Statistikbericht Zu Lebenslagen wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen in Deutschland - Lebenslagenbericht - BAG ...
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BAG Wohnungslosenhilfe e.V. Statistikbericht Zu Lebenslagen wohnungsloser und von W ohnungslosigkeit bedrohter Menschen in Deutschland – Lebenslagenbericht Berichtsjahr 2019 Sarah Lotties
Inhalt 1 Das Dokumentationssystem zur Wohnungslosigkeit (DzW)...................................................... 3 1.1 Der Basisdatensatz des DzW................................................................................................................. 3 1.2 Strukturdaten 2019: Umfang, Zusammensetzung und Repräsentativität.......................... 3 2 Auswertung der DzW-Daten.................................................................................................................... 5 2.1 Nutzung der Angebote der Wohnungslosenhilfe........................................................................... 5 2.2 Geschlecht..................................................................................................................................................... 6 2.3 Altersstruktur............................................................................................................................................... 6 2.4 Unterkunftssituation................................................................................................................................. 6 2.5 Auslöser und Grund der (drohenden) Wohnungslosigkeit........................................................... 9 2.6 Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund.........................................................................11 2.7 Bildung und Berufsabschluss..............................................................................................................11 2.8 Erwerbstätigkeit, Einkommenssituation, Bankkonto und Überschuldung.........................13 2.9 Haushaltsstruktur und Familienstand..............................................................................................14 2.10 Dauer der Wohnungslosigkeit und Wohnwunsch.....................................................................16 3 Schwerpunkt: Working Poor – Wohnungslos trotz Arbeit........................................................17 3.1 Arbeits- und Beschäftigungssituation.............................................................................................18 3.2 Geschlecht...................................................................................................................................................19 3.3 Alter...............................................................................................................................................................20 3.4 Staatsangehörigkeit und Migrationshintergrund.........................................................................22 4 Unterstützung des DzW...........................................................................................................................22 5 Tabellenteil (unkommentiert).................................................................................................................23 6 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis.................................................................................................28 7 Anmerkung und Quellen...........................................................................................................................29 IMPRESSUM Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. Waidmannsluster Damm 37, 13509 Berlin Statistikbericht für das Jahr 2019 (2021) Bearbeitet von Sarah Lotties Tel (+49) 30-2 84 45 37-0 sarahlotties@bagw.de info@bagw.de
Statistikbericht Zu Lebenslagen wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen in Deutschland – Lebenslagenbericht – Berichtsjahr 2019 1 Das Dokumentationssystem zur Wohnungslosigkeit (DzW) 1 Das Dokumentationssystem zur Wohnungslosigkeit (DzW) Der vorliegende Lebenslagenbericht ist Resultat der Klient:in- Debatten zu zentralen Fragestellungen zur Wohnungslosig- nendatenerhebung in den sozialen Einrichtungen und Diens- keit in Deutschland. ten der Hilfen in Wohnungsnotfällen für das Jahr 2019. Zur jährlichen Erhebung dieser Daten nutzt die Bundesarbeits- Das DzW umfasst insgesamt 55 Variablen1. Der Grundda- gemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) seit mehr als tensatz umfasst insgesamt 17 Variablen zur Sozialstruk- 30 Jahren ein eigens hierfür eingerichtetes und bundesweit tur und zum Hilfeangebot. Das sind u. a. Alter, Geschlecht, standardisiertes, softwaregestütztes System. Das Doku- Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsstatus, Familienstand, mentationssystem zur Wohnungslosigkeit (DzW) ist darauf Haushaltsstruktur, Bundesland, Art des Hilfeangebots, Be- ausgerichtet, eine fundierte Datenbasis zur Beschreibung treuungsbeginn, -ende und -dauer. Der Fachdatensatz Woh- der Lebenslagen wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit nungslosenhilfe umfasst 26 Variablen. Hierbei handelt es bedrohter Menschen sowie für die bedarfsgerechte (Weiter-) sich um spezifische Variablen aus der Wohnungsnotfallhilfe. Entwicklung der Hilfen in Wohnungsnotfällen bereitzustel- Beispielhaft genannt werden können hier die Einkommens- len. Das Verfahren der softwaregestützten Erhebung ist so und Unterkunftssituation, Überschuldung, Erwerbsfähig- strukturiert, dass die Klient:innen- und Einrichtungsdaten in keit im Sinne des SGB sowie Dauer, Auslöser und Grund der aggregierter Form vorliegen. Somit ist – anders als bei ver- Wohnungslosigkeit.2 schlüsselten Daten – keine Rekonstruktion personenbezo- gener Daten möglich, sodass der Datenschutz der Klient:in- Mittels dieser zahlreichen und unterschiedlichen Variablen nen und der datenliefernden Einrichtungen vollumfänglich und durch Kreuzungen der Variablen miteinander lassen sich gewährleistet wird. komplexe Auswertungen erstellen und somit differenzier- te Aussagen über die Lebenslagen von Klient:innen treffen. Nur eine vergleichbare Datenlage ermöglicht die Früherken- Ausgewählte Variablen werden nicht nur zu Beginn, sondern nung neuer Trends und Entwicklungen in den Einrichtungen auch am Ende der Hilfeleistungen erfasst. Das langjährige und Diensten der Hilfen in Wohnungsnotfällen. Und nur so Bestehen des DzW erlaubt außerdem lange Zeitreihen bis in lässt sich ein detailliertes Bild von den Lebenslagen der Men- die 1990er Jahre hinein. schen in Wohnungsnot zeichnen, um anschließend differen- zierte Entwicklungsmuster zu identifizieren, Entscheidungen Mittlerweile lässt sich ein beträchtlicher und stetig steigen- vorzubereiten und diese gegenüber einer