Gesunde und alte Hunde gehören zu den wichtigsten Zuchtzielen beim Hovawart
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Gesunde und alte Hunde gehören zu den wichtigsten Zuchtzielen beim Hovawart Nicht ohne Stolz rühmen die meisten Hovawartzüchter und -halter die Gesundheit und die hohe Lebenserwartung ihrer Hunde. Tatsächlich werden Hovawarte im Vergleich mit anderen Rassehunden ähnlicher Grösse alt. Und glücklicherweise gibt es keine (Erb)krankheiten, die beim Hovawart gehäuft auftreten. Glücklicherweise? Oder auch dank weitsichtiger Zuchtstrategie? Denise Gaudy, Zuchtwartin des Schweizerischen Hovawart Clubs SHC Der Hovawart ist ein gesunder und im Alter vitaler Hund, der für seine Grösse vergleichsweise alt wird. Laut Auswertungen unserer Zuchtdatenbank betrug die mittlere Lebenserwartung der Hovawarte in der Schweiz in den letzten fünf Jahren 11 Jahre und rund 3 Monate. Im Jahr 2011 hatten wir sogar einen Rekord: Die Hunde, die in diesem Jahr gestorben waren, hatten zum Todeszeitpunkt ein durchschnittliches Alter von 11 Jahren und mehr als 8 Monaten. In den letzten zehn Jahren betrug die Lebenserwartung 10 Jahre und 10 Monate. Und in den 40 Jahren zuvor, also ab dem Gründungsjahr des SHC 1960 bis 2000, wurden die Hovawarte durchschnittlich 9 Jahre und 8,5 Monate alt. Beim Betrachten dieser Zahlen fällt auf, dass die Lebenserwartung von Jahrzehnt zu Jahrzehnt stieg. Dies ist natürlich nicht nur das Verdienst einer verantwortungsbewussten Zucht, sondern auch der Tatsache zu verdanken, dass in der medizinischen Diagnostik und bezüglich medizinischer Behandlungsmöglichkeiten enorme Fortschritte erzielt worden sind und Hundehalter auch bereit sind, mehr Geld in die Therapierung ihrer Tiere zu investieren. In unserer Todesfallstatistik fällt weiter auf, dass die Hündinnen mehr als 1 Jahr älter werden als die Rüden. Dies ist in den über 50 Jahren Hovawartzucht in der Schweiz konstant gleich geblieben.
Die meisten Hovawarte sterben altershalber Neben der vergleichsweise hohen Lebenserwartung unserer Hovawarte gibt es laut unseren Statistiken auch keine hovawartspezifischen (Erb)krankheiten oder Krankheitsanfälligkeiten. Natürlich ist auch der Hovawart nicht gefeit vor gesundheitlichen Risiken, für die grosse Hunde generell prädisponiert sind, wie etwa die Magendrehung. Oder wie viele grosse Rassenvertreter leiden Hovawarte im Alter häufiger an Hinterhandschwächen als Artgenossen von kleinerer Statur. Im SHC sprechen wir ab 12 Jahren vom alten Hund. Betrachten wir die Todesursachen nach Kategorien (als Beispiel: „Krebs“ statt Knochen-, Magen- oder Prostatakrebs) ist „Alter“ die Todesursache Nummer eins. Darunter fallen alle Hunde, die über 12-jährig wurden und Zeit ihres Lebens nie ernsthaft krank waren. Wenn ein Hund trotz eines Herzleidens schon in jüngeren Jahren über 12-jährig wurde und schliesslich auch deswegen eingeschläfert werden musste, gilt als Todesursache sein Herzproblem. Wenn ein Hund aber bis 12-jährig nie Hinterhandprobleme hatte, und dann mit 14 Jahren wegen Hinterhandschwäche euthanasiert werden muss, gilt als Todesursache das Alter. Natürlich führen wir in der Datenbank noch die genauen Umstände auf, die altershalber zum Tod geführt haben. An zweiter Stelle auf der Liste der Todesursachen beim Hovawart figurieren Krebserkrankungen. Das