SPLG Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften - Grundlagen und Standards - Der ...

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SPLG Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften - Grundlagen und Standards - Der ...
SPLG
Sozialpädagogische
Lebensgemeinschaften
Grundlagen und Standards

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Inhalt
                                            Vorwort                                       1

                                            Definition                                    2

                                            Einführung                                    3

                                            Fachliche Grundlagen und Standards            7

                                            Zusammenarbeit von Träger und Fachkraft      11

                                            Jugendhilferechtliche Aspekte des SGB VIII   14

                                            Informationsquellen                          17
Titelbild: © farbkombinat - AdobeStock.de

                                            Impressum                                    19
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Vorwort
„Für die Erziehung eines Kindes braucht es ein ganzes Dorf.“
Dieses afrikanische Sprichwort fasst als Leitgedan-    Bedingungen keine ausreichen-
ken zusammen, was sich hinter dem Konzept der          de Gewähr für ihr Wohlergehen
Sozial­pädagogischen Lebensgemeinschaft verbirgt.      ermöglichen. Hierzu zählen unzu-
Es verdeutlicht die notwendigen und vielfältigen       reichende materielle und emoti-
Ressourcen, die erforderlich sind, um die gelingende   onale Versorgung, wie Hunger,
Erziehung eines in einer SPLG lebenden Kindes zu       Durst und Erduldung von körper-
ermöglichen.                                           licher und seelischer Gewalt in
                                                       unterschiedlichen Ausprägungen.
Mit diesen heute noch immer stimmigen Sätzen
begann das Vorwort der ersten Auflage dieser           Es gibt Kinder und Jugendliche,
Arbeitshilfe aus dem Jahr 2011. Seitdem hat sich       die mit den Anforderungen eines
vieles verändert. Die Problemlagen vieler Kinder       Gruppenalltags der stationären
und Jugendlichen werden immer komplexer, die           Erziehungshilfe überfordert sind
Anfragen der Jugendämter übersteigen inzwischen        und die mit ihren Verhaltensweisen im Rahmen
weit das Angebot der vorhandenen Plätze, obwohl        von Gruppenangeboten nicht aufgefangen wer-
die Platzzahlen alleine bei den Mitgliedsorganisati-   den können. Die Chance, dass auch diese jungen
onen des Paritätischen in NRW von 246 in 2011 auf      Menschen eine positive und exklusive Beziehung
425 in 2019 gestiegen sind. Es werden auch immer       zu einem Erwachsenen als Voraussetzung für ein
mehr Plätze für junge Kinder benötigt. Zugleich        gelingendes Alltagsleben zu finden, bieten Sozi-
wird es für die Träger immer schwieriger geeig-        alpädagogische Lebensgemeinschaften. Sie sind
nete Fachkräfte für diese anspruchsvolle Aufgabe       – bildhaft gesprochen – der Versuch, die institu-
zu gewinnen. Die zu erfüllenden Anforderungen          tionellen Rahmungen so zu organisieren, dass
durch Qualifizierungsbedarfe sowie gesetzliche         sie positive und exklusive Beziehungen zwischen
Veränderungen steigen stetig.                          einem Kind und einem Erwachsenen bzw. dessen
                                                       Familie ermöglichen und fördern.
Seit 2014 gibt es keinen geltenden Landesrahmen-
vertrag für die Übernahme von Leistungen in der        Gelingen kann das nur mit hoher persönlicher
stationären Jugendhilfe in NRW mehr. Nun droht im      und fachlicher Kompetenz der Fachkraft in enger
Zusammenhang mit der aktuell geplanten SGB VIII        Zusammenarbeit und mit Unterstützung des Trä-
Reform ein Wegfall der Betriebserlaubnispflicht für    gers und des Helfer*innen- Systems sowie mit der
Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften. Damit         indirekten Unterstützung ihres privaten Umfeldes
wären die Landesjugendämter als Aufsichtsbehör-        und vielfältigen Ressourcen an Unterstützung und
de nicht mehr zuständig und der Kinderschutz wäre      Entlastung. Sozialpädagogische Lebensgemein-
dadurch nur noch in geringerem Umfang gewähr-          schaften sind durch die Spannung gekennzeichnet,
leistet.                                               die private und die berufliche Sphäre der Fachkraft
                                                       zum Wohl und zum Nutzen eines Kindes zusammen
Vor diesem Hintergrund ist die redaktionelle           zu führen. Dabei hat gerade dieses Feld sozialpä-
Überarbeitung dieser Broschüre entstanden. Ich         dagogischen Handelns in den letzten 10 Jahren
bedanke mich herzlich bei den Vertreter*innen der      enorm viel geleistet.
Mitgliedsorganisationen, die sich an der Überarbei-
tung der Broschüre beteiligt haben, für die gute       An vielen Beispielen wird deutlich, dass Sozialpäd-
Zusammenarbeit.                                        agogische Lebensgemeinschaften den dort leben-
                                                       den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeiten
Sie wendet sich an Fachkräfte und Fachinstitutio-      bieten, sich trotz vieler Vorbelastungen im Rahmen
nen der Hilfen zur Erziehung sowie an die örtlichen    ihrer Möglichkeiten zu eigenständigen und selbst-
Jugendämter und an die Landesjugendämter und           verantwortlichen Erwachsenen zu entwickeln.
informiert über den Stand der fachlichen Entwick-
lung der Sozialpädagogischen Lebensgemein-
schaften in Trägerschaft unserer Mitgliedsorgani-
sationen knapp 10 Jahre nach der Veröffentlichung
der 1. Auflage.

Kinder brauchen verlässliche sowie tragfähige Orte
und Beziehungen, wenn sie nicht mehr in ihrem          Elke Schmidt-Sawatzki
Herkunftsmilieu leben können, weil die dortigen        Landesvorsitzende des Paritätischen NRW

                                                                                                             1
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Definition SPLG des Paritätischen NRW

    In einer Sozialpädagogischen Lebensgemeinschaft lebt eine pädagogische Fach-
    kraft mit bis zu zwei jungen Menschen gemeinsam in einem Haushalt. SPLG dienen
    überwiegend der längerfristigen Unterbringung junger Menschen. Die Fachkraft
    betreut die Kinder und Jugendlichen in einem familienanalogen Rahmen mit einem
    Mindestbetreuungsschlüssel von einer Fachkraft für zwei junge Menschen. SPLG
    sind dezentraler Bestandteil einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe und
    damit Teil der stationären Erziehungshilfe.
    Die SPLG wird regelmäßig und kontinuierlich von qualifizierten Beratungs-
    kräften des Trägers in allen fachlichen Fragestellungen beraten und begleitet.
    Jugendhilferechtlich sind SPLG dem § 34 SGB VIII (Heimerziehung und sons-
    tige betreute Wohnformen) zugeordnet. Im Rheinland werden SPLG auch als
    Erziehungsstellen bezeichnet. Dies kann allerdings zu Verwechslungen mit
    qualifizierten Vollzeitpflegeverhältnissen (§ 33 Satz 2 SGB VIII) führen, die
    dort ebenfalls als Erziehungsstelle bezeichnet werden.

