STADT DENKEN 5 IM GEDENKEN AN PAUL BÖRSCH - (1965 -2021)
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STADT DENKEN 5 – DIGITALISIERUNG UND ZEITPOLITIK INHALTSVERZEICHNIS 103 Digitalisierung als kommunales Geschäftsmodell 4 EDITORIAL Jens Libbe Julian Wékel 111 Zwangsentschleunigung als Chance? GRUNDSATZ Überlegungen zur zeitgerechten Stadt Caroline Kramer und Dietrich Henckel 11 Gesundheit, Resilienz und Krisenvorsorge – nicht nur in Zeiten der Pandemie Sabine Baumgart ORDNUNG UND GESTALT 21 Wie Deutschland bis 2035 klimaneutral 122 Zur Geschichte der Deutschen Akademie werden kann für Städtebau und Landesplanung – Einführung Sascha Samadi, Georg Kobiela, Paul Börsch, Tilman Harlander Impressum Thorsten Koska, Jenny Kurwan, und Johann Jessen Steven März, Dietmar Schüwer, STADT DENKEN 5 Annika Tönjes 124 Verantwortung für die Vergangenheit und für die Zukunft Hinweis: 32 Nachhaltigkeit in Zeiten von Tilman Harlander und Johann Jessen Rechtschreib-, Grammatik- und Zeichensetzungsfehler wurden durch ein Lektorat korrigiert. Um Geschlechterstereotype so weit wie möglich zu Globalisierung und Digitalisierung umgehen, wurde in den meisten Fällen das generische Maskulinum verwendet. Begriffe wie z. B. „Stadtplaner“ und „Architekten“ stehen für Tilman Santarius und Steffen Lange 130 Statements in der Diskussion des Beitrags Personen aller Geschlechter. Regina Sonnabend, Martin zur Nedden, Friedemann Kunst, Monika Thomas, Copyright: LEITBILDKORREKTUREN Sophie Wolfrum Das Copyright für die Texte liegt bei den Autoren. Das Copyright für die Abbildungen liegt bei den Fotografen /Inhabern der Bildrechte. Alle Rechte vorbehalten. 41 Stadt suffizient planen und bauen – 134 Kontinuitäten und Brüche in der Akademie ein neues Nachhaltigkeitsverständnis Johann Jessen Herausgeber: Hilmar von Lojewski im Auftrag des Präsidiums vom Wissenschaftlichen Sekretär 140 Die großen Themen der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) 55 Landschafts- und Freiraumentwicklung: Sophie Wolfrum Julian Wékel Basis suffizienter Stadtentwicklung? Berlin, 2021 Undine Giseke und Andrea Gebhard 148 Landesplanung und Robert Schmidt Michael von der Mühlen Redaktion und Koordination: Irene Gaus, Andrea Gebhard, Susan Grotefels, Johann Jessen, Regina Sonnabend, Uta Volkmann, Julian Wékel KOMMUNALE PFLICHTAUFGABEN UND RAUM 156 Städtebaurecht und Bodenreform Martin zur Nedden Lektorat: Fritz Doenges 67 Städte unter Pandemiebedingungen 164 Leseeindrücke einer Zeitzeugin Gestaltung und Satz: Dorothee Dubrau Irene Wiese-von Ofen Tion Kudlek, Uta Volkmann, Justine Wiethan 77 Der Boden als Klima-Akteur Verlag: Stefan Rettich 168 EPILOG – eine Schlussrede Wasmuth & Zohlen Verlag UG Paul Börsch Quedlinburger Straße 11 10589 Berlin 89 Klimaschutz braucht eine neue www.wasmuth-verlag.de Bescheidenheit! 172 Nachruf auf Paul H. Börsch Dieter von Lüpke Iris Reuther ISBN: 978 3 8030 2222 6
Autorenbild von Jenny Kurwan: © Rechte liegen bei der Autorin weitere Autorenbilder: © Wuppertal Institut / S. Michaelis / J. Winkler von links: Sascha Samadi Georg Kobiela Die vom Wuppertal Institut für Thorsten Koska Fridays for Future durchgeführten Jenny Kurwan Analysen legen nahe, dass das Erreichen von CO²-Neutralität bis 2035 aus techni- Steven März scher und ökonomischer Sicht zwar extrem Dietmar Schüwer anspruchsvoll wäre, grundsätzlich aber Annika Tönjes möglich ist. Diese Zielsetzung wäre in allen Sektoren mit großen Herausforderungen verbunden und würde beispiellose politi- sche Anstrengungen erfordern. Die Autor*innen des Wuppertal Instituts Die Autor*innen sind am Wuppertal Institut in den Abteilungen „Zukünftige Energie- und Industrie- systeme“ und „Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik“ tätig. Sie haben an der Studie „CO² -neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze“ für Fridays for Future Deutschland mitgearbeitet, die im Oktober 2020 erschienen ist. Im Rahmen der Studie war Dr. Sascha Samadi für das Kapitel zur Energiewirtschaft verantwortlich. Dr. Georg Kobiela leitete das Projekt. Thorsten Koska hat das Kapitel zum Verkehr verfasst. Jenny Kurwan und Annika Tönjes haben in der Studie abgeleitet, was die Ziele des Pariser Klimaabkommens für das deutsche CO² -Restbudget bedeuten könnten und haben eine Metaanalyse bestehender Klimaschutzszenarien durchgeführt. Für das Kapitel zu den Gebäuden waren Dr. Steven März und Dietmar Schüwer zuständig. Wie Deutschland bis 2035 klimaneutral werden kann 1. Einleitung und verfügbares CO² -Budget „Wie kann Deutschland einen gerechten Beitrag Der vorliegende Beitrag fasst wesentliche Ergeb- zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 nisse der Studie „CO²-neutral bis 2035: Eckpunk- Grad Celsius leisten?“ Anfang 2020 bat Fridays for te eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der Future Deutschland das Wuppertal Institut, diese 1,5-Grad-Grenze” (Wuppertal Institut 2020) zu- Frage aus wissenschaftlicher Sicht zu beantworten. sammen. 20 21 Verkehrsstau in der Stadt © Pixabay / Wolfgang Eckert
Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen verpflich- CO² ausgestoßen werden, um die 1,5-Grad-Grenze Die Klimaziele der Bundesregierung im Verhältnis zum deutschen CO2-Budget tete sich die internationale Staatengemeinschaft mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent einzu- Ende 2015 völkerrechtlich verbindlich, den Anstieg halten (IPCC 2018).1 der durchschnittlichen Erdtemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen. Die Frage, wie dieses globale CO²-Budget auf die Das Intergovernmental Panel on Climate Change einzelnen Länder der Erde gerecht verteilt werden (Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderun- kann, lässt sich wissenschaftlich nicht eindeutig gen IPCC, wird in Deutschland meist als „Weltklima- beantworten. Die Antwort hängt davon ab, was als rat“ bezeichnet) zeigte 2018 in einem Sonderbericht, gerecht empfunden wird. Das Wuppertal Institut dass auch eine Begrenzung der Erderwärmung auf orientiert sich hierzu am Sachverständigenrat für unter 2 °C mit massiven Bedrohungen für das Le- Umweltfragen (SRU). Der SRU ermittelte in sei- ben auf der Erde verbunden ist (IPCC 2018). Unter nem Umweltgutachten 2020 ein CO²-Budget für anderem ist die Wahrscheinlichkeit, unwiderrufli- Deutschland auf Basis der Annahme, dass das ver- che Kipppunkte im Klimasystem auszulösen, be- bleibende globale CO² -Budget ab dem Zeitpunkt deutend höher als bei einer Erwärmung um 1,5 °C. der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens Deshalb fordert Fridays for Future, dass die deut- gleichmäßig auf alle Menschen der Erde aufge- sche Klimapolitik an der 1,5-Grad-Grenze ausge- teilt wird. Um die 1,5-Grad-Grenze mit einer Wahr- richtet werden soll. scheinlichkeit von 50 Prozent nicht zu überschrei- SRU CO²-Budget für 1,75 °C (67% Wahrscheinlichkeit)* SRU CO²-Budget für 1,5 °C (50% Wahrscheinlichkeit) ten, bliebe Deutschland gemäß dem SRU ab dem Klimaziele der Bundesregierung (alle THG-Emissionen**) Prognostizierte Minderung der energiebedingten CO²- Gleichzeitig ermittelte der IPCC in seinem Bericht Jahr 2020 noch ein Restbudget von 4.200 Millionen Emissionen 2020*** von 2018, wie viel CO² weltweit noch emittiert wer- Tonnen CO² (SRU 2020). den darf, um die Erderwärmung mit verschiedenen Abb. 2: Beispielhafter Emissionspfad zur Einhaltung des deutschen 1,5-Grad-Budgets Wahrscheinlichkeiten (33, 50 bzw. 67 Prozent) auf 1 Laut IPCC berücksichtigen diese Budgets mögliche Rückkopp- © Wuppertal Institut 2020, basierend auf SRU 2020 lungs- und Verstärkungseffekte im Erdsystem, wie z. B. die bestimmte Temperaturanstiege (unter anderem 1,5 °C zusätzliche Freisetzung von Kohlenstoff durch das Tauen der bzw. 1,75 °C) zu begrenzen. Demnach durften welt- Permafrostböden oder die Freisetzung von Methan aus Feucht- gebieten nicht. Ihr Einbezug könnte die Budgets um weitere ca. weit ab 2018 noch maximal 580 Milliarden Tonnen 100 Milliarden Tonnen CO mindern (IPCC 2018). ² Dieses Budget ist nur dann einzuhalten, wenn Klimaziele der Bundesregierung, die eine Reduk- 1,5-Grad-kompatible CO2-Emissionsentwicklung in Deutschland Deutschland bis zum Jahr 2035 CO² -neutral wird tion der Treibhausgas-Emissionen um 55 Prozent und die Emissionen in den unmittelbar vor uns lie- bis 2030 und eine weitgehende Treibhausgasneu- genden Jahren besonders stark sinken (vgl. Abb. 1). tralität bis 2050 vorsehen, bei Weitem nicht aus, SRU CO²-Budget für 1,5°C (50% Wahrscheinlichkeit), konstante Emissionen Binnen der nächsten fünf bis sechs Jahre müssen um einen nach der Perspektive des SRU gerechten SRU CO²-Budget für 1,5°C (50% Wahrscheinlichkeit), lineare Reduktion sich die deutschen Treibhausgasemissionen dem- Beitrag zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zu leis- Beispielhafter 1,5-Grad-kompatibler Reduktionspfad bis 2035 