durchschnittliche Todesalter wegen Krebs ist 8 Jahre und 9 Monate. Lange zeichneten sich keine Häufungen einer bestimmten Krebsart ab. Neuerdings müssen wir feststellen, dass Knochenkrebs 15 Prozent der Krebsfälle ausmacht. Nach „Alter“ und „Krebs“ folgen die verschiedensten Todesursachen ohne feststellbare Regelmässigkeiten. „Unfall“ ist übrigens bereits die dritthäufigste Todesursache bei unseren Hunden! Aussagekräftige Zahlen Unsere Statistik ist repräsentativ: In den Jahren 1980 bis 2000 sind im SHC 2199 Welpen geboren. Von diesen sind der Zuchtleitung bis jetzt von 54% Todesalter und –ursache gemeldet worden. Der Prozentsatz dürfte noch steigen, da ja von diesen Hunden noch nicht alle gestorben sind. Von den 5'500 in der Datenbank erfassten Hunden (dazu gehören natürlich nicht nur sämtliche in der Schweiz geworfenen Hunde, sondern auch deren (ausländische) Ahnen und die dem SHC gemeldeten Importhunde) kennen wir von 1'770 das Todesalter, die Todesursache und meistens die Krankheitsgeschichten – insofern sie eine haben. Es ist also nicht bloss eine subjektive Wahrnehmung, sondern eine statistisch belegte Tatsache, dass unsere Hunde im Allgemeinen gesund sind und vergleichsweise alt werden, viele von ihnen sogar sehr alt. Letztes Jahr zum Beispiel habe ich in meinem Jahresbericht geschrieben: „25 der 62 als verstorben gemeldeten Hunde wurden 12 oder mehr Jahre alt; 22 Hunde mehr als 13-jährig; 8 Hunde überschritten das Alter von 14 Jahren; 3 wurden 15-jährig oder älter und 2 Hunde liessen bei ihrem Tod sogar ihren 16. Geburtstag deutlich hinter sich.“ Datensammlung zur Zuchtüberwachung Seit der Gründung des Hovawart Clubs vor 53 Jahren herrschte die Devise: Ehrlichkeit und Transparenz zu Gunsten der Zucht von gesunden (und natürlich wesensfesten) Hunden. Alle Daten wie Röntgen- und andere tierärztliche Befunde, Körresultate, Todesalter und – ursachen etc. wurden akribisch gesammelt und in den Jahresberichten publiziert. Züchter und Besitzer waren stolz, die Namen ihrer Hunde darin zu lesen. Dies hat in unserem Club zu einer Tradition geführt, der Zuchtleitung zuchtrelevante Informationen zu melden, an der sich bis heute nichts geändert hat. Die Tendenz ist sogar immer noch zunehmend. Schätzungsweise zwischen 80 und 90 Prozent der Hovawartbesitzer in der Schweiz sind SHC-Mitglieder. Meistens bleiben sie dem Züchter und dem Club das Hundeleben lang treu – natürlich in erster Linie wegen der Beratung in Hovawartfragen. Und viele von ihnen sind schon seit vielen Jahren Mitglied und hatten schon mehrere Hovawarte. Vor ein paar
Jahren haben wir bei allen SHC-Mitgliedern eine umfangreiche Gesundheitsumfrage gemacht, durch die auch noch fehlende Daten von bereits verstorbenen Hunden nachgereicht wurden. Aus zuchtstrategischer Sicht ist das Sammeln und Auswerten von Zuchtdaten ein zentraler Punkt der Überwachung der Zucht, denn so kennen wir die Biografien unzähliger Hunde von der Geburt bis zum Tod und können Auffälligkeiten erkennen auch betreffend Gesundheit und Krankheiten. Überwachung allein genügt nicht Selbstverständlich fängt die Umsetzung von Zuchtzielen mit der Zuchtauslese und der Paarungsplanung an. Dies gilt auch für die Zuchtziele Gesundheit, physische Robustheit, hohe Lebenserwartung und Vitalität im Alter. So braucht es für die Ankörung eines Hundes