Interview mit Evie Blake zu "Valentina"
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Interview mit Evie Blake zu „Valentina“ Bitte geben Sie uns eine kurze Biografie von sich: Ich wurde 1967 in London geboren und bin in den umliegenden Grafschaften aufgewachsen. Ich habe einen Bruder und wurde von meiner irischen Mutter allein großgezogen. 1989 habe ich mein Kunstgeschichtsstudium an der Londoner Universität abgeschlossen und 1991 bin ich nach Irland gezogen. Ich besitze die irische Staatsangehörigkeit und betrachte mich als irische Autorin. 2010 bin ich nach Norwegen umgezogen. Ich habe ganz unterschiedliche Tätigkeiten ausgeübt, ich habe als Buchverkäuferin, Lehrerin und Kunstverwalterin gearbeitet, aber auch Tarotkarten gelegt und meine eigene Theatergruppe Aurora aufgebaut und geleitet. Das war Anfang der Neunzigerjahre in Dublin. Ich habe vier Theaterstücke geschrieben: Northern Landscapes, Runaway Wife, Black Virgin und The Good Sister. Ich habe vier Romane unter einem anderen Namen veröffentlicht. Ich lebe schon lange mit meinem Freund Barry zusammen, habe eine Stieftochter, Helena (20), und einen Sohn, Corey (15). Ich tanze gern, mache Yoga, wandere, mag Filme und Kochen und alles Italienische!
Haben Sie eine Seite in einem sozialen Netzwerk (z.B. Facebook, Twitter, MySpace etc.)? Ja, auf Facebook sowohl als Evie Blake als auch als Noelle Harrison. Und auf Twitter als Evie Blake. Schreiben Sie für Zeitungen? Gelegentlich schreibe ich Artikel, u.a. in The Telegraph, The Irish Herald und Woman and Home veröffentlicht. Haben Sie auch Kurzgeschichten geschrieben? Ja, bevor 2003 mein erster Roman veröffentlicht wurde, habe ich den Meath Chronicle / Bookwise Kurzgeschichtenwettbewerb in Irland gewonnen. Ich war jeweils für den The Sunday Tribune / Hennessey und für den Molly Keanse Kurzgeschichtenwettbewerb nominiert. Meine Kurzgeschichten sind in folgenden Anthologien erschienen: The New Hennessy Book of Irish Fiction (2005), The Big Book of Hope (2010) und The National Gallery of Ireland Centenary Anthology, die 2013 herauskommt. Warum sind Sie Autorin geworden? Ich habe schon als kleines Mädchen vom Schreiben geträumt. Ich wollte Theaterstücke schreiben und aufführen, und habe mir auch tatsächlich Stücke für meine Freundin und mich ausgedacht. Als ich erwachsen war und mein Studium beendet hatte, begann ich Stücke zu schreiben, die Film, Musik und Tanz vereinigten. 1993 gründete ich die Theatergruppe Aurora und produzierte in Dublin selbstgeschriebene Stücke. Zur selben Zeit schrieb ich Prosa und fand es zunehmend reizvoll, Romane zu schreiben. 1997, kurz nach der Geburt meines Sohnes, habe ich angefangen, „Beatrice“ zu schreiben, meinen ersten Roman, der dann 2003 veröffentlich wurde. Was inspiriert Sie zu Ihren Geschichten? Alles Mögliche, aber hauptsächlich Geheimnisse, die es in jeder Familie gibt. Vielleicht reizen mich komplizierte Familienverhältnisse, weil ich nicht mit Vater und Mutter aufgewachsen bin und meinen Vater nie kennengelernt habe. Mehr als andere Autoren, inspiriert mich auf der Sinnesebene Kunst und Musik. Ich bin eine leidenschaftliche Kunstliebhaberin, deshalb spielt Kunst in meinen Büchern auch immer eine Rolle. Wenn ich schöne, sinnliche Melodien von meist weiblichen Künstlern wie Lisa Gerrard oder Kate Bush höre, beeinflusst das die Atmosphäre in meinen Büchern. Und schließlich sind Landschaft und Handlungsorte eine große Inspiration für mich – egal, ob irische Sümpfe oder das quirlige Mailand.