nach etwa halbieren, was einer mittleren Reduk- ten. Selbst die derzeit diskutierte Verschärfung des tion von 60 bis 70 Millionen Tonnen CO² pro Jahr Minderungsziels auf minus 65 Prozent würde das entspricht. Ein Vergleich mit der durchschnittlichen Budget noch erheblich überschreiten (vgl. Abb. 2).2 jährlichen Reduktion der CO² -Emissionen in den Abb. 1: Jahren 2010 bis 2018 von nur 10 Millionen Tonnen 2 Hierbei ist zu beachten, dass die Klimaziele alle THG-Emissionen Beispielhafter Emissions- umfassen, während das Emissionsbudget ausschließlich CO be- pfad zur Einhaltung des (UBA 2020) zeigt, dass hierfür tiefgreifende Ver- ² inhaltet, wodurch sich eine Ungenauigkeit im Vergleich ergibt. deutschen 1,5-Grad-Budgets änderungen unseres Energie- und Wirtschaftssys- Da CO allerdings im Jahr 2018 für 88 Prozent der deutschen © Wuppertal Institut 2020, ² THG-Emissionen verantwortlich war (UBA 2020), erscheint der basierend auf SRU 2020 tems notwendig sind. Auch reichen die aktuellen Vergleich dennoch in erster Näherung aussagekräftig. 22 23
Das Budget, das vom SRU für Deutschland ermit- zi et al. 2018, Low & Schäfer 2020) und bedarf noch möglichst ohne dabei jedoch den städtebaulichen Um eine neue Dynamik hin zu einem klima telt wurde, erscheint im direkten Vergleich mit aktu- erheblicher Forschungsanstrengungen. Charakter der Quartiere negativ zu beeinflussen. neutralen Gebäudebestand bis 2035 zu entwi- ellen politischen Zielsetzungen sehr knapp. Dabei Der Wohnraum soll ferner alten- und familien ckeln, gilt es gesellschaftlich tragfähige Antworten sollte aber nicht vergessen werden, dass es durch- In den folgenden Kapiteln wird skizziert, welche gerecht und damit Heimat für Jung und Alt sein auf die folgenden drei Fragen zu finden: aus Argumente dafür gibt, warum sogar ein noch weitreichenden Änderungen in den Sektoren Ge- und vor allem bezahlbar bleiben. Dabei sollen die geringeres Restbudget angesetzt werden könnte. bäude, Verkehr, Industrie und Energiewirtschaft Maßnahmen für die Immobilieneigentümer jedoch • Wie viel Wohnfläche ist genug? Einerseits bietet das hier verwendete Budget ledig- voraussichtlich umgesetzt werden müssen, damit stets wirtschaftlich bleiben (März 2019). Klima • Wie energieeffizient sollten die Gebäude sein? lich eine 50-prozentige Chance auf die Einhaltung diese Sektoren bis 2035 CO²-neutral werden können. neutralität im Gebäudesektor muss daher stets un- • Wie sollten die Gebäude beheizt werden? der 1,5-Grad-Grenze und berücksichtigt zudem kei- ter Abwägung energetischer, städtebaulicher und ne Rückkopplungseffekte im Erdsystem (siehe Fuß- Dafür führte das Wuppertal Institut eine Meta- sozioökonomischer Belange diskutiert werden. Die Pro-Kopf-Wohnfläche ist in Deutschland in den note 1). Andererseits bleiben bei der hier gewählten analyse verschiedener Klimaschutzszenarien für letzten Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen, Pro-Kopf-Zuteilung des Budgets auf die Weltbevöl- Deutschland4 durch, die auf Basis von Energiesys- Der Gebäudesektor war 2018 für ca. 30 Prozent von rund 19 m² Anfang der 1960er Jahre auf 35 m² kerung ab dem Jahr 2016 historische Emissionen temmodellen Pfade hin zu (weitgehender) Treib- der direkten (Gas und Öl) sowie indirekten (Strom im Jahr 1990 und knapp 47 m² im Jahr 2018. Viele unberücksichtigt. Früh industrialisierte Länder wie hausgasneutralität bis 2050 skizzieren. Mittels des und Fernwärme) deutschen Treibhausgasemissi- Energieszenarien gehen für die Zukunft von einem Deutschland, die historisch bereits einen großen so gewonnenen Verständnisses, wie nach heuti- onen verantwortlich (UBA 2020). Am Endenergie- weiteren Anstieg aus. Klimaneutralität bis 2035 Teil der Erderwärmung verursacht haben, werden gem Wissensstand ein klimaneutrales Energiesys- verbrauch haben Wohn- und Nichtwohngebäude wird jedoch voraussichtlich nur möglich sein, wenn so nicht verstärkt in die Verantwortung gezogen. tem grundsätzlich aussehen könnte, wurden Pfade sogar einen Anteil von rund 40 Prozent, mit einem das Pro-Kopf-Flächenwachstum gestoppt oder bes- Andererseits könnte argumentiert werden, dass entwickelt, wie die verschiedenen Sektoren durch Verbrauch von gut 1000 TWh im Jahr 2018. Rund ser noch umgekehrt werden kann. das Budget größer ausfallen könnte, wenn der in- beschleunigte und intensivierte Maßnahmen bis zwei Drittel entfallen dabei auf den Wohn- und ein ternationale Emissionszertifikate-Handel