Stellungnahme "Zukunft der deutschen Universitätsmedizin kritische Faktoren für eine nachhaltige Entwicklung"
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BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER BUNDESÄRZTEKAMMER Bekanntmachungen Stellungnahme „Zukunft der deutschen Universitätsmedizin − kritische Faktoren für eine nachhaltige Entwicklung“ Vorwort sundheitssystems wie Krankenhäuser der Maximalversorgung, akade- Die gesundheits- und forschungspolitischen Entwicklungen der letzten mische Lehrkrankenhäuser sowie kommunale und freigemeinnützige Jahre, die zu erheblichen Veränderungen unseres Gesundheitssystems Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung betreffen. Im Interesse geführt haben, wurden von Deutschen Ärztetagen immer wieder proble- einer stringenten Darstellung werden diese Verweise in der Stellungnah- matisiert. So hat der Deutsche Ärztetag wiederholt auch die zentrale Be- me aber nicht gesondert hervorgehoben. deutung der Krankenhäuser und der Universitätsmedizin für die Qualität Um dem Thema Universitätsmedizin in seiner Komplexität und Viel- der ärztlichen Leistungserbringung und Krankenversorgung in Deutsch- schichtigkeit gerecht zu werden und die verschiedenen, zum Teil ge- land hervorgehoben sowie darauf hingewiesen, dass die veränderten genläufigen Interessen zu berücksichtigen, wurde der Arbeitskreis mit Rahmenbedingungen im deutschen Gesundheitswesen zur Beeinträch- 36 ad personam berufenen Mitgliedern aus verschiedenen Bereichen tigung ihrer Funktionsfähigkeit geführt haben. breit besetzt. In teils kontroversen, aber stets konstruktiven Diskussio- Diese Diskussion wurde vom Vorstand der Bundesärztekammer auf- nen haben die Beteiligten die im Folgenden dargestellten Beschrei- gegriffen, indem er seinen Wissenschaftlichen Beirat beauftragt hat, die- bungen der derzeitigen Situation der Universitätsmedizin analysiert se Fehlentwicklungen exemplarisch am Beispiel der Universitätsmedizin und mögliche Lösungsansätze erarbeitet. Dafür sei ihnen an dieser darzustellen und die vorliegende Stellungnahme auszuarbeiten. Darüber Stelle gedankt. hinaus wurden die speziellen Konstellationen der Universitätsmedizin Die vorliegende Stellungnahme soll in erster Linie einen Beitrag zur mit dem komplexen Aufgabenspektrum in den Bereichen Forschung, dringend erforderlichen Diskussion über eine nachhaltige Zukunftsge- Lehre und Krankenversorgung problematisiert. staltung der Universitätsmedizin leisten. Darüber hinaus ist zu wün- Der Bundesärztekammer ebenso wie den zahlreichen Autoren der schen, dass die in dieser Stellungnahme am Beispiel der Universitäts- Stellungnahme ist es ein zentrales Anliegen klarzustellen, dass die in der medizin aufgearbeiteten grundsätzlichen Probleme und Fragestellungen vorliegenden Stellungnahme angesprochenen Problemfelder insbeson- positive Impulse für die ebenfalls betroffenen nichtuniversitären Einrich- dere im Bereich der Finanzierung auch andere Einrichtungen des Ge- tungen des Gesundheitssystems bewirken. Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Prof. Dr. med. Dr. h. c. Peter C. Scriba, Prof. Dr. rer. nat. Heyo Kroemer, Präsident der Bundesärztekammer Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats Federführender des Arbeitskreises und des Deutschen Ärztetags der Bundesärztekammer Präambel tätsmedizin ist dabei die sehr enge Verknüpfung von Kranken- Die deutsche Universitätsmedizin verbindet verschiedene Allein- versorgung, Forschung und Lehre. stellungsmerkmale, die sie für die Daseinsvorsorge der im demo- Die Kombination dieser Aktivitäten, die sowohl einzeln als grafischen Wandel befindlichen Bevölkerung der Bundesrepu- auch in ihrer Summe unverzichtbar sind, macht die Universitäts- blik Deutschland unverzichtbar machen. Nahezu die gesamte medizin zu einem Konstrukt, das sich durch sein Leistungsspek- Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses findet in der Universi- trum deutlich von anderen Organisationen abhebt. Ein hoher tätsmedizin statt. Parallel dazu wird die Supramaximalversorgung qualitativer Anspruch an die Universitätsmedizin ist somit die sowie die Versorgung von Patienten mit seltenen Krankheitsbil- unabdingbare Voraussetzung für die angemessene Versorgung dern zu einem erheblichen Teil in der universitären Medizin ge- der Bevölkerung und die gestalterische Teilhabe unseres Landes währleistet. In engster Verbindung mit der Krankenversorgung am internationalen medizinischen Fortschritt. wird hier international wettbewerbsfähige Spitzenforschung so- Verschiedene, nicht miteinander koordinierte Einflussfaktoren wohl im angewandten Bereich als auch in der Grundlagenfor- haben zum einen dazu geführt, dass die funktional notwendige, schung betrieben. Ein Charakteristikum der deutschen Universi- aber fragile Balance zwischen Krankenversorgung einerseits und C1 A B Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 8 | 22. Februar 2013
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER Forschung und Lehre andererseits nicht mehr gewährleistet ist. sätze sollen auch im internationalen Vergleich betrachtet werden Zum anderen sind Finanzierungsprobleme, insbesondere die unzu- (z. B. im Kontext des niederländischen Modells zur Finanzierung reichende Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der Uni- der Universitätsmedizin). versitätsmedizin innerhalb der Fallpauschalenvergütung, die Ab- hängigkeit ärztlicher Vergütung vom Ort der Tätigkeit innerhalb Die im Folgenden begründeten Kernforderungen sind: der Universitätsmedizin, die restriktive Entwicklung der ländersei- ● Insbesondere die Finanzierungsstruktur des klinischen tigen Finanzierung und die Abschaffung des Hochschulbauförde- Teils der Universitätsmedizin ist mit den Anforderungen rungsgesetzes (HBFG), zu nennen. Letztere haben bereits in Ein- an die Universitätsmedizin und mit deren Alleinstel- zelfällen zur Überführung klinischer Teile der Universitätsmedizin lungsmerkmalen nicht vereinbar. Eine nachhaltige und in eine privatrechtliche Organisationsform geführt. transparente Finanzierung der systemrelevanten und Im Ergebnis kommt bereits jetzt weder die für die Versorgung bisher nicht bzw. nicht adäquat finanzierten Teile der notwendige Zahl von Ärzten in der Niederlassung und in klini- Universitätsmedizin muss erfolgen. scher Tätigkeit an, noch gehen auf der anderen Seite genügend ● Eine direkte Finanzierungsmöglichkeit der Universitäts- junge Mediziner in die Forschungsbereiche, so dass die Erfüllung medizin durch den Bund oder durch Krankenkassen der beiden zentralen Aufgaben der Universitätsmedizin gefährdet (sog. 3. Finanzierungssäule) muss erreicht werden. In je- ist. Eine mangelhafte Finanzierung sowohl im investiven als dem Fall muss eine (Wieder-)Beteiligung des Bundes an auch im konsumtiven Bereich stellt die Universitätsmedizin notwendigen Großinvestitionen erfolgen. funktional infrage. ● Die investive Komponente einer funktionsfähigen Uni- Die Probleme der Universitätsmedizin haben bereits bei meh- versitätsmedizin ist in einer Größenordnung von zehn reren Deutschen Ärztetagen– wie beim 110. Deutschen Ärztetag bis 15 Prozent des Gesamtumsatzes pro Jahr zu ge- 2007 in Münster1 – zu Anträgen und Beschlüssen geführt. Die- währleisten. se wurden vom Vorstand der Bundesärztekammer aufgegrif- fen, indem er den Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärzte- kammer