An welcher Geschichte arbeiten Sie aktuell? Ich schreibe einen erotischen Roman, der von der Figur Valentina inspiriert ist, einer italienischen Ikone, die ursprünglich der italienische Comiczeichner Guido Crepax erfunden hat. Wer sind Ihre Lieblingsautoren? Und warum? Irène Némirovsky - Ich mag ihren klassischen russischen Stil in Verbindung mit den gefühlsbetonten Themen Mutter-Tochter-Beziehung und Sehnsucht. Mich fasziniert auch die Zeit, in der ihre Geschichten spielen, die Zwanziger- bis Vierzigerjahre. Isabel Allende - Obwohl wir einen ganz unterschiedlichen Stil haben, inspiriert mich Isabel Allendes magischer Realismus zum Teil beim Schreiben. Magische Vorkommnisse in unserem täglichen Leben faszinieren mich. Somerset Maughan - Der Menschen Hörigkeit gehört zu meinen Lieblingsbüchern Arthur Miller - Mir gefallen seine Theaterstücke: Tod eines Handlungsreisenden und Hexenjagd Dermot Bolger - Einer der am stärksten unterschätzten irischen Schriftsteller. Hilary Mantel - Ich bin ein großer Fan ihrer historischen Romane. Sie ist eine unglaubliche Schriftstellerin. Maggie O’Farrel - Mir gefallen ihre Romane, vor allem die neueren: Die Frau, die es nicht gab und Die Hand, die damals meine hielt. Anais Nin - Meiner Meinung nach ist sie die Königin der erotischen Literatur. Welche Bücher haben Sie in letzter Zeit gelesen? Anais Nin: Henry und June Irène Némirovsky: Jezebel Sinead Moriarty: This Child Of Mine Henry Miller: Stille Tage in Clichy Wie lautet Ihr Lebensmotto? Sei dankbar und versuche alles auszuschöpfen, indem du in der Gegenwart lebst. Ich bin eine Optimistin.
Was tun Sie, wenn Sie nicht schreiben? Ich mache Yoga – Ashtanga, Yin, Bikram Yoga und Vinyasa. Ich trainiere vier- bis fünfmal die Woche. Kürzlich habe ich mit indischem Tempeltanz angefangen. Ich wandere (über steile Berge in Norwegen). Ich tausche mich mit anderen Autoren und Künstlern aus, wie zum Beispiel mit der Bildenden Künstlerin Jo Loki. Ich unterrichte gern – Kinder oder ich gebe Schreibkurse für Erwachsene. Ich koche und backe gern, die übrige Hausarbeit liegt mir allerdings weniger. Leider muss ich sie trotzdem machen! Ich treffe mich sehr gern mit Freunden. Fünf Dinge, die wir noch nicht über Sie wissen … 1. Ich bin als Tochter einer Haushälterin in England aufgewachsen. Deshalb habe ich die Trennung zwischen der oberen und der unteren Klasse früh kennengelernt (so ähnlich wie in der Serie “Downtown Abbey”, nur etwas moderner). 2. Ich habe gerade eine limitierte Erstauflage eines Buches mit dem Titel “Die geheimen Liebschaften der Julia Caesar” unter meinem wahren Namen Noelle Harrison herausgebracht. Es ist ein erotischer Roman über Julia, die Tochter von Kaiser Augustus, die man lebenslang auf eine Insel ins Exil schickte, weil sie Ehebruch begangen hatte. Ich habe 200 dieser Bücher veröffentlicht und sie mit Aktzeichnungen meiner verstorbenen Mutter illustriert. 3. Ich habe gerade zwei Workshops über das Verfassen erotischer Literatur in London und Dublin abgehalten, die sehr gut angekommen sind. 4. Unter Noelle Harrison wurden bereits zwei meiner Bücher von Ihrem Verlag auf Deutsch herausgebracht. 5. Ich liebe Vintagekleidung und Stummfilme. Wie würden Sie Ihren Roman „Valentina“ in einem Satz zusammenfassen? Eine erotische Liebesgeschichte über eine komplizierte moderne Frau und ihre Suche nach der Erotik der Liebe.
