Heft 37 - Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden Wegweiser - Rosinak ...
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Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden Wegweiser Heft 37 AMT DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG Gruppe Raumordnung, Umwelt und Verkehr Abteilung Raumordnung und Gesamtverkehrsangelegenheiten
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden Wegweiser Impressum: Auftraggeber: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung Gruppe Raumordnung, Umwelt und Verkehr Abteilung Raumordnung und Gesamtverkehrsangelegenheiten Landhausplatz 1 3109 St. Pölten Auftragnehmer: Rosinak & Partner ZT GmbH Schloßgasse 11 1050 Wien Bearbeitung: Dipl.-Ing.in Andrea Weninger Dipl.-Ing. Dr. Werner Rosinak St. Pölten, Jänner 2021 Lektorat: Karin Janker, MA, 3100 St. Pölten Gestaltung: gugler* brand & digital 3100 St. Pölten Druck: gugler* pure print 3390 Melk/Donau
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort 5 2 Zu diesem Wegweiser 6 3 Was ist ein Mobilitätskonzept? 7 3.1 Definition 7 3.2 Motive für ein M obilitätskonzept 8 3.3 Mobilitätskonzepte sind Maßanzüge 8 4 Wie kommt die Gemeinde zu einem Mobilitätskonzept? 9 4.1 Anlass und Klärung der Aufgaben 9 4.2 Leistungen und Arbeitsablauf beim Mobilitätskonzept 11 4.3 Arbeitsweise 11 5 Was beinhalten Mobilitätskonzepte? 12 5.1 Mobilitätskonzepte als B estandteil einer kontinuierlichen Planung 12 5.2 Gliederung und Inhalte e ines Mobilitätskonzeptes 12 5.3 Verkehrskonzept im Ö rtlichen Entwicklungskonzept (ÖEK) 12 5.4 Typen von M obilitätskonzepten 13 5.5 Was hat sich bei Mobilitätskonzepten bewährt? 15 6 Wie entsteht ein Mobilitätskonzept? 16 6.1 Die Theorie 16 6.2 Die Praxis 16 7 Welche Daten braucht man wofür? 18 7.1 Relevante und interessante Daten 18 7.2 Bedeutung von V erkehrserhebungen 18 3
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser 8 Handlungsfelder in den Gemeinden 20 8.1 Raumordnung und Verkehr 20 8.2 Klimaschutz 21 8.3 Klimawandelanpassung 22 8.4 Aktive Mobilität 22 8.5 Straßen und ihre Bedeutung 26 8.6 Begegnungszone und Verkehrsberuhigung 29 8.7 Stellplatzkonzepte 32 8.8 Öffentlicher Verkehr 34 8.9 Betriebsgebiete 37 8.10 Schulverkehr und S chulumfelder 39 9 Inhalte eines Mobilitätskonzeptes – exemplarisches Leistungsverzeichnis 40 9.1 Arbeitspakete und deren Inhalte 40 10 Begriffe 42 10.1 Mobilitäts- und V erkehrskennzahlen 42 10.2 Mobilitätsverhalten und Modal Split 43 10.3 Verkehrsaufkommen 44 11 Literatur/Quellenverzeichnis 45 12 Schriftenreihe 46 4
1 Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Vorwort SEHR GEEHRTE DAMEN UND HERREN! Die Frage, wie wir am besten von A nach B kommen, beschäftigt Verantwortungsträger auf allen politischen Ebenen. Überlegungen und Konzepte liegen demnach in unterschiedlichstem Detail grad vor und sorgen für den Rahmen, in welchem wir unsere Entscheidungen treffen. Niederösterreich hat 1991 erstmals ein Verkehrskonzept beschlossen und seitdem mehrere Pro- gramme vorgelegt. A ktuell orientieren wir uns am „Mobilitätskonzept Niederösterreich 2030+“, das die Basis für die mittel- und langfristige Entwicklung des Gesamtverkehrssystems ist. Es ist zum einen unsere Grundlage für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Planungen im Landes- straßennetz. Zum anderen ist es auch Orientierungshilfe für die Gemeinden im Land und ihre