fachpolitischen Öf- der Umfang der Datenlage verzeichnen, sodass die Auswer- fentlichkeit zu untermauern. tungen Aussagen in valider und belastbarer Form ermög- lichen. Gleichzeitig ist die BAG W bestrebt, die Datenbasis Die Berichtsstruktur orientiert sich entlang inhaltlicher weiter zu verbessern und möchte daher weitere Einrichtun- Schwerpunkte und Änderungen relevanter Merkmale über gen, Dienste und Träger der Hilfen in Wohnungsnotfällen einen mehrjährigen Verlauf. zur Beteiligung aufrufen.3 Eine eigens dazu programmierte Schnittstelle ermöglicht die fehlerfreie Datenübermittlung Besonderer Dank der BAG W gilt den vielen freiwillig Mit- auch bei unterschiedlicher Dokumentationssoftware. Ak- wirkenden: Ohne ihr Engagement und die Bereitstellung der tuell sind 15 zertifizierte Softwarelösungen vorhanden4. anonymisierten Klient:innendaten wäre ein solcher Bericht Nach Übermittlung der Daten erfolgt die Auswertung, In- nicht möglich. terpretation und Veröffentlichung als Statistikbericht durch die BAG W. 1.1 Der Basisdatensatz des DzW 1.2 Strukturdaten 2019: Umfang, Zusammen Ohne eine belastbare und ausdifferenzierte Statistik sind sys- setzung und Repräsentativität tematisierte Planung, Weiterentwicklung und Verbesserung von Hilfeangeboten nicht möglich. Die DzW-Daten liefern Im Berichtsjahr 2019 stellten 223 Einrichtungen und Dienste aber auch für weitere Tätigkeitsfelder der BAG W eine fun- der Hilfen in Wohnungsnotfällen 45.667 anonymisierte und dierte Arbeitsgrundlage. Sie sind unerlässlich für verbands- aggregierte Klient:innendatensätze bereit. Die Zusammen- politische Positionierungen, journalistische Anfragen, wis- setzung dieser Einrichtungen im Vergleich zum Vorjahr ist senschaftliche Einzelprojekte, Fachvorträge und inhaltliche Tabelle 1 zu entnehmen. 3
BAG W 1 Das Dokumentationssystem zur Wohnungslosigkeit (DzW) Tabelle 1: Zusammensetzung der datenliefernden auch statistisch nur durch eine gesetzliche Statistik, wie sie Einrichtungen (2018 und 2019) ab 2022 geplant ist, erfasst werden, weil im Gegensatz zur freien Wohlfahrtspflege für eine breite Erhebung im öffent- Einrichtungen Einrichtungen lichen Sektor (Kommunen und Landkreise) eine gesetzliche 2018 2019 Ermächtigung notwendig ist6. Die mit dem DzW erfassten Gemischtgeschlechtliche Dienste 148 182 Einrichtungen freier Träger weisen ein sehr breites Tätig- Frauenspezifische Dienste 23 25 keitsspektrum unterschiedlichster Hilfen in Wohnungsnot- fällen auf: Ambulante, stationäre, teilstationäre, hoch- und Männerspezifische Dienste 20 16 niedrigschwellige, beratende, betreuende, aufsuchende Gesamt 191 223 sowie männer- oder frauenspezifische Einrichtungen sind im Datensatz enthalten. Der unbestreitbare Vorteil einer Der Vorjahresvergleich zeigt, dass für 2019 ein besonders ebensolchen Datenbasis liegt vor allen Dingen darin, dass starker Zuwachs von Einrichtungen mit gemischtgeschlecht- das DzW sowohl hinsichtlich der Bandbreite der Variablen licher Zielgruppe zu verzeichnen ist. Verglichen mit der un- als auch hinsichtlich der Zielgruppe so Aussagen über die gefähren Verteilung von gemischtgeschlechtlichen zu ge- Lebenslagen von Menschen tätigen kann, die mit der aus- schlechtsspezifischen Diensten im Wo+Wie-Verzeichnis 5 ergibt schließlichen Zählung untergebrachter Personen nicht er- sich eine nahezu identische Verteilung, womit die DzW-Stich- bracht werden könnte. Im DzW wurden 27.358 Hilfen für probe hier über eine sehr gute Aussagekraft hinsichtlich der akut wohnungslose Menschen im Laufe eines Jahres erfasst. Grundgesamtheit verfügt. Nach der letzten Schätzung der BAG W für das Jahr 2018 waren im frei-gemeinnützigen Sektor ca. 117.000 Personen Bei den datenliefernden Einrichtungen handelt es sich um im Laufe eines Jahres akut wohnungslos. Für das Jahr 2019 Hilfeeinrichtungen freier Träger. Das DzW zielt darauf ab, liegt zum derzeitigen Zeitpunkt noch keine Schätzzahl vor. den Sektor der Hilfeangebote frei-gemeinnütziger Träger Von einer großen Veränderung gegenüber dem Vorjahr kann der Hilfen in Wohnungsnotfällen, der von ihnen erbrachten jedoch nicht ausgegangen werden, sodass ersatzweise die Hilfeleistungen und der von diesen Hilfeangeboten erfass- Zahl aus 2018 als Referenzgröße herangezogen werden ten Klient:innen repräsentativ abzubilden. Daher werden kann. Somit deckt die DzW-Stichprobe rund 20 % der Grund- bewusst Einrichtungen und von ihnen erfasste Personen, gesamtheit ab. die außer ordnungsrechtlich veranlasster Übernachtung keine weitergehenden Hilfen erhalten, vom DzW nicht be- Dazu zeigt Abbildung 1, dass auch Datenaggregate von Per- rücksichtigt. Allerdings ist es so, dass ein Teil des Personen- sonen Eingang in das DzW finden, die nicht wohnungslos kreises, der sich in solchen Einrichtungen aufhält, vom DzW sind, aber gemäß der Wohnungsnotfalldefinition7 als Woh- erfasst wird, nämlich dann, wenn diese durch ein anderes nungsnotfall gelten. Auf 16,4 % der dokumentierten Personen ambulantes Hilfeangebot weitergehende Hilfen neben der trifft dies zu: Sie sind unmittelbar von Wohnungslosigkeit be- Übernachtung erhalten. Das DzW beansprucht keine Re- droht, leben in unzumutbaren Verhältnissen oder sind ehe- präsentativität für die soziale Struktur und Lebenslagen des mals von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen. 9,1 % Personenkreises im ordnungsrechtlichen Sektor. Dieser kann der im Jahr 2019 dokumentierten Personen wurden nicht als Abbildung 1: Wohnungsnotfälle im DzW (2019) 4
2 Auswertung der DzW-Daten BAG W Abbildung 2: Anzahl der liefernden Teilstellen (Balken) und Anzahl der Klient:innendaten (schwarze Linie) (2009–2019) Wohnungsnotfall erfasst. Hier liegt ein anderer armutsbezo- Gleichwohl ist aufgrund der freiwilligen Teilnahme und mit gener Bedarf nach §§ 67 ff. SGB XII vor. dem dadurch bedingten Hinzukommen oder Wegfallen von datenliefernden Einrichtungen eine systembedingte Abwei- Aufgrund der freiwilligen Teilnahme an der DzW-Erhebung chung zum Vorjahreswert von ein bis zwei Prozent (Fehler- ändert sich die Zusammensetzung der datenliefernden Ein- toleranz) zu berücksichtigen. richtungen jährlich immer ein wenig. 178 der Teilstellen, die 2019 Daten lieferten, lieferten auch im Vorjahr Daten. Somit Die Datenlieferungen stammen aus elf Bundesländern. Aus weist die Datenbasis mit einem Wert von 80 % eine große Niedersachsen wurden 72 und aus Nordrhein-Westfalen Konstanz auf. Dass dieser um knapp sieben Prozentpunkte 67 der insgesamt 223 Datenaggregate bereitgestellt. Wei- unter dem Vorjahreswert liegt (86,9 %), ist auf die erfreuliche terhin erhielt die BAG W Daten von 42 Lieferanten in Ba- Tatsache zurückzuführen, dass sich 45 weitere Teilstellen den-Württemberg, 14 in Hamburg, acht in Bremen, sechs an der DzW-Erhebung 2019 beteiligten. In Abbildung 2 ist in Hessen, fünf in Bayern sowie in Sachsen, zwei in Schles- zu erkennen, dass sich seit dem Jahr 2009 der Umfang an wig-Holstein und je von einem in Rheinland-Pfalz und dem Klient:innendaten im DzW nahezu verdoppelt hat. Von 2018 Saarland. Aus Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpom- zu 2019 hat sich der Umfang um mehr als 1.000 Klient:in- mern, Sachsen-Anhalt und Thüringen erhält die BAG W keine nendaten erhöht. Informationen. 