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Einführung

                                                                                                                                                                        © LAG Freie Wohlfahrtspflege
Geschichtliche Entwicklungsstränge
In einem fachlichen Diskurs der Träger im Paritäti-                                       und Kinderhäuser begaben sich mit ihren Einrich-
schen in Nordrhein-Westfalen haben sich die Mit-                                          tungen in das Rahmensystem der Heimerziehung.
gliedsorganisationen des Paritätischen auf folgende                                       Größere Einrichtungen etablierten seinerzeit fami-
Definition geeinigt:                                                                      lienanaloge Betreuungsformen im Kontext der Pfle-
                                                                                          gesatzfinanzierung als ausgelagerte Heimplätze.
In Folge der Kritik an einer anstaltsförmigen Hei-
merziehung als oft totalitäre Institution gründeten                                       Mit dem SGB VIII, in dem sich bereits Elemente der
zumeist Fachkräfte Ende der 1970er Jahre verschie-                                        lebensweltorientierten Jugendhilfe1 spiegeln, wur-
dene Einrichtungen der Erziehungs­hilfe mit einem                                         de den Landesjugendämtern mit dem Instrument
institutionskritischen Ansatz und organisierten sich                                      der Betriebserlaubnis gemäß § 45 SGB VIII faktisch
im Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW. Hierzu                                            die Aufgabe übertragen, festzulegen, was eine
zählten insbesondere auch Jugendwohngemein-                                               Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe ist. Die
schaften und Kinderhäuser als selbstständige Klein-                                       Definitionsmacht wurde damit rechtlich im SGB VIII
steinrichtungen. Sie verstanden sich als Alternative                                      verankert. Bis 1999 dauerte es in NRW aber noch,
zur Heimerziehung. Während Jugendwohngemein-                                              bis mit der Abschaffung der Pflegesatzkommissi-
schaften durch eine gruppenpädagogische Kon-                                              on – abgelöst von der Landeskommission Jugend-
zeption zu charakterisieren sind, kennzeichneten                                          hilfe – die Voraussetzungen für Einrichtungen mit
sich Kinderhäuser durch ein familienpädagogisches                                         weniger als sechs Plätzen geschaffen wurden. In
Selbstverständnis. Hier lebten in der Regel sechs                                         dieser Zeit entstanden auch bei kleineren Trägern
untergebrachte Kinder mit einem Ehepaar – davon                                           vermehrt stationäre, familienanaloge Projekte als
ein Partner mit der Qualifikation als Fachkraft –                                         sonstige betreute Wohnform nach § 34 SGB VIII. Hier
gemeinsam unter einem Dach. Ergänzt wurde das                                             leben ein bis zwei junge Menschen mit einer päd-
Kinderhaus durch eine von außen hinzukommende                                             agogischen Fachkraft, unter Einbeziehung deren
Fachkraft. Die Anzahl der Kinder, die in familienana-                                     privater Ressourcen im gemeinsamen Wohnraum
logen Kleinsteinrichtungen lebten basierte nicht auf                                      und werden rund um die Uhr betreut. Damit wurde
konzeptionellen Festlegungen und pädagogischen                                            im Bereich der Heimerziehung ein Strukturmerkmal
Inhalten sondern war das Ergebnis einer wirtschaft-                                       der lebensweltorientierten Jugendhilfe umgesetzt:
lichen Setzung durch die damalige Pflegesatzkom-                                          Alltagsorientierung in den institutionellen Settings
mission. Selbständige Jugendwohngemeinschaften                                            und in den Methoden.
1 Achter Jugendbericht – Bericht über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe, BMJFFG (Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit) | Bonn 1990

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Aktuelle Situation

    Kinder und Jugendliche, die heute in stationärer
    Erziehungshilfe untergebracht werden, bringen in                                           „Bindung ist für das Leben so grundlegend wie Luft
    der Regel hochkomplexe Problemlagen mit und                                                zum Atmen und Ernährung.
    wurden vielfach zuvor im Rahmen ambulanter
    Erziehungshilfen in ihren Familien betreut. Nicht                                          Die emotionale Bindung sichert das Überleben
    selten haben sie bereits Aufenthalte in der Kinder-                                        und die Entwicklung des Säuglings.
    und Jugendpsychiatrie hinter sich. Neben ande-
    ren Faktoren kommen heute, auch infolge dieser                                             Durch Angst und Trennung wird das Bindungs-
    Entwicklung, eher junge Menschen in stationäre                                             bedürfnis aktiviert. Durch körperliche Nähe
    Erziehungshilfe, die belastet sind, bei gleichzeitig                                       zur Bindungsperson wird das Bindungs-
    geringen inneren und äußeren Ressourcen zur För-                                           bedürfnis wieder beruhigt.
    derung ihrer Entwicklung.                                                                  Die primäre Bindungsperson muss nicht
                                                                                               die leibliche Mutter/Vater sein.“
    Diese Entwicklung macht die Ergänzung der Ange-
    botspalette der stationären Hilfen um das Angebot                                          Prof. Dr. med. Karl- Heinz Brisch,
                                                                                               Bindungsforscher, Kinder- und Jugendlichenpsychiater und Psychotherapeut,
    der Sozialpädagogischen Lebensgemeinschaften                                               Leiter der Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie
                                                                                               an der Kinderklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München 2
    so wichtig. Hier erhalten junge Menschen, die drin-
    gend einen sehr kleinen und familienanalogen Rah-
    men benötigen, passgenaue Hilfen. Die Fachkräfte
    vor Ort verfügen über die Fachlichkeit den Kindern
    ein gutes Bindungsangebot zur Verfügung zu stel-
    len. Wie erfolgreich dieses Modell bis heute ist,
    zeigt sich auch in den vielen Anfragen der Jugend-
    ämter, die das Platzangebot in den Sozialpädago-
    gischen Lebensgemeinschaften weit übersteigen.
    Gesucht werden Plätze für hoch belastete Kinder
    und Jugendliche, die auf Hilfen mit hochprofessio-
    neller Betreuung in familienanalogen Wohnformen
    angewiesen sind, zunehmend auch für sehr junge
    Kinder unter drei Jahren.

        In Zahlen
        Mitgliedsorganisationen des Paritätischen NRW
      im Fachbereich Hilfen zur Erziehung

                                                   2011 2019

      – Arbeitsfeld Hilfen zur Erziehung                                                                              177            175
      – mit stationären Einrichtungen                                                                                 110            102
      – Träger von Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften (SPLG)                                                       15             18
      – Betreuungsplätze der SPLG                                                                                     246            425

      Stand: 31.10.2019

    2 Karl- Heinz Brisch, 2020, https://www.khbrisch.de/media/brisch_msb_berlin_2019_versand.pdf

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SPLG Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften - Grundlagen und Standards - Der ...
Familienbilder

Die familiären Konstellationen in SPLG können viel-                                     eines stabilen und tragfähigen Angebotes für ein
fältig sein. Unter Familie verstehen wir das Zusam-                                     zu betreuendes Kind. Dieses können auch Einzel-
menleben von mindestens zwei Generationen in                                            personen oder gleichgeschlechtliche Lebensge-
einem gemeinsamen Haushalt. Die unmittelbar                                             meinschaften sein.
für die Betreuung eines Kindes zuständige und
verantwortliche erwachsene Person ist eine sozial­                                      Die persönlichen Eigenschaften der Verlässlichkeit
pädagogische Fachkraft. Vielfach zeigt sich in SPLG                                     und der Tragfähigkeit bei den Erwachsenen bilden
das klassische Familienbild von verheirateten Ehe-                                      aus der Sicht eines Kindes ein hohes Gut, das sie als
partnern, von denen eine Person einer beruflichen                                       Kennzeichen von Sicherheit wahrnehmen können.
Tätigkeit außerhalb des Haushaltes nachgeht.
                                                                                        Jedes familiäre System sollte in seiner Individualität
Es gibt aber auch zahlreiche alternative Formen                                         auf ein soziales Netzwerk zurückgreifen können,
verlässlicher Beziehungsformen als Grundlage                                            um sich zu entlasten und unterstützen zu lassen.

Pädagogische Haltung – Menschenbild

Die Kernfrage einer jeden Erziehungshilfe lau-                                          und den Willen der Adressaten sowie ihre Deutun-
tet: Was genau braucht dieses Kind? Je besser es                                        gen einzubeziehen.
gelingt, eine praktische Antwort auf diese Frage
zu finden, umso wahrscheinlicher ist der Erfolg der                                     Die aktive Beteiligung der jungen Menschen und
Hilfe. Grundlage ist ein wertschätzender Umgang                                         ihrer Angehörigen ist ein weiterer, zentraler Faktor
mit den Kindern und Jugendlichen sowie ihrem                                            für das Gelingen der Hilfe und eine Herausforde-
Herkunftssystem. Bei der Suche nach sinnvollen                                          rung an die Fachkräfte. Diese geben den Kindern
Antworten benötigen die Fachkräfte sowohl the-                                          in einer SPLG voraussetzungslos materielle Sicher-
oretisches Wissen als auch hohe personale und                                           heit und emotionale Zuwendung. Dieser „sichere
kommunikative Kompetenzen. 3                                                            Lebensort“ 4 bietet für junge Kinder und darüber
                                                                                        hinaus für alle Adressaten Schutz und Sicherheit
Das Fachwissen ist für einen verständnisorientier­                                      und ermöglicht korrigierende Bindungserfahrun-
ten Zugang zu dem Erleben der Kinder und Jugend-                                        gen. Auf dieser Grundlage lautet die Botschaft der
lichen dringend notwendig. Die kommunikativen                                           Erwachsenen: Du bist bei uns willkommen, so wie
Kompetenzen sind erforderlich, um die Wünsche                                           du bist.