Ent- scheidungen im Bereich der Mobilität. Eine weitere Orientierungshilfe soll der vorliegende Wegweiser sein. Wir wollen Sie als Mobilitäts- verantwortliche in den Gemeinden und Regionen des Landes unterstützen, Ihre eigenen Mo bilitätskonzepte zu erarbeiten. Gerade der B eginn einer neuen Arbeitsperiode in den Gemeinden eignet sich besonders dafür, derartige Leitlinien und Strategien festzulegen. Gleichzeitig wird die Vorlage eines Mobilitätskonzepts zukünftig auch Fördergrundlage im Zuge der Attraktivierung von Bahnhöfen und anderen Verkehrsknotenpunkten. Ich bin davon überzeugt, dass wir in einem guten Miteinander zwischen Land und Gemeinden nicht nur bestehende P robleme lösen, sondern unsere Mobilität langfristig nachhaltiger für Umwelt, Gesundheit und die regionale Wirtschaft gestalten können. Unsere Expertinnen und Experten stehen Ihnen dabei wie immer unterstützend zur Seite! Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner Landesrat Ludwig Schleritzko 5
2 Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Zu diesem Wegweiser Im Mobilitätskonzept Niederösterreich 2030+ ist die organisa- ■ Fragen der Mobilität in ihrer Stadt bzw. Gemeinde torische und inhaltliche Mitwirkung des Landes bei Mobi behandeln wollen, litäts- und Verkehrskonzepten von Gemeinden und Städten ■ konkrete Verkehrsprobleme identifiziert haben, als Maßnahme vorgesehen. Mehrere Städte, wie etwa die in nächster Zeit gelöst werden sollen, St. Pölten oder Wiener Neustadt, haben in letzter Zeit ihre ■ ein Örtliches Entwicklungskonzept ausarbeiten, Verkehrskonzepte aktualisiert und auf die Unterstützung des bei dem ein Verkehrskonzept 1) zu den Planungs- und Landes N iederösterreich zurückgegriffen. Im Weiteren wird – Entscheidungsgrundlagen gehört, in Würdigung des Unterschiedes zwischen Mobilität und Ver- ■ auf besondere Anlässe, wie etwa auf Projekte in kehr – nur mehr der Begriff Mobilitätskonzept verwendet. Nachbargemeinden, bei Ortsentwicklungsprozessen, auf Wünsche aus der Bevölkerung reagieren müssen, Für größere Städte – oft mit eigener Stadtplanungs- und Ver- ■ im Zuge der Attraktivierung von multimodalen Ver- kehrsabteilung – sind Mobilitätskonzepte eine wichtige kehrsknotenpunkten (z. B. Bahnhofsausbau durch Grundlage der Verkehrspolitik. Für kleinere Gemeinden stellt das Land NÖ und die ÖBB) eine Umfeldanalyse der sich häufig die Frage, wann und ob ein umfassendes Mobi Zugangswege zu erstellen haben. litätskonzept notwendig ist oder ob nicht vor dem Hinter- grund besonderer lokaler Probleme und Aufgaben „etwas Die Informationsbroschüre dient darüber hinaus als Hilfestel- ganz a nderes“ hilfreich wäre. lung für konkrete Verkehrsthemen in den Gemeinden. Das Land Niederösterreich unterstützt Mobilitätskonzepte Daher hat das Land Niederösterreich in Zusammenarbeit mit insbesondere dann, wenn ein inhaltlicher Bezug zum Landes- den VerkehrsberaterInnen der NÖ.Regional diesen Wegweiser mobilitätskonzept 2030+ erkennbar ist. erstellt. Zielgruppe sind BürgermeisterInnen, Gemeinde rätInnen und Mobilitätsbeauftragte in den Gemeinden und Städten, die 1) Das Örtliche Entwicklungskonzept (NÖ ROG, § 13) legt Leitvorstellungen, Ziele und Maßnahmen der Gemeindeentwicklung für die nächsten zehn bis 15 Jahre fest. Im Zusammenhang mit Örtlichen Entwicklungskonzepten ist in Niederösterreich ein Verkehrskonzept (hier im Weiteren als Mobilitätskonzept bezeichnet) zu erstellen. 6