und die 2035 (statt bis 2050) CO²-neutral werden können. Drittel auf den Nichtwohngebäudebestand (AG Eine Schlüsselrolle hin zu einem klimaneutralen Umsetzung negativer Emissionen zukünftig neue Dabei liegt der Fokus auf der Transformation des Energie bilanzen 2020). In Bezug auf den Klima- Gebäudebestand kommt der Energieeffizienz zu. Spielräume eröffneten. Die Umsetzbarkeit und deutschen Energie- und Industriesystems, das für schutz hat der Gebäudesektor seit 1990 durchaus Eine Steigerung der energetischen Sanierungs- ethische Vertretbarkeit eines internationalen Han- annähernd 100 Prozent des deutschen CO² -Aussto- Erfolge zu verzeichnen. So sind die CO² -Emissi- rate sowie der Sanierungstiefe reduziert den dels mit Emissionsrechten, bei denen Industrie ßes und für knapp 90 Prozent der deutschen Treib- onen im Gebäudesektor zwischen 1990 und 2019 Endenergie bedarf von Gebäuden. Insbesonde- nationen Emissionsrechte von ärmeren Ländern hausgasemissionen verantwortlich ist (UBA 2020). um rund 40 Prozent gesunken (UBA 2020). Dieser re die Neubaustandards bleiben weit hinter den zukaufen können, ist allerdings umstritten (Bum- Nicht diskutiert wird damit die ebenfalls notwendi- Emissionspfad flachte jedoch seit 2010 deutlich ab, technischen Potenzialen zurück und sollten sich pus & Liverman 2010, Cabello & Gilbertson 2012, ge Transformation der Landwirtschaft. Dies bleibt sodass sich der Raumwärme- und Warmwasser- am KfW-40- oder Passivhausstandard orientieren. Dehm 2016).Auch dürfte der Spielraum bei dem zukünftigen Studien vorbehalten. bedarf seitdem kaum merklich verringerte (dena Bei der Bestandssanierung sollten möglichst Stan- geringen globalen 1,5-Grad-Restbudget ohnehin 2019). Effizienzgewinne wurden insbesondere von dards in Richtung KfW-55 oder Passivhaus einge- eher klein sein. Die großmaßstäbliche Realisierung 2. Gebäude der zunehmenden Wohnfläche „aufgefressen“ (Re- halten werden. Hohe energetische Standards sind negativer Emissionen3 muss aus heutiger Sicht als Gebäude sind Orte, an denen wir wohnen, leben bound-Effekt). Die energetische Sanierungsrate, vielfach auch Grundvoraussetzung für eine ener- unsicher angesehen werden (Smith et al. 2016, Len- und arbeiten. Entsprechend unterschiedlich sind eine zentrale Steuerungsgröße hin zur Klimaneutra- gieeffiziente und wirtschaftliche Elektrifizierung der die Anforderungen, die an sie gestellt werden. Der lität, bleibt seit vielen Jahren bei rund einem Prozent Beheizung durch Wärmepumpen, die in allen vor- 3 Grundgedanke negativer Emissionen ist, dass CO der Atmo- Gebäudebestand soll für das Erreichen der Klima- pro Jahr deutlich hinter dem politischen Ziel von liegenden Klimaschutzszenarien, neben der „grü- ² sphäre entzogen wird und hierdurch an anderer Stelle ent- ziele energetisch anspruchsvoll saniert werden, zwei Prozent zurück (Cischinsky & Diefenbach 2018; nen Nah- und Fernwärme“ (aus erneuerbarer Wär- stehende Emissionen kompensiert werden, somit Netto ent- sprechende Null-Emissionen entstehen. Technisch kann dies Diefenbach et al. 2010). Das Investitionsvolumen für me bzw. industrieller und kommunaler Abwärme), beispielsweise durch eine Kopplung der Nutzung von Biomasse mit fester Kohlenstoffabtrennung oder CO -Abtrennung und energetische Sanierungen stagniert und noch im- eine zentrale Rolle bei der Beheizung einnehmen. ² Speicherung (CCS: Carbon Capture and Storage), durch eine 4 Analysiert wurden ausgewählte Klimaschutzszenarien, in denen Kopplung von Verfahren der Abtrennung von CO aus der Um- die deutschen energiebedingten CO² -Emissionen bis 2050 um mer werden neue Heizungsanlagen in knapp vier ² gebungsluft (DAC: Direct Air Capture) mit CCS sowie durch die 95 bis 100 Prozent reduziert werden. Eine Auflistung der betrach- von fünf Fällen mit fossilen Energieträgern (vor al- Daraus ergeben sich vier zentrale Stellschrauben Stärkung natürlicher Senken durch Wiedervernässung von Moo- teten Szenarien findet sich auf Seite 34 der Studie (Wuppertal ren oder Aufforstungsmaßnahmen erreicht werden. Institut 2020). lem Erdgas und Heizöl) betrieben (dena 2019). für die nächsten 15 Jahre: 24 25