2 Auswertung der DzW-Daten 2 Auswertung der DzW-Daten Ausgewertet werden die Daten für alle Klient:innen für die dass trotz Erwerbstätigkeit ein hoher Anteil von Ihnen in aku- Jahre 2009, 2014 und 2019 für einen Abstand von jeweils te Wohnungslosigkeit gerät. fünf Jahren8. Wie im vorherigen Statistikbericht werden auf- grund des besonderen Interesses an Aussagen zur Gruppe 2.1 Nutzung der Angebote der der akut von Wohnungslosigkeit betroffenen Personen aus- Wohnungslosenhilfe gewählte Ergebnisse gesondert aufgeführt. Für sie stehen Zeitreihen allerdings erst ab 2014 zur Verfügung. Auch im Jahr 2019 wird mit 74,2 % die Mehrzahl der Klient:in- nen im DzW in Fachberatungsstellen dokumentiert. 11 % der Wie im Vorjahr rechtfertigen die Entwicklungen im Daten- Klient:innen sind stationär untergebracht (8,7 % vollstationär bestand eine Schwerpunktsetzung. Im diesjährigen Schwer- und 2,3 % teilstationär). In ambulant betreuten Wohnformen punktteil werden die spezifischen Lebenslagen von erwerbs- befinden sich 4,9 %. In ausschließlich medizinisch-pflegeri- tätigen Menschen in Wohnungsnot – Working Poor – näher schen Angeboten wurden 5,9 % der Klient:innen dokumen- beleuchtet. Ihre besondere Lage zeichnet sich dadurch aus, tiert, in Tagesaufenthalten 1,5 % und durch Angebote der 5
BAG W 2 Auswertung der DzW-Daten Straßensozialarbeit 0,2 %. 2,3 % der Klient:innen wurden in ausschließlich ambulant betreuten Wohnen sind 61,2 % Män- sonstigen, nicht den obigen Kategorien zuzuordnenden An- ner und 38,8 % Frauen (f Anhang). gebotsformen erfasst. 2.3 Altersstruktur An dieser Zusammensetzung hat sich im Vergleich zum Vor- jahr nur wenig verändert. Der Anteil der Daten aus Fachbera- Die Altersstruktur der Klient:innen im DzW hat sich in den tungsstellen hat sich um -2,1 %-P 9 reduziert, dafür hat sich vergangenen zehn Jahren nur wenig verändert (f Abbil- der Anteil aus ausschließlich medizinisch-pflegerischen An- dung 4). Die vormals stärkste Kohorte der 40-bis-49-Jähri- geboten um +1,7 %-P erhöht (nachrichtl.)10. gen ist seit 2011 um -3,7 %-P zurückgegangen, wie auch die Gruppe der unter-25-Jährigen (-3,2 %-P). Die größte Gruppe 2.2 Geschlecht macht (seit 2014) die Kohorte der 30-bis-39-Jährigen aus (24,6 %). Drei Viertel der Klient:innen (75,3 %) ist männlich, ein Viertel (24,7 %) weiblich. Unter der Gruppe der akut wohnungslosen Akut wohnungslose Klient:innen sind etwas jünger (als alle Klient:innen11 ist der Anteil männlicher Klienten noch etwas dokumentierten Klient:innen). 59,8 % der akut Wohnungslo- höher (77,5 %) (f Anhang). sen sind unter 40 Jahre alt (ggü. 54,9 % in der Gesamtgrup- pe). Frauen im Hilfesystem sind durchschnittlich etwas jünger Männer sind weitaus stärker von akuter Wohnungslosig- als Männer, wobei sich der Trend abzeichnet, dass sich die keit betroffen als Frauen. 77,7 % der männlichen Klienten im Geschlechter in Bezug auf das Alter angleichen (f Tabelle 2). DzW sind akut wohnungslos, bei den weiblichen Klientinnen Waren im DzW 2011 noch 42 % der weiblichen Klientinnen sind es 65,2 %. Frauen sind hingegen häufiger als Männer unter 30 Jahre alt (ggü. 29 % der männlichen), sind es 2019 unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedroht (14,2 % ggü. nur 34 % (ggü. weiterhin 29 % der männlichen). Auffällig ist 9,2 %). Sie leben häufiger in unzumutbaren Wohnverhält- allerdings der Geschlechterunterschied der U-25-Jährigen: nissen, sind häufiger ehemals von Wohnungslosigkeit be- 21,3 % der weiblichen Klientinnen sind jünger als 25 Jahre, troffen oder bedroht und häufiger der Kategorie sonstige bei den männlichen Klienten sind es 16,1 %. Fälle (kein Wohnungsnotfall) zuzuordnen (f Abbildung 3). Die Verteilungen lassen vermuten, dass Frauen im drohen- 2.4 Unterkunftssituation den Wohnungsnotfall früher (oder auch bereitwilliger) Be- ratungsstellen aufsuchen und häufiger nachsorgende Hilfen In Tabelle 3 ist die Unterkunftssituation der Klient:innen in in Anspruch nehmen. der Nacht vor Hilfebeginn abgebildet. Akut wohnungslose Klient:innen leben deutlich häufiger bei Familie, Partner:in Hinsichtlich der Art des Hilfeangebots zeigt sich eine un- oder Bekannten (50,2 % ggü. 40,1 %). Dieses Ergebnis stützt terschiedliche Verteilung bezüglich männlicher und weib- die Erfahrungen aus der Praxis, dass Menschen in Woh- licher Klient:innen. 86,6 % der vollstationär untergebrach- nungsnot häufig einen Prozess durchlaufen, bei dem sie ten Klient:innen sind männlich, nur 13,4 % sind weiblich. Im zunächst versuchen, mit eigenen Mitteln die Problemlage Abbildung 3: Art des Wohnungsnotfalls und Geschlecht (2019) 6
2 Auswertung der DzW-Daten BAG W Tabelle 2: Altersgruppen und Geschlecht, alle Klient:innen (2011, 2015, 2019) 2011 2015 2019 Männlich Weiblich Gesamt Männlich Weiblich Gesamt Männlich Weiblich Gesamt Unter 18 Jahre 0,4 % 0,8 % 0,5 % 0,3 % 0,9 % 0,5 % 0,4 % 0,8 % 0,5 % 18-20 Jahre 4,1 % 9,7 % 5,4 % 6,6 % 9,8 % 7,4 % 5,8 % 9,5 % 6,7 % 21-24 Jahre 13,5 % 19,2 % 14,7 % 11,3 % 13,6 % 11,9 % 9,9 % 11,0 % 10,1 % 25-29 Jahre 11,0 % 12,3 % 11,3 % 13,1 % 13,0 % 13,1 % 13,0 % 12,5 % 12,9 % 30-39 Jahre 21,8 % 19,7 % 21,3 % 23,4 % 22,0 % 23,0 % 24,8 % 23,9 % 24,6 % 40-49 Jahre 25,4 % 21,2 % 24,4 % 21,9 % 20,1 % 21,5 % 21,1 % 19,4 % 20,7 % 50-59 Jahre 17,3 % 12,3 % 16,2 % 16,7 % 15,0 % 16,3 % 17,4 % 15,6 % 16,9 % 60 Jahr u. älter 6,6 % 4,8 % 6,2 % 6,7 % 5,5 % 6,4 % 7,6 % 7,2 % 7,5 % Gesamt 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % zu beheben. Mehr als ein Drittel der akut Wohnungslosen Im zeitlichen Verlauf zeigt sich, dass in den letzten zehn Jah- lebt bei Freund:innen und Bekannten (36,3 %), jede:r siebte ren der Anteil der Menschen, die ohne jegliche Unterkunft auf bei Familienmitgliedern (13,9 %). Werden diese „Zwischen- der Straße leben, in geringem Umfang zurückgegangen ist lösungen“ ausgereizt oder bestehen gar nicht erst der- (von 19,0 % in 2009 auf 16,0 % in 2019). Der Anteil der Men- artige Möglichkeiten, bleiben den Hilfesuchenden nur die schen in stationären Einrichtungen hat sich im Datenbestand ordnungsrechtliche Unterbringung oder das Leben auf der des DzW in den letzten zehn Jahren nahezu halbiert (von 5,9 % Straße. Insgesamt 32,4 % der akut Wohnungslosen, die Hil- in 2009 auf 3,0 % in 2019). Dagegen steigt der Anteil derer, die feangebote in Anspruch nahmen, lebten auf der Straße oder bei Partner:innen oder der Familie untergekommen sind (von in Notunterkünften. 9,3 % in 2009 auf 12,2 % in 2019) und derer, die bei Bekannten unterkommen (von 23,3 % in 2009 auf 27,9 % in 2019). Unter allen Klient:innen suchte mehr als jede:r Fünfte die freiverbandlichen Hilfen in Wohnungsnotfällen auf, als sie Tabelle 4 zeigt die Unterkunftssituation aller Klient:innen (noch) in einer eigenen Wohnung lebten (22,4 %). Dies betont nach Geschlecht im Verlauf der letzten acht Jahre. Deutlich die Notwendigkeit präventiver, freiverbandlicher Hilfen, noch wird, dass weibliche Klientinnen häufiger Hilfen in Anspruch vor dem eigentlichen Wohnungsverlust einzugreifen und dem nehmen, wenn sie sich in einer eigenen Wohnung befinden zuvor beschriebenen Prozess vorzubeugen. (32,0 % ggü. 19,2 % der Männer). Das deutet darauf hin, dass Abbildung 4: Alter (2011, 2015, 2019) 7
