SONNTAGSZEITUNG - SAMMLUNG EMIL BÜHRLE

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SONNTAGSZEITUNG - SAMMLUNG EMIL BÜHRLE
Datum: 16.01.2022

                                                                                             Ll
SonntagsZeitung                                                                                            El

SonntagsZeitung                          Medienart: Print
8021 Zürich                              Medientyp: Tages- und Wochenpresse
044/ 248 40 40                           Auflage: 136'580                            Seite: 9
VAVw.tagesanzeiger.ch/sonntagszeitung/   Erscheinungsweise: wöchentlich              Fläche: 123'958 mm2

Präsentieren
den
umstrittenen
Bührle-Bericht:
Corine Mauch
und Matthieu
Leimgruber (r.)
im November
2020.
Foto: Keystone

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044/ 248 40 40                            Auflage: 136'580                             Seite: 9
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 Geschichte einer Schlammschlacht
 Eklat um Sammlung Bührle Der Streit um die Kunstsammlung von Waffenproduzent Emil G. Bührle eskaliert zusehends. Ein Blick hinter
               die Kulissen zeigt, wie aus einer Abrechnung unter Historikern eine international beachtete Affäre wurde.

Rico Bandle

Es ist eine spektakuläre Kehrt­             schon seit den 1940er-Jahren be­        nommierte Historikerin, die sich
wende, die der prominenteste                kannt. Auch dass einige seiner          ebenfalls für den Lehrstuhl Tan-
Bührle-Kritiker eingeschlagen               Kunstwerke jüdischen Nazi-Op­           ners beworben und gegen Leim­
hat. Noch vor drei Jahren lobte             fern geraubt worden waren,              gruber verloren hatte. Schon
Historiker Erich Keller an einer            weiss man spätestens seit 1948,         nach wenigen Monaten verliess
Tagung die «akribische Proveni­             als er dreizehn Bilder den recht­       sie das Projekt wieder und schlug
enzforschung der Stiftung Bühr­             mässigen Besitzern abtreten             als Ersatz Erich Keller vor, mit
le», also die Herkunftsforschung            musste. Neun davon kaufte er            dem sie gut befreundet ist.
der Bilder. «Dabei geht die Stif­           gleich wieder zurück.                       Zwischen Keller und Leimgru­
tung weiter als die meisten an­             Natürlich kann und soll man da­         ber - der damals nur rudimen­
deren ihrer Art», sagte er in sei­          rüber diskutieren, ob im Doku­          tär Deutsch sprach - kam es
nem Vortrag. «Sie gibt auch Li­             mentationsraum des neuen Er­            rasch zu Spannungen. Wie meh­
teraturhinweise und schafft so              weiterungsbaus des Kunsthau­            rere Quellen bestätigen, konnte
viel Klarheit wie möglich auf­              ses, wo die Geschichte Bührles          Keller verschiedene Abgabefris­
grund der Dokumente, die zur                aufgezeigt wird, jede Formulie­         ten nicht einhalten, er sah sich
Verfügung stehen.»                          rung präzise genug ist. Ob die          als federführender Autor und
   Mittlerweile tönt alles anders.          Sicht der Opfer angemessen be­          wollte sich von seinem Vorge­
Keller unterstellt der Bührle-For-          rücksichtigt wird. Oder ob das          setzten nicht mehr hereinreden
schung, die Herkunft gewisser               Kunstbaus den Leihvertrag mit           lassen. Im Dezember 2019 eska­
Bilder zu beschönigen, zum Teil             der Bührle-Stiftung nicht von           lierte die Lage so weit, dass die
würden bewusst Fakten unter­                Anfang an hätte öffentlich ma­          Leitung des Historischen Semi­
schlagen. Die Untersuchung sei              chen sollen. Doch das allein er­        nars der Uni vermitteln musste.
nicht unabhängig erfolgt, ent­              klärt die Intensität und Gehäs­         Man kam Keller dahin gehend
sprechend auch nicht glaubwür­              sigkeit nicht. Ein Blick hinter die     entgegen, dass ihm zugesichert
dig. In seinem Buch «Das kon­               Kulissen zeigt: Es geht bei dem         wurde, im Schlussbericht als
taminierte Museum» legt er                  Konflikt längst nicht nur um un­        erstgenannter Autor aufgeführt
sämtliche Vorwürfe in einer Art             terschiedliche Ansichten über           zu werden, dafür wurde kollegi­
Anklageschrift dar und startete             den Umgang mit der historisch           ales Verhalten eingefordert.
damit eine monatelange Kontro­              belasteten Sammlung.
verse, die sich zu einer Politaffä-            2017 gaben Stadt und Kanton         Ein ungeheuerlicher
re entwickelte und sogar inter­             Zürich bei der Universität Zürich      Vorwurf
national für Schlagzeilen sorgt.            eine Studie in Auftrag, die die         Doch das Zerwürfnis war nicht
                                            Hintergründe von Bührles Leben          mehr zu verhindern. Im Januar
Zu beschönigen gibt es
                                            und Geschäftstätigkeit ausleuch­        2020, kurz bevor die erste Versi­
kaum mehr etwas
                                            ten soll. Dies als Ergänzung zur        on des Berichts dem Steueraus­
Dass die Wogen dermassen                    bestehenden Herkunftsforschung          schuss vorgelegt werden sollte,
hochgehen, ist eigentlich er­               der Bilder, die die Stiftung Bühr­      verliess Keller abrupt das Projekt.
staunlich. Denn zu beschönigen              le selber tätigte. Für die Studie       Leimgruber musste den Bericht
gibt es bei Emil Georg Bührle               wurde Matthieu Leimgruber ge­           allein fertigstellen. Als der Steu­
kaum mehr etwas. Dass der In­               wonnen, ein Waadtländer Histo­          erungsausschuss (eine Art Auf­
dustrielle im Zweiten Weltkrieg             riker, der kurz zuvor als Nachfol­      sichtsgremium) seine Anmer­
Waffen an Hitler-Deutschland                ger von Jakob Tanner an die Uni­        kungen und Änderungsvorschlä­
lieferte und damit Millionen ver­           versität Zürich gekommen war.           ge vorlegte, leitete Leimgruber
diente, die unter anderem in die               Leimgruber engagierte als            diese seinem abtrünnigen Mit­
Kunstsammlung flössen, ist                  Mitarbeiterin Lea Haller, eine re­      arbeiter weiter, schliesslich hat-