Verstehen – Sicherheit – Verlässlichkeit

Das Verhalten von Kindern aus hoch belasteten                                           ten eines solchen Kindes eine hohe Herausforde-
familiären Verhältnissen zeigt mitunter Eigenarten                                      rung sein, da sich ihnen der Sinn nicht unmittelbar
auf, die unverständlich erscheinen. Dabei können                                        erschließt. Wenn dieser Eigensinn verstanden wer-
körperliche und psychische Entwicklungsverzö-                                           den kann, bieten sich den Erwachsenen Möglich-
gerungen auf gesundheitliche Einschränkungen,                                           keiten, damit auf eine Art und Weise umzugehen,
mangelnde materielle und unsichere emotiona-                                            in der sie dem Kind trotz krisenhafter Ereignisse
le Versorgung hindeuten. Auf lebensbedrohliche                                          Sicherheit und Verlässlichkeit geben können.
Erfahrungen, z. B. durch körperliche und sexuelle
Gewalt oder durch Entzug von Nahrungsmitteln,                                           Im Bereich der psychischen Entwicklung bietet die
die zudem vielfach mit emotionaler Ablehnung                                            Bindungstheorie 5 den Fachkräften Ansätze des
durch die Bezugspersonen verbunden sind, reagie-                                        Verstehens ebenso wie Hinweise für das eigene
ren Kinder sehr unterschiedlich.                                                        Verhalten.

Für die Erwachsenen in einer Sozialpädagogischen                                        Die Psychotraumaforschung liefert Erklärungs-
Lebensgemeinschaft kann das eigensinnige Verhal-                                        ansätze für eigensinniges Verhalten als Ausdruck

3 Soziale und pädagogische Arbeit bei Traumatisierung, Corinna Scherwath, Sibylle Friedrich, Reinhardt-Verlag, 3. Auflage 2016.
4 Traumapädagogik: Grundlagen, Arbeitsfelder und Methoden für die pädagogische Praxis, Jacob Bausum, Lutz Besser, Martin Kühn, Wilma Weiß Hrsg.) Beltz – Juventa 2013.
⁵ siehe Literaturverzeichnis Seite 17.
                                                                                                                                                                          5
SPLG Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften - Grundlagen und Standards - Der ...
der psychischen Bewältigung von extrem ängs-                                              ermöglicht Entwicklung auf Grundlage einer wert-
    tigenden, bedrohlichen Lebenserfahrungen. Die                                             schätzenden, respektvollen und akzeptierenden
    Traumapädagogik mit ihren Konzepten des Siche-                                            Haltung. Somit bietet sie Möglichkeiten eines ver-
    ren Ortes (Kühn) ⁶ und der Selbstbemächtigung                                             ständnisorientierten Zugangs und fördert damit
    (Weiss) ⁷ bietet Orientierung für die Fachkräfte,                                         die Selbstbemächtigung und Entwicklung der Kin-
    Sicherheit für die Kinder und Jugendlichen und                                            der und Jugendlichen.

    Verantwortungsgemeinschaft zwischen Träger und Fachkraft

    Der Träger verantwortet insgesamt die fachliche                                           institutionellen und fachlichen Anforderungen
    Arbeit der Sozialpädagogischen Lebensgemein-                                              an die professionelle Rolle einer Fachkraft hat sie
    schaft, z. B. den Personensorgeberechtigten und                                           ebenso ins Alltagsleben zu integrieren, wie mit
    dem belegenden Jugendamt gegenüber. Er ist                                                persönlichen Beziehungen und Bedürfnissen in
    Inhaber der Betriebserlaubnis und hat das Wohl                                            Einklang zu bringen. Dies im Gleichgewicht zu
    und den Schutz des Kindes zu gewährleisten. Ihm                                           halten ist schwierig. Es gelingt nur, wenn die pri-
    obliegt die Verantwortung für die Qualität des Kon-                                       vaten wie auch die professionellen Beziehungen
    zeptes, die fachliche und persönliche Kompetenz                                           tragfähig sind. Prüfmaßstab für die Tragfähigkeit
    der eingesetzten Fachkraft, kontinuierliche Bera-                                         dieser Beziehungen ist die gemeinsame Bewälti-
    tung/ Begleitung, fachliche Kontrolle mit geeigne-                                        gung von Krisensituationen. Träger und Fachkraft
    ten Verfahren sowie die Bereitstellung sachlicher                                         bilden zum Wohl des Kindes eine Verantwortungs-
    Mittel. Der Träger steht in einer vertraglichen Bezie-                                    gemeinschaft. Nur wenn Träger und Fachkraft eine
    hung zur Fachkraft, die in sehr hoher Eigenverant-                                        vertrauensvolle Zusammenarbeit auf der Grundla-
    wortung die unmittelbare Aufgabe der Erziehung                                            ge von gegenseitigem Respekt aufbauen, können
    in ihren persönlichen Lebenszusammenhängen                                                sie gemeinsam zum Wohl des betreuten jungen
    wahrnimmt. Dennoch verbleibt der Träger gleich-                                           Menschen pädagogisch gut wirken.
    wohl in der Verantwortung, den Rahmen und die
    Voraussetzungen für eine gelingende Erziehung zu                                          Die Zusammenarbeit des Trägers mit der Fachkraft
    gewährleisten. (Mehr dazu im folgenden Text unter                                         kann unterschiedlich gestaltet werden. Bei den Mit-
    den Überschriften Qualitätsstandards, Partizipation                                       gliedsorganisationen des Paritätischen geschieht
    und Beschwerde, Umsetzung des Schutzauftrages                                             dies sowohl in Form von abhängigen Beschäfti-
    bei Kindeswohlgefährdung, Hilfeplanung, Daten-                                            gungsverhältnissen als auch mit selbständigen
    schutz).                                                                                  Kooperationspartnern. Beide Formen sind für den
                                                                                              Träger und die Fachkraft mit Vor- und Nachteilen
    Wie die Fachkraft den komplexen Prozess im Erzie-                                         verbunden. Bei der Zusammenarbeit mit selbstän-
    hungsalltag und im Detail organisiert, welche Prio-                                       digen Fachkräften sind für den Träger besondere
    ritäten sie setzt und wie sie dem Kind emotionale                                         Anforderungen und Risiken zu beachten. Weiter-
    Sicherheit und Stabilität vermittelt, verbleibt in                                        führende Informationen zu diesem Themenkom-
    Ihrer unmittelbarer Verantwortung. Dabei nutzt sie                                        plex finden sich in einer Arbeitshilfe des Deutschen
    ihre persönlichen Kenntnisse und Kompetenzen,                                             Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. 8
    die ohne die Ressourcen ihres privaten Umfeldes
    (Ehe-, Lebenspartner*in, Nachbarn, Freunde und                                            An dieser Arbeitshilfe haben Mitgliedsorganisa-
    Verwandte) jedoch nicht ausreichen. Gleichzeitig                                          tionen des Paritätischen mitgewirkt, die famili-
    hat sie sich in ihrem/seinem pädagogischen Ver-                                           enanaloge Lebensgemeinschaften mit mehr als
    halten gegenüber dem Träger zu verantworten.                                              zwei Plätzen betreiben und sich den Inhalten dieser
    Sie ist Fachkraft und Privatperson zugleich. Die                                          Standards verpflichtet sehen.