BAG W 2 Auswertung der DzW-Daten Tabelle 3: Unterkunftssituation vor Hilfebeginn (2011, 2015, 2019) Alle Klient:innen Akut Wohnungslose 2011 2015 2019 2011 2015 2019 Eigene Wohnung 23,3 % 22,8 % 22,4 % – 2,8 % 4,0% Bei Familie, Partner:in 9,2 % 10,6 % 12,2 % – 11,5 % 13,9% Bei Bekannten 24,9 % 28,1 % 27,9 % – 38,5 % 36,3% Firmenunterkunft 0,2 % 0,2 % 0,3 % – 0,1 % 0,2% Frauenhaus 0,2 % 0,2 % 0,2 % – 0,2 % 0,2% Ambulant betreute Wohnform 1,5 % 1,4 % 1,2 % – 1,2 % 1,3% Hotel, Pension 1,1 % 1,4 % 1,6 % – 1,8 % 1,9% Notunterkunft, Übernachtungsstelle 9,2 % 9,2 % 9,2 % – 11,8 % 11,7% Geflüchteten-/ Asylunterkunft – – 0,3 % – – 0,2% Gesundheitssystem 2,7 % 2,2 % 2,2 % – 2,6 % 2,7% Stationäre Einrichtungen 5,2 % 3,9 % 3,1 % – 3,5 % 3,0% Haft 2,3 % 2,9 % 1,7 % – 2,8 % 2,0% Ersatzunterkunft 1,8 % 1,8 % 1,7 % – 1,9 % 1,9% Ohne Unterkunft 18,4 % 15,5 % 16,0 % – 21,2 % 20,7% Gesamt 100 % 100 % 100,0 % – 100 % 100,0% ein Teil der Frauen im Prozess des Wohnungsverlustes früh- männliche Klienten bei Familie und Partner:innen (15,8 % ggü. zeitiger Hilfen aufsucht. Sowohl männliche als auch weibliche 10,9 % der Männer). Männliche Klienten leben häufiger bei Be- Klient:innen kommen überwiegend bei Freund:innen, Bekann- kannten (29,0 % ggü. 24,9 % der Frauen). Der Umstand, dass ten, Partner:innen oder der Familie unter: Auf 39,9 % der Män- im DzW mehr Männer als Frauen bei Bekannten verzeichnet ner und auf 40,4 % der Frauen im DzW trifft dies zu. Allerdings wurden, ließ sich erstmals 2010 erkennen und verstärkt sich verteilen sie sich unterschiedlich. Frauen leben häufiger als seitdem kontinuierlich. Hier ist neben dem Geschlecht eine Tabelle 4: Unterkunftssituation nach Geschlecht, alle Klient:innen (2011, 2015, 2019) 2011 2015 2019 Männlich Weiblich Gesamt Männlich Weiblich Gesamt Männlich Weiblich Gesamt Eigene Wohnung 20,6 % 32,7 % 23,3 % 19,1 % 33,4 % 22,8 % 19,2 % 32,0 % 22,4 % Bei Familie, Partner:in 7,9 % 13,6 % 9,2 % 9,4 % 14,2 % 10,6 % 10,9 % 15,8 % 12,2 % Bei Bekannten 24,7 % 25,6 % 24,9 % 28,9 % 25,8 % 28,1 % 29,0 % 24,6 % 27,9 % Firmenunterkunft 0,2 % 0,3 % 0,2 % 0,2 % 0,2 % 0,2 % 0,3 % 0,1 % 0,3 % Frauenhaus 0,0 % 0,8 % 0,2 % 0,0 % 0,7 % 0,2 % 0,0 % 0,7 % 0,2 % Ambulant betreute Wohnform 1,4 % 1,8 % 1,5 % 1,2 % 1,8 % 1,4 % 1,1 % 1,7 % 1,2 % Hotel, Pension 1,0 % 1,7 % 1,1 % 1,1 % 2,2 % 1,4 % 1,4 % 2,0 % 1,6 % Notunterkunft, Übernachtungsstelle 9,9 % 6,8 % 9,2 % 10,3 % 6,0 % 9,2 % 9,6 % 8,0 % 9,2 % Geflüchteten-/ Asylunterkunft – – – – – – 0,3 % 0,4 % 0,3 % Gesundheitssystem 2,8 % 2,5 % 2,7 % 2,2 % 2,0 % 2,2 % 2,3 % 2,0 % 2,2 % Stationäre Einrichtungen 5,9 % 2,6 % 5,2 % 4,4 % 2,3 % 3,9 % 3,6 % 1,8 % 3,1 % Haft 2,7 % 0,9 % 2,3 % 3,1 % 2,3 % 2,9 % 2,0 % 0,6 % 1,7 % Ersatzunterkunft 1,9 % 1,4 % 1,8 % 1,9 % 1,3 % 1,8 % 1,9 % 1,3 % 1,7 % Ohne Unterkunft 21,1 % 9,1 % 18,4 % 18,3 % 7,6 % 15,5 % 18,4 % 9,0 % 16,0 % Gesamt 100,0 % 100,0 % 100,0 % 100,0 % 100,0 % 100,0 % 100,0 % 100,0 % 100,0 % 8
2 Auswertung der DzW-Daten BAG W Tabelle 5: Auslöser des drohenden oder letzten Wohnungsverlustes nach Geschlecht, alle Klient:innen (2011, 2015, 2019) 2011 2015 2019 Männlich Weiblich Gesamt Männlich Weiblich Gesamt Männlich Weiblich Gesamt Miet- bzw. Energieschulden 14,0 % 14,2 % 14,1 % 18,4 % 18,4 % 18,4 % 18,1 % 20,0 % 18,5 % Trennung/Scheidung 20,1 % 19,4 % 20,0 % 16,1 % 16,6 % 16,2 % 16,0 % 17,7 % 16,4 % Ortswechsel 16,4 % 16,2 % 16,4 % 19,7 % 18,9 % 19,5 % 16,5 % 14,2 % 15,9 % Konflikte im Wohnumfeld 7,2 % 7,3 % 7,2 % 13,8 % 12,3 % 13,4 % 16,0 % 14,6 % 15,6 % Auszug aus der elterlichen Wohnung 11,8 % 16,1 % 12,8 % 10,0 % 11,3 % 10,3 % 8,0 % 9,6 % 8,4 % Haftantritt 12,6 % 4,0 % 10,6 % 10,0 % 4,4 % 8,6 % 8,9 % 2,2 % 7,2 % Arbeitsplatzverlust/-wechsel 8,3 % 3,9 % 7,3 % 5,7 % 3,2 % 5,1 % 6,4 % 2,9 % 5,5 % Veränderung der Haushaltsstruktur – – – – – – 4,0 % 5,6 % 4,4 % Krankheit – – – – – – 2,1 % 2,3 % 2,2 % Gewalt durch Partner:in 2,0 % 11,0 % 4,0 % 0,3 % 7,7 % 2,1 % 0,4 % 6,5 % 1,9 % Krankenhausaufenthalt 3,0 % 2,9 % 3,0 % 1,9 % 1,7 % 1,9 % 1,3 % 0,9 % 1,2 % höhere Gewalt 1,4 % 1,0 % 1,3 % 1,0 % 0,9 % 1,0 % 1,0 % 1,1 % 1,0 % Gewalt durch Dritte 2,0 % 2,3 % 2,1 % 1,7 % 2,4 % 1,8 % 0,8 % 1,7 % 1,0 % institutionelle Nichthilfe – – – – – – 0,7 % 0,7 % 0,7 % Haushaltszuwachs 0,2 % 0,5 % 0,2 % 0,2 % 1,1 % 0,4 % – – – Tod von Familienang. 1,1 % 1,3 % 1,2 % 1,3 % 1,3 % 1,3 % – – – Gesamt % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % Korrelation mit dem Alter und der Nationalität zu beobachten: oder -wechsel (6,4 % ggü. 2,9 %). Frauen nennen häufiger als 42,5 % aller Klient:innen, die unter 25 Jahre alt sind, leben bei Männer Gewalt durch den/die Partner:in (6,5 % ggü 0,4 %). Bekannten. Bei den Klient:innen nicht-deutscher Nationalität beträgt dieser Anteil 37,6 % (nachrichtl.). Der typische Verlauf des Wohnungsverlustes lässt sich in drei Phasen gliedern. Erstens: Mahnung und Kündigung durch 2.5 Auslöser und Grund der (drohenden) den/die Vermieter:in f Zweitens: Räumungsklage f Drittens: Wohnungslosigkeit Zwangsräumung. In der ersten, außergerichtlichen Phase mahnt der/die Vermieter:in i. d. R. aufgrund von Zahlungsrück- Das DzW unterscheidet hinsichtlich der verursachenden Fak- ständen oder anderen Problemen und spricht ggf. eine Kündi- toren für Wohnungslosigkeit zwischen den Gründen im recht- gung des Mietverhältnisses aus. In der zweiten, gerichtlichen lichen Sinne und den Auslösern auf der Individualebene. Die Phase erwirkt der/die Vermieter:in eine Räumungsklage für Frage nach „dem einen Auslöser“ für Wohnungslosigkeit ist die Wohnung. Schließlich bestätigt ein Gericht in der Voll jedoch häufig schwierig zu beantworten, denn oft ist Woh- streckungsphase die Zwangsräumung, die dann von einem/r nungslosigkeit multikausal begründet. Aus methodischen Gerichtsvollzieher:in durchgesetzt wird.13 Gründen werden Klient:innen hierbei jedoch gebeten, auch bei multiplen Problemlagen einen Hauptgrund bzw. einen Das DzW