1. Förderung der Flächensuffizienz. Es gilt, den Damit ein klimaneutraler Gebäudebestand Realität Treibhausgasemissionen in Deutschland verant- Strategien der Verkehrswende Flächenverbrauch von Wohn- und Gewerbe wird, braucht es eine neue ordnungs-, fiskal- und wortlich. Die notwendige massive Reduzierung der Treib- flächen (z. B. spezifische Pro-Kopf-Wohnfläche) förderpolitische Rahmensetzung auf Bundes- und hausgasemissionen ist nur durch die Kombination zu begrenzen bzw. zu reduzieren. Landesebene. Anlassbezogene Sanierungsver- Ein Grund für die unverändert hohen Emissionen verschiedener Strategieansätze erreichbar: eine Ver- 2. Erhöhung der energetischen Sanierungsrate pflichtungen (z. B. bei Vererbung oder Verkauf), ein ist der wachsende Personen- und Güterverkehr, der ringerung des Verkehrs, die Verlagerung auf effizi- von heute 1 Prozent auf jährlich circa 4 Pro- rascher Anstieg des CO²-Preises, verbindliche ge- die in der Vergangenheit realisierten technischen ente und klimafreundliche Verkehrsmittel (Fuß- und zent aller Gebäude bis 2035. Dies wäre ein his- bäudespezifische Sanierungsfahrpläne sowie ein Effizienzgewinne wieder zunichte gemacht hat. So Radverkehr, Öffentlicher Verkehr und Sharing-Mo- torisch noch nie erreichter Umfang und läge Ausstiegsfahrplan für fossile Heizungssysteme, die ist die Fahrleistung von Pkw und Lkw zwischen bilität), Verbesserungen der Effizienz von Fahrzeu- auch deutlich über dem politischen Ziel der Qualifizierung von Handwerkern und die Förderung 1990 und 2018 um rund 30 % von 574 auf 751 Mrd. gen und des Verkehrssystems sowie der Umstieg Bundesregierung von 2 Prozent. Diese Zieler- des seriellen Sanierens,5 Sanierungsprozesse selbst km gestiegen (DIW et al. 2019). Größere Pkw mit auf erneuerbar betriebene Verkehrsmittel, darun- reichung erfordert – neben einer erhöhten Ver- beschleunigen und damit die Einstiegshürde für höherem Gewicht und stärkerer Motorisierung tra- ter Elek tro fahrzeuge und Brennstoffzellenantrie- bindlichkeit – völlig neue Multiplikator-Ansätze eine ambitionierte energetische Sanierung senken.6 gen dazu bei, dass sich die Effizienzverbesserungen be. Ein alleiniger Fokus auf erneuerbare Antriebe in der Umsetzung (z. B. serielles Sanieren, One- Sie können zudem Wärmeversorgungspläne zur in der Technik nicht in geringeren Energiebedarfen reicht nicht zur Erreichung der Klimaziele. Durch die Stop-Shops, s. u.). Dabei sollten idealerweise strategischen Entwicklung grüner Nah- und Fern- und THG-Emissionen widerspiegeln – in den letzten Verkehrsverlagerung sind etwa deutlich größere der KfW-Effizienzhaus 55- oder der Passivhaus- wärme oder eigene Förderprogramme entwickeln. 15 Jahren ist die Motorleistung neuer Pkw um 29 % Effizienzgewinne möglich als durch eine reine Fo- standard eingehalten werden. Wichtig bei allen Maßnahmen ist eine stets trans- gestiegen (KBA 2020). Die THG-Emissionen werden kussierung auf Fahrzeugantriebe: Die Bahn ist (bei 3. Rasches Verbot der Neuinstallation fossil be- parente Kommunikation, um die Akzeptanz bei Be- durch den fast ausschließlich fossil betriebenen durchschnittlichem Besetzungs-/Auslastungsgrad) triebener Heizungsanlagen. Die Bundesregie- wohnerinnen und Bewohnern sowie Eigentümer Straßenverkehr dominiert, der für über 90 % der um den Faktor 4,8 energieeffizienter als der Pkw rung hat sich im Klimaschutzprogramm auf das innen und Eigentümern zu sichern. Emissionen verantwortlich ist. Elektrofahrzeuge und um den Faktor 5,6 effizienter als der Lkw (vgl. Verbot der Installation von Ölheizungen ab 2026 machen erst 1,2 Prozent des Pkw-Bestands in BDI 2018). verständigt (Bundesregierung 2019). Wird eine 3. Verkehrssektor Deutschland aus. Und auch der Luftverkehr trägt gegenüber den Zielen der Bundesregierung Der Klimaschutz im Verkehr steht vor besonders in wachsendem Maße zu den Emissionen des Ver- Reduzierung von Verkehr deutlich schnellere Reduktion der Treibhausgas großen Herausforderungen. Zum einen liegt das kehrs bei – in der letzten Dekade ist das Passagier- Verkehr, der gar nicht erst entsteht, ist per se am emissionen angestrebt, muss dieses Verbot daran, dass das Verkehrssystem stark verflochten aufkommen um rund 40 % gewachsen. klima- und umweltfreundlichsten. Verkehrsvermei- schnellstmöglich – und flankiert mit entspre- ist mit anderen Sektoren und Gesellschaftsberei- dung bedeutet die Reduzierung von Wegen – zum chenden Unterstützungsmaßnahmen für die Ge- chen – von der Industrie bis zur Stadtplanung, vom Eine umfassende Verkehrswende hat nicht nur das Beispiel durch Homeoffice oder Videokonferenzen bäudebesitzerinnen und -besitzer – vorgezogen täglichen Weg zur Arbeit bis zur Abwicklung des Potenzial, die Treibhausgase