    6 Traumapädagogik: Grundlagen, Arbeitsfelder und Methoden für die pädagogische Praxis, Jacob Bausum, Lutz Besser, Martin Kühn, Wilma Weiß Hrsg.) Beltz – Juventa 2013.
    7 in: Handbuch Traumapädagogik, Wilma Weiß,Tanja Kessler, Silke B. Gahleitner (Hrsg.),
    8 Arbeitshilfe zum Einsatz von pädagogischen Fachkräften bei freien Trägern der Jugendhilfe (abhängig beschäftigt oder selbstständig?) Gertrud Takke, Deutscher Paritätischer
6      Wohlfahrtsverband, Gesamtverband e. V. 2009, Schutzgebühr 10.– Euro, Bezug: erziehungshilfe@paritaet-nrw.org
SPLG Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften - Grundlagen und Standards - Der ...
Fachliche Grundlagen und Standards

                                                                                                              © Jenny Sturm - AdobeStock.de
Die im Folgenden formulierten fachlichen Stan-          den Konzepten und Leistungsvereinbarungen der
dards sind Mindestanforderungen. Darüber hin-           Träger einer SPLG im Paritätischen beschrieben.
ausgehende trägerspezifische Standards werden in

Zielgruppe

Die Sozialpädagogische Lebensgemeinschaft rich-         „„mit erheblichen Entwicklungsverzögerungen
tet sich an Kinder und Jugendliche, die                   und -beeinträchtigungen, hohen, individuellen
                                                          Problemlagen und damit einhergehenden beson-
„„mittel- bis langfristig nicht mehr in ihrer Her-       deren Bedürfnissen und Bedarf an individuell,
  kunftsfamilie leben können und eine enge per-           zugeschnittener Betreuung
  sönliche Begleitung im Rahmen eines familien-
                                                        „„mit vielfältigen Unterbringungserfahrungen, bei
  analogen professionellen pädagogischen Set-
                                                          denen eine intensive Betreuung sinnvoll erscheint
  tings benötigen
                                                        „„die mit ihrem herausfordernden Verhalten im
„„ihr Elternhaus vorübergehend verlassen müs-
                                                          Kontext Gruppe an ihre Grenzen stoßen und dort
  sen und möglicherweise in ihre Herkunftsfamilie
                                                          nicht adäquat betreut werden können
  zurückkehren, wenn die nötigen Ressourcen im
  Herkunftssystem wieder ausreichen                     „„die noch sehr jung sind und aufgrund ihres
                                                          Lebens- und Entwicklungsalters einen kleinen,
„„sich in Übereinstimmung mit den Personensorge-
                                                          überschaubaren Rahmen sowie familienähnliche
  berechtigten und dem zuständigen Jugendamt
                                                          Strukturen benötigen.
  altersgemäß für ein Leben in dieser Betreuungs-
  form entschieden haben
„„für die eine besondere Fachlichkeit benötigt wird,
  verbunden mit einem intensiven Beziehungsan-
  gebot

                                                                                                                                              7
SPLG Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften - Grundlagen und Standards - Der ...
Lebensweltorientierung

    Die Sozialpädagogische Lebensgemeinschaft              widersprüchlichen Bindungen zu den leiblichen
    ermöglicht den Kindern einen Lebensraum, der           Eltern und Geschwistern emotional zu verarbeiten.
    sich an den Bedingungen eines familiären Zusam-        Es kommt darauf an, den Kontakt zwischen den
    menlebens ausrichtet, ihnen hilft, bisherige hem-      Lebenswelten der jungen Menschen so zu halten,
    mende und belastende Erfahrungen durch das Erle-       dass sie ihre Erfahrungen integrieren können.
    ben eines veränderten sozialen und emotionalen
    Umgangs zu integrieren und daraus resultierende        Wesentliche Merkmale der Lebensweltorientierung
    schwierige Entwicklungen zu überwinden.                sind:
                                                           „„Einbettung in vor Ort vorhandene Strukturen und
    Kinder und Jugendliche in SPLG haben Bindungen            Hilfeangebote
    zu ihren leiblichen Eltern und bauen neue Bindun-
                                                           „„Teilhabechancen in unserer Gesellschaft verbessern
    gen zu ihren sozialen Eltern auf. Für die Persön-
    lichkeitsentwicklung eines Kindes/eines Jugend-        „„bedarfsgerechte Hilfe vor Ort unter Berücksichti-
    lichen kommt es auch darauf an, ihnen angemes-           gung der Partizipation der Betroffenen entwickeln.
    sene Möglichkeiten dafür zu eröffnen, die teils

    Erziehung im Spannungsfeld von Professionalität und Privatsphäre

    Erziehung in der SPLG findet im Spannungsfeld von      für bedarf es einer besonderen Eignung der betei-
    Privatsphäre und öffentlichem Erziehungsauftrag        ligten Fachkräfte und verlässlicher Strukturen in der
    statt. Das Ausbalancieren in diesem Spannungsfeld      Einrichtung.
    stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten. Hier-

    Leistungen der Sozialpädagogischen Lebensgemeinschaften

    „„24 Stunden Betreuung                                „„Unterstützung in der Gesundheitsfürsorge und
                                                             Körperpflege
    „„Gewährleistung von Schutz und Versorgung
                                                           „„Einbeziehung therapeutischer und heilpädago-
    „„Sicherstellung aller elementaren Grundbedürfnisse
                                                             gischer Hilfen
    „„Klärung der mittel- bis langfristigen Lebensper-
                                                           „„Hilfestellung bei der Bewältigung akuter und
      spektive (Rückkehr in die Herkunftsfamilie oder        hemmender Brüche und Krisen
      aber die längerfristige Beheimatung in der SPLG)
                                                           „„Biografiearbeit z. B. Führen von Lebensbüchern
    „„
      Erarbeitung von adäquaten Förderzielen in
      Zusammenarbeit mit den Sorgeberechtigten             „„
                                                             Entwicklung und Einüben einer adäquaten
      und dem Jugendamt                                      Tagesstruktur
    „„Entwicklung eines individuellen, pädagogischen      „„Förderung in ihrer der psychosozialen, emotio-
      Konzeptes                                              nalen, kognitiven und körperlichen Entwicklung
    „„Zusammenleben mit der Fachkraft und deren           „„Hausaufgabenbetreuung und schulische Förderung
      Familie als Lernfeld für Beziehung, Sozialverhal-
                                                           „„Förderung der beruflichen Orientierung
      ten und Krisenbewältigung
                                                           „„Förderung von intellektuellen, musischen, sport-
    „„Einbindung in die Lebenswelt der Fachkraft, in
                                                             lichen, hauswirtschaftlichen und handwerklichen
      deren Verwandtschafts- und Freundeskreis
                                                             Fähigkeiten
    „„Gemeinsame Freizeitaktivitäten und gemeinsa-
                                                           „„Kennenlernen und Anbahnung von Hilfs- und Bera-
      me Urlaubsgestaltung
                                                             tungsmöglichkeiten außerhalb der Jugendhilfe
    „„Unterstützung bei der Integration in den neuen
                                                           „„Begleitung in eine gewünschte oder notwendige
      Sozialraum
                                                             neue Betreuungsform
    „„Einbeziehung von Freunden und Angehörigen
                                                           „„ambulante Nachbetreuung.

8
Qualitätsstandards

 er Träger prüft in einem sorgfältigen Auswahlver-
D                                                     Zu den Qualitätsstandards der Träger gehören:
fahren die besondere Eignung der Bewerber*innen.
                                                      „„die Einhaltung des Fachkräftegebots
Hierzu gehören:
                                                      „„Zusatzqualifikation der Beraterin/des Beraters
                                                        der SPLG
„„stabiles und belastbares Familiensystem und
  gute Vernetzung im Sozialraum                       „„Regelmäßige Fachberatung in der SPLG
„„
  f undierte Lebens- und Berufserfahrungen            „„Ausübung der Fachaufsicht
  (Umgang mit Krisen, Wissen um eigene Ressour-
  cen und Entlastungsmöglichkeiten)                   „„Krisenintervention vor Ort

„„die Fähigkeit der Gestaltung von Beziehungen zu    „„ständige Erreichbarkeit der pädagogischen Lei-
  Kindern und Jugendlichen, in denen sie glaub-         tung
  würdig und authentisch sind                         „„eigenständiger Kontakt zum Kind/Jugendlichen
„„Toleranz gegenüber Verschiedenheit und Plu-        „„Vernetzung der SPLG`en untereinander, Orga-
  ralität                                               nisation von Entlastungsmöglichkeiten und
„„Akzeptanz der Herkunftsfamilien                      intelligente Vertretungsregelungen sowie Feri-
                                                        enangebote
„„Reflektion eigener biografischer Erfahrungen
  und Zugang zu den Auswirkungen auf die eigene       „„Bereitstellung interner Fortbildungsangebote
  Lebensgeschichte und berufliche Identität             und kollegialer Beratung

„„Auseinandersetzung mit fachlichen Anforde-         „„Bereitstellung finanzieller Ressourcen für Super-
  rungen, Kenntnisse über Deprivations- und Bin-        vision
  dungsstörungen sowie Traumatisierungen von          „„
                                                        Eigenes Verfahren zur Gewährleistung des
  Kindern und Jugendlichen                              Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII
„„die Bereitschaft zu interner und externer Bera-    „„
                                                        Z ielgruppenadäquates Partizipations- und
  tung, Supervision und Weiterbildung.                  Beschwerdemanagement
                                                      „„Medienkonzept

                                                      „„Sexualpädagogisches Konzept.

