Sportanlagen der Gemeinden - im Spannungsfeld zwischen (Schulsport-) Normen und Freizeitsport-Trends - Sport Portal
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Sportanlagen der Gemeinden im Spannungsfeld zwischen (Schulsport-) Normen und Freizeitsport-Trends Ernst Hänni, Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Sportämter (ASSA) SWISSINFRASPORT 2011 (Bern, 21. Juni 2011)
Gemeindesportanlagen im Spannungsfeld zwischen (Schulsport-) Normen und Freizeitsport-Trends 1. Vorstellung des Referenten 2. Gemeinden als wichtigste Sportanlagenbesitzer: - Behauptungen und Realität - weshalb Gemeinden Sportanlagen bauen - was gelegentlich zu kurz kommt 3. Pflicht und Kür in der Sportanlagenplanung: - die ideale Gemeindesportanlage - Normen: notwendig aber nicht sakrosankt 4. Thesen auf den Heimweg SwissInfraSport 2011 2
Vorstellung des Referenten Ernst Hänni, geb. 1947 in Bern 1981 bis 2009: Direktor Sportamt der Stadt Zürich Seit 1.1. 2010: Selbständiger Sportexperte Büro Hänni (www.sportexperte.ch) Analysen, Konzepte, Strategien, Leitbilder (Gebiete: Sportpolitik, Sportförderung, Sportanlagen) Ad interim: Führung des Generalsekretariats der Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Sportämter (ASSA) im Teilzeit-Mandat bis zur GV 2012 Mitglied: Arbeitsgruppe NASAK (Nationales Sportanlagenkonzept) des Bundes SwissInfraSport 2011 3
Behauptungen über Gemeindesportanlagen • Es wird am Bedürfnis der Bevölkerung vorbei geplant • Für den Sport ausserhalb der Vereine wird nichts getan • Realisierung der geplanten Anlagen dauert zu lange • Zu hohe Betriebskosten: Anlagen rentieren nicht • Die Anlagen stehen oft leer (unflexibler Betrieb) Solche Behauptungen mögen in Das 2007 eröffnete Letzigrund-Stadion Einzelfällen zutreffen – die Realität in Zürich: für die Leichtathletik geplant – ist jedoch anders! z.Z vor allem für den Fussball genutzt… SwissInfraSport 2011 4
Richtig ist, dass • der Schweizer Sport ohne Gemeinde-Sportanlagen nicht funktionieren würde • die Bevölkerung jene Anlagen erhält, die sie an Gemeinde- abstimmungen bewilligt • in erster Priorität gesetzliche Aufträge zu erfüllen sind und Normen einzuhalten sind • das „Defizit“ meistens beab- sichtigte Sportförderung ist Es trifft aber sicher zu, dass noch Optimierungspotenzial vorhanden Breitensportanlagen (Rasenplätze, Turn- und Sporthallen usw.) werden haupt- ist! sächlich durch Gemeinden bereitgestellt SwissInfraSport 2011 5
Richtig ist auch, dass die Mehrheit der Bevölkerung ausserhalb der Vereine Sport treibt 40.0 Die Top-10 Sportarten der Schweiz 35.0 Benötigen keine/wenig Gemeindesportanlagen 30.0 Benötigen meistens Gemeindesportanlagen 25.0 20.0 15.0 10.0 5.0 0.0 SwissInfraSport 2011 6
Tatsache ist somit: Für die am häufigsten ausge- übten Sportarten braucht es entweder gar keine Gemeinde- sportanlagen oder sie sind in ausreichender Zahl vorhanden SwissInfraSport 2011 7
Tatsache ist aber auch: Um die steigende Nachfrage zu decken, fehlt es z.T. an Anlagen für den Freizeitsport und den Vereinssport (Hallen, Fussballplätze, Infrastruktur für kleinere Sportarten) SwissInfraSport 2011 8