zeigt auf, in welcher dieser Phasen sich ein:e Kli- Hauptauslöser für den letzten oder den akut drohenden (also ent:in befindet bzw. in welcher dieser drei Phasen eine Woh- stattfindenden) Wohnungsverlust anzugeben. Tabelle 5 zeigt nung verlassen wurde. Die weiteren Antwortkategorien zielen die Häufigkeitsverteilung der genannten Auslöser für 2011, auf die Möglichkeiten ab, dass Klient:innen selbstständig oder 2015 und 201912. fristgerecht die Wohnung aufgeben oder per richterlicher An- ordnung nach Gewaltschutzgesetz die Wohnung verlassen Mit 18,5 % sind 2019 Miet- und Energieschulden bei der ge- müssen. schlechterübergreifenden Betrachtung der häufigste Auslöser, gefolgt von Trennung bzw. Scheidung mit 16,4 %, Ortswechsel Rund die Hälfte (49,4 %) aller dokumentierten Klient:innen mit 15,9 % und Konflikten im Wohnumfeld mit 15,6 %. Männer hat die Wohnung aufgrund der Initiative des/der Vermieters/ verlieren ihre Wohnung häufiger als Frauen durch einen Haft- Vermieterin verloren bzw. sich in einer der oben beschriebe- antritt (8,9 % ggü. 2,2 %) sowie durch einen Arbeitsplatzverlust nen Phasen des unfreiwilligen Wohnungsverlustes an das 9
BAG W 2 Auswertung der DzW-Daten Tabelle 6: Grund des letzten Wohnungsverlustes, alle Klient:innen (2011, 2015, 2019) 2011 2015 2019 Männlich Männlich Männlich Weiblich Weiblich Weiblich Gesamt Gesamt Gesamt Kündigung durch Vermieter:in 23,8 % 20,7 % 23,1 % 27,8 % 24,5 % 27,0 % 30,2 % 29,1 % 30,0 % Räumungsklage 1,5 % 3,1 % 1,8 % 2,6 % 3,5 % 2,8 % 4,0 % 6,6 % 4,6 % Zwangsräumung 27,8 % 26,0 % 27,4 % 19,1 % 20,8 % 19,5 % 14,6 % 15,4 % 14,8 % Vertragsende 1,4 % 1,6 % 1,5 % 2,2 % 2,7 % 2,3 % 2,9 % 2,7 % 2,9 % Richterliche Anordnung nach 1,0 % 0,8 % 0,9 % 0,8 % 0,5 % 0,7 % 1,0 % 0,6 % 0,9 % Gewaltschutzgesetz Selbstkündigung 16,0 % 18,4 % 16,5 % 16,9 % 20,4 % 17,7 % 17,8 % 17,7 % 17,7 % Ohne Kündigung ausgezogen 28,6 % 29,5 % 28,8 % 30,7 % 27,5 % 29,9 % 29,6 % 28,0 % 29,2 % Gesamt 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % Hilfesystem gewendet. Fast jede:r siebte Hilfesuchende:r beispielsweise eine Mietschuldenübernahme beinhalten), nannte Zwangsräumung als Grund für den Wohnungsver- eine wesentliche Zahl von Wohnungsverlusten effektiv ver- lust. Davon gaben zwei Drittel (66,6 %) aller Klient:innen an, hindern könnten. Andere Ursachen für die Aufgabe der ei- dass die Zwangsräumung aufgrund von Mietschulden erfolg- genen Wohnung sind den auslösenden Faktoren in Tabelle 5 te, 6,6 % aufgrund Eigenbedarfs und 26,8 % wegen anderer zu entnehmen. Probleme (nachrichtl.). Seit 2011 hat sich die Verteilung der Gründe für den Woh- Wie Tabelle 6 zeigt, kündigt ein großer Teil aller Klient:innen nungsverlust etwas verschoben: Nach wie vor verlieren rund selbst (17,7 %) oder zieht aus, ohne zu kündigen (29,2 %). 50 % der Hilfesuchenden ihre Wohnung durch Kündigung, Viele Menschen kommen damit einem drohenden Woh- Räumungsklage und Zwangsräumung (52,3 % in 2011 ggü. nungsverlust durch Kündigung zuvor, beispielsweise wenn 49,4 % in 2019). Der Anteil von Klient:innen, die eine Zwangs- ihnen bevorstehende Mietzahlungen als nicht mehr durch- räumung als Grund des letzten Wohnungsverlustes angaben, führbar erscheinen. Selbstkündigung oder der Auszug ist jedoch in den letzten acht Jahren um -12,6 %-P gesunken. ohne Kündigung muss also keineswegs immer freiwillig Klient:innen lassen es seltener zu Räumungen kommen, son- sein, zeigt aber auch, dass Präventionsmaßnahmen (die dern beugen sich der Kündigung: Der Anteil derer, die eine Abbildung 5: Staatsangehörigkeit (2011, 2015, 2019) 10
2 Auswertung der DzW-Daten BAG W Kündigung durch Vermieter:innen als ursächlich angeben, ist mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung im Jahr hingegen um +6,9 %-P gestiegen. 2019 23,6 %14 (ggü. 39,0 % im DzW 2019). 12,4 % der Gesamt- bevölkerung haben eine nicht-deutsche Staatsangehörigkeit 2.6 Staatsangehörigkeit und (ggü. 32,1 % 2019 im DzW). Die Gründe für die überproportio- Migrationshintergrund nal hohen Anteile nicht-deutscher Klient:innen und Klient:in- nen mit Migrationshintergrund sind in den Positionspapieren Auch im Jahr 2019 setzt sich der schon langfristig beobach- der BAG W umfänglich beschrieben.15 Damit wird in erster tete Trend einer Zunahme von Klient:innen nicht-deutscher Linie deutlich, dass die Gruppe der Menschen mit Migrati- Staatsangehörigkeit in den Einrichtungen der freien Träger onshintergrund bzw. nicht-deutscher Staatsangehörigkeit fort (f Abbildung 5). Im Vorjahresvergleich ist eine Zunahme besonders vulnerabel ist. Es ist allerdings davon auszugehen, von +2 %-P der nicht-deutschen Klient:innen zu verzeichnen dass das wahre Ausmaß nicht-deutscher Hilfesuchender nicht (von 30,1 % in 2018 auf 32,1 % in 2019). Auch der Anteil akut vollständig im DzW abgebildet ist, weil diese Klient:innen häu- wohnungsloser nicht-deutscher Klient:innen weist eine – fig vom Rechtsanspruch auf Hilfen nach §§ 67ff. SGB XII aus- wenn auch sehr leichte – Zunahme auf. geschlossen sind.16 Mitarbeiter:innen niedrigschwelliger Ein- richtungen freier Träger schätzen den Anteil nicht-deutscher Seitdem der Anteil Hilfesuchender mit Migrationserfahrung Hilfesuchender z. T. auf 50 % und mehr. Gerade dort zeigen sich im Jahr 2015 erstmals auf über 35 % anstieg, schwankt die- die enormen Herausforderungen, vor denen Mitarbeiter:innen ser in den letzten drei Jahren zwischen 36 und 39 %. So auch in den Einrichtungen und Diensten in Wohnungsnotfällen im 2019: Hier betrug der Anteil aller Klient:innen mit Migrations- Zuge der letztjährigen Entwicklungen gestellt sind. hintergrund 39,0 % (f Abbildung 6). 2.7 Bildung und Berufsabschluss Die seit Jahren dokumentierten rund 30 % der Klient:innen nicht-deutscher Staatsangehörigkeit und rund 40 % der Hinsichtlich des Bildungshintergrundes setzt sich weiterhin Klient:innen mit Migrationshintergrund in Wohnungsnot- ein über die letzten Jahre beobachtetes Bild fort: Zwar zeigt fällen zeigen zweierlei: Erstens sind sie Ausdruck gesamt- sich sowohl bei allen Klient:innen als auch bei den akut woh- gesellschaftlicher Veränderungen hinsichtlich der Zusam- nungslosen Klient:innen eine überwiegend niedrige forma- mensetzung der Herkunft der in Deutschland lebenden le Bildung (f Abbildung 7), dieser Anteil nimmt jedoch seit Menschen. Diese hat sich in den letzten Jahren im Zuge von Jahren leicht ab. In 2019 wurden 66,3 % der Klient:innen mit EU-Binnenmigration und den Zuzug von Geflüchteten zu- einer niedrigen Bildungsqualifikation erfasst. 18,6 % der Kli- nehmend diversifiziert, was sich auch im DzW widerspie- ent:innen hat die Schulzeit mit der mittleren Reife (mittlere gelt. Zweitens bezeugen diese Zahlen auch, dass Menschen Bildungsqualifikation) und 9,2 % mit dem (Fach-)Abitur (hohe nicht-deutscher Staatsangehörigkeit und Menschen mit Bildungsqualifikation) abgeschlossen. 5,9 % weisen einen Migrationshintergrund weiterhin überproportional häufig anderen, zumeist nicht-deutschen Bildungsabschluss, auf. mit Wohnungsnotfällen konfrontiert sind. Nach Angaben des Bei den akut wohnungslosen Klient:innen sind diese Anteile Statistischen Bundesamtes betrug der Anteil der Bevölkerung nahezu identisch. Abbildung 6: Migrationshintergrund (2011, 2015, 2019) 11