Partizipation und Beschwerde

Die Suche nach einer geeigneten SPLG wird unter       Die Kinder und Jugendlichen werden seitens des
Einbezug der Kinder und Jugendlichen und deren        Trägers und der SPLG über ihre Rechte informiert
Personensorgeberechtigten gestaltet.                  und aufgeklärt.

Im Zusammenleben gestaltet die jeweilige SPLG         Es werden unterschiedliche Ansprechpersonen
gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen den        angeboten, bei denen sich die Betreuten auch
Alltag und bieten Raum für eigene Wünsche, aber       außerhalb der SPLG beschweren und sich Unter-
auch Kritik.                                          stützung holen können. Im Rahmen des Quali-
                                                      tätsmanagements erfolgen regelmäßige Besuche
Grundlage jeder Hilfe ist das Hilfeplangespräch.      seitens des Trägers, bei denen die betreuten Kin-
Hier wird das Kind oder die*der Jugendliche durch     der und Jugendlichen Zeit und Raum bekommen,
die*den Mitarbeitenden der SPLG vorbereitet und in    ihre Wünsche zu äußern oder sich zu beschweren,
den Terminen aktiv mit einbezogen. Die Hilfeplan-     um so ihre Hilfe aktiv mitzugestalten. Jeder Träger
berichte werden im Vorfeld mit allen Beteiligten      beschreibt in seinem Angebot sein Partizipations-
besprochen, und die Betreuten haben die Möglich-      und Beschwerdekonzept, das mitunter als Grund­
keiten ihre Sicht darzustellen.                       lage für die Betriebserlaubnis dient.

                                                                                                             9
Umsetzung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung § 8 a SGB VIII
     Übergriffe auf Schutzbefohlene sind im System           Entsprechend hoch sind in SPLG die Anforderungen
     der stationären Unterbringung in Familien schwer        an Träger und Fachkräfte zur Gewährleistung des
     erkennbar. Das familiäre System ist in der Regel        Schutzes von jungen Menschen. Die Beratungsfach-
     „geschlossener“ als eine Heimgruppe, die deutlicher     kraft des Trägers hält einen eigenständigen Kontakt
     in den institutionellen Rahmen eingebunden ist.         zum Kind/Jugendlichen. Der Umgang mit den Anfor-
                                                             derungen des Kinderschutzes gemäß § 8 a SGB VIII
     In der privaten Sphäre einer SPLG steht das fremd       ist in einem Verfahren geregelt, das Bestandteil der
     untergebrachte Kind in einem engen persönlichen         Konzeption des Trägers ist und den Vereinbarungen
     Verhältnis zu den Familienmitgliedern und somit in      mit den örtlichen Jugendämtern entspricht.
     einem stärkeren Loyalitätskonflikt ihnen gegenüber.
     Bei der Aufdeckung eines Übergriffes besteht für        Der Träger stellt den Verfahrensablauf mit der SPLG
     das Kind die Gefahr, nicht nur seine unmittelbaren      sicher und trägt Sorge dafür, dass erweiterte Füh-
     Bindungspersonen zu verlieren sondern zugleich          rungszeugnisse aller Erwachsenen und Jugendli-
     auch seinen vertrauten Lebensort.                       chen ab 14 Jahren in der SPLG vorliegen.

     Arbeit mit den Herkunftseltern/dem Herkunftssystem
     Für die Biografie eines Kindes/Jugendlichen ist das     werden. Die Fachberatung der SPLG sorgt für den
     Herkunftssystem von herausragender Bedeutung.           Kontakt zum Herkunftssystem und hält diesen wäh-
     Das Verständnis für die Lebensgeschichte ist der        rend der Unterbringung der Betreuten aufrecht. Bei
     zentrale Schlüssel zur Erklärung ihrer Lebensäuße-      Bedarf wird eine Begleitung von Besuchskontakten
     rungen. Dies auch vor dem Hintergrund des Wissens       durch den Träger sichergestellt. Bei regelmäßigen
     um die Weitergabe von unverarbeiteten traumati-         Wochenendbesuchen und Ferienaufenthalten zu
     schen Erfahrungen an die nächste Generation. Eine       Hause kommt der Fachberatung eine begleitende,
     Auseinandersetzung mit der Herkunftsfamilie ist         unterstützende Funktion zu. Sie kann in Konflikt-
     also unabdingbar. Das abgebende Familien­system         fällen zwischen Herkunftssystem und SPLG vermit-
     sollte möglichst von Beginn an in die Perspektivpla-    teln. Umfang und Inhalt der Elternarbeit ist mit allen
     nung und in Entscheidungsprozesse mit einbezogen        Beteiligten im Hilfeplanverfahren abzustimmen.

     Hilfeplanung
     Die Hilfeplanung ist das fachliche Instrument zur       rechtigten auf Mitwirkung an der Hilfeplanung (z. B.
     pädagogischen Steuerung der Hilfe im Einzelfall. Die    bei der Erarbeitung von Zielen) ist durch geeigne-
     Verantwortung für eine fachgerechte Durchführung        te pädagogische Maßnahmen sicherzustellen. Die
     obliegt dem zuständigen Jugendamt. Hilfeplanung         Fachkräfte des freien Trägers unterstützen das Kind/
     erweist sich als erfolgreich, wenn die vereinbarten     den Jugendlichen und ihre*seine Personensorge-
     Ziele zwischen dem jungen Menschen, seinem Per-         berechtigten bei der Erreichung der vereinbarten
     sonensorgeberechtigten und den Fachkräften des          Ziele. Hierbei verantworten sie die Qualität ihrer
     Jugendamtes sowie des Trägers konkret sowie rea-        pädagogischen Arbeit. Eine qualifizierte Hilfepla-
     listisch beschrieben sind und vom jungen Menschen       nung beugt fachlichen Fehlentscheidungen vor
     erreicht werden. Können vereinbarte Ziele nicht         und ist eine notwendige Voraussetzung für gelin-
     erreicht werden, bedarf es zunächst der Reflexion       gende pädagogische Prozesse. Die Fachkräfte der
     der Fachkräfte über die von ihnen zu verantwor-         Mitglieds­organisation des Paritätischen tragen im
     tenden Anteile an den Vereinbarungen. Das Recht         Rahmen ihrer Aufgaben und Verantwortlichkeit zur
     der jungen Menschen und der Personensorgebe-            einer gelingenden Hilfeplanung bei.

     Datenschutz
     Der Träger und alle Beteiligten in der SPLG unterlie-    Dies gilt speziell für den besonderen Vertrauens-
     gen der Verpflichtung, den Schutz der personenbe-       schutz in der persönlichen und erzieherischen Hilfe
     zogenen Daten des jungen Menschen zu gewähr-            (§ 65 SGB VIII). Hierzu treffen der Träger und die SPLG
     leisten (§ 61 Abs. 3 SGB VIII).                         entsprechende Vereinbarungen.

10
Zusammenarbeit von Träger
und Fachkraft

                                                                                                               © Halfpoint - AdobeStock.de
Die Grundlagen der Zusammenarbeit zwischen               ganisation des Paritätischen und der Fachkraft. Sie
dem Träger und der Fachkraft bilden das Träger-          bilden ein Gerüst für die Zusammenarbeit zwischen
konzept, die Betriebserlaubnis, die Leistungs-,          Träger und Fachkraft mit dem Ziel, eine bestmög-
Qualitätsentwicklungs- und Entgeltvereinbarung           liche pädagogische Betreuung für ein in die SPLG
sowie die Vereinbarung zwischen der Mitgliedsor-         aufgenommenes Kind zu gewährleisten.

Trägerverantwortung
Der Träger einer SPLG im Paritätischen verantwor-        Konzeption. Hierzu stellt er interne Verfahren zu
tet die Hilfeleistung gegenüber den Sorgeberech-         Partizipations- und Beschwerdemöglichkeiten für
tigten des jungen Menschen und dem zuständigen           die jungen Menschen sicher. Zudem wachen die
Jugendamt im Rahmen einer Vereinbarung. Die              Landesjugendämter auf der Grundlage ihrer Bera-
SPLG ist Teil der Einrichtung des Trägers. Er achtet     tungs- und Kontrollrechte (§§ 45 ff. SGB VIII) über
auf eine sach- und fachgerechte Umsetzung der            den Schutz Minderjähriger in Einrichtungen.