damit beauftragt hat, die vorliegende Stellungnahme 1.1 Was sind die wesentlichen Probleme auszuarbeiten. der derzeitigen Finanzierung? Es gibt zu dieser Problematik bereits zahlreiche Positionspa- Universitäre Medizin in Deutschland wird derzeit grundsätzlich piere von Interessenverbänden und zuständigen Wissenschaftsor- aus drei Quellen finanziert: ganisationen, die die individuellen Probleme aus der jeweiligen ● aus den Erlösen der Krankenversorgung für die laufenden Sicht mit Sachkunde beleuchten. Eine praktisch alle relevanten Betriebskosten, Faktoren integrierende Betrachtung der aktuellen Lage der Uni- ● aus der öffentlichen Finanzierung von Forschung und Leh- versitätsmedizin mit besonderem Blick auf re sowie der Investitionskosten der Krankenversorgung ● Finanzierungsformen und Governancestrukturen, durch die Länder und ● Aus-, Weiter- und Fortbildungsaufgaben, ● aus den Drittmitteln weiterer Zuwendungsgeber. ● Anreize für experimentelle und klinische Forschungskarrie- Die beiden erstgenannten Finanzierungsarten stehen bezüg- ren sowie lich des Gesamtumsatzes etwa im Verhältnis 4 : 1 bis 10 : 1. Der ● den Auftrag der Universitätsmedizin in der ambulanten und zunehmend größere Finanzierungsanteil aus Erlösen der Kran- stationären Patientenversorgung kenversorgung spiegelt den starken Leistungszuwachs der Uni- gibt es bisher nicht. versitätskliniken in den letzten Jahren wider und unterstreicht die Die Bundesärztekammer und somit die deutsche Ärzteschaft Bedeutung der Universitätsmedizin auch als Supramaximalver- machen sich die Forderungen der vorliegenden Stellungnahme sorger in der deutschen Krankenhauslandschaft. Die immer gra- zu eigen. vierender werdenden Probleme der DRG-Finanzierung (Stich- wort „Kostenschere“: Kosten steigen stärker als Erlöse) wie auch 1. Nachhaltige Finanzierungsstrategien der Länderhaushalte (Stichwort „Schuldenbremse“), die in der Zielsetzung dieses Kapitels ist es, die Auswirkungen der verän- Universitätsmedizin kumulieren, treffen die klinische Versor- derten finanziellen Rahmenbedingungen, u. a. gung der Bevölkerung daher im Kern. ● der DRG-Einführung (Diagnosis Related Groups), Von zunehmender Bedeutung für die Universitätsmedizin sind ● der Föderalismusreform (z. B. die Abschaffung des HBFG), die sogenannten Drittmittel, die üblicherweise nach einem Re- ● des Investitionsstaus, viewprozess zur Durchführung definierter Aufgaben in der For- ● der leistungsorientierten Ressourcenverteilung und schung zur Verfügung gestellt werden. Die Drittmittelquote der ● der unzureichenden Finanzierung der Hochschulambulanzen, Universitätsmedizin ist mittlerweile auf durchschnittlich 30 Pro- auf die Universitätsmedizin kritisch zu untersuchen. Es sollen zent der Landeszuführungsbeträge angestiegen und somit ein un- Forderungen und Lösungsansätze für die Sicherstellung einer verzichtbarer Anteil der Finanzierung. universitätsmedizingerechten Finanzierung formuliert werden, die einerseits auf eine Weiterentwicklung des DRG-Systems, an- Rückblick dererseits auf eine grundlegende Neuausrichtung von Finanzie- Im Jahr 2000 wurde die GKV-Gesundheitsreform beschlossen. rungskonzepten abzielen und z. B. in einer erneuten Föderalismus- In Art. 4 zur Änderung des § 17 b Krankenhausfinanzierungsge- reform umgesetzt werden könnten. Diese möglichen Lösungsan- setzes (KHG) heißt es: „Für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ist für alle Krankenhäuser . . . ein durch- 1 vgl. Beschluss 110. DÄT (2007), Drs. V-70 „Forschung und Universitäten in Deutschland – gängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergü- Rolle der Ärzte als Tagesordnungspunkt auf dem 111. Deutschen Ärztetag“ tungssystem einzuführen . . .“. 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BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER Der durch diese Gesetzgebung induzierte Wettbewerb sowie wird dies zur existenziellen Bedrohung. Die Folge davon ist ein die damit einhergehende Schließung zahlreicher unwirtschaftlich regionales, qualitativ und quantitativ sinkendes Angebot essen- geführter Krankenhäuser haben an fast allen deutschen Universi- zieller medizinischer Höchstleistungen, d. h. Qualitätsverlust in tätsklinika zu einem drastischen Zuwachs ihrer klinischen Leis- der Krankenversorgung. Des Weiteren enthält das System eine tungen geführt. Im Januar 2011 trat dann jedoch das „Gesetz ausgeprägte Scherenproblematik. So werden etwa notwendige, zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Ge- aber von außen festgelegte Tarifsteigerungen (führend im ärztli- setzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Finanzierungsgesetz – chen Bereich) nicht abgebildet. GKV-FinG) in Kraft, das einen Abschlag von 30 Prozent für Auch weist das DRG-System ein strukturelles Problem im Mehrleistungen vorsah und dazu geführt hat, dass unter diesen Umgang mit der Translation von Innovationen in die Patienten- neuen Rahmenbedingungen nur noch die wenigsten klinischen versorgung auf. Sogenannte Neue Untersuchungs- und Behand- Mehrleistungen ausreichend finanziert sind. So bleibt zur Kom- lungsmethoden (NUB) sind zwar im DRG-System vorgesehen, pensation der außerdem auch aufgrund der nicht ausgegliche- müssen jedoch von jeder Universitätsmedizin eigens beantragt nen Tarifsteigerungen anwachsenden Kosten nur noch die Re- werden und finden anschließend bestenfalls mit einer zweijähri- duktion der Ausgabenseite. Hier ist zu bemerken, dass unter dem gen Verzögerung dauerhafte Berücksichtigung im DRG-System. Kostendruck der letzten Jahre ein erheblicher Teil der vorhande- Eine leistungsgerechte und zeitnahe Finanzierung von Innovatio- nen Rationalisierungsspielräume bereits genutzt worden ist. Da- nen – als eine der Domänen der Universitätsmedizin – findet da- her ist im Jahr 2011 im Vergleich zu 2010 der Anteil der Univer- her nicht statt. sitätsklinika, die in der Krankenversorgung kein ausgeglichenes Die Universitätsklinika als Supramaximalversorger sind per Ergebnis mehr erzielen konnten, wieder stark gestiegen. definitionem die Anlaufpunkte für besonders schwere und selte- Die in den letzten Jahren zunehmend ausgeweiteten Kranken- ne Erkrankungen, die eine spezielle Infrastruktur benötigen bzw. hausleistungen sind aus zwei Gründen ein fundamentales Pro- hohe Interdisziplinarität erfordern. Diese Fälle stellen häufig sog. blem: Zum einen enthält die derzeitige Vergütung der Kranken- Extremkostenfälle (besonders aufwendige, schwere Fälle) dar, versorgung keine investiven Komponenten. Zum anderen zeigt die entweder gar nicht oder aber unzureichend im DRG-System die Länderfinanzierung der Investitionen extreme Unterschiede abgebildet werden. Von den stationären Fällen sind 0,5 bis ein zwischen den Standorten, da es kein länderübergreifendes Finan- Prozent in diese Kategorie einzuordnen. Einzelfallanalysen ha- zierungsprinzip gibt. Aus den genannten Gründen wird die not- ben ergeben, dass sich das Defizit pro Extremkostenfall auf wendige Investitionsquote bei weitem nicht erreicht. Es ist ab- 26 000 bis 30 000 Euro beläuft und sich so eine jährliche finan- zusehen, dass die Universitätsmedizin in funktionale Schwierig- zielle Zusatzbelastung von fünf bis zehn Millionen Euro pro Uni- keiten kommen wird. Dies ist insbesondere zu erwarten, wenn versitätsklinikum ergibt. Für diese systematische Ungleichbe- Großinvestitionen wie der komplette