Was hat Sie zu der Geschichte inspiriert? Angeregt zu dem Roman Valentina hat mich die Figur des verstorbenen Comiczeichners Guido Crepax aus dem Jahr 1966. Über meine italienische Agentin ist seine Familie auf mich zugekommen und hat mich gebeten, einen modernen erotischen Roman zu schreiben und dazu die Figur von Valentina zu nutzen. Ich sollte nur darauf achten, Valentinas Freigeist zu bewahren, alles andere konnte ich mir ganz frei ausdenken. Crepax ist durch Louise Brooks, den Stummfilmstar aus den Zwanzigerjahren, zu der Figur Valentina inspiriert worden. Ich habe mir zur Anregung die Filme angesehen, die Louise Brooks mit dem deutschen Regisseur Pabst in den späten Zwanzigerjahren gedreht hat, vor allem Die Büchse der Pandora und beziehe mich ganz explizit in einigen Szenen darauf. Außerdem habe ich eine Menge erotischer Kunstfotografien studiert und mich von ihnen zu den erotischen Szenen im Buch anregen lassen. Mich hat die Ästhetik der Lust in diesen Bildern inspiriert. Welcher ist Ihre Lieblingsfigur in der Geschichte und warum? Belle ist meine Lieblingsfigur, weil sie mehr meins ist als Valentina. Ich habe sie mir ausgedacht und mag ihr Doppelleben: die misshandelte Ehefrau, die Freiheit im Dasein als Kurtisane sucht, tief in ihrem Herzen aber eine Romantikerin ist. Welche Szene war am schwierigsten zu schreiben? Es fiel mir am schwersten, die Szene zu schreiben, in der Valentina im Darkroom ist, weil ich sie zum großen Ereignis des Buches aufgebaut hatte. Mir war klar, dass die Szene überaus erotisch sein musste, ich wollte aber auch nicht zu weit gehen und den Leser verschrecken. Die Szene musste überzeugend sein, eine starke und einfallsreiche erotische Fantasie. Was glauben Sie, wer Ihr Buch lesen wird? Ganz bestimmt Erwachsene. Ich glaube, das Buch wird vor allem Frauen ansprechen, und zwar Frauen jeder Altersgruppe, obwohl ich sicher bin, dass den Männern die Erotik gefallen wird.
Gibt es andere Bücher, mit denen man Ihre Arbeit vergleichen könnte? Sicher wird man Valentina mit Büchern der aktuellen Erotikwelle vergleichen, vor allem mit Shades of Grey. Valentina rührt jedoch aus seiner etwas anderen Tradition. Meine Vorbilder sind Anais Nin, Henry Miller, Pauline Reage sowie andere Autoren erotischer Literatur, während Shades of Grey als Fanliteratur entstanden ist. Die Geschichte von Valentina funktioniert auch, wenn man die Erotik wegließe. Es gibt zwei parallel erzählte Liebesgeschichten, einen historischen Hintergrund, Charaktere mit Tiefe und eine spannende Nebenhandlung. Es ist ein unterhaltsamer Liebesroman, der gut geschrieben ist. Bitte nutzen Sie diesen Platz, um uns weitere Informationen zu geben, die Sie für hilfreich halten. Vielleicht ist es interessant, dass ich Valentina in sehr kurzer Zeit geschrieben habe. Man hat mich gebeten, das Buch zu schreiben und bereits wenige Tage später saß ich in einer großen leeren Wohnung in Mailand und habe ununterbrochen geschrieben. Es war aufregend und beängstigend zugleich! Abends bin ich ausgegangen, habe Leute getroffen und mich mit ihnen über ihre sexuellen Geheimnisse unterhalten, was ich dann wiederum für das Buch genutzt habe! Es spielt eine wichtige Rolle in der Valentina-Trilogie, dass Valentina ihren Freigeist von der mütterlichen Linie ihrer Familie geerbt hat. So begegnen wir im ersten Band auf einer parallelen Ebene Belle, Valentinas Urgroßmutter und erfahren ihre Geschichte, die in den Zwanzigerjahren in Venedig spielt. Im zweiten Band lernen wir die Geschichte von Valentinas Großmutter Maria kennen, die Ende der Vierzigerjahre in Paris und London stattfindet und im letzten Teil der Trilogie wird die Geschichte von Valentinas Mutter Tina erzählt, die in den Achtzigerjahren in Berlin angesiedelt ist, während Valentina selbst dann in New York lebt. Das Wichtigste an der Valentina-Reihe ist, dass jede Frau sich ein bisschen in ihr wiedererkennt. Sie ist unerschrocken aber elegant, frei und scheu zugleich. Sie vereinigt in sich die Widersprüche einer modernen Frau und ich glaube, dass in jeder Frau ein bisschen von Valentina steckt.
© Verlagsgruppe Random House
Sie können auch lesen