Umfrage zum Vereinssport sagt: • 73% der Vereine nutzen öffentliche Sportanlagen • 50% der Vereine nutzen ausschliesslich öffentliche Anlagen • 20% (insgesamt 6% ausschliesslich) nutzen auch private Anlagen • Vereinseigene Anlagen besitzen v.a. Schützen-, Tennis-, Golf-, Segel-, Curling- und Kampfsportvereine • 2/3 der Vereine brauchen in nächster Zeit keine neuen Anlagen, die anderen orten Handlungsbedarf Die Umfrage wurde 2010 unter 6000 Vereinen vom Observatorium Sport und Bewegung Schweiz durchgeführt (www.sportobs.ch) SwissInfraSport 2011 9
Gemeinden bauen Sportanlagen… weil: • sie verpflichtet sind, pro Woche und Schulklasse 3 Std. Sportunterricht zu erteilen • die lokalen Sportvereine für ihre Tätigkeit (normierte) Anlagen brauchen • sie auch etwas für den Freizeitsport anbieten wollen • sie politischem Druck nachgeben müssen/wollen Geplant und gebaut werden in 1. Modell der inzwischen gebauten Sport- Priorität Hallen, Fussballplätze und anlage Heerenschürli in Zürich: auf der Schwimmbäder (gemäss Normen) „Fussballanlage“ wurden auch andere Sportarten berücksichtigt SwissInfraSport 2011 10
Was gelegentlich zu kurz kommt, sind • Anlagen für die sich niemand stark macht • Sportanlagen für den nicht organisieren Sport • Konzepte, die Schulsport, Vereinssport und Freizeitsport verbinden • Flexible Lösungen, damit neue Trends jederzeit aufge- nommen werden können • Generell mutige neue Ideen Freizeitsportanlagen und öffentlich zugängliche Bewegungsräume könnten oft problemlos in Sportanlagenprojekte integriert werden (Beispiel Sportanlage Heerenschürli, Zürich) SwissInfraSport 2011 11
Pflicht und Kür in der Sportanlagenplanung • Turnhallen für Schulen sind Pflicht • Kantone verlangen meistens auch Aussenanlagen Nicht vorgeschrieben - aber faktisch Pflicht für sportliche Gemeinden: • Hallen und Aussenanlagen für den Vereinssport • Je nach Gemeindegrösse auch Bäder, Eisbahnen, Lauf- Jede Schule in der Schweiz ist verpflichtet, parcours usw. von der 1.-9. Klasse drei Stunden Sport- unterricht pro Woche zu erteilen. Deshalb hat es praktisch in allen Gemeinden eine oder mehrere Turnhallen. SwissInfraSport 2011 12
Alles andere ist Kür … (kann aber zur Pflicht werden, wenn die Bevölkerung will) • In den 83 Mitgliederverbänden von Swiss Olympic werden ca. 100 Sportarten ausgeübt, davon ca. ein Dutzend in „normalen“ Sporthallen und auf Rasensport- anlagen • Für alle anderen Sportarten braucht es Spezialanlagen, z.B. Schwimmen Boccia Baseball Leichtathletik Fechten Rollhockey Sportschiessen Golf Eiskunstlauf Schneesportarten Squash Tennis Eine Baseballanlage gehört sicher nicht Kampfsportarten Kanu Eishockey zu den Pflichtaufgaben. Wenn jedoch Sportklettern Segeln div. Outdoor- keine Infrastruktur für Randsportarten Wasserspringen Rudern sportarten gebaut würde, wäre unser Sportangebot um viele Sportarten ärmer! SwissInfraSport 2011 13
Die ideale Gemeindesportanlage • erfüllt die Bedürfnisse der Schulen • eignet sich für die in den Vereinen der Gemeinde ausgeübten Sportarten • ist offen für den Freizeitsport ausserhalb der Vereine • entspricht den finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde (Tragbare Investition / Nettoaufwand für Betrieb im budgetierten Rahmen) Gesucht wird oft die eierlegende Wollmilchsau SwissInfraSport 2011 14
Ein paar Bemerkungen zu Normen Welche Anlage ist attraktiver? Das rechteckige Schwimmbecken oder die Bäderlandschaft? Da Bäderlandschaften für Schwimm- unterricht und Klubtrainings ungeeignet sind, werden sie von Gemeinden sehr selten gebaut SwissInfraSport 2011 15