Neubau von Kliniken erfor- handlung im DRG-System muss ein Ausgleich gefunden werden. derlich werden. Eine ausreichende Investitionsquote von zehn Der Ausgleich könnte analog dem morbiditätsorientierten Risi- bis 15 Prozent des Gesamtumsatzes ist unbedingte Vorausset- kostrukturausgleich der gesetzlichen Krankenkassen ausgestaltet zung für eine erfolgreiche Teilnahme in dem wettbewerblich werden, indem er die negativen Deckungsbeiträge dieser „Aus- organisierten DRG-System. Durch die Abschaffung des HBFG, reißerfälle“ kompensiert. Hiermit sind ausdrücklich keine Baga- das für eine gesonderte Berücksichtigung der besonderen Auf- tellfälle, sondern ausschließlich Extremkostenfälle mit schwer- gaben für Forschung und Lehre von den Hochschulen die ge- wiegenden Defiziten gemeint. meinsame Finanzierung der Investitionskosten durch Bund und Die im Rahmen der Föderalismusreform II erfolgte Änderung Länder vorsah, wird sich die Situation für die Universitätsme- des Art. 91 b Grundgesetz (GG) hat zur Folge, dass der Bund dizin perspektivisch deutlich verschlechtern. die Hochschulen nicht mehr direkt finanziell unterstützen kann. Die Gesundheitsreform im Jahr 2000 hat, wie oben beschrie- Durch die Schaffung der Deutschen Zentren zur Gesundheitsfor- ben, „eine einheitliche Vergütung aller Krankenhäuser“ zum Ziel schung (DZG) ist es dem Bund weiterhin zwar möglich, über- gehabt. Fundamentale Unterschiede in den Aufgaben bzw. Leis- regional bedeutsame Forschungsvorhaben in der Medizin zu för- tungsspektren der Häuser – und hier besonders die Eigentümlich- dern – auch sieht diese Initiative eine Kooperation mit der beste- keiten der Universitätsmedizin – wurden dabei unzureichend be- henden Forschungsinfrastruktur der Universitätsklinika vor –, rücksichtigt. dennoch wird diese Kooperation mit den außeruniversitären For- schungsinstituten, die die Kooperationsmodalitäten maßgeblich Begründung der Forderungen bestimmen, von der Universitätsmedizin als nicht gleichberech- Nach einem ausreichend langen Erfahrungszeitraum lässt sich tigt empfunden. Der 113. Deutsche Ärztetag 2010 in Dresden hat aus Sicht der Universitätsmedizin Folgendes konstatieren: Das sich eindeutig positioniert, indem er eine Gleichberechtigung DRG-System hat sich partiell bewährt. Die Universitätsklinika universitärer und nichtuniversitärer Institutionen im Rahmen der wurden durch den Druck des Systems deutlich wirtschaftlicher Initiative zur Gesundheitsforschung gefordert hat. Die aktuelle und wettbewerbsfähiger. Hohe Transparenz bezüglich der er- Entwicklung, wie sie nachdrücklich in dem Papier „Helmholtz brachten Leistungen und der dafür aufgewendeten Kosten wurde 2020 – Zukunftsgestaltung durch Partnerschaft“ beschrieben erreicht. wird, steht in deutlichem Kontrast zur Stellungnahme des Ärzte- Gleichzeitig deckte diese Transparenz aber auch fundamentale tages. Probleme auf: Die komplexen und aufwendigen Leistungen, die Zusammenfassend stehen sich innerhalb der Universitäts- gerade die Universitätsmedizin zum Gesundheitssystem beisteu- medizin mit der krankenkassenfinanzierten Versorgung und der ert, finden im derzeitigen DRG-System keine angemessene Be- länderfinanzierten Forschung und Lehre zwangsläufig und lang- rücksichtigung. In Bereichen mit besonders niedrigen Basisfall- fristig zwei Systeme gegenüber, deren Abstimmung fortlaufend werten, in denen dennoch adäquate Leistungen erwartet werden, aktualisiert und verbessert werden muss. ► CB 3 A Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 8 | 22. Februar 2013
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER 1.2 Welche Entwicklungen werden konkret bei ● eine hochspezialisierte Krankenbehandlung in den univer- Beibehaltung der derzeitigen Finanzierungssysteme sitären Ambulanzen (vgl. Kapitel 4.2 und 4.3), die weit erwartet? über den für Forschung und Lehre erforderlichen Umfang Die langjährige massive strukturelle Investitionsunterfinanzierung gemäß § 117 Sozialgesetzbuch (SGB) V hinausgeht. wird in einigen Ländern dazu führen, dass eine Reihe von Universi- Die Summe dieser Faktoren ergibt einen zu finanzierenden tätsklinika nicht mehr wettbewerbsfähig sein wird. Aufgrund ihrer Kostenblock, der spezifisch vor allem für die universitäre Medizin institutionellen Größe und der Kompensationsmöglichkeiten ist da- ist. Modelle, die die oben genannten Punkte berücksichtigen, wer- mit zu rechnen, dass das Erreichen dieses Punktes unterschiedlich den in den Nachbarländern, wie etwa in den Niederlanden, erfolg- lange dauert, dann jedoch dramatisch und sehr rasch auftritt. reich praktiziert. Dabei ist anzumerken, dass über die dritte Finan- Die unzureichende Finanzierung von Forschung und Lehre an zierungssäule durch den Mittelgeber eine sinnhafte Steuerung der vielen Standorten und die gleichzeitige unzureichende Finanzie- Universitätsmedizin hin zu einem differenzierten Aufgabenspek- rung der Weiterbildung an allen Standorten bedrohen konsekutiv trum erfolgen könnte. Durch eine seit über einem Jahrzehnt immer die Qualität der ärztlichen Berufsentwicklung und damit die Er- wieder geforderte Anerkennung der Systemrelevanz der Universi- füllung des öffentlichen Auftrages der Daseinsvorsorge durch die tätsmedizin für die Patientenversorgung könnte die Generierung Universitätsmedizin. von notwendigen monetären Ressourcen für die dritte Finanzie- Die ausschließliche Finanzierung der universitären Kranken- rungssäule aus Bundesmitteln begründet werden. Andere Modelle, versorgung durch das allgemeine DRG-System führt aufgrund etwa ein DRG-Zuschlag für die universitäre Medizin, wären auf- der damit verbundenen Probleme (u. a. Scherenproblematik, in grund der besonderen Aufgaben denkbar, würden aber eine negati- manchen Ländern mangelnde Finanzierung der NUB, Extrem- ve Steuerungswirkung auslösen, weil die Kostenträger Patienten- kostenfälle) zu standortunterschiedlichen Quersubventionierun- ströme dann in die nichtuniversitären, kostengünstigeren Häuser gen (Drittmittel/Landeszuschuss) und weiteren Einschränkungen lenken würden. Wenn die Etablierung einer dritten Finanzierungs- der Aktivitäten von Forschung und Lehre. Darunter leidet nicht säule innerhalb des DRG-Systems erfolgen soll, wäre die einzig nur die Exzellenz von Forschung und Spitzenmedizin, sondern praktikable Variante ein DRG-Systemzuschlag für die Universi- auch die Qualität von Aus-, Weiter- und Fortbildung. Die Sys- tätsmedizin, wie er analog für das Institut für das Entgeltsystem im temrelevanz der Universitätsmedizin für die Versorgung der Krankenhaus (InEK) entrichtet wird. Bevölkerung ist jedoch noch nicht in vollem Umfang im Be- Größenordnungsmäßig wären für die obigen Aufgaben etwa 2 wusstsein von Politik und Gesellschaft verankert. Mit einer Bei- 30 Millionen Euro pro Standort zur Aufrechterhaltung der behaltung der derzeitigen Finanzierungssysteme droht eine nega- Funktionalität der Universitätsmedizin in der Bundesrepublik tive Entwicklung des Gesundheitssystems, einhergehend mit notwendig. Besser als eine pauschale Lösung wäre jedoch eine dem Verlust der internationalen Konkurrenzfähigkeit. Auf diese Ankopplung an Leistungsparameter, wie etwa einen fiktiven Weise wird die für den Standort Deutschland so wichtige Wirt- Kostennormwertzuschuss für Forschung und Lehre pro Student schaftskraft der Gesundheitswirtschaft mittelfristig nachhaltig oder eine Orientierung an