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SONNTAGSZEITUNG - SAMMLUNG EMIL BÜHRLE
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SonntagsZeitung
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               te dieser einen beträchdichen              , lässt sich nicht erhärten.»    nale Ausreise.» Die Stiftung
               schusses und die Projektleitung            Sein Fazit: «Der vorliegende Be­     Bührle hat die Passage mittler­
               wollen historische Fakten zum             richt ist inhaltlich substanziell     weile angepasst.
               Verschwinden bringen.» Ein un­            und insgesamt gelungen.»
                                                             Doch das nützte nichts mehr.      Überraschende Attacke
               geheuerlicher Vorwurf.
                                                         Keller galt fortan als eine Art       an der Podiumsdiskussion
                  Die Universität Zürich leitete
               eine Untersuchung ein. Sowohl             Winkelried, der die Bührle-Un-         Doch Kellers Buch enthält auch
                                                         tersuchung wegen Zensur und            zahlreiche Fehler. Zum Beispiel
                                                         Vertuschung verlassen hatte. Was       im Abschnitt über das Monet-Ge­
                                                         allein schon wegen der zeitlichen      mälde «Mohnblumen bei Vet-
                                                         Abfolge nicht stimmen konnte:          heuil». Sowohl die Jahreszahl des
                                                         Der Steuerungsausschuss brach­         Verkaufs an Bührle als auch der
                                                         te seine Änderungsvorschläge           Name des involvierten Kunst­
                                                         erst nach Kellers Abgang ein.          händlers sind falsch. Auch be­
                                                             Die Lawine, die seine Vorwür­      hauptet Keller, Bührle habe 1941
                                                         fe losgetreten hatten, war nicht       «dank seinen ausgezeichneten
                                                         mehr aufzuhalten. Alle mögli­          Kontakten zum NS-Staat» im be­
                                                         chen Kreise meldeten sich plötz­       setzten Paris fünf Raubkunstge­
                                                         lich zu Wort - von Ex-Mitglie-         mälde gekauft, die er später zu­
                                                         dern der Bergier-Kommission bis        rückgeben musste. Bloss: Die
                                                         zum Israelitischen Gemeinde­           fünf Werke standen bisher nie im
                                                         bund -, stellten Forderungen          Verdacht, Raubkunst zu sein, und
                                                         und gaben ihre Empörung über           gehörten auch nicht zu jenen
              Aufmüpfiger Historiker:                    das Vorgehen von Stadt und             dreizehn Gemälden, die Bührle
              Erich Keller. Foto: Boris Müller           Bührle-Stiftung zum Ausdruck.          1948 tatsächlich zurückgeben
              Leimgruber als auch Keller durf­              Erich Keller veröffentlichte       musste.
              ten einen Gutachtervorschlagen.            derweil sein Buch «Das konta­             Keller sagt auf Anfrage, er
              Keller entschied sich für seinen           minierte Museum», das er in en­       werde dies in einer Neuauflage
              Doktorvater Jakob Tanner, Leim­            ger Zusammenarbeit mit Lea             «selbstverständlich korrigieren».
              gruber für die Provenienz­                Haller geschrieben hatte. Über         Die Journalisten, die über das
              forscherin Esther Tisa Francini.          weite Teile handelt es sich um         Buch berichteten, ignorierten die
              Beide entkräfteten Kellers Vor­           eine Abrechnung mit der Bühr-          Fehler. Die meisten lobten das
              würfe weitgehend. Tanner und              le-Forschung und deren Auftrag­        Werk in den höchsten Tönen.
              Francini gaben Keller zwar recht,         geber. Historiker Georg Kreis be-      «
              dass die Existenz eines Steue­            zeichnete das Buch als «Schrift        dominiert heute berechtigter­
              rungsausschusses mit Vertretern           mit Kampfcharakter».                   weise die Bührle-Debatte»,
              der Bührle-Stiftung und der                  Obschon Keller darin die bis­       schrieb zum Beispiel Daniel
              Stadt heikel sei bezüglich For­           herige      Provenienzforschung        Binswanger in der «Republik».
              schungsfreiheit, zudem bean­              stark kritisiert, bringt er nur ganz   Demgegenüber sei der Leimgru-
              standeten sie gewisse Formulie­           wenige konkrete Beispiele, wo          ber-Bericht «von dröhnender Ir­
              rungen im Bericht - insgesamt             die Bührle-Stiftung die Herkunft       relevanz».
              blieb das Urteil aber positiv.            der Bilder tatsächlich falsch oder        All jene, die das anders sehen,
                 Tanner ging in seinem Gut­             lückenhaft darstellen soll. Beim       stellte Binswanger in den Senkel.
              achten die von Keller monierten           wichtigsten geht es um Cezannes        Zum Beispiel die Historiker der
              Stellen akribisch durch und kam           «Paysage». Dort heisse es zum          Bergier-Kommission, die den Be­
              zum Schluss: «Kellers Pauschal­           Beispiel, das frühere Besitzer­        richt als «inhaltlich fundiert» ta­
              vorwurf (...), Leimgruber habe            paar Nothmann habe 1939                xiert hatten («Haben da ein paar