eine bestandene Exterieurbeurteilung, die von zwei Hovawart-Spezialrichtern gemäss Standard durchgeführt wird. Dabei legen wir ganz besonders Wert auf korrekte Gebäude und ideale Körperproportionen zu Gunsten eines funktionellen Bewegungsapparates und optimaler Bewegungsabläufe. Ausnahmen gibt es keine. Hunde mit Übergrösse werden beispielsweise abgelehnt, auch wenn die Ankörung lediglich daran scheitert. Weiter wird in der Schweiz seit Ende der Sechzigerjahre ausschliesslich mit HD-freien Hunden gezüchtet. Seit der Einführung der HD-Grade A bis E darf ein Hund mit HD-B nur mit einem HD-A-Zuchtpartner gepaart werden. Punkto HD liegt der Rassendurchschnitt zwischen HD-A und HD-B; und zwar deutlich näher bei HD-A. Zur Vermeidung von Erbkrankheiten werden zuchthygienische Massnahmen ergriffen bei Auftreten von Lebershunt und Katarakt: Elterntiere und Vollgeschwister betroffener Hunde werden zur Zucht gesperrt. Vorläufig gibt es keine für den Hovawart validierten Gentests zur Identifizierung von Trägern von Erbkrankheiten, weshalb wir vorläufig zu so rigorosen Massnahmen greifen. Diese nützen natürlich nur, wenn wir auch über das Auftreten von (Erb)krankheiten im Ausland Bescheid wissen, so dass etwa Importhunde mit den gleichen Auflagen zur Zucht zugelassen oder gesperrt werden. In Anbetracht der nicht sehr grossen
Hovawartpopulation in der Schweiz sind wir auf den Zuchtaustausch mit dem Ausland angewiesen. Und deshalb auch auf einen funktionierenden Informationsaustausch. Hunde, die im Zuchtalter an Hypothyreose, Morbus Cushing oder Sebadenitis erkranken, werden nicht zur Zucht zugelassen bzw. aus der Zucht genommen. Das waren vereinzelte Fälle von (eventuellen) Erbkrankheiten, mit denen wir bisher zu tun hatten. Generell halten wir die Augen offen und entscheiden im Einzelfall. Für Deckrüden gibt es keine Altersbeschränkung: Rüden, die bis ins hohe Alter gesund und vital geblieben sind, werden nach einer Pause, in der man gesehen hat, dass deren Nachzucht sich positiv entwickelt hat, gut und gerne auch im Alter noch einmal für einen Wurf in der Zucht eingesetzt. Wir haben tatsächlich Hunde aus ganz bestimmten Linien, die ausserordentlich alt werden. Künstliche Besamung ist nicht zulässig. Und Hündinnen, die mit Kaiserschnitt geboren haben, werden aus der Zucht genommen. Ein gesunder, instinktsicherer Rüde ist deckfähig und eine gesunde, instinktsichere Hündin kann auf natürliche Art und Weise ihre Jungen zur Welt bringen. Ein ganz wichtiger Bestandteil unserer Zuchtstrategie ist die umfassende Nachzuchtkontrolle: Mehr als 90 Prozent aller in der Schweiz gezüchteten Hovawarte kommen zur Junghundebegutachtung und einen weiteren hohen Prozentsatz sehen wir als erwachsene Hunde noch einmal an der Körung oder Erwachsenenbeurteilung für nicht zur Zucht vorgesehene Hunde. Beharrlichkeit und Konstanz Positiv auf die Zucht ausgewirkt hat sich im Lauf der Jahrzehnte bestimmt auch eine gewisse Beharrlichkeit und Linientreue bezüglich bewährter Zuchtstrategien, was seitens Zuchtleitung auch immer wieder Zivilcourage und Unbestechlichkeit erfordert und seitens Club strikte Reglementierungen und den Mut auch zu unbequemen Entscheiden. Ein grosses Plus der Schweizer Hovawartzucht ist sicherlich die Konstanz in der Verantwortlichkeit für die Zucht sowie die Gleichgesinnung punkto