anderen studentischen Leistungszahlen geschwächt. und Drittmitteleinwerbungen. Ein solches Modell hätte den Vor- teil, dass die Investitionsfinanzierung in der Verantwortung der 1.3 Wie müsste eine nachhaltige Finanzierung Länder ebenso wie die wettbewerbliche Komponente des DRG- aussehen? Systems vollumfänglich erhalten bliebe. Nachhaltige Finanzierung erfordert neben der derzeitigen Unter- Das Modell einer dritten Finanzierungssäule würde darüber stützung durch die Länder und den Erlösen aus der DRG-finan- hinaus langfristig die Universitätsmedizin in Trägerschaft der zierten Krankenversorgung die Einführung einer dritten Finan- öffentlichen Hand stabilisieren. Privates Kapital wäre nicht zierungssäule, die den bisher nicht berücksichtigten Besonder- zwangsläufig notwendig, wenn der Zugang zum Kapitalmarkt heiten der Universitätsmedizin Rechnung trägt. In der dritten für die Standorte zugelassen wird (Zusammenhang zu Rechts- Säule sollten somit die Aktivitäten finanziert werden, die spezi- form, Trägerschaft und Governance siehe Kapitel 2). fisch für die universitäre Medizin sind und bisher nur unzurei- Neben diesen Faktoren ist es unabdingbar, dass die Univer- chend oder gar nicht durch die Fallpauschalen und die Landesfi- sitätsmedizin gleichberechtigten und ungehinderten Zugang zu nanzierung für Forschung und Lehre abgebildet werden können. allen Drittmittelquellen hat. Dafür sind die notwendigen gesetz- Dazu gehören lichen Grundlagen zu schaffen. ● klinische Strukturen, die für Aus-, Weiter- und Fortbildung notwendig sind und zum Teil ausschließlich zu Ausbil- 2. Rechtliche Rahmenbedingungen und Corporate dungszwecken beibehalten werden, obwohl sie unwirt- Governance der Universitätsmedizin schaftlich sind; Ziel dieses Abschnittes ist es, die Auswirkungen der unterschied- ● Vorhalte- und Sicherstellungsaufgaben (z. B. die Versorgung lichen Wesensmerkmale verschiedener Rechts- und Organisati- von Schwerstbrandverletzten und Tropenerkrankungen); onsmodelle sowie der Möglichkeiten zur Gestaltung der sog. ● Innovationen aus translationaler Forschung als ein zentrales Corporate Governance auf die Universitätsmedizin, insbesonde- Charakteristikum der Universitätsmedizin: Viele der medi- re unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich geschützten zinischen und medizintechnischen Innovationen werden in Wissenschafts- und Lehrfreiheit, zu untersuchen, Risiken aufzu- der universitären Patientenversorgung zum ersten Mal an- zeigen sowie Handlungsempfehlungen und Forderungen zu for- gewendet; ● die aufwendige und hochgradig spezialisierte Diagnostik und 2 Vgl. Gürkan I (2009): Krankenhausfinanzierung aus Sicht der kaufmännischen Leitung ei- Therapie der für die Universitätsmedizin typischerweise be- nes Universitätskrankenhauses. Zeitschrift für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie 2009; 6: sonders schweren Fälle und seltenen Erkrankungen sowie 374–82. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 8 | 22. Februar 2013 B AC 4
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER mulieren. Möglichkeiten zur Einbeziehung von privatwirtschaft- ● Inwieweit darf und muss sich die Universitätsmedizin als lichem Kapital, vor allem aber auch die Optionen zur Begrün- Unternehmen verstehen? dung von strategischen Partnerschaften der universitätsmedizini- ● Dürfen unternehmerische Grundsätze auch auf die Organi- schen Einrichtungen untereinander, mit außeruniversitären For- sation von Forschung und Lehre Anwendung finden? schungseinrichtungen oder auch mit freigemeinnützigen oder öf- ● Sollen sich (private) Dritte mit Renditeerwartung an der fentlichen Krankenhausträgern sollten hierbei betrachtet werden. Universitätsmedizin beteiligen können? ● Inwieweit muss der Einfluss des Staates auf die Universi- Die im Folgenden begründeten Kernforderungen sind: tätsmedizin eingeschränkt werden? ● Eine möglichst enge organisatorische und rechtliche ● Was ist das notwendige Maß an staatlicher Kontrolle der Verknüpfung von Fakultät und Universitätsklinikum in Universitätsmedizin, und wie wird es gewährleistet? einem integrativen Modell muss erfolgen, das – in wel- Bei entsprechender Ausgestaltung bestehen – jedenfalls in Be- cher konkreten rechtlichen Ausgestaltung auch immer – zug auf die rechtlich gegebenen Möglichkeiten der Ausgestal- seinerseits ein rechtlich selbstständiger Teil einer Uni- tung der Corporate Governance – zwischen öffentlich-rechtli- versität ist. chen Rechts- und Organisationsformen, wie z. B. der Rechtsform ● Die Gewährleistung einer hohen operativen und strate- der Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) oder der Körperschaft gischen Flexibilität der integrierten Universitätsmedizin des öffentlichen Rechts (KdöR), einerseits sowie Rechtsformen ist essenziell. des Privatrechts, wie z. B. der Gesellschaft mit beschränkter Haf- ● Die Umsetzung der Aufsichts- und Kontrollpflicht von tung (GmbH) oder der Aktiengesellschaft (AG), andererseits Land und Universität muss in ausschließlich nach sach- kaum Unterschiede. Die Corporate Governance kann in beiden lichen Kompetenzkriterien besetzten Aufsichtsgremien Varianten nahezu identisch ausgestaltet werden. erfolgen. Die größte Herausforderung bei der Regelung einer guten ● Dem Staat muss eine Rechts- und eine Ergebnisaufsicht, Corporate Governance der Universitätsmedizin ist es, ein ge- jedoch keine inhaltliche Fachaufsicht über die Universi- deihliches Zusammenspiel innerhalb und zwischen tätsmedizin obliegen. ● Land, ● Rechtsrahmen müssen entwickelt werden, die standort- ● Universität, spezifische Besonderheiten berücksichtigen und die die ● Fakultät (die in der Regel keine eigene Rechtspersönlich- Bildung strategischer Verbünde und Partnerschaften, so- keit besitzt) und wohl mit der Medizin anderer Universitäten als auch mit ● dem Universitätsklinikum außeruniversitären (Forschungs-)Einrichtungen, ermög- zu gestalten. lichen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei der Blick auf die un- terschiedlichen und teilweise auch gegenläufigen Interessen, die nicht nur in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden, son- 2.1 Was sind die wesentlichen Probleme der dern auch praktikabel gestaltet sein müssen: derzeitigen Rechtsformen der Universitätsmedizin ● Das Aufsichtsinteresse (insbesondere aufgrund der kon- in Deutschland? sumtiven und investiven Finanzierung von Forschung und In den letzten Jahren ist zunehmend deutlich geworden, dass der Lehre, der Investitionsförderung der Krankenversorgung rechtliche Rahmen, innerhalb dessen eine Universitätsmedizin durch das Land) sowie die ordnungspolitischen Interessen agiert, von erheblicher Bedeutung für den Erfolg in Forschung, des Landes; Lehre und Krankenversorgung ist. ● das umfassende Interesse insbesondere der Universität, ei- Standortindividuell haben sich im Speziellen entwickelt: ne fakultätsübergreifende Forschung und Lehre sicherzu- ● die Privatisierung des Universitätsklinikums Gießen und stellen und dabei auf eine starke medizinische Forschung Marburg im Jahre 2006; und Lehre bauen zu können; ● die Renaissance des sog. Integrationsmodells, die u. a. zur ● das spezifische Interesse insbesondere der medizinischen Neufassung der Universitätsmedizingesetze in Rheinland- Fakultät an exzellenter medizinischer Forschung und Lehre Pfalz, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern führte; sowie ● die an verschiedenen Stellen in der Bundesrepublik disku- ● das Interesse insbesondere des Universitätsklinikums an tierten Ideen zur Umsetzung von strategischen Partner- Spitzenmedizin in Koordination mit dem Forschungsprofil schaften und Verbünden (z. B. die Zusammenführung der (mit einem betriebswirtschaftlich mindestens ausgegliche- Universitätskliniken Aachen und Maastricht oder die ge- nen Ergebnis). meinsame Erfüllung der Ausbildungsaufgaben von supra- Im Idealfall sind die Interessen der medizinischen Fakultät nationalen Standorten wie Oldenburg und Groningen). und des Universitätsklinikums weitestgehend deckungsgleich, da Aber auch missglückte Versuche, die bestehenden gesetzli- exzellente medizinische Forschung und Lehre auch zu einer qua- chen Rahmenbedingungen zu reformieren (z. B. das zwischen- litativ optimalen Krankenversorgung führen und sich dies auch zeitlich außer Kraft gesetzte Universitätsmedizingesetz des Lan- vice versa bedingt. Jedenfalls basieren die Integrationsmodelle des Baden-Württemberg), haben gerade in jüngerer Vergangen- insbesondere auch auf der Annahme, dass Forschung, Lehre und heit die hohe Bedeutung der Wahl, vor allem aber der richtigen Krankenversorgung untrennbare und unverzichtbare und vor al- inhaltlichen Ausgestaltung der Rechts- und Organisationsform lem auch gleichberechtigte Merkmale der Universitätsmedizin für den Erfolg der Universitätsmedizin deutlich gemacht. sind. Die folgenden Fragen stehen dabei im Mittelpunkt des Inter- Neben den obigen Überlegungen ist festzustellen, dass es der- esses: zeit keine bundesweit einheitlichen Grundsätze für die Ausge- C5 B A Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 8 | 22. Februar 2013
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER staltung der Rechtsform von Universitätsklinika gibt. Daraus 2.3 Wie müsste ein idealer Rechtsrahmen aussehen? folgt, dass die gewählten Rechtskonstrukte in aller Regel spezi- Es müssen klare und effizient wirkende Strukturen der Corporate fisch für die Bundesländer, zum Teil sogar spezifisch für einzelne Governance geschaffen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit Standorte in diesen Bundesländern entwickelt worden sind. Die der Universitätsmedizin nicht nur in der Krankenversorgung, eigentlich, z. B. aus Gründen der Rechtsklarheit, wünschenswerte sondern auch in der medizinischen Forschung und Lehre dauer- Etablierung länderübergreifender Verbundsysteme in der Univer- haft zu sichern. sitätsmedizin, die kompatibel zueinander sind und wechselseiti- Wettbewerbsfähigkeit – am besten (regionale, nationale und ggf. ge Beteiligungen zulassen, wird dadurch teilweise erschwert. auch internationale) Marktführerschaft – bringt wirtschaftlichen Er- folg, der eine wichtige, wenn nicht unverzichtbare Voraussetzung 2.2 Welche Entwicklungen werden konkret bei Beibe- für qualitative Spitzenmedizin und Exzellenz in Forschung und Leh- haltung der derzeitigen Rechtsformen erwartet? re darstellt. Wenn diese These richtig ist, dann ist die Universitäts- Derzeit versuchen viele Universitätsmedizingesetze, die inhalt- medizin von heute insoweit längst unternehmerisch tätig und muss liche Ausgestaltung der Rechts- und Organisationsform im Einzel- sich einen entsprechenden Rechts- und Organisationsrahmen wäh- nen bereits im Gesetz zu regeln. Dabei erfolgen teilweise Anleh- len, in dem die Spezifika der Universitätsmedizin im Allgemeinen, nungen an das Aktienrecht und teilweise an das GmbH-Gesetz, je- grundsätzlich auch im Hinblick auf die individuellen Anforderungen doch in der Regel keine ausdrücklichen Bezugnahmen. Es wird des Standorts, Berücksichtigung finden. auf diese Weise versucht, ein komplexes Regelwerk nachzubil- Auch wenn die öffentliche Trägerschaft grundsätzlich wün- den, ohne Strukturen des Privatrechts zu benennen. Soweit Re- schenswert ist, sollten aus Gründen der Flexibilität für die Universi- gelungen zur Corporate Governance im Gesetz erfolgen, bedeu- tätsmedizin neben öffentlich-rechtlichen auch private Rechts- und tet dies aber weniger Flexibilität, da gesetzliche Regelungen nur Organisationsformen wählbar sein. Rein rechtlich gesehen besteht durch neue gesetzliche Regelungen geändert werden dürfen. kein Vorrangverhältnis zugunsten der einen oder anderen Option. Zentrale Fragen zur Corporate Governance, des Ordnungsrah- Insbesondere verlangt der im Grundgesetz verankerte Schutz mens für die Leitung und Überwachung der Universitätsmedizin, der Freiheit von Forschung und Lehre (Art. 5 Abs. 3 Grundge- sind zudem ungeklärt und heftig umstritten, wie z. B. die bun- setz) nicht unbedingt die Wahl einer öffentlich-rechtlichen desweit geführte Diskussion über die sog. Gewährträgerver- Rechtsform. Dementsprechend kann z. B. das Landesgesetz über sammlung zeigt, die im baden-württembergischen Universitäts- die Errichtung der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg- medizingesetz vorgesehen war. Die Strukturen der Corporate Universität Mainz vom 10. September 2008 auch optional die Governance sind in vielen Fällen im Hinblick auf die Mechanis- Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für die men zur Gremienbesetzung, der Entscheidungsfindung und der Universitätsmedizin Mainz vorsehen. Da diese im Integrations- Entscheidungsumsetzung nicht ausreichend professionell. modell strukturiert ist, also Krankenversorgung, Forschung und Der Rechtsrahmen prägt aber nicht nur entscheidend das Lehre drei Aufgaben einer einzigen rechtlichen Einheit sind, Selbstverständnis der Universitätsmedizin sowie das Zusammen- können auch die Bereiche Forschung und Lehre als GmbH orga- spiel zwischen Land, Universität, Fakultät und Universitätsklini- nisiert sein (vgl. § 25 Universitätsmedizingesetz). kum, er schafft – oder verhindert – auch Möglichkeiten der stra- Im direkten Vergleich ergeben sich allerdings erhebliche Unter- tegischen Entwicklung, der Bildung von Verbünden (z. B. mit schiede zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Rechtsformen: den Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung), der Finan- ● Mit wenigen Ausnahmen sind alle bestehenden Universi- zierung und der steuerlichen Optimierung der Universitätsmedi- tätsklinika in Deutschland in der öffentlich-rechtlichen zin (z. B. aufgrund einer Minimierung umsatzsteuerlicher Risi- Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts, der Kör- ken im Integrationsmodell oder aufgrund der Möglichkeit zur perschaft des öffentlichen Rechts oder in Mischformen der- Verrechnung steuerpflichtiger Gewinne mit Verlusten bei Ab- selben (z. B. sog. Gliedkörperschaften) verfasst. schaffung des steuerlichen Status der Gemeinnützigkeit). ● Von den verschiedenen Rechtsformen des Privatrechts bietet Daher ist der Gesetzgeber an seine Reformpflicht zu erinnern: sich für die Universitätsmedizin am ehesten die Rechtsform „Der Gesetzgeber darf nicht nur neue Modelle und Steue- der GmbH an, eine Kapitalgesellschaft, deren Haftung auf rungstechniken entwickeln und erproben, . . . vielmehr ist er so- das Vermögen der Gesellschaft begrenzt ist. Die GmbH ist gar verpflichtet, bisherige Organisationsformen kritisch zu beob- durch Bundesrecht geregelt, ihre gesetzlichen Grundlagen achten und zeitgemäß zu reformieren“ (Bundesverfassungsge- besitzen eine lange Tradition (das „Gesetz betreffend die Ge- richt [BVerfG] Beschluss vom 26.10.2004 – 1 