BAG W 2 Auswertung der DzW-Daten Abbildung 7: Höchster erreichter Schulabschluss (2011, 2015 und 2019) Ein Vergleich mit den Daten des statistischen Bundesamtes sie auch häufiger die (Fach-)Hochschulreife und die mittle- zur Gesamtbevölkerung zeigt im Jahr 2019, dass rund 36 % re Reife. Männliche Klienten haben hingegen häufiger einen über eine niedrige oder (noch) keine Bildungsqualifikation ver- Volks- bzw. Hauptschulabschluss. Auch bezüglich der Berufs- fügen, während rund 30 % eine mittlere Bildungsqualifikation abschlüsse zeigt sich ein ähnliches Bild: Weibliche Klientinnen und 34 % die Fachhochschul- oder Hochschulreife besitzen.17 haben auch hier etwas häufiger keine abgeschlossene Be- Demnach sind Klient:innen mit niedriger Bildungsqualifikation rufsausbildung, aber auch häufiger Fachschulabschlüsse oder überproportional häufig im DzW vertreten. Schulbildung ist (fach-) hochschulbezogene Berufsabschlüsse (f Anhang). somit ein relevanter Faktor für Wohnungslosigkeit. Die anteilige Abnahme von Klient:innen mit niedrigen Bil- Zwar haben weibliche Klientinnen im DzW häufiger als dungsqualifikationen im DzW über den Zeitverlauf hinweg männliche Klienten keinen Schulabschluss, allerdings haben begründet sich vor allen Dingen mit einer leichten Zunahme Abbildung 8: Berufsabschluss nach Altersklassen, alle Klient:innen (2019) 12
2 Auswertung der DzW-Daten BAG W von Hilfesuchenden, die über hohe Bildungsqualifikationen 2.8 Erwerbstätigkeit, Einkommenssituation, verfügen (+1,7 %-P seit 2011) und einer stärkeren Zunah- Bankkonto und Überschuldung me von Hilfesuchenden mit „sonstigen“ Schulabschlüssen (+4,7 %-P). Letzteres erklärt sich durch die Ausweitung neuer Zwar gelten 85,4 % der Klient:innen im DzW 2019 als er- Bildungskonzepte und v. a. mit der Zunahme nicht-deutscher werbsfähig im Sinne des SGB II, gleichzeitig sind aber auch Abschlüsse. Entgegen der stetigen Abnahme von niedrigen 85,5 % aller Klient:innen erwerbslos. Dies verdeutlicht, in Bildungsqualifikationen über den Zeitverlauf zeigt sich bei den welchem Ausmaß Menschen, die von Wohnungslosigkeit Berufsabschlüssen eine stetige Zunahme von Klient:innen betroffen oder bedroht sind, vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt ohne Berufsabschluss (f Anhang). sind. Mit dem DzW werden auch die Beschäftigungssitua- tion und der überwiegende Lebensunterhalt in den letzten Bei Betrachtung der Berufsabschlüsse nach Altersklassen vier Wochen vor Aufnahme bzw. Hilfeprozessbeginn erfragt. zeigt sich ein heterogenes Bild. Wo bei den unter 21-jäh- Die Daten zeigen, dass sich die Einkommenssituation von rigen Klient:innen der Anteil (noch) nicht abgeschlossener Klient:innen in den letzten Jahren deutlich verändert hat beruflicher Ausbildungen erwartungsgemäß sehr hoch (f Abbildung 9). Im Jahr 2011 bezogen noch 55,1 % aller ist, verschieben sich die Anteile mit zunehmendem Alter Klient:innen im DzW ihre finanziellen (Haupt-)Einnahmen der Klient:innen deutlich (f Abbildung 8). Besonders hoch aus Sozialleistungen nach dem SGB II, III oder XII. Dieser ist der Anteil von Klient:innen mit Fachschul- oder (fach-) Anteil ist bis 2019 auf 46,8 % zurückgegangen (-8,3 %-P). hochschulbezogenen Abschlüssen in der Gruppe der über Gleichzeitig sank der Anteil erwerbsloser Klient:innen seit 60jährigen (mit 9,2 %). In dieser Altersklasse ist gleichzeitig 2011 jedoch nur um -3,6 %-P (von 89,1 % in 2011 auf 85,5 % der Anteil von Klient:innen ohne abgeschlossene berufli- in 2019) (nachrichtl.). Demgegenüber stieg seit 2011 der che Ausbildung am geringsten (mit 26,8 %). Dies legt die Anteil der Klient:innen, die über keinerlei Einkommen ver- Vermutung nahe, dass die Faktoren Alter und Altersarmut fügen um +4,5 %-P. Drei von zehn Klient:innen leben damit eine bedeutende Rolle in Wohnungsnotfällen spielen: Die vor Hilfebeginn gänzlich ohne Einkommen und in absoluter Prädiktionskraft der Variablen Bildung und Berufsqualifi- Armut. kation ist stark abhängig vom Alter der Klient:innen – die Verteilung der in Abbildung 8 aufgezeigten Altersunter- Gegensätzlich dazu lässt sich aber auch beobachten, dass schiede ist bei der Variable Schulbildung kongruent. Auch sich der Anteil der Klient:innen im DzW, die ihren Lebensun- hier ist der Anteil der Klient:innen ohne Schulabschluss bei terhalt durch Erwerbstätigkeit bestreiten, in den letzten zehn den über-60-Jährigen am niedrigsten, gleichzeitig ist hier Jahren nahezu verdoppelt hat (von 6,0 % in 2009 auf 11,7 % der Anteil mit Volksschul- bzw. Hauptschulabschlüssen am in 2019). Im Schwerpunktteil dieses Statistikberichts werden größten sowie der Anteil mit fachgebundener oder allge- Erwerbstätigkeit und Einkommenssituation näher beleuchtet meiner Hochschulreife (f Anhang). (S. 17 ff.). Abbildung 9: Einkommenssituation (zu Beginn der Hilfe) (2011, 2015, 2019) *Andere umfasst (1.) Unterhalt durch Angehörige, (2.) Eigenes Vermögen, (3.) sonstige öffentliche Unterstützungen (wie z. B. Kindergeld oder BAföG) und (4.) weitere Einnahmen (aus informeller Arbeit). Die Kategorien 2; 3 und 4 entfallen mit der Überarbeitung des Basisdatensatzes im Jahr 2017. 13
BAG W 2 Auswertung der DzW-Daten Der Anteil völlig mittelloser Hilfesuchender ist seit Jahren auf Positiv zu beurteilen ist hingegen die Entwicklung der Ver- einem hohen Niveau von rund 30 %. Der Anstieg ist als ein Re- fügbarkeit eines eigenen Bankkontos. Hatten vor zehn Jah- sultat der oben beschriebenen „Internationalisierung“ der Kli- ren nur 24,7 % aller Klient:innen im DzW zu Beginn der Hilfen entel im Zuge der EU-Osterweiterung und deren Einbindung ein eigenes Bankkonto, sind es 2019 71,8 %. Unter den akut in den Schengen-Raum (2007) zu verstehen, denn vor allem wohnungslosen Klient:innen verfügen 67,9 % über ein eige- der wachsende Teil nicht-deutscher Klient:innen (insbeson- nes Bankkonto (-1,8 %-P im Vergleich zu 2018). Die Verfüg- dere EU-Bürger:innen) ist bei eintretender Erwerbslosigkeit barkeit eines Bankkontos ist für die Rückkehr zu Lohnarbeit vielfach von staatlichen Transferleistungen ausgeschlossen. und/oder in den Wohnungsmarkt von erheblicher Bedeutung. Mit der im Jahr 2016 erfolgten Verabschiedung des sog. Uni- Daher erhalten viele Klient:innen im Zuge der Hilfemaßnah- onsbürgerausschlussgesetzes18 wurde dieser Gruppe der Zu- men ein eigenes Bankkonto. Bei Beendigung