Konzept/Leistungsbeschreibung der SPLG
Für jede SPLG existiert ein Konzept beziehungs-          und fachliche Profile für einzelne SPLG hinterlegt
weise eine Leistungsbeschreibung. Die SPLG ist           sein. Ebenfalls notwendig ist beständige Qualitäts-
Teil der Einrichtung des Trägers und ist in der          entwicklung im Sinne einer fachlichen Ausrichtung
Betriebserlaubnis des zuständigen Landesjugend-          auf Grundlage der §§ 78 b und c SGB VIII.
amtes aufgeführt. Zusätzlich können spezifische

Fachkraftgebot
Sozialpädagogische Fachkräfte unterliegen dem            Vorteilhaft sind weitere fachspezifische Qualifika-
Fachkraftgebot nach § 72 SGB VIII. Als berufliche Min-   tionen oder andere berufliche Ausbildungen und
destqualifikation gilt die Ausbildung zur Erzieher*in    Berufserfahrung in der Erziehungshilfe.
mit staatlicher Anerkennung.

                                                                                                                                             11
Bewerbungsverfahren
     Der Träger einer SPLG im Paritätischen verfügt über   Ziel der sorgfältigen Vorbereitung im Bewerbungs-
     ein eigenes, standardisiertes Bewerbungsverfahren     verfahren ist die Überprüfung der Bewerber*innen
     und bezieht hierbei das gesamte Familiensystem        auf ihre persönliche und fachliche Eignung.
     der Fachkraft mit ein.

     Formen der Zusammenarbeit: selbstständig oder abhängig beschäftigt
     Grundsätzlich kann die Vereinbarung zwischen Trä-     kraft abgeschlossen werden. Mitgliedsorganisatio-
     ger und Fachkraft über ein abhängiges Beschäfti-      nen des Paritätischen arbeiten im Bereich der SPLG
     gungsverhältnis oder eine Honorarvereinbarung         sowohl mit abhängigen als auch mit selbständigen
     im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit der Fach-     Fachkräften.

     Abhängig beschäftigte Fachkraft
     Das Arbeitsverhältnis wird durch einen schrift­
     lichen Arbeitsvertrag begründet.

     Der Arbeitsvertrag
     Das Anstellungsverhältnis in einer SPLG wird unter    „„Arbeitszeit
     folgenden Aspekten im Arbeitsvertrag geregelt:
                                                           „„Urlaubsanspruch
     „„Platzzahl und Belegungsfähigkeit                    „„Versorgung im Krankheitsfall
     „„Dienstort                                           „„Ausführung von Nebentätigkeiten
                                                           
     „„Zutrittsrecht des Arbeitgebers in private Räum-    „„betrieblichen Datenschutz und den Datenschutz
         lichkeiten der Fachkraft, in denen der junge          nach SGB VIII
         Mensch lebt und betreut wird                      

                                                           „„Kündigungsmodalitäten bei Verdacht der Kindes-
     „„Dienst- und Fachaufsicht                                wohlgefährdung durch die Fachkraft
                                                           
     „„Arbeitsentgelt                                      „„regelmäßige Vorlage von erweiterten Führungs-
                                                               zeugnissen.
     „„Kündigungsfristen

     Anstellung von zusätzlichen Kräften in der SPLG
     Die Anstellung von zusätzlichen Kräften durch         möglich. Hier gelten die spezifischen Regelungen
     den Träger ist unter bestimmten Voraussetzungen       des Trägers.

     Besonderheiten
     Zwischen Träger und Fachkraft sind aufgrund der       „„
                                                             Spannungsverhältnis zwischen arbeitsrecht­
     besonderen Bedingungen einer SPLG mit ihrer               lichen Normen und dem Betreuungsbedarf eines
     Verbindung von privater und beruflicher Sphäre            Kindes
     folgende Aspekte zu beachten und zu regulieren:
                                                           „„Finanzierung der Fachkraft bei Unterbelegung
                                                           
     „„Urlaubsregelung mit den jungen Menschen             „„Einbindung eines ehrenamtlichen Partners in die
     
                                                               SPLG
     „„Vertretungslösungen bei Krankheit, Mutterschutz    
         und Krisen                                        „„Verhältnis der privaten Räume der Fachkraft zur
     
                                                               Betriebsstätte der Einrichtung.
     „„externe Fachkraft als Mitarbeiter*in in der SPLG
12       bei Ausfall der Fachkraft
Selbstständige Fachkraft

Träger einer SPLG im Paritätischen und die selbst-                                      Vereinbarung über zu erbringende Leistungen und
ständige Fachkraft der SPLG regeln ihre Zusam-                                          über das Honorar.
menarbeit auf der Grundlage einer vertraglichen

Der Vertrag
Der Vertrag enthält Regelungen über:                                                    „„Zutrittsrechte der von der Einrichtungsleitung
                                                                                             befugten Personen
                                                                                        
„„
  die allgemeinen Rechte und Pflichten der
                                                                                        „„den Ort der SPLG
    Vertragspartner*innen
                                                                                        „„die Organisation der Zusammenarbeit zwischen
„„die zu erbringende sozialpädagogische Leistung
                                                                                             dem Träger und der selbständigen Fachkraft
    der selbständigen Fachkraft                                                         

                                                                                        „„den betrieblichen Datenschutz und den Daten-
„„die Verbindlichkeit konzeptioneller und sonstiger
                                                                                             schutz nach SGB VIII
    fachlicher Grundlagen des Trägers                                                   

                                                                                        „„ein strukturiertes Verfahren bei Verdacht der Kin-
„„die vom Träger zu erbringenden Leistungen
                                                                                             deswohlgefährdung in der SPLG
    (z. B. Beratung und Unterstützung)
                                                                                        „„die regelmäßige Vorlage von erweiterten Füh-
„„den zeitlichen Umfang der pädagogischen Tätig-
                                                                                             rungszeugnissen
    keiten                                                                              

                                                                                        „„Hinweise zu den sich aus der Selbstständigkeit
„„die Vergütung der Leistung
                                                                                            ergebenden Rechtspflichten für den Träger und
„„Vertretungs-, und Entlastungsregelungen sowie                                             die Fachkraft, zum Beispiel bezüglich der Ver-
    Haushaltshilfen                                                                          steuerung des Honorars, der Regelungen zur
                                                                                             Rentenversicherung als Selbstständige*r sowie
„„Platzzahl und Steuerung der Belegung
                                                                                             andere sozialversicherungsrechtliche Aspekte.

Besonderheiten
Selbstständige sozialpädagogische Fachkräfte sind                                       Zur Minimierung sozialversicherungsrechtlicher
nicht wie abhängig Beschäftigte in die Organisati-                                      Risiken sowie Probleme für den Träger und für die
on des Trägers eingebunden.                                                             selbstständige Fachkraft können beide Vertrags-
                                                                                        partner vor der Vertragsunterzeichnung gemein-
Sie handeln selbstständig auf den konzeptionellen                                       sam das Statusfeststellungsverfahren 9 bei der
und sonstigen allgemeinen Grundlagen.                                                   Deutschen Rentenversicherung Bund betreiben.

Der Träger bietet selbstständigen Fachkräften                                           Ausführliche Hinweise, insbesondere über sozial­
unterschiedliche Arrangements zur Förderung                                             versicherungsrechtliche Fragestellungen und Risi-
der eigenen Fachlichkeit an. Hierzu gehören unter                                       ken bei der Zusammenarbeit mit selbstständigen
anderem, die Bereitstellung finanzieller Ressourcen                                     Fachkräften enthält die Arbeitshilfe des Paritäti-
für Supervision und Fort­bildung sowie eine fachli-                                     schen „Zum Einsatz von pädagogischen Fachkräf-
che Vernetzung durch das Angebot der kollegialen                                        ten bei freien Trägern der Jugendhilfe (abhängig
Beratung.                                                                               beschäftigt oder selbstständig)“. 10

 9 Vordruck Download www.deutsche-rentenversicherung-bund.
10 Arbeitshilfe zum Einsatz von pädagogischen Fachkräften bei freien Trägern der Jugendhilfe Gertrud Takke, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Gesamtverband e. V.