massiv zu reduzie- – aber auch deren Verkürzung: Wer beim gut sor- und auch auf Erdgaskessel ausgeweitet werden. internationalen Handels. Zudem betrifft eine Ver- ren. Nachhaltige Mobilität ist aktiver Gesundheits- tierten Supermarkt um die Ecke einkaufen kann, 4. Versorgung von Restbeständen fossiler Hei- kehrswende unser aller tägliches Verhalten, dessen schutz, weil sie die Belastung mit Luftschadstoffen verursacht weniger Verkehr als mit einer Fahrt zum zungsanlagen über synthetische Energieträger. Veränderung vielfältige Voraussetzungen hat. und den Verkehrslärm verringert und für mehr Einkaufscenter am Stadtrand. Verkehrsvermeidung Je weniger Heizungskessel verbleiben und je Verkehrssicherheit sorgt: Heute sterben noch jähr- schränkt daher Mobilität nicht ein, sondern zielt da- umfassender die Gebäudedämmung gelingt, Zum anderen stagnieren die Treibhausgas (THG)- lich 3000 Menschen auf deutschen Straßen. Eine rauf ab, die gleichen Bedürfnisse mit weniger Ver- desto realistischer erscheint die Deckung des Emissionen im Verkehr seit 30 Jahren auf hohem andere Mobilität ist sozial gerecht, denn ein gut kehr befriedigen zu können. verbleibenden Brennstoffbedarfs mit erneuer Niveau, während die anderen Sektoren ihre Emissi- ausgebauter öffentlicher Verkehr und für alle sicher baren Energieträgern wie Wasserstoff oder onen in diesem Zeitraum deutlich senken konnten. nutzbare Fuß- und Radwege ermöglichen soziale Möglich wird dies u. a. durch eine kompakte Raum- synthetisches Methan. Stark steigende Ein- Der Verkehr ist gegenwärtig für rund ein Fünftel der Teilhabe. Und schließlich ist die Verkehrswende und Siedlungsentwicklung, die quartiersorientierte satzmengen biogener Energieträger dürften volkswirtschaftlich sinnvoll: Die externen Kosten Verdichtung von Versorgungsinfrastrukturen, eine angesichts der Flächenkonkurrenzen sowie des Straßenverkehrs durch Unfälle, Umwelt- und deutliche Reduzierung beim Neu- und Ausbau von 5 Siehe das niederländische Vorbild des „Energiesprong-Prinzip“: möglicher negativer ökologischer und sozialer www.energiesprong.de Klimabelastung summieren sich in Deutschland auf Straßen sowie die Förderung von Home-Office Auswirkungen nicht zielführend sein. 6 www.proretro.eu/de 149 Mrd Euro jährlich (Infras 2019). und Telekonferenzen. Zusammengenommen kann 26 27
der Verkehrsaufwand so um bis zu 20 % reduziert Effizienzverbesserung und Energiewende im usstieg für die Neuzulassung konventioneller A Größenordnung von zusammen mindestens 25 bis werden (UBA 2019). Auch die Entfernungen im Verkehr Pkw und Lkw setzen. Mit einem Phase-Out fossiler 30 GW erfordern würde. Im Durchschnitt der Jahre Güterverkehr können durch regionale Wirtschafts- Bei den Pkw-Antrieben ist Elektromobilität die ef- Kraftstoffe werden die verbliebenen Verbrennungs- 2018 bis 2020 wurden lediglich rund 6 GW pro Jahr kreisläufe reduziert werden. Unter anderem kann fizienteste und klimaschonendste Alternative zu fahrzeuge für eine Übergangszeit mit erneuerbar zugebaut (BWE 2021, Energy-Charts 2021). eine Erhöhung der Lkw-Maut Anreize dafür schaf- den konventionellen Antrieben: Die Energie wird erzeugten synthetischen Kraftstoffen betrieben. fen, Transportwege zu verkürzen. Im Güterverkehr hierbei rund doppelt so effizient verwertet wie bei Aus einigen vorliegenden Klimaschutzszenarien erscheint gegenüber heute eine Reduzierung um Brennstoffzellen-Fahrzeugen, die Wasserstoff tan- 4. Energiewirtschaft lässt sich auch ein niedrigerer jährlicher Ausbau- 10% realistisch. ken, und mehr als fünfmal so effizient wie bei syn- Die Energiewirtschaft ist der Schlüsselsektor für bedarf von rund 15 GW ableiten. Dies würde al- thetischen Kraftstoffen, die mit erneuerbarer Ener- das Erreichen von CO²-Neutralität. Sie wird in Zu- lerdings einen sehr großen Import klimaneutraler Verkehrsverlagerung auf den Umweltverbund gie erzeugt werden. Wenn ein Flottenaustausch hin kunft für die Endenergiesektoren Industrie, Verkehr Energieträger (wie zum Beispiel Wasserstoff) be- Für die Verlagerung des Pkw- und Luftverkehrs auf zu E-Autos bis 2035 umgesetzt werden soll, müs- und Gebäude klimaneutralen Strom, klimaneu dingen. Ob ein solch großskaliger Import bereits den Umweltverbund ist ein massiver Ausbau des sen – bei gleichzeitiger Verkleinerung der Flotte – 47 trale gasförmige und flüssige Energieträger sowie bis 2035 realisiert werden kann, muss aufgrund des Öffentlichen Verkehrs