der Hilfen ha- gang zu Hilfen nochmals erschwert. In der Konsequenz sinkt ben 79,0 % aller Klient:innen ein eigenes Konto (und 75,2 % der Teil der Sozialleistungsbeziehenden und steigt der Anteil der akut wohnungslosen Klient:innen) (nachrichtl.). Seit 2016 der Personen ohne Einkommen. haben alle Menschen – auch jene ohne ein geregeltes Ein- kommen – einen gesetzlichen Anspruch auf ein Basiskon- 59,0 % aller Klient:innen im DzW 2019 gaben an, überschuldet to. Diese sind allerdings oft auch besonders teuer (wie unter zu sein. Seit Jahren schwankt dieser Wert nur leicht um die anderem Stiftung Warentest, Verbraucherschützer:innen und 60-Prozent-Marke und liegt somit auch in diesem Jahr auf ei- auch Gerichte seit Jahren immer wieder urteilen) und nichts nem verhältnismäßig hohen, konstanten Niveau (nachrichtl.). desto weniger werden immer noch rechtswidrig Konten bei Im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung wird das (enorme) Banken/Sparkassen verwehrt, womit sich zumindest ein Teil Ausmaß deutlich: Laut SchuldnerAtlas Deutschland waren der rund 30 % der Klient:innen im DzW erklären ließe, die über am 01.10.2019 rund 10 % aller Erwachsenen in Deutsch- kein eigenes Bankkonto verfügen. land überschuldet.19 Dies zeigt besonders eindrücklich, wie stark private Schulden zu einem Ausschluss aus dem Woh- 2.9 Haushaltsstruktur und Familienstand nungsmarkt führen. Zum einen ist es in angespannten Woh- nungsmarktlagen ohnehin kaum möglich, mit Schulden eine Zwar hat sich die Haushaltsstruktur von Klient:innen in den Wohnung anzumieten und zum anderen verursachen private letzten acht Jahren nur geringfügig verändert, wie aber der Schulden oftmals erst den Verlust der Wohnung (vgl. Kapitel Statistikbericht 2018 aufzeigte, haben Mehrpersonen-Haus- Auslöser und Grund der (drohenden) Wohnungslosigkeit). haltsstrukturen sukzessive zugenommen. Tabelle 7: Haushaltsstruktur (2011, 2015, 2019) 2011 2015 2019 alle akut alle akut alle akut Klient:innen Wohnungs- Klient:innen Wohnungs- Klient:innen Wohnungs- lose lose lose Alleinstehend 88,3 % – 85,0 % 89,6 % 84,7 % 89,4 % Alleinerziehend 3,0 % – 4,1 % 2,2 % 4,1 % 2,5 % Paar ohne Kind(er) 4,2 % – 4,5 % 3,8 % 4,8 % 4,2 % Paar mit Kind(ern) 2,6 % – 4,3 % 3,1 % 4,1 % 2,6 % Sonstiger Mehrpersonenhaushalt 1,9 % – 2,2 % 1,2 % 2,2 % 1,4 % Gesamt 100 % – 100 % 100 % 100 % 100,0 % Tabelle 8: Haushaushaltsstruktur nach Geschlecht, alle Klient:innen (2011, 2015, 2019) 2011 2015 2019 Männlich Weiblich Gesamt Männlich Weiblich Gesamt Männlich Weiblich Gesamt Alleinstehend 93,4 % 70,7 % 88,3 % 91,7 % 65,8 % 85,0 % 90,0 % 67,2 % 84,7 % Alleinerziehend 0,6 % 11,3 % 3,0 % 0,5 % 14,0 % 4,1 % 0,8 % 13,5 % 4,1 % Paar ohne Kind(er) 2,8 % 9,0 % 4,2 % 3,0 % 8,5 % 4,5 % 3,4 % 8,8 % 4,8 % Paar mit Kind(ern) 1,8 % 5,4 % 2,6 % 3,1 % 7,5 % 4,3 % 3,3 % 6,6 % 4,1 % Sonstiger Mehrpersonenhaushalt 1,4 % 3,5 % 1,9 % 1,6 % 4,1 % 2,2 % 1,6 % 3,8 % 2,2 % Gesamt 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 14
2 Auswertung der DzW-Daten BAG W Der Anteil alleinstehender Klient:innen im DzW ist rückläufig. als Alleinerziehende definiert werden – eine zunehmende Die Daten in Tabelle 7 verdeutlichen aber, dass nach wie vor Bedeutung im Hilfesystem20: Die aktuellen Zahlen zeigen, ein Großteil der Klient:innen im Hilfesystem der freien Träger dass der Anteil der Personen, die laut DzW in Haushalten alleinstehend ist (84,7 %). Dabei bestehen deutliche geschlech- mit Kind(ern) leben, auf gleichbleibendem Niveau von über terspezifische Unterschiede: Unter den alleinstehenden Kli- 8 % bleibt. Bezogen auf die Gruppe der akut Wohnungslosen ent:innen finden sich mehr männliche Klienten als weibliche ist der Anteil sogar leicht gestiegen (mit +0,4 %-P auf 5,1 % (90,9 % der männlichen Klienten ggü. 67,2 % der weiblichen) in 2019). Sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Kli- (nachrichtl.). Im Vergleich zwischen allen Klient:innen und akut ent:innen fand diese Verschiebung zu Mehrpersonenhaus- wohnungslosen Klient:innen zeigt sich auch, dass akut woh- halten statt, wobei Frauen nach wie vor deutlich häufiger als nungslose Klient:innen häufiger alleinstehend sind. Männer in Haushalten mit Kindern leben (f Tabelle 8). Demgegenüber haben Familien – also Haushalte mit Die Entwicklung der Zahlen aus Tabelle 9 ist alarmierend: Kind(ern), die im DzW entweder als Paar mit Kind(ern) oder Zwar sind Haushalte mit Kind(ern) im Vergleich zu Haushalten Tabelle 9: Wohnungsnotfälle im Vergleich: Haushalte mit und Haushalte ohne Kind(er), alle Klient:innen (2011, 2015, 2019) 2011 2015 2019 Perso- Perso- Gesamt Perso- Perso- Gesamt Perso- Perso- Gesamt nen in nen in nen in nen in nen in nen in Haushal- Haushal- Haushal- Haushal- Haushal- Haushal- ten mit ten ohne ten mit ten ohne ten mit ten ohne Kind(ern) Kind(er) Kind(ern) Kind(er) Kind(ern) Kind(er) Von Wohnungslosigkeit betroffen 39,4 % 75,7 % 73,6 % 46,9 % 73,9 % 71,4 % 47,4 % 77,0 % 74,4 % Unmittelbar von Wohnungs 23,1 % 10,2 % 10,8 % 21,1 % 11,3 % 12,1 % 23,2 % 9,5 % 10,5 % losigkeit bedroht In unzumutbaren 11,2 % 3,1 % 3,5 % 8,7 % 2,9 % 3,4 % 8,0 % 2,6 % 3,1 % Wohnverhältnissen Ehemals von Wohnungslosigkeit 2,1 % 1,6 % 1,6 % 5,3 % 3,3 % 3,4 % 3,3 % 2,8 % 2,8 % betroffen oder bedroht Kein Wohnungsnotfall 24,2 % 9,5 % 10,5 % 18,1 % 8,6 % 9,6 % 18,0 % 8,1 % 9,1 % Gesamt 100,0 % 100,0 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % Tabelle 10: Unterkunftssituation von Haushalten mit und ohne Kind(er) vor Hilfebeginn (2019) Alle Klient:innen Akut Wohnungslose in Haushalten mit in Haushalten ohne in Haushalten mit in Haushalten ohne Kind(ern) Kind(er) Kind(ern) Kind(er) Wohnung 49,5 % 19,7 % 7,5 % 3,7 % Bei Familie / Partner:in 16,8 % 12,2 % 28,6 % 13,2 % Bei Bekannten 17,5 % 28,8 % 35,2 % 36,6 % Firmenunterkunft 0,1 % 0,2 % 0,1 % 0,2 % Frauenhaus 0,5 % 0,2 % 0,9 % 0,2 % Amb. betreute Wohnform 0,3 % 1,4 % 0,3 % 1,3 % Hotel, Pension 1,5 % 1,6 % 3,1 % 1,9 % Notunterkunft, Übernachtungsstelle 4,5 % 9,8 % 8,2 % 12,0 % Geflüchteten-/ Asylunterkunft 1,2 % 0,2 % 1,2 % 0,2 % Gesundheitssystem 0,5 % 2,5 % 0,8 % 2,8 % Stationäre Einrichtungen 0,9 % 3,6 % 1,3 % 3,1 % Haft 0,1 % 1,9 % 0,1 % 2,2 % Ersatzunterkunft 1,9 % 1,7 % 3,0 % 1,8 % Ohne Unterkunft 4,7 % 16,3 % 9,6 % 20,8 % Gesamt 100 % 100 % 100 % 100 % 15