Normen sind notwendig – sie sind aber nicht heilig • Der organisierte Sport braucht normgerechte Anlagen • Normen sind also eine wichtige Basis für Bauherren und Planer • Normen sollten aber nicht stur angewandt werden z.B: Schulsport-Normen Kt. ZH: - Turnhalle 16 x 28 m pro 10 Kl. - Spielwiese 45 x 90m - Allwetterplatz 26x40 / 30x50 - Geräte-, Sprung-, Stossanlage - ev. Spielgarten/Kleingerätepl. Für Schule OK, für übrige Nutzende? In den alten Normen vor 2009 wurden für die Primarschule noch Turnhallen von 12x24m empfohlen SwissInfraSport 2011 16
Normen = Minimalanforderungen Die Minimalanforderungen sind nicht in jedem Fall zu empfehlen: • Wenn es an Fussballplätzen mangelt ist es fahrlässig, eine Schulspielwiese von 45x90m zu bauen. Ein richtiges Fussballfeld von 64x100m wäre sinnvoller. • Wer Handball oder Unihockey spielen will, plant statt 2 Ein- fachhallen (896m2) besser eine Doppelhalle mit 20x40m-Spiel- feld (22x44m-Halle = 968m2) oder eine Dreifachhalle. Dank Kinderfussball sind einige Schul- spielwiesen nun wenigstens für diese • Sogar bei Sprunganlagen wäre Kategorie nachträglich doch noch eine Doppelnutzung möglich normgerecht geworden SwissInfraSport 2011 17
Kombination Schulturnhalle/Wettkampfanlage Eine Dreifachhalle, die tagsüber durch die Schule benutzt wird, lässt sich (mit Zuschauer- galerie und Auszugtribüne) problemlos in eine Wettkampfanlage verwandeln SwissInfraSport 2011 18
Kombination Weitsprung/Beachvolleyball Die Kombination einer Schulsport-Sprung- bzw. Stossanlage mit einem Beachvolleyball- feld ist zwar nicht ganz perfekt – kommt bei der Jugend aber sicher gut an SwissInfraSport 2011 19
Zum Schluss ein paar (vielleicht nicht ganz unbestrittene) Thesen 1. Die Gemeinden müssen nicht auf jeden neuen Trend eine Antwort haben. Man darf auch mal etwas dem Markt und der Privatinitiative überlassen. 2. Die Sportpolitik der Gemeinden sollte aber transparent sein: jede Gemeinde braucht ein Sportleitbild und ein Sportanlagen- konzept. Diese Konzepte sollte sie nicht im „stillen Kämmerlein“ entwickeln. 3. Zu viel Mitbestimmung kann aber auch schädlich sein! Wer alle mitreden lässt und alle Bedürfnisse berücksichtigen will, gefährdet die Umsetzung. 4. Nicht alle Sportanlagen müssen zu 100% mit Steuergeldern realisiert werden – es gibt auch noch andere Möglichkeiten SwissInfraSport 2011 20
Mitbestimmung als Chance und Risiko • Jede Gemeinde braucht ein Sportkonzept bzw. eine Sportanlagen-Strategie • Sie würde eine Chance ver- passen, wenn sie ihre Konzepte im stillen Kämmerlein erarbeiten würde • Die Bedürfnisse der Vereine und der Sport treibenden Bevölkerung müssen in die Konzepte einfliessen • Aber Vorsicht: man kann auch Wer zu viel verspricht, kann abstürzen! zu viel fragen! Eine unrealistische Strategie wird innert Kürze zum Bumerang (Verlust der Glaubwürdigkeit) SwissInfraSport 2011 21
Das Gemeindesportanlagenkonzept ist nur etwas wert, wenn es auch umgesetzt wird! • Keine Befragungen zulassen, die zu unrealistischen Wunschprogrammen führen • Keine Konzepte ohne Umsetzungsplan (Termine, Prioritäten, Finanzierung) • Den politischen Rahmen selbst abstecken (nicht dem Berater überlassen) • Lieber eine realistische 80%- Lösung als eine unerreichbare Utopie Es gibt Gemeinden, die ihr eigenes Gemeinde- Sportanlagenkonzept nicht einmal mehr auf der eigenen Webseite publizieren… SwissInfraSport 2011 22