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               Kommissionsmitglieder wider                  im Zentrum stehen.                     schichte verstehen, gehen sich in
               jede Vernunft ihre Agenda durch­                Die Zürcher Stadtpräsidentin        aller Öffentlichkeit an den Kra­
               geboxt?»), oder Gutachter Jakob              Corine Mauch versuchte den Be­         gen. An einer Podiumsdiskussion
               Tanner, dessen Unabhängigkeit                freiungsschlag, indem sie den          Ende letzten Jahres ergriff His­
               er infrage stellt.                           Kunsthaus-Direktor angriff, ob­        toriker Jakob Tanner als Zu­
                  Mittlerweile scheinen in die­             schon sie selber im Aufsichts­         schauer das Wort und startete
               ser Sache alle gegen alle zu                 gremium des Museums sass.              zur Verblüffung aller eine Atta­
               kämpfen. Aus dem wichtigen                   Derweil sorgten die Vertreter der      cke auf Daniel Binswanger: Was
               Vorhaben, die Geschichte eines               Stiftung und des Kunsthauses           er geschrieben habe, sei «wissen­
               umstrittenen Unternehmers und                mit ihrer fehlgeleiteten Kommu­        schaftsfeindlich» und ein «infa­
               Kunstsammlers aufzuarbeiten,                 nikation dafür, dass die Empö­         mer Angriff» auf ihn. «Das hat­
               entwickelte sich ein Konflikt, in            rungsspirale weiterdrehte.             ten wir bisher von rechts, aus der
               dem Eitelkeiten, Rechthaberei                   Und jene, die sich als morali­      , jetzt ist es mitten
               und politische Gesichtswahrung               sche Hüter der Schweizer Ge­           in der  angekommen.»

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