notwendig, sowohl im Nah- Mio. konventionelle Pkw innerhalb von 15 Jahren klimaneutrale Wärme über Nah- und Fernwärme- hohen Zeitbedarfs für die Planung und Umsetzung wie im Fernverkehr. Ein dichteres Streckennetz, durch 28 Mio. E-Autos ersetzt werden. Ab heute netze liefern (müssen). von Erzeugungsanlagen im Ausland und zugehöri- häufigere und pünktlichere Fahrten und eine bes- müssten im Schnitt jährlich rund 2 Mio. E-Autos gen Transportinfrastrukturen als sehr unsicher an- sere Abstimmung der Verbindungen im Rahmen ei- neu hinzukommen. Notwendig hierfür ist neben Eine ausreichende Bereitstellung von Strom auf gesehen werden. Aber selbst ein Zubau von 15 GW nes „Deutschlandtaktes“ können den Öffentlichen einer vollständigen Umstellung der Fahrzeugfer- Basis erneuerbarer Energien wird dabei eine zen- pro Jahr wäre im Vergleich mit dem Zubau der letz- Verkehr attraktiver machen. Rund die Hälfte des tigung ein Aufbau der nötigen Ladeinfrastruktur trale Rolle spielen, um die Endenergiesektoren in ten Jahre viel und immer noch mehr, als sich aus noch verbleibenden Straßenverkehrs mit Pkw und sowie Standards zum gesteuerten, netzdienlichen einen klimaneutralen Zustand zu bringen. In diesen den aktuellen Zielen der Bundesregierung ableiten Lkw kann auf die Schiene verlagert werden. Hier- Laden. Flottenemissions- und Effizienzregulierung, Sektoren wird zukünftig infolge neuer Anwendun- lässt (rund 10 GW pro Jahr bis 2030, nach Erneuer- zu ist eine Beschleunigung geplanter Projekte im Bonus-Malus-Systeme für die Kfz-Steuer und eine gen wie Elektroautos und Wärmepumpen verstärkt baren-Energien-Gesetz, 2021). Bundesverkehrswegeplan nötig, u. a. müssen stark Reform der Dienstwagenregelung können zudem Strom genutzt, um auf fossile Energieträger ver- belastete Netzknoten ausgebaut und Überhol Anreize zur Antriebswende und zur Erhöhung der zichten zu können. In der Energiewirtschaft erfor- Aufgrund des in den letzten Jahren sehr langsamen gleise geschaffen werden. Eine schnelle Digitali- Fahrzeugeffizienz setzen, die auch mit Downsizing dert die Transformation daher insbesondere einen Ausbaus der Windenergie an Land spricht vieles sierung erhöht die Kapazitäten des Schienennetzes. von Fahrzeuggröße und Motorisierung einhergeht. schnellen Umbau der Stromerzeugung auf 100 dafür, in den kommenden Jahren eine Beschleu- Auf lokaler Ebene kann ein dichteres ÖPNV-Ange- Prozent erneuerbare Energien. Dafür ist ein ge- nigung des Zubaus der Photovoltaik anzustreben, bot durch On-Demand-Dienste ergänzt werden, Im Güterverkehr ist eine differenzierte Struktur der genüber den vergangenen Jahren deutlich schnel- um eine möglicherweise auch in Zukunft unzu- die „Tür-zu-Tür-Mobilität“ in Verknüpfung mit dem Antriebstechnologien zu erwarten: Neben batterie- lerer Ausbau der Erneuerbare-Energien-Anlagen reichende Ausbaudynamik bei der Wind energie Öffentlichen Verkehr anbieten und so p erspektivisch elektrischen Lkw sind vor allem für den Schwer- notwendig. Insbesondere gilt dies für den Ausbau kompensieren zu können. Dabei ist jedoch ein eine „Haustüranschluss-Mobilität“ bieten. Intermo- last-Fernverkehr Brennstoffzellenantriebe sowie von Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen, denn Mindestzubau der Windenergie an Land in jedem dale Schnittstellen wie Mobilstationen im Personen Oberleitungs-Lkw mit kleinerer Batterie energetisch diese beiden Technologien werden aufgrund ihrer Fall nötig, der deutlich über den Werten der letzten verkehr und automatisierte Hubs für den kombinier- und wirtschaftlich effiziente Optionen. Für letztere großen Potenziale und niedrigen Erzeugungskos- Jahre liegen sollte. Vorliegenden Studien (wie z. B. ten Güterverkehr ermöglichen eine nahtlose Mobilität. müsste das Autobahnnetz mit Oberleitungen auf- ten den zukünftigen Strommix dominieren. Fath 2018) zufolge stellt das vorhandene Potenzi- gerüstet werden. Darüber hinaus sind auch im Gü- al zur Stromerzeugung aus Photovoltaik-Anlagen Durch eine Neuverteilung des Straßenraums, terverkehr Preisanreize über Kfz-Steuer, CO²-Steuer Auf Grundlage einer Analyse vorliegender Klima- keinen limitierenden Faktor dar. Insbesondere in sichere Rad- und Fußwege und Tempolimits kön- und Lkw-Maut sowie Effizienzregulierung wichtige schutzszenarien gehen wir davon aus, dass das Bezug auf Dachanlagen bzw. gebäudeintegrierte nen Rad- und Fußverkehr gefördert werden. In der Instrumente. Erreichen eines CO²-freien Energiesystem bis zum Anlagen weist die Photovoltaik zudem eine hohe Fläche verfügbare Sharing-Angebote ergänzen den Jahr 2035 einen durchschnittlichen jährlichen Aus- gesellschaftliche Akzeptanz und kaum nachteilige Umweltverbund. Die Autodichte in Städten könnte Zudem kann ein Phase-Out von Verbrennungs bau von Windenergieanlagen (auf dem Land und Effekte auf die Natur und den Flächenverbrauch so auf ein Drittel des heutigen Niveaus sinken. motoren den Rahmen für einen schrittweisen auf dem Meer) und Photovoltaikanlagen in einer auf. 28 29