Freizeitsport-Trends Nach wie vor Megatrends im Frei- zeitsport: Biken, Wandern/ Walking, Schwimmen, Skifahren, Joggen. Weiterhin aktuell sind auch: • Beachvolleyball • Streetball • Inline Skating / Skatboard • Streetsoccer usw. Erweitern Sie Ihre Sportanlagen- projekte mit attraktiven Freizeit- einrichtungen … …oder hat gar ein Bewegungspark im Budget Platz? Gemeinden müssen aber nicht jeden Trend erfüllen. Viele davon sind schneller verschwunden, als sie planen können…. (Bilder: Bossaball, Slacklining) SwissInfraSport 2011 23
Gemeinden müssen nicht alles selbst realisieren • Im Trend: Public Private Partnership • Erfolgreiche PPP-Bauten: - Stadien mit Mantelnutzung - Kommerziell interessante Objekte - Realisierungskonzepte, welche die Interessen der öffentlichen Hand und der Privaten verbinden (z.B. Land durch Gemeinde / Investition privat) • Gutes Modell, wenn es für alle Beteiligten stimmt • Problematisch: wenn die Folge- Auch privat erstellte Anlagen müssen unterhalten und erneuert werden. kosten „vergessen“ werden Amortisation und künftige Renovationen gehören deshalb in den Businessplan! SwissInfraSport 2011 24
Mögliche „Sünden“ bei PPP-Projekten • Gebühren für künftige Nutzer Funktionierenden PPP-Anlage: werden bei der Projektierung Aus der Jahresrechnung 2010 verschwiegen der AG Hallenstadion Zürich: • Künftige Erträge werden zu Aufwand für Reinigung, optimistisch prognostiziert Unterhalt, Reparaturen 0.8 Mio. • Aufteilung der Erträge wird zu Abschreibung auf spät diskutiert (wer erhält z.B. Sachanlagen 3.9 Mio. die Restaurationserträge) Aus der Bilanz: Abbau Passivsaldo* aus • Im Businessplan fehlen die Bauzeit (Verwendung späteren Unterhalts- und Bilanzgewinn) 1.4 Mio. Erneuerungskosten Rückzahlung Bank- • Die Amortisation der Darlehen darlehen 2.0 Mio. wird auf später verschoben *2006 noch 5,3 Mio. Bilanzverlust, wird 2011 voraussichtlich getilgt sein SwissInfraSport 2011 25
Zusammenfassung • Gemeinde-Sportanlagen: heute schon hoher Standard • Pflichtaufgaben werden fast überall erfüllt • Bevölkerung erwartet Anlagen für Freizeitsport: Kombi- Lösungen sind möglich • Public-Private-Partnership: nur ein gutes Modell, wenn auch die Folgekosten seriös gerechnet werden • Fitnessklubs und Wellness- Im Breitensport sind wir Weltmeister! tempel dem Markt überlassen Die Erhaltung und Modernisierung unserer Anlagen ist die wichtigste Aufgabe. SwissInfraSport 2011 26
Und ganz zum Schluss ein Tipp: mutig sein! • Normen sind gut – wenn in Ihrer Gemeinde jedoch etwas anders gefragt ist, dann tun sie es trotzdem! • Es muss nicht immer alles perfekt und für die nächsten 100 Jahre gebaut werden. • Bei Trendsportarten: Platz und Geld geben ist oft besser als selber entwickeln • Hilfreich: Informationen einholen bei anderen Gemeinden Sieht nach „hole in one“ aus… (z.B. über die ASSA) SwissInfraSport 2011 27
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Ich wünsche Ihnen bei Ihrer Tätigkeit für den Sport viele Treffer ins Lattenkreuz! Präsentation ist auf- geschaltet unter: assa-asss.ch (Beiträge/Sportinfrastruktur) und sportexperte.ch (Aktuelles) Fotos: Sportamt Stadt Zürich (7) Bundesamt für Sport (4) E. Hänni (8), Diverse (je 1) SwissInfraSport 2011 28
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