeeffekt für die Fakultät verbucht.                      an der Universität Stuttgart wur-
                                                            de ihm die Projektleitung des
Literatur                                                   Solarsegelflugzeuges icaré über-
                                                            tragen, das die Fakultät Luft- und
M. Rehmet, W. Scholz, R.Voit-Nitschmann (1995):
                                                            Raumfahrttechnik als Beitrag für
Das Solarflugzeug icaré, Vorläufer für eine Kategorie
elektrisch getriebener Flugzeuge                            den Ulmer Berblinger-Wettbe-
M. Rehmet, R.Voit-Nitschmann, B. Kröplin (1997),
                                                            werb 1996 entwickelt hat. Prof.
Eine Methode zur Auslegung von Solarflugzeugen.             Voit-Nitschmann ist auch der ak-
DGLR-Jahrestagung 1997 – 031                                tiven Fliegerei verbunden (PPL
Autorengruppe, Stadt Ulm (2000): Fliegen mit Licht.         A,B,C, ca. 1000 Flugstunden).
Dokumentation über solares Fliegen und den Solar-
flugzeugwettbewerb Berblinger 1996 der Stadt Ulm,
Süddeutsche Verlagsgesellschaft Ulm, ISBN 3-
88294-240-1

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