Städte können beim Ausbau der Photovoltaik eine rechnen. Nur im Falle weitgehender Lebensstil Ein angemessener Beitrag Deutschlands zur Ein- Gesellschaft nicht möglich. Hierfür bedarf es insbe- wichtige Rolle spielen, z. B. indem sie Förder- und änderungen könnte der Bedarf niedriger liegen. haltung der 1,5-°C-Grenze ist vor allem ohne eine sondere einer gerechten, auf soziale Aspekte und Beratungsprogramme initiieren, ihre eigenen Ge- Zum Vergleich: Gegenwärtig liegt der jährliche Be- breite Zustimmung, Mitwirkung und Teilhabe der Teilhabe achtenden Gestaltung der Zielerreichung. bäude für Photovoltaik-Anlagen zur Verfügung darf an Erdgas und Mineralöl in Deutschland bei stellen oder die Erfordernisse der Photovoltaik ex- zusammen rund 2.000 TWh (AG Energiebilanzen plizit und frühzeitig bei der Umsetzung größerer 2021). städtebaulicher Projekte berücksichtigen. Klima-Demonstrantin „Fridays for Future“ © Flickr / Ivan Radic Zumindest ein Teil dieses Bedarfs kann zukünftig Die notwendige starke Beschleunigung des Aus- über eine inländische Erzeugung von Wasserstoff Foto in gedruckter Ausgabe verfügbar baus erneuerbarer Energien erfordert neue ener- mittels Elektrolyseuren gedeckt werden. Ökolo- giepolitische Maßnahmen. Eine Belebung des gisch sinnvoll sind Importe auf Dauer nur aus Ausbaus der Windenergie an Land wird nur über Ländern, die bereits eine vollständige eigene Be- ein Bündel an Maßnahmen erreicht werden kön- darfsdeckung mit erneuerbaren Energien erreicht nen, zu der eine stärkere Beteiligung der Anwoh- haben und die Wasserstoff bereitstellen können, nerinnen und Anwohner sowie der Kommunen der aus erneuerbaren Energiequellen stammt. am Betrieb von Windenergieanlagen bzw. an den Mit dem Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in von diesen generierten Einnahmen gehört. Im Be- Deutschland ließen sich auch entsprechende Wert- reich der Photovoltaik könnte über eine Installa- schöpfungseffekte und Innovationsimpulse aus- tions- bzw. Nutzungspflicht beim Neubau sowie lösen. Wird bis 2035 zumindest eine inländische bei Dachsanierungen und beim Eigentümerwech- Bereitstellung von 150 bis 200 TWh Wasserstoff sel nachgedacht werden. als notwendig angenommen, macht dies bis da- hin den Aufbau einer Kapazität an Elektrolyseuren Der Aus- und Umbau der Stromübertragungs- in Höhe von voraussichtlich mindestens 40 und und -verteilnetze muss für die Realisierung ei- bis zu 90 GW erforderlich (unter anderem in Ab- ner 100 Prozent erneuerbaren Stromversorgung hängigkeit der realisierbaren Volllaststunden der stark beschleunigt und die zeitliche Flexibilität Elektrolyseure). Die Bundesregierung strebt im der Stromnachfrage erhöht werden. Zudem müs- Rahmen ihrer Wasserstoffstrategie (Bundesregie- sen Kurz- und Langzeitspeicher wie Batterien und rung 2020) hingegen gegenwärtig bis 2035 eine Wasserstoffkavernenspeicher errichtet werden. entsprechende Kapazität in Höhe von nur maximal 10 GW an. Eine klimaneutrale Stromversorgung ist zwar eine notwendige, nicht jedoch eine hinreichende Be- 5. Fazit dingung für ein klimaneutrales Energiesystem. Die vom Wuppertal Institut für Fridays for Future Denn auch in Zukunft wird sich nicht der gesamte durchgeführten Analysen legen nahe, dass das Energiebedarf über Strom decken lassen. In einem Erreichen von CO²-Neutralität bis 2035 aus tech- klimaneutralen Energiesystem ist vorliegenden nischer und ökonomischer Sicht zwar extrem an- Studien zufolge für Deutschland mit einem Bedarf spruchsvoll wäre, grundsätzlich aber möglich ist. an Wasserstoff und gasförmigen sowie flüssigen Diese Zielsetzung wäre in allen Sektoren mit gro- synthetischen Energieträgern in einer Größen- ßen Herausforderungen verbunden und würde ordnung von etwa 400 bis 900 TWh pro Jahr zu beispiellose politische Anstrengungen erfordern. 30 31
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