Sonntag nach Trinitatis / 26. September 2021 Mit Begeisterung erzählen (Römerbrief 10,9-18)
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17. Sonntag nach Trinitatis / 26. September 2021 Mit Begeisterung erzählen (Römerbrief 10,9–18) von Pfarrerin Ronja Schönberg Was liegt dir am Herzen? Wovon erzählst du deinen Nachbarn, deiner Familie und deinen Freunden am Telefon? Was postest du auf Facebook oder auf Instagram? Was begeistert dich? I. Lippenbekenntnis und Herzensglaube Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom: Wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wer mit dem Herzen glaubt, wird gerecht; und wer mit dem Munde bekennt, wird selig. Ein „Lippenbekenntnis“, liebe Gemeinde, das ist ein Bekenntnis, das nur mit den Lippen gesprochen wird, ohne dass man wirklich dahintersteht. Ein solches Bekenntnis allein, schreibt Paulus, reicht nicht aus. Bekenntnis auf den Lippen UND Glaube im Herzen gehören für Paulus untrennbar zusammen. Was ich bekenne, also was ich anderen erzähle, daran muss ich auch glauben! Und umgekehrt: Woran ich glaube, muss ich auch vor anderen bekennen! Als ich Konfirmandin war, mussten wir neben dem Vater Unser und Psalm 23 auch das apostolische Glaubensbekenntnis auswendig lernen – also das Glaubensbekenntnis, das in praktisch jedem Gottesdienst gemeinsam gesprochen wird. Nicht alles, was ich da auswendig gelernt habe, konnte ich damals aus vollem Herzen mitsprechen. An Gott habe ich schon geglaubt, aber im zweiten Absatz hatte ich Probleme: Jesus Christus… geboren von einer Jungfrau. Wie sollte das möglich gewesen sein? Und warum sollte das überhaupt relevant sein? Und „auferstanden von den Toten“? Ich konnte gar nicht verstehen, was das für mich persönlich bedeuten sollte. Da konnte Pfarrer Schmidt sich
noch so anstrengen, es zu erklären und noch so viele Bilder von Jesus als Brücke zwischen Gott und den Menschen zeigen. Irgendwann traute ich mich, mit ihm und mit meinen Eltern darüber zu sprechen. Eine Antwort ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: Das Glaubensbekenntnis ist ein Text, der alle Christinnen und Christen miteinander verbindet – jetzt und seit vielen hundert Jahren. Manchmal tut es gut, solche Texte zu lernen und einfach mitzusprechen. Manchmal regt es aber auch dazu an, sich damit auseinanderzusetzen, was du persönlich glaubst. Wenig hilfreich war diese Antwort damals für mich. Ich überlegte sogar, ob ich die Teile des Glaubensbekenntnisses, die ich nicht aus vollem Herzen mitsprechen konnte, einfach weglassen sollte. Da war ein Unbehagen in mir, ein Wunsch, nicht nur mit den Lippen zu bekennen, sondern auch mit dem Herzen zu glauben. II. Was mich begeistert! Über viele Jahre hinweg hat sich mein Glaube verändert. Heute sage ich: Ich glaube, bei Gott ist alles möglich – auch das, was der menschliche Verstand als unmöglich ablehnt. Wenn bei Gott alles möglich ist – auch das, was mir eigentlich unmöglich erscheint – warum soll nicht eine Jungfrau Jesus zur Welt gebracht haben? Viel wichtiger als dieses Detail ist für mich, dass Jesus als unselbständiges, hilfloses Baby zur Welt gekommen ist, dass er Eltern hatte, eine Familie, dass er ein Mensch war – wie ich und du. Gott ist ein Mensch geworden – und zwar Jesus, ein ganz konkreter, einzigartiger Mensch, mit dem andere Menschen zusammen Abenteuer erlebt, Freude und Leid geteilt und Gespräche geführt haben. Wenn bei Gott alles möglich ist – auch das, was mir eigentlich unmöglich erscheint – warum soll er als dieser Mensch nicht auch von den Toten auferstanden sein? Gott ist stärker als der Tod! Für mich ist das zum wichtigsten Teil meines Glaubenspuzzles geworden: Gott ist bei mir. Bis zum Ende meines Lebens und darüber hinaus. Nichts und niemand kann mich von der Gemeinschaft mit ihm und von seiner Liebe trennen.