                                                                                                                                                                             13
Jugendhilferechtliche Aspekte des
     SGB VIII

                                                                                                                    © rimmdream - AdobeStock.de
     Die fachlichen Forderungen an Heimerziehung             verbundenen Aufsicht und fachlichen Kontrolle
     nach alltagsnahen Betreuungssettings werden             hinwegtäuschen.
     in SPLG beispielhaft umgesetzt. Die Grenzen zwi-        Vor diesem Hintergrund werden deshalb einige
     schen institutionellen Rahmungen und Einbindung         jugendhilferechtliche Rahmenbedingungen benannt:
     in die private Sphäre der betreuenden Fachkraft
     verwischen sich bei SPLG auf besondere Weise.           „„das jugendhilferechtliche Dreiecksverhältnis
     Die Balance beider Aspekte ist für den Träger und
                                                             „„die Zuordnung von SPLG zum Leistungskatalog
     die Fachkraft von hoher Bedeutung. Berufliches
                                                               erzieherischer Hilfen (§ 34 SGB VIII)
     Handeln ist eingebettet in den eigenen, privaten
     Lebensalltag und zugleich verbunden mit Anforde-        „„die Betriebserlaubnis als präventives Instrument
     rungen des Trägers. Diese „Privatisierung“ öffent-        zum Schutz Minderjähriger in Einrichtungen der
     licher Erziehung ist einerseits gewollt. Sie kann         Erziehungshilfe (§§ 45 ff. SGB VIII)
     aber andererseits auch schnell über den Charakter
     öffentlicher Erziehung und der damit notwendig          „„das Leistungs- und Entgeltrecht nach den §§ 78a
                                                               ff. SGB VIII.

     Das jugendhilferechtliche Dreiecksverhältnis

                                      Leistungsadressaten: Eltern (PSB), Kind,
                                      Jugendliche/-r, junge/r Volljährige/-r

                                                         A

                       B                                                                 C
       Das Jugendamt: öffentlicher Träger                                Einrichtung des freien Trägers der
       der Jugendhilfe                                                   Jugendhilfe

14
Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten

A Leistungsadressaten und Jugendamt B
                                                             A Eltern,
                                                                      Kind, Jugendliche*r, junge*r Volljährige*r
                                                               (Leistungsberechtigte) haben einen harten Rechtsan-
Der Rechtsanspruch (§ 27 SGB VIII) und die Umset-              spruch auf Hilfen zur Erziehung, wenn die Vorausset-
zung der Beteiligungsrechte (§ 36 SGBVIII) der Eltern          zungen nach § 27 Abs. 1 SGB VIII durch die Hilfepla-
und Kinder sind gerichtlich prüfbar. Wenn sie mit              nung (§ 36 SGB VIII) geklärt sind. In der Hilfeplanung
dem Leistungsbescheid nicht einverstanden sind,                ist die Leistung unter Beteiligung der Eltern/Kinder
müssen Eltern gegen den Leistungsbescheid des                  durch Vereinbarung festzustellen und mit einem
Jugendamtes vor dem zuständigen Verwaltungs-                   Leistungsbescheid zu dokumentieren.
gericht (öffentliches Recht) klagen, da in NRW das
Widerspruchsverfahren abgeschafft wurde. Wird die
anschließende Hilfe durch einen freien Träger durch-         B D as Jugendamt als öffentlicher Träger der
geführt, übernimmt das Jugendamt mittels Kosten-               Jugendhilfe ist feststellende Behörde. Stellt
zusage die Verpflichtung der Eltern auf Zahlung der            es den Bedarf fest, hat es die Hilfe zu leisten
Betreuungskosten. Unabhängige Beschwerdemög-                   und die Kosten zu tragen.
lichkeiten für Eltern und junge Menschen im Verwal-
tungsverfahren, etwa in Form einer Schiedsstelle/
Ombudschaft zur Beilegung von Differenzen zwi-
                                                             C D
                                                                ie Einrichtung des freien Trägers der
schen Eltern/Kindern und Jugendamt sieht das SGB
                                                               Jugendhilfe erbringt die festgestellte Leis-
VIII bisher nicht vor.
                                                               tung mindestens nach Maßgabe der Hil-
                                                               feplanung.

A Leistungsadressaten und freier Träger C

Zwischen beiden Parteien wird ein zivilrechtlicher
Vertrag regelmäßig ohne Schriftform über die Hilfe-      B    Jugendamt und freier Träger C
leistung auf der Grundlage der Hilfeplanung und der
Leistungsbeschreibung der Einrichtung geschlos-         Das Jugendamt übernimmt die Zahlungspflicht
sen. Die Leistung erhalten die Eltern (Leistungs-       der Eltern durch Kostenzusage an den freien Trä-
nutzende sind die Kinder/Jugendlichen). Hierfür         ger. Jugendhilferechtliche Grundlagen bilden bei
haben die Eltern dem Grunde nach die Kosten zu          Erziehungshilfen in Einrichtungen die Normen des
tragen. Die Kosten werden jedoch tatsächlich vom        Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungs-
Jugendamt übernommen. Dabei werden die Eltern           rechts nach §§ 78a ff. SGB VIII in Zur Schlichtung
durch das Jugendamt zur Beteiligung an den Kosten       von Interessenswidersprüchen zwischen Jugendamt
herangezogen. Zur Regulierung von Streitigkeiten        und freiem Träger beim Abschluss der Vereinbarun-
zwischen Eltern und/oder Kindern mit dem freien         gen können beide Träger die Schiedsstelle anrufen
Träger sollten die Einrichtungen interne Beschwer-      (§ 78g SGB VIII). Diese, sowie andere Streitigkeiten
deverfahren vorhalten. Für die gerichtliche Klärung     zwischen den Trägern, obliegen dem öffentlichen
gilt das Zivilrecht.                                    Recht und können vor dem Verwaltungsgericht
                                                        geklärt werden.

                                                                                                                        15
Die Betriebserlaubnis als präventives Instrument zum Schutz
     Minderjähriger in Einrichtungen der Erziehungshilfe (§ 45 ff. SGB VIII)

     SPLG sind Teil stationärer Erziehungshilfen auf der    keine Legaldefinition des Begriffes der Einrichtung
     Grundlage der §§ 27 und 34 SGB VIII. Anders als bei    findet, wird diese verstanden als eine auf gewisse
     privaten Pflegeverhältnissen (§ 33 SGB VIII), deren    Dauer angelegte Verbindung von sächlichen und
     Zulassung und Aufsicht beim örtlichen Jugend-          persönlichen Mitteln zu einem bestimmten Zweck
     amt liegen, findet die pädagogische Alltagsarbeit      unter der Verantwortung eines Trägers, die zudem
     der Fachkräfte in einer Einrichtung statt, die durch   orts- und gebäudegebunden ist.
     ihre Anbindung an einen Träger der Jugendhil-
     fe strukturiert und verantwortet wird. Stationäre      Die Betriebserlaubnis ist unter Vorlage der Konzep-
     Einrichtungen der Erziehungshilfe bedürfen vor         tion und unter Beachtung der jeweiligen Anfor-
     ihrer Inbetriebnahme einer Betriebserlaubnis (§        derungen beim zuständigen Landesjugendamt
     45 SGB VIII) und unterliegen damit der besonderen      zu beantragen. Die Betriebserlaubnis ist ein prä-
     Aufsicht des zuständigen Landesjugendamtes (§§         ventives Instrument zum Schutz Minderjähriger
     46–48 SGB VIII). Auch wenn sich im SGB VIII selbst     in Einrichtungen.