Zuchtziele und deren Umsetzung. Im sechsten Jahrzehnt Schweizer Hovawartzucht bin ich erst die vierte Zuchtwartin und auch mein Idealhund ist gesund, harmonisch gebaut, physisch und psychisch belastbar bei einer hohen Reizschwelle, aber dennoch temperamentvoll und vor allem instinktsicher, vital und anpassungsfähig bis ins Alter bei einer hohen Lebenserwartung. Das soll aber nicht heissen, dass nicht auch alte Zöpfe beispielsweise aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse abgeschnitten werden sollen, oder dass kein Umdenken stattgefunden hätte. Bis zum heutigen Tag unverändert geblieben ist die Grundhaltung, die von Zuchtverantwortlichen und Züchtenden gleichsam vertreten wird: 579 Würfe in 57 Jahren. Eine kleine aber feine und vor allem überschaubare Rassehundezucht. Qualität vor Quantität. Der Hovawart soll ein exklusiver Hund für Liebhaber bleiben und nicht zum Modehund oder Massenprodukt verkommen, was sich mit Sicherheit in vielerlei Hinsicht negativ auf die einzelnen Hunde auswirken würde – gerade auch auf deren Gesundheit. Blick zurück und nach vorn Ich bin überzeugt; nicht nur aber vor allem aufgrund einer engen Zusammenarbeit zwischen Züchtern und Rasseclub auf der Basis von Ehrlichkeit und Vertrauen und mit dem Ziel, am selben Strick zu ziehen, konnten unter anderem auch hochgradige Hüftgelenksdysplasie, extreme Gebäudefehler, zu schwere und derbe Typen, Zahnstellungsfehler praktisch ausgemerzt oder auf ein Minimum reduziert werden. Die vollständige Entschlüsselung des Genoms des Hundes mag für viele Rasseclubs, die mit schwer wiegenden Gesundheitsproblemen kämpfen, ein Segen sein, vor allem im Zusammenhang mit der Entwicklung von Gentests. Aus meiner Sicht und bezogen auf die Hovawartzucht möchte ich die neu zur Verfügung stehenden Instrumente allerdings auch
relativieren: Durch die rasant fortschreitende Forschungstätigkeit hat sich unter Hundezüchtern eine neue Wissenschaftsgläubigkeit und Euphorie breit gemacht hat, die zuweilen vergessen lassen, dass eine der ganz grossen Erkenntnisse des letzten Jahrzehnts auf dem Gebiet der Genetik auch ist, dass man von den ganzen Vererbungsvorgängen weniger weiss, als man bisher angenommen hatte, und dass es bereits wissenschaftliche Belege dafür gibt, dass die Gene auch von Lebenserfahrungen eines Individuums gesteuert werden. Ich bin sicher, dass die Natur auch heutzutage nicht aufhören wird, uns bei unserer züchterischen Tätigkeit hineinzufunken und immer wieder mit Überraschungen aufzuwarten. Ebenso glaube ich, dass die ganz grossen Fortschritte in der Hovawartzucht gemacht sind und sich die Zucht nicht mehr in dem Ausmass verbessern wird, wie dies bereits geschehen ist. In unmittelbarer Zukunft wird es in unserem Rasseclub in erster Linie darum gehen, den Qualitätsstandard zu erhalten, unsere Verantwortung weiterhin wahrzunehmen und zu unserem Erbe Sorge zu tragen. Auch das erfordert züchterisches Knowhow und ein breites Fachwissen. Aber auch Fingerspitzengefühl und die Fähigkeit, weiterhin auch auf die subtilen Zeichen der Natur und unserer Hunde zu achten. Alle Bilder: Die körperlich und geistig noch sehr präsente, fitte und entsprechend aktive Ximena von der Alten Aare im Alter von 15 Jahren und 8 Monaten. Meienried, 18. Oktober 2013
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