Das gibt mir heute Hoffnung und Freude! Das begeistert mich! Davon erzähle ich gern – von ganzem Herzen! III. Angst, über Glauben zu sprechen Nun habe ich in euch aber auch dankbare Zuhörerinnen und Zuhörer gefunden. Ihr seid ja heute hergekommen (oder habt die Aufzeichnung angeklickt), um zuzuhören. Doch schon Paulus hat auch andere Erfahrungen gemacht: Nicht alle waren dem Evangelium gehorsam, schreibt er. Denn Jesaja spricht (Jesaja 53,1): »Herr, wer glaubte unserm Predigen?« So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi. Ich frage aber: Haben sie es nicht gehört? Doch, es ist ja »in alle Lande ausgegangen ihr Schall und ihr Wort bis an die Enden der Welt« (Psalm 19,5). Ein Paradox, das sich hier auftut. Paulus ist der festen Überzeugung, dass der Glaube ein Geschenk Gottes ist. Durch Gottes Wort, das in der Predigt verkündigt wird, kommt dieses Geschenk zu den Menschen. Aber nicht alle, die ihn predigen hören, finden zum Glauben an Jesus Christus. Nicht alle finden überhaupt zum Glauben an Gott. Und das bis heute. Vielleicht auch aufgrund dieser Erfahrungen von Ablehnung ist Glaube heute meistens nicht mehr Thema des alltäglichen Gesprächs. „Glaube ist Privatsache.“, höre ich oft. Und manchmal: „Ich möchte niemandem zu nahetreten.“ Oder „Ich weiß selbst gar nicht genau, was ich glaube oder wie ich das in Worte packen soll.“ Ehrlich gesagt: Während meines Studiums habe ich auch lieber über den Blockbuster am Samstagabend gesprochen, als über den Gottesdienst am Sonntagmorgen, lieber darüber, welches Essen mir besonders gut schmeckt, als darüber, woran ich glaube. Wenn ich heute zurückblicke, finde ich das schade. Manchmal wäre ich schon gern mit dem Metal-Stammtisch in Münster ins Gespräch über Gott gekommen – ab und zu hat das auch geklappt, aber viele Chancen habe ich verpasst, weil ich Angst hatte, mich unbeliebt zu machen.
IV. Mut, über Glauben zu sprechen Ich finde das deshalb schade, weil ich mich noch nie tatsächlich damit unbeliebt gemacht habe. Ganz im Gegenteil: Auf einer Geburtstagsparty abends um elf ist bei Bier und Cola eine interessante Diskussion über das Verhältnis von persönlichem Glauben und Zugehörigkeit zu einer verfassten Kirche entstanden! Und eine Freundin, bei der ich immer dachte, sie hätte mit diesen Themen überhaupt nichts am Hut, hat mir am Telefon stundenlang von ihrem Glauben erzählt, als sie erfahren hat, dass ich Pfarrerin werde. Ich wünschte, wir hätten uns schon vorher darüber ausgetauscht, denn es war ein wirklich interessantes Gespräch, das unsere Freundschaft bereichert hat. Ich wünschte, es würde einfach generell mehr darüber gesprochen – nicht nur mit mir, weil ich zufällig Pfarrerin bin. Denn Glaube entsteht nicht nur durchs Predigen, sondern er lebt davon. Er lebt davon, dass wir erzählen, warum wir sonntagsmorgens in die Kirche gehen und nicht ausschlafen. Er lebt davon, dass wir weitersagen, was wir hoffen und wovon wir träumen. Er lebt davon, dass wir uns beschweren, wenn etwas nicht in Ordnung ist, und über das klagen, was uns nicht gefällt. Er lebt davon, dass wir miteinander diskutieren und einander kennenlernen. Glaube ist nicht nur Privatsache – sicher kann ich auch glauben, ohne jemandem davon zu erzählen, aber wirklich lebendig wird mein Glaube erst in der Gemeinschaft mit anderen. Paulus schreibt: Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jesaja 52,7): »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!« V. Was begeistert dich? Ich habe euch ein bisschen was von meinem Guten erzählt. Von dem, was mir am Herzen liegt und mich begeistert! Von dem, was mir Hoffnung gibt und Freude macht. Jetzt seid ihr dran! Was liegt euch am Herzen? Was begeistert euch?
Was erzählt ihr euren Nachbarn auf der Straße, euren Freunden in der Schule, euren Kollegen auf der Arbeit und euren Kindern beim Ins-Bett- Bringen? Worüber redet ihr miteinander? Vielleicht auch mal über das, woran ihr glaubt oder nicht glauben könnt? Über das, was euch in schwierigen Situationen weiterhilft? Was ihr euch für euer Leben erhofft? Oder wer einen einfacheren Gesprächseinstieg sucht: Redet vielleicht einfach über das, was ihr am Wochenende gemacht habt – auch über diesen Gottesdienst und über diese Predigt. Mit Paulus` Worten: Fühlt euch gesandt, liebe Gemeinde. Erzählt, was euch begeistert! Klagt über das, was euch stört! Tauscht euch aus! Hier im Anschluss an den Gottesdienst untereinander, am Telefon und am Essenstisch, im WhatsApp-Chat und auf Instagram, beim Stammtisch und draußen auf der Straße bei der zufälligen Begegnung mit dem Nachbarn von gegenüber. Dafür gebe Gott euch (und auch mir) in dieser Woche gute Gelegenheiten und eine gehörige Portion Mut. Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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