     Das Leistungs- und Entgeltrecht (§§ 78a ff. SGB VIII)

     Neben der Aufsicht durch das Landesjugendamt           Rahmenvertrag für die Bereiche Leitung/Beratung,
     (LJA) unterliegen SPLG den Normen der §§ 78 ff.        Verwaltung, Wirtschaftsdienst Personalstandards fest.
     SGB VIII, in denen die Voraussetzungen benannt
     sind, unter denen ein Jugendamt zur Entgeltüber-       Um möglichen Befürchtungen der verhandelnden
     nahme verpflichtet ist, wenn die Leistungsberech-      Jugendämter (z. B. bezüglich der Transparenz der
     tigten diese Einrichtung in Anspruch nehmen. Das       Kostenstruktur) zu begegnen, empfiehlt sich eine
     für die Einrichtung örtlich zuständige Jugendamt       gründliche Vorbereitung der Entgeltkalkulation,
     hat mit dem Träger der Einrichtung entsprechende       so dass die einzelnen Ansätze im Rahmen einer
     Vereinbarungen abzuschließen, wenn für die Ein-        Verhandlung plausibel erläutert werden können.
     richtung eine Betriebserlaubnis des LJA vorliegt.      Dabei kann die sorgfältige Dokumentation der
     Oftmals wird noch der seit 2014 nicht mehr gültige     Stellen und Personalkosten des Vergangenheits-
     Rahmenvertrag I NRW als Basis für die Aushandlung      und Hochrechnungszeitraumes im pädagogischen
     des Entgeltes herangezogen. Zurzeit wird ein neuer     Dienst hilfreich sein, um denkbaren Zweifeln zu
     Landesrahmenvertrag verhandelt.                        begegnen. Eine Vorlage von weiteren Dokumenten
                                                            (z. B. Bilanzen, Stellenplänen, Gehaltsabrechnun-
     Auf Grundlage der Vereinbarungen über pädago-          gen) neben der Kalkulation ist nicht vorgesehen.
     gische und sachliche Leistungen sowie der damit
     verbundenen Entwicklung der Qualität schließen         Die Vereinbarungen über Leistung, Qualität und
     das Jugendamt und der Träger der SPLG eine Ent-        Entgelt werden für einen zukünftigen Zeitraum –
     geltvereinbarung ab. Basis für diese Entgeltver-       im Regelfall zwölf Monate – abgeschlossen. Nach
     einbarung ist eine Kalkulation, die zwischen dem       Ablauf des Vereinbarungszeitraums gelten die
     Träger der SPLG und dem örtlich zuständigen            Vereinbarungen bis zum Inkrafttreten neuer Ver-
     Jugendamt verhandelt wird. Unter Beachtung der         einbarungen weiter.
     vom Landesjugendamt festgelegten Standards sind
     hierfür neben einigen festgelegten Pauschalen, z.      Können sich die Einrichtung und das Jugendamt
     B. im Bereich der Sach- und Investitionskosten, vor    aufgrund unterschiedlicher Sichtweisen und Inter-
     allem die individuellen Bedingungen des Trägers        essen nicht einigen, haben beide Seiten das Recht,
     maßgeblich. Hierbei sind insbesondere die Perso-       die Schiedsstelle (§ 78g SGB VIII) anzurufen. Diese
     nalkosten zu nennen. Auch bei der Verhandlung          kann fehlende Elemente der Vereinbarung durch
     des Auslastungsgrades wird in der Regel, auf die       einen Schiedsstellenspruch ersetzen. Akzeptiert
     spezifischen Voraussetzungen des Trägers Bezug         eine Seite den Schiedsstellenspruch nicht, kann
     genommen. Während die einrichtungsspezifische          sie vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Klage
     pädagogische Betreuungsdichte individuell über         gegen den Vertragspartner erheben.
     die Leistungsvereinbarung bestimmt wird, legte der

16
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Informationsquellen

Literatur | Links
Bindungstheorie, Traumapädagogik und Hilfen zur Erziehung
1  Achter Jugendbericht – Bericht über Bestrebungen und Leistun-        Arbeitshilfe Junge Kinder in den Angeboten der stationären Erzie-
    gen der Jugendhilfe, BMJFFG (Bundesministerium für Jugend,            hungshilfe, LWL und LVR, www.lwl. org > Jugend > Landesjugend-
    Familie, Frauen und Gesundheit) | Bonn 1990.                          amt > Schutz von Kindern in Heimen > Materialien

2  Karl- Heinz Brisch, 2020, https://www.khbrisch.de/media/brisch_      Arbeitshilfe Rahmenvertrag I – Vereinbarungen über Leistungsan-
    msb_berlin_2019_versand.pdf                                           gebote, Qualitätsentwicklung und Leistungsentgelte in Nordrhein-
                                                                          Westfalen §§ 78 a - f SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe | Hrsg.: Arbeits-
3 Soziale und pädagogische Arbeit bei Traumatisierung, Corinna          gemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des
   Scherwath, Sibylle Friedrich, Reinhardt-Verlag, 3. Auflage 2016.       Landes NRW e. V. www.paridienst.de >Aktuelles>Rahmenvertrag I
                                                                          NRW
4  Traumapädagogik: Grundlagen, Arbeitsfelder und Methoden für
    die pädagogische Praxis, Jacob Bausum, Lutz Besser, Martin Kühn,      Bindung und menschliche Entwicklung
    Wilma Weiß Hrsg.) Beltz – Juventa 2013.                               John Bowlby, Mary Ainsworth und die Grundlagen der Bindungsthe-
                                                                          orie | Hrsg.: Grossmann, Klaus E./ Grossmann, Karin | Stuttgart 2003.
⁵ siehe Literaturverzeichnis Seite 17.
                                                                          Bindungstheorie und pädagogisches Handeln, Tanja Jungmann,
6  Traumapädagogik: Grundlagen, Arbeitsfelder und Methoden für          Borgmann Media, 4. Auflage 2016.
    die pädagogische Praxis, Jacob Bausum, Lutz Besser, Martin Kühn,
    Wilma Weiß Hrsg.) Beltz – Juventa 2013.                               Bindungsstörungen Von der Bindungstheorie zur Therapie, Karl-
                                                                          Heinz Brisch, Klett-Cotta,16. Auflage 2019.
7 in: Handbuch Traumapädagogik, Wilma Weiß,Tanja Kessler, Silke
  B. Gahleitner (Hrsg.).                                                  Fachportal Pädagogik
                                                                          www.fachportal-paedagogik.de>themenkatalog
8 A
   rbeitshilfe zum Einsatz von pädagogischen Fachkräften bei frei-
  en Trägern der Jugendhilfe Gertrud Takke, Deutscher Paritätischer       Fremdplatzierung und Bindungstheorie, Roland Schleiffer, Beltz
  Wohlfahrtsverband, Gesamtverband e. V.                                  Juventa, 2015.

9 Vordruck Download www.deutsche-rentenversicherung-bund.de               Traumapädagogische Standards in der stationären Kinder- und
                                                                          Jugendhilfe, Eine Praxis- und Orientierungshilfe der BAG Traumapä-
10
     Arbeitshilfe zum Einsatz von pädagogischen Fachkräften bei         dagogik; Birgit Lang, Claudia Schirmer, Thomas Lang, Ingeborg
      freien Trägern der Jugendhilfe (abhängig beschäftigt oder selbst-   Andreae de Hair, Thomas Wahle / Jacob Bausum, Wilma Weiß, Marc
      ständig?) Gertrud Takke, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsver-     Schmid (Hrsg.), Beltz – Juventa 1. Auflage 2013.
      band, Gesamtverband e. V. 2009, Schutzgebühr 10.– Euro, Bezug:
      erziehungshilfe@paritaet-nrw.org                                    Lebensweltorientierung Das lebensweltorientierte Konzept nach
                                                                          Hans Thiersch – Geschichte und Theorie der Sozialen Arbeit mit
Abschlussbericht Runder Tisch Heimerziehung, Arbeitsgemein-               Hinweisen zu den Arbeitsfeldern Pflegefamilien und Heimerzie-
schaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ | Berlin 2010,                   hung, Weinheim 1992.
Anforderungen der Landesjugendämter NRW zur Erteilung der
Betriebserlaubnis.                                                        Phillip sucht sein ich – zum pädagogischen Umgang mit Traumata
                                                                          in den Erziehungshilfen W. Weiß | Weinheim 2009.
Arbeitshilfen www.lwl.org>Jugend>Landesjugendamt>Schutz von
Kindern in Heimen>Materialien                                             Traumapädagogik, J. Bausum, Weinheim 2011
                                                                          Wie sicher ist der „Sichere Ort“? – Einrichtungen der stationären
Arbeitshilfe Sozialpädagogische Lebensgemeinschaften, LVR                 Jugendhilfe als sichere Entwicklungsräume für traumatisierte Mäd-
https://www.lvr.de/de/nav_main/jugend_2/hilfezurerziehung/                chen und Jungen.
aufsichtberstationreeinrichtungen/arbeitshilfen_2/aufsichtber-
stationreeinrichtungen_3.jsp

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