BvR 911/00 sellschaften mit beschränkter Haftung“ stammt aus dem Jahr „Brandenburger Hochschulen“); 1892), und diese Rechtsform findet in allen Branchen An- dabei hat er die bestehende Pflicht zum Ausgleich der Interes- wendung. Dementsprechend liegt eine gewachsene, sehr um- sen zu beachten: fassende und solide Rechtssprechungspraxis vor, die Rechts- „Es ist die Aufgabe des Gesetzgebers, einen Ausgleich zwi- sicherheit und Vertrauen in die Rechtsform schafft. schen den Erfordernissen einer bestmöglichen Behandlung der ● Eine weitere Rechtsform ist die einer Stiftung des öffentli- Patienten und der Garantie der Wissenschaftsfreiheit für die be- chen Rechts oder einer Stiftung des privaten Rechts, die die handelnden Hochschullehrer herbeizuführen. … Im Bereich der Vorteile des Integrationsmodells voll abbildet und die hohe universitären Krankenversorgung stehen sich daher verschiedene Freiheitsgrade beinhaltet (z. B. Universitätsmedizin Göttin- Grundrechte und verfassungsrechtlich geschützte Interessen ge- gen). Eine Stiftung gehört sich selbst und erneuert sich, ins- genüber; Aufgabe des Gesetzgebers ist es, zwischen diesen mög- besondere was die Besetzung des Aufsichtsgremiums, des licherweise gegensätzlichen Grundrechtspositionen einen Aus- Stiftungsrates oder Kuratoriums, anbelangt, in der Regel gleich zu finden.“ [BVerfG Beschluss vom 08.04.1981 – 1 BvR über die Kooptation aus sich heraus (das Land Hessen hat 608/79 = BVerfGE 57, 70 „Hessisches Universitätsgesetz“]. im August 2012 ein umfassendes Konzept eines Stiftungs- Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 8 | 22. Februar 2013 B AC 6
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER modells als Rechtsrahmen für die öffentlichen Plankran- An die ideale Rechtsform einer Universitätsmedizin werden kenhäuser in Hessen vorgeschlagen). grundsätzlich die folgenden Forderungen erhoben: Im Folgenden werden die strukturellen Unterschiede zwi- ● So wenig Gremien und Organe wie möglich, so viele wie schen den Rechtsformen aufgelistet: nötig, weshalb z. B. die Interessen der Universität, nach ei- ● Bei der AöR/KdöR besteht aufgrund der Gewährträgerhaf- ner internen Abstimmung der Universitätsorgane, gebün- tung eine unbeschränkte Haftung, während bei der GmbH delt auf Ebene der Universitätsmedizin vertreten werden die Haftung kraft Rechtsform beschränkt ist. Haftungsbe- sollten und keinesfalls – wie im Universitätsmedizingesetz schränkungen müssten bei der AöR/KdöR also jeweils im des Landes Baden-Württemberg bis vor kurzem noch vor- Einzelfall vereinbart werden; bei der GmbH können umge- gesehen – jeweils einzeln Berücksichtigung finden dürfen. kehrt unbeschränkte oder weitergehende Haftungen – z. B. Denn dies führte z. B. dazu, dass dem Wirtschaftsplan nicht über Bürgschaften, um günstige Finanzierungskonditionen nur der Aufsichtsrat der Universitätsmedizin zustimmen zu erhalten – im Einzelfall vereinbart werden. musste, sondern auch der Fakultätsrat, der Aufsichtsrat der ● Die GmbH ist grundsätzlich mit ihrer gesamten Geschäfts- Universität, der Senat etc.; tätigkeit steuerpflichtig, d. h. kraft Rechtsform steuerlich ● so wenig Gremienmitglieder wie möglich, so viele wie nötig; gewerblich. Dies bietet (bei Abschaffung des steuerlichen ● klare Aufgaben- und Kompetenzzuweisungen an die Gremien; Status der Gemeinnützigkeit, was ohne eine Nachversteue- ● kontroverse Diskussion der Interessen, aber keine Konfron- rung gestaltbar ist) gegenüber der AöR und KdöR steuerli- tation unterschiedlicher Interessenlagen im gleichen Gre- che Vorteile, z. B. im Hinblick auf die Möglichkeit der Ver- mium. rechnung von Gewinnen und Verlusten und die Etablierung Im gleichen Gremium sollten die unterschiedlichen Auffas- von umsatzsteuerlichen Organschaften. sungen über das „Wie“ der Umsetzung der gleichen Interessenla- ● Die GmbH ist passiv beteiligungsfähig, was bedeutet, dass gen diskutiert werden, jedoch sollte eine Vermischung von „Un- sich Dritte, z. B. andere Universitätsklinika, beteiligen kön- ternehmensinteressen“ mit „Aufsichtsinteressen“ auf Ebene des nen. Dies ist bei der AöR und KdöR rechtstechnisch zwar gleichen Gremiums tunlichst vermieden werden. möglich, jedoch nur mit einem erheblichen Regelungsauf- Dies führt zu einer Corporate Governance mit einem klassi- wand umsetzbar. Gesellschaftsrechtlich verbindliche und schen dreistufigen Aufbau: damit grundsätzlich langfristige Partnerschaften, z. B. mit 1. Operative Leitung der Universitätsmedizin (= Geschäfts- anderen Universitätsklinika oder außeruniversitären For- führung), schungsinstitutionen, bei denen ein gemeinsames Interesse 2. Beratung und Kontrolle der Geschäftsführung, die jedoch und der gemeinsame Erfolg im besten Sinne des Wortes ge- ausschließlich im Interesse des Unternehmens erfolgt teilt werden, können damit am besten innerhalb der Rechts- (= klassischer Aufsichtsrat), form einer Kapitalgesellschaft, wie z. B. der GmbH, ver- 3. Aufsichtsinteresse, das sich als Ergebnisaufsicht versteht wirklicht werden. (= Gesellschafterversammlung). ● Die rechtsfähige Stiftung wird zur Verwirklichung eines be- Eine gute Grundlage für diese Aufgabenstellung sind die stimmten Zwecks – hier universitäre Krankenversorgung, „Grundsätze guter Unternehmens- und Beteiligungsführung im Lehre und Forschung – errichtet. Sie ist mit einem dem Bereich des Bundes – Public-Corporate-Governance-Kodex des Stiftungszweck gewidmeten Vermögen und einer zweck- Bundes (PCGK)“. entsprechenden Organisation (Vorstand, Stiftungsrat oder Aufgrund verschiedener Entwicklungen (Staatsfinanzen, Kuratorium) auszustatten. Die Handlungsmöglichkeiten Schuldenbremse) ist abzusehen, dass eine rein öffentliche Finan- der Stiftung – abgeleitet aus dem Stiftungszweck – sind frei zierung der Universitätsmedizin in Zukunft zunehmend schwie- gestaltbar, müssen allerdings von der Stiftungsaufsicht ge- rig sein wird. Die erfolgreiche Universitätsmedizin wird daher nehmigt werden. Die Stiftung verfügt daher im Vergleich verstärkt die Bildung strategischer Verbünde und Partnerschaften zu den anderen dargestellten Rechtsformen über gleichwer- zum Ziel haben müssen. Die Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit tige oder höhere Gestaltungsfreiräume. solcher Verbünde muss über einen schlichten Kooperationsver- ● Im Hinblick auf die Anforderungen an Kontrolle bzw. Auf- trag hinausgehen und vielmehr als echte Partnerschaft im Sinne sicht – insbesondere in Bezug auf die Sicherstellung der eines gemeinsamen Unternehmens ausgestaltet werden können. Freiheit von Forschung und Lehre – scheinen die öffentlich- Dies macht Rechtsformen, die eine Beteiligungsfähigkeit vorse- rechtlichen Rechtsformen AöR und KdöR der GmbH oder hen, erforderlich. Auch die steuerlichen Belange der Universi- anderen privatrechtlichen Rechtsformen überlegen zu sein. tätsmedizin (Saldierung von Gewinnen und Verlusten sowie um- Allerdings bestehen auch bei der GmbH umfassende und satzsteuerliche Organschaften) müssen berücksichtigt werden. nicht beschränkbare Kontrollrechte, z. B. ein unbeschränk- Während also öffentlich-rechtliche Modelle mit maximaler tes Einsichtsrecht sowie umfassende, grundsätzlich unbe- struktureller Integration von Forschung, Lehre und Krankenver- dingt zu befolgende Weisungsrechte des Gesellschafters ge- sorgung wünschenswert bleiben, müssen auch privat-rechtliche genüber dem Geschäftsführer. Zudem kann die GmbH durch Rechtsformen in Betracht gezogen werden; wobei auch hier eine das öffentlich-rechtliche Rechtsinstitut, der sog. Beleihung, Integration der drei Geschäftsfelder realisiert werden muss, so zu einer „nachgeordneten Behörde“ im Hinblick auf die ihr dass ein privatrechtlich organisiertes Integrationsmodell grund- obliegenden Aufgaben in Forschung, Lehre und/oder Kran- sätzlich eine sinnvolle Organisationsform sein kann. Bisher wur- kenversorgung gemacht werden. Dadurch stehen auch öf- de in Deutschland keine Universitätsmedizin (Universitätsklini- fentlich-rechtliche Instrumente der Kontrolle (bis hin z. B. kum und medizinische Fakultät) vollständig und erfolgreich pri- zur Ersatzvornahme) zur Verfügung. Im Übrigen untersteht vatisiert. Teilprivatisierungen sind zum Teil auf erhebliche Kritik auch eine „Universitätsmedizin GmbH“ der Rechtsaufsicht. gestoßen. ► C7 B A Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 8 | 22. Februar 2013