BAG W 2 Auswertung der DzW-Daten ohne Kind(er) deutlich seltener akut von Wohnungslosigkeit der freien Träger in der eigenen Wohnung (49,5 %). In 2018 betroffen, mit 47,4 % ist jedoch ein besorgniserregender Wert betrug dieser Wert 53,7 % (-4,2 %-P), vor zehn Jahren waren erreicht. Nahezu jede zweite Familie, die 2019 Hilfeeinrich- es sogar 60,7 %, womit sich von 2009 zu 2019 ein Rückgang tungen der freien Träger aufsuchte, lebte ohne eigene Woh- um -11,2 &-P ergibt (nachrichtl.). Im Gegenzug lebten 2009 nung. Gegenüber den Zahlen von 2011 bedeutet dies einen 24,4 % aller Klient:innen mit Familie bei Familie, Partner:in Anstieg um +8 %-P. oder Bekannten, in 2019 sind es 34,3 % (+9,9 %-P). In gleichem Maße alarmierend stellt sich die Datenlage 2.10 Dauer der Wohnungslosigkeit hinsichtlich der Unterkunftssituation dieser akut von Woh- und Wohnwunsch nungslosigkeit betroffenen Familien im DzW dar. Tabelle 10 zeigt zwar, dass nahezu zwei Drittel aller wohnungslosen Das DzW erfasst mit der Dauer der aktuellen Wohnungs- Haushalte mit Kind(ern) bei Bekannten, Familie oder Part- losigkeit auch, wann die Klient:innen Kontakt zu den Hilfen ner:innen unterkommen kann (63,8 %), allerdings lebt auch in Wohnungsnotfällen aufnehmen. Der Großteil von ihnen rund eine von zehn akut wohnungslosen Familien vor Hil- (44,8 %) suchte ein Hilfeangebot der freiverbandlichen Hilfen febeginn gänzlich ohne Unterkunft auf der Straße (9,6 %). in den ersten zwei Monaten der Wohnungslosigkeit auf, wei- Bei Haushalten ohne Kinder ist das Verhältnis zwei zu zehn tere 20 % innerhalb von zwei bis sechs Monaten (f Tabel- (20,8 %). le 11). Zwei Drittel der Hilfesuchenden nehmen Hilfeangebo- te also frühzeitig war, weshalb Hilfeangebote nach §§ 67 ff. Auch unter allen Klient:innen in Haushalten mit Kind(ern) SGB XII flächendeckend vorgehalten werden sollten. Um den zeigt sich im Vergleich zum Vorjahr die Weiterführung eines Aufenthalt in der ordnungsrechtlichen Unterbringung der bereits langfristig zu beobachteten Trends: Nur die Hälfte Kommunen deutlich zu verkürzen und einer Chronifizierung aller Klient:innen lebt bei Aufsuchen der Hilfeeinrichtungen von Wohnungslosigkeit gezielt entgegenzuwirken, muss die Tabelle 11: Dauer der aktuellen Wohnungslosigkeit, alle Klient:innen (2011, 2015, 2019) 2011 2015 2019 Männlich Weiblich Gesamt Männlich Weiblich Gesamt Männlich Weiblich Gesamt unter 2 Monate 39,3 % 48,6 % 41,1 % 42,1 % 49,1 % 43,7 % 43,9 % 47,8 % 44,8 % 2 bis unter 6 Monate 18,1 % 21,8 % 18,8 % 19,5 % 21,0 % 19,8 % 19,3 % 20,9 % 19,7 % 6 bis unter 12 Monate 11,1 % 12,5 % 11,3 % 11,3 % 12,1 % 11,5 % 11,1 % 11,1 % 11,1 % 1 bis unter 3 Jahre 14,5 % 11,4 % 13,9 % 13,6 % 10,9 % 13,0 % 12,7 % 12,3 % 12,6 % 3 bis unter 5 Jahre 5,7 % 2,9 % 5,2 % 5,1 % 3,5 % 4,7 % 5,1 % 4,0 % 4,9 % 5 Jahre und länger 11,3 % 2,8 % 9,7 % 8,5 % 3,3 % 7,4 % 7,8 % 4,0 % 7,0 % Gesamt 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % Tabelle 12: Wohnwünsche akut wohnungsloser Klient:innen (2015 und 2019) 2015 2019 Männlich Weiblich Gesamt Männlich Weiblich Gesamt Eigene Wohnung 83,3 % 90,5 % 84,9 % 86,6 % 90,9 % 87,6 % Davon: Eigene Wohnung für eine Person 75,4 % 59,5 % 71,9 % 78,3 % 60,9 % 74,4 % Davon: Eigene Wohnung für zwei Personen 4,3 % 16,1 % 6,9 % 5,0 % 17,1 % 7,7 % Davon: Eigene Wohnung für Familie 3,6 % 14,9 % 6,1 % 3,3 % 12,9 % 5,5 % Stationäre Einrichtung 8,1 % 3,4 % 7,0 % 5,4 % 2,7 % 4,8 % Wohngemeinschaft 1,7 % 2,0 % 1,8 % 1,4 % 1,5 % 1,4 % Möbliertes Zimmer 1,7 % 1,0 % 1,5 % 1,8 % 1,3 % 1,7 % Alternative Wohnform 0,5 % 0,3 % 0,4 % 0,5 % 0,6 % 0,5 % Sonstiges 1,1 % 1,0 % 1,1 % 0,9 % 0,9 % 0,9 % Kein Wohnungswunsch 3,6 % 1,8 % 3,2 % 3,4 % 2,1 % 3,1 % Gesamt 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 16
3 Schwerpunkt: Working Poor – Wohnungslos trotz Arbeit BAG W ordnungsrechtliche Unterbringung auch eine Durchlässigkeit 86,6 % der Männer). Innerhalb dieser Kategorie orientiert sich zum allgemeinen System sozialer Hilfen und die Möglichkeit der Wunsch nach der Art der eigenen Wohnung i. d. R. an der der Anbindung bieten. Nur so kann sich die Unterbringung aktuellen Haushaltsstruktur, was die dahingehenden Unter- selbst überflüssig machen und lediglich kurze Aufenthalts- schiede in den Verteilungen der Antworten von männlichen dauern ermöglichen. und weiblichen Klient:innen erklärt. So wünschen sich allein- stehende – welche anteilig häufiger unter den männlichen Hinsichtlich der Gesamtheit der Klient:innen kann von einem Klient:innen im DzW verzeichnet sind – eine Wohnung für leichten Rückgang der Langzeitwohnungslosigkeit gespro- eine Person (78,3 % der Männer ggü. 60,9 % der Frauen). Da chen werden. Zwischen 2011 und 2019 zeigt sich eine Ab- Frauen hingegen häufiger in Mehrpersonenhaushalten leben nahme von -2,7 %-P bei den Klient:innen, die mehr als fünf (f Kapitel Haushaltsstruktur und Familienstand), geben sie Jahre wohnungslos sind (9,7 % in 2011 ggü. 7,0 % in 2019) auch bedeutend häufiger einen Wunsch nach einer Wohnung und -1,6 %-P bei dem Zeitraum zwischen einem und fünf Jah- für zwei oder mehr Personen an (30 % der Frauen ggü. 8,3 % re Wohnungslosigkeit (19,1 % in 2011 ggü. 17,5 % in 2019). der Männer). Der Wunsch nach anderen Wohnformen wie Damit sank der Anteil aller Klient:innen, die länger als zwölf stationäre Einrichtung, Wohngemeinschaft oder anderem Monate wohnungslos waren, in den letzten acht Jahren um wird von 9,3 % aller Klient:innen formuliert. Nur 3,1 % aller -4,3 %-P. wohnungslosen Klient:innen artikulierte keinen Wohnungs- wunsch. Auch vor vier Jahren war der Anteil ähnlich hoch. Tabelle 12 zeigt die Antwortverteilungen der akut wohnungs- Dies widerlegt eindeutig die zu Unrecht weit verbreitete Auf- losen Klient:innen hinsichtlich ihres Wohnwunsches. Rund fassung, dass wohnungslose Menschen ihre Lebensweise 97 % von ihnen wünschen sich eine Wohnung oder andere bewusst gewählt hätten oder gar favorisieren würden. Da- Form der Unterbringung. Die überwiegende Mehrheit davon raus folgt, dass die Bereitstellung von eigenem Wohnraum (87,6 %) wünscht sich eine eigene Wohnung, wobei hier leich- das oberste Ziel bei der Versorgung wohnungsloser Haus- te Geschlechterdifferenzen bestehen (90,9 % der Frauen ggü. halte sein muss. 3 Schwerpunkt: Working Poor – Wohnungslos trotz Arbeit 3 Schwerpunkt: Working Poor – Wohnungslos trotz Arbeit Das Phänomen „Arm trotz Arbeit“ verweist auf eine Gruppe und betont: „Der Anteil derjenigen, die Anspruch auf Hartz von Menschen, deren prekäre Beschäftigungs- und somit IV haben und diesen aus Scham nicht in Anspruch nehmen, Lebensverhältnisse von Armut und Unsicherheit gekenn- ist noch höher.“21 Nach Angaben des Statistischen Bundes- zeichnet sind. Der Schattenbericht der Nationalen Armuts- amtes lebten im Jahr 2019 8,0 %22 der rund 45 Millionen konferenz (nak) beziffert die Zahl der erwerbstätigen Men- Erwerbstätigen23 unterhalb der Armutsgefährdungsgren- schen in Deutschland 2019, die so wenig verdienen, dass sie ze. Gleichzeitig lebten rund 14 % der Bevölkerung in Haus- zusätzliche Hartz-IV-Leistungen beziehen, mit 1,2 Millionen halten, die durch ihre Wohnkosten finanziell überlastetet Abbildung 10: Anteil erwerbstätiger Menschen in Wohnungsnotfallsituationen im DzW (seit 2009) 17
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