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER 3. Nachwuchsentwicklung und ärztliche Karrierewege Ziel dieses Abschnittes ist es, die wesentlichen Probleme bei der ● Die Weiterbildung zum Facharzt und eine Karriere in Entwicklung des ärztlichen Nachwuchses und transparenter Kar- der Forschung müssen parallel möglich und vereinbar rierewege aufzuzeigen und Lösungsmöglichkeiten zu diskutie- sein (Physician Scientist). ren. Dabei wird die Ausgangslage wie folgt beurteilt: ● Generell muss die Aus- und Weiterbildung in der ambu- Die demografische Entwicklung in den wohlhabenden Län- lanten Versorgung erheblich intensiviert werden. dern Europas und Nordamerikas vergrößert den Bedarf an kom- ● Für die Ärztinnen und Ärzte in der Universitätsmedizin petenten Ärztinnen und Ärzten. Die Situation in Schwellen- oder müssen Beruf (Forschung, Lehre und Krankenversor- gar in Entwicklungsländern mit einer Vielzahl ungelöster ge- gung) und Familie besser vereinbar sein. Die Gleichstel- sundheitlicher Probleme der Bevölkerung macht deutlich, dass lung von Frauen und Männern muss auch in den Füh- auch dort großer, vielmehr noch größerer Bedarf an ärztlicher rungspositionen erreicht werden. Empfohlen werden Pro- Diagnostik und Therapie besteht, so dass eine Abwerbung von gramme zur Erleichterung der beruflichen Reaktivierung Ärzten aus diesen Ländern ethisch nicht vertretbar ist. von Ärztinnen und Ärzten nach einer Familienpause. Bezogen auf die deutsche Universitätsmedizin stellt sich die ● Die Akademisierung einer geeigneten Teilgruppe nicht- Aufgabe, dem ärztlichen Nachwuchs in Aus-, Weiter- und Fort- ärztlicher Heilberufe mit dem Ziel, derselben Forschung bildung attraktive Karrierewege aufzuzeigen, sie einzuleiten und in diesen Tätigkeitsbereichen zu ermöglichen, ist als Auf- zu ermöglichen. gabe der medizinischen Fakultäten zu verstehen. Der schon existente und weiterhin prognostizierte Fachkräf- temangel, die ärztliche Profession und nichtärztliche Medizin- berufe betreffend, ließe sich mildern, wenn es gelänge, einem 3.1 Was sind die wesentlichen gegenwärtigen jahrelangen familienbedingten Aussetzen aus dem Arbeitsleben Probleme? durch die Etablierung von familienförderlichen Strukturen im Rückblick Sinne von Prävention vorzubeugen (z. B. durch Kinderhort und Über Jahre wurden die deutschen Universitäten dafür kritisiert, Kindergarten beim Universitätsklinikum oder flexible Dienst- dass sie den ärztlichen Nachwuchs patientenfern und praxisun- pläne). Dadurch würden Frauen sowie zunehmend auch Män- tauglich ausbilden würden. Erfreulicherweise kann heute festge- ner nach einem familienbedingten Aussetzen zeitnah wieder in stellt werden, dass sich bezüglich der Ausbildung vieles zum Gu- das aktive Berufsleben integriert, so dass aufwendige Reinte- ten gewendet hat: Dekane und Studiendekane, Wissenschaftsrat, grationsprogramme nicht notwendig würden. Empfohlen wer- Medizinischer Fakultätentag, aber auch die Deutsche Gesell- den ferner Programme, die auch nach jahrelangen Pausen die schaft für Ausbildung in der Medizin (GMA) und nicht zuletzt Aktualisierung der praktischen und theoretischen Fähigkeiten die Bundesärztekammer haben für eine praxisnähere und alltags- möglichst spezifisch für den vorgesehenen Arbeitsplatz för- tauglichere Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses gesorgt. dern. Es geht darum, subjektive Ängste und objektive Defizite Schlüssel zum Erfolg sind individuelle und objektive Auswahl- im allgemeinen Interesse abzubauen und kooperatives Will- verfahren, in denen die Abiturnote nur eine Rolle unter mehreren 3 kommen auszudrücken. Hier könnte auch die Universitätsme- spielt, der frühe Kontakt mit Patienten, die engagierte Interaktion dizin in Kooperation mit den Angeboten der Landesärztekam- zwischen Lehrenden und Lernenden, die Entwicklung einer Reihe mern hilfreich agieren. von mündlichen Prüfungen, die Stärkung der Allgemeinmedizin an der Hochschule, die Förderung von Famulaturen in der haus- Die im Folgenden begründeten Kernforderungen sind: ärztlich ausgerichteten Vertragsarztpraxis und vieles mehr. ● Das Auswahlverfahren und der Zugang zum Medizinstu- Medizinische Fakultäten und Universitätsklinika haben in dium müssen so gestaltet sein, dass sowohl überzeugend Deutschland das Monopol, den ärztlichen Nachwuchs auszubil- an kurativer Medizin interessierte Kandidaten als auch den. Nur im Delegationsverfahren über die Konstruktion des für Forschung geeignete junge Menschen identifiziert Akademischen Lehrkrankenhauses oder der Akademischen werden. Lehrpraxis können andere in die akademische Lehre einbezogen ● Die Ausbildungswege und Karriereoptionen müssen so werden. Es ist die Aufgabe der Universitätsmedizin, ihrer institu- gestaltet und weiterentwickelt werden, dass der Beruf tionellen Pflicht nachzukommen und stetig an der Konzeption des Arztes für herausragend qualifizierte junge Men- neuer Lösungen weiterzuarbeiten. schen attraktiv bleibt. ● Die Einkommen von in der Universitätsmedizin For- Begründung der Forderungen schenden müssen an diejenigen klinisch tätiger Ärzte an- Die Universitätsmedizin ist auf diese Aufgaben grundsätzlich vor- gepasst werden. bereitet. In sehr geordneten transparenten und akademischen Ver- ● Rein wissenschaftliche Karrieren müssen für den ärztli- fahren werden die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer chen Nachwuchs wirtschaftlich wesentlich attraktiver ausgesucht und berufen, die einerseits für den Unterricht der Stu- werden. dierenden, andererseits für die Weiterentwicklung des wissen- ● Leistungen in der Lehre müssen für den akademischen schaftlichen Faches geeignet sind. Davon profitieren nicht zuletzt Erfolg besser gewertet werden. die Patienten. Reglementierte und gremiengesteuerte allgemeine Auswahlverfahren für Hochschullehrer bilden allerdings nicht in jedem Fall die unterschiedlichen Anforderungsprofile einer Kli- 3 Vgl. Märker-Hermann E (2012) Mentoring: Förderprogramme für Ärztinnen. Dtsch Med nikprofessur ab. Fehlbesetzungen in einem großen Fach können Wochenschr 2012;137 (28/29): 1446–7. Vgl. Lammert F et al (2012): Qualifizierungs- chancen für Nachwuchswissenschaftler in der Inneren Medizin. Dtsch Med Wochenschr fatale, jahrzehntelange negative Auswirkungen sowohl für For- 2012; 137: 1586–8. schung und Lehre als auch für die Krankenversorgung haben. Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 8 | 22. Februar 2013 B AC 8
BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER Regelmäßige Evaluationen durch die Studierenden und durch 3.2 Welche Entwicklungen werden konkret bei die Lehrkommissionen, die Entwicklung von Lehrhäusern sowie Beibehaltung der derzeitigen (strukturellen) die erfolgsorientierte Vergabe von Mitteln führen zur kontinuier- Rahmenbedingungen erwartet? lichen Verbesserung der heute schon hochwertigen Leistungen in Die Aufgabe der Universitätsklinika, den ärztlichen Nachwuchs Lehre, Forschung und Patientenversorgung. in Koordination und Kooperation mit den beteiligten Akteuren Stetes Ärgernis aufseiten der wissenschaftlichen Assistenten und auszubilden und in die Gesamtheit der Ärzteschaft zu integrie- jungen Dozenten ist die unterschiedliche Vergütung zwischen kli- ren, wird heute schon gut, sollte zukünftig jedoch noch besser er- nisch tätigen Ärztinnen und Ärzten und den auf Wissenschaft und füllt werden. Forschung ausgerichteten Kolleginnen und Kollegen. Es steht den Die Universitätsklinika können bei langfristig gesicherter Finan- Institutionen aber teilweise frei, ihre in Forschung und Lehre tätigen zierung garantieren, dass sie Ärztinnen und Ärzte qualifizieren, die Ärzte nach gleichem Tarif zu bezahlen. Gesamthaft ist es der Ärzte- für die Durchführung klinisch-praktischer Tätigkeiten in der Patien- schaft mit Hilfe der Ärztegewerkschaft Marburger Bund gelungen, tenversorgung geeignet sind. Dies gilt nicht nur für das Gebiet der die Vergütung im Krankenhausbereich deutlich zu verbessern. Die Bundesrepublik Deutschland oder für Europa, sondern letztlich Einkommenssituation von Ärztinnen und Ärzten an Universitätskli- weltweit, auch unter Berücksichtigung der sehr unterschiedlichen nika und nichtuniversitären Krankenhäusern einerseits, an Kliniken medizinischen Herausforderungen. Die Universitätsklinika fördern in den neuen und alten Bundesländern andererseits, ist vergleichbar die Teilnahme an internationalen Austauschprogrammen, unterstüt- günstig. Flächendeckend eingeführt wurde der arztspezifische Tarif- zen die Studierenden in der Beantragung von Stipendien und begrü- vertrag mit einer transparenten Vergütungstabelle. ßen die Ableistung von Teilen des Praktischen Jahres im Ausland. Natürlich gibt es auch im Bereich der klinisch tätigen Ärztinnen Einige Fakultäten sind schon heute sehr darum bemüht, dass die und Ärzte Wünsche nach einer noch verbesserten Einkommenssi- Studierenden parallel zum deutschen Staatsexamen auch die US- tuation: So werden Berufsanfänger in anderen akademischen Be- amerikanischen Zugangshürden bewältigen. rufen, wie beispielsweise der chemischen oder pharmazeutischen Sollte es nicht gelingen, die Vergütung für forschende Ärztin- Industrie, zum Teil besser eingruppiert, die Vergütung von Bereit- nen und Ärzte zu verbessern und sie schrittweise mit den Ein- schaftsdiensten und Rufbereitschaften könnte gesteigert werden, kommensmöglichkeiten der klinisch tätigen Kollegen zu harmo- die Arbeit zu ungünstigen Zeiten findet noch nicht die verdiente nisieren, ist mit einer Abkehr des ärztlichen Nachwuchses von wirtschaftliche Anerkennung. Bezogen auf die Universitätsmedi- Fragen der Wissenschaft und Forschung hin zur klinischen Be- zin liegt die Schwachstelle darin, dass die arztspezifischen Tarife rufsausübung zu rechnen. Außerdem werden sich die begabtes- bisher nur für Ärztinnen und Ärzte mit klinischem Einsatz Gültig- ten und kompetentesten Nachwuchswissenschaftler ausländi- keit haben. Dies stellt nicht nur eine Benachteiligung des dringend schen Forscherverbünden anschließen. Die oben für den in Wei- benötigten wissenschaftlichen Nachwuchses dar; mittelbar resul- terbildung befindlichen akademischen Nachwuchs beschriebene tiert aus dieser Ungleichbehandlung, die als Ungerechtigkeit emp- Vergütungsschere trifft auch die Gruppe der bereits habilitierten funden wird, die nicht seltene Entscheidung der wissenschaftlich Ärztinnen und Ärzte. interessierten jungen Ärztinnen und Ärzte oder des begabten For- Weder die Position des Juniorprofessors noch die des abhän- schernachwuchses gegen Wissenschaft und Forschung und statt- gig beschäftigten, beamteten W2-Professors ist unter Vergü- dessen für eine klinische Weiterbildung oder andere spätere Tätig- tungsaspekten attraktiv, gleichzeitig ist es heute vielerorts üblich, keiten. Die Verantwortlichen in den Leitungsstrukturen der Fakul- dass ein W2-Professor als Oberarzt vertraglich eine bessere Ver- täten und Universitätsklinika bis hin zu den Ordinarien haben we- gütung erhält als ein W3-Professor. Über das hier zu behandeln- nig Handlungsspielraum und können nur die wirklich intrinsisch de Themenfeld der Ärztinnen und Ärzte hinaus gilt dies auch für Engagierten und Ehrgeizigen zu rein wissenschaftlicher Tätigkeit den akademischen Nachwuchs der nichtklinischen wissenschaft- motivieren. Es ist von allgemeinem Interesse, diese zurzeit noch lichen Fächer, die wesentliche Teile der Lehre und Forschung in auseinandergehende Schere zu schließen und generell die Arbeits- den medizinischen Fakultäten ausmachen. Auch ambitionierte bedingungen zu verbessern. Forscher (Mediziner und Nichtmediziner) sind in die Zukunftssi- Hatte sich die Hochschulleitung – wie beschrieben – im Studienbe- cherung der deutschen Universitätsmedizin einzubeziehen. reich um die Qualität der Lehrenden und der Lehre gekümmert, so muss sie jetzt darauf bauen, dass die Universitätsmedizin Abteilung 3.3 Wie müssten nachhaltige (strukturelle) für Abteilung den Anforderungen der (Landes-)Ärztekammern an die Rahmenbedingungen aussehen? Voraussetzungen zur Genehmigung als Weiterbildungsstätte genügt. Die Abstände der Novellierung unserer Approbationsordnung Darüber hinaus müssen sich die sorgfältig ausgewählten Hochschul- (ÄAppO) sollten für eine bessere Realitätsnähe verkürzt werden. lehrer dem Kollegialorgan der ärztlichen Selbstverwaltung stellen und Die Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses bedarf einer konti- nachweisen, dass sie nicht nur zur Ausbildung von Studierenden, son- nuierlichen Verbesserung. Die Studierenden sind noch intensiver dern auch zur Weiterbildung in dem von ihnen akademisch und kli- als bisher in die Analyse der Rahmenbedingungen und die Eva- nisch vertretenen Fach geeignet sind, welches sie nicht nur kompetent luationen einzubeziehen. beherrschen, sondern sogar wissenschaftlich weiter entwickeln sollen. Die Gründung von Lern- bzw. Studienhäusern scheint ein guter Wünschenswert wäre es, dass die Ärztekammern Schritt zu sein. Die Lehre muss als bedeutende Aufgabe der Uni- ● die besondere Rolle der Universitätskliniken, versitätsmedizin so akzeptiert werden, dass sie auch den Schritt in ● die im Vergleich zu anderen Krankenhäusern und Praxen den Kreis der Hochschullehrer bzw. die Habilitation ermöglicht. größeren Herausforderungen, Grundlagenwissenschaft, klinische Forschung, Versorgungsfor- ● aber auch deren enorme Chancen schung und die Verbesserung der akademischen Lehre sind Säulen sehen und die Universitätsleitung und die Abteilungsleiter/Ordi- der Universitätsmedizin, deren schwerpunktmäßige Beschäftigung narien stärker als bisher in den Kammeralltag einbeziehen würden. auch akademisch gleichwertig honoriert werden sollte. ► CA 9 B Deutsches Ärzteblatt | Jg. 110 | Heft 8 | 22. Februar 2013
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