3 Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Was ist ein Mobilitätskonzept? Was unterscheidet überhaupt die Begriffe Mobilität und Die Konzepte umfassen oft die gesamte Gemeinde, können Verkehr? Mobilität beschreibt die Bewegung ( -smöglichkeit), aber auch nur Teilräume – zum Beispiel das Ortszentrum im also das Potenzial oder ein Bedürfnis der Ortsveränderung Zuge einer Straßenraumgestaltung oder im Zuge eines grö- von Menschen. Verkehr ist die in Verkehrsmitteln (Bahn, Bus, ßeren Bauprojektes – umfassen. Pkw & Lkw, Rad- und Fußverkehr) und auf Verkehrsnetzen wahrgenommene Mobilität. Verkehr ist also eine reale, kon- krete Ortsveränderung von Personen und Gütern auf einer Mobilitätskonzepte sind umfassende Handlungs bestimmten Infrastruktur, also der Weg von A nach B. anleitungen für die Verkehrspolitik in einer Gemeinde mit einer mittel- oder längerfristigen Perspektive. Für eine 3.1 DEFINITION solche Perspektive ist eine verkehrspolitische H altung er- Mit einem Mobilitätskonzept legt eine Gemeinde ihre Ziele, forderlich, als Leitsatz oder Leitbild formuliert, die in der Leitlinien und Strategien für die Verkehrsplanung der nächs- Gemeinde erarbeitet und von den Entscheidungs ten zehn bis 15 Jahre fest. Es ist also eine Handlungsanleitung trägerInnen mitgetragen wird. Mobilitätskonzepte gehen für die konkrete Verkehrspolitik und Verkehrsplanung, wie sie grundsätzlichen Fragen nach, haben längerfristige Wir- in einem längeren Zeitraum wirksam werden soll. Ein Mobili kungszeiträume, enthalten zumeist keine Alternativen, tätskonzept zeigt zudem Zusammenhänge mit der räum sind also Ergebnis einer diskussions orientierten poli lichen Entwicklung auf. Es beschreibt die Ausgangslage und tischen Willensbekundung. Sind Alternativen bzw. Vari geht auf Zukunftstrends in der Mobilität ein. anten vorhanden, wird auf weiterführende, vertiefende Planungsprozesse verwiesen. Mobilitätskonzepte enthalten Aussagen zu allen Verkehrs arten, also dem Fuß- und Radverkehr (aktive Mobilität), dem Bus- und Bahnverkehr sowie anderen öffentlichen Verkehrs- mitteln, dem Pkw- und Motorradverkehr und dem Güterver- kehr. Mobilitätskonzepte beinhalten nicht nur Infrastruktur- projekte, wie zum Beispiel neue Straßen, sondern auch vielfältige Maßnahmen zur Verhaltensänderung (als „Soft Policies“ bezeichnet) und eine zugehörige Öffentlichkeits arbeit. 7
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser 3.2MOTIVE FÜR EIN MOBILITÄTSKONZEPTE SIND 3.3 MOBILITÄTSKONZEPT MASSANZÜGE Die Entstehung von Mobilitätskonzepten für Gemeinden Zur Erstellung von Mobilitätskonzepten gibt es keine Hand- basiert auf unterschiedlichen Anlässen und Gründen. Motive lungsanleitung, kein „Kochrezept“. Wenn Mobilitätskonzepte für ein Mobilitätskonzept können daher ebenso vielfältig für konkrete Fragen in der Gemeinde brauchbare Antworten sein. Wichtig ist, die thematische Bandbreite von Mobilitäts- enthalten sollen, muss das organisatorisch und inhaltlich konzepten zwar abzudecken, aber auf den ursprünglichen „Maßarbeit“ sein. Diese Maßarbeit erfordert, das Besondere, Beweggrund speziell einzugehen. das Spezifische, die Phänomene, die „Statur“ der Gemeinde – räumlich, verkehrlich, demografisch, politisch und organisa- torisch – zu erfassen. Motive für Mobilitätskonzepte Diese Sichtweise hat weitreichende Konsequenzen: Nicht nur ■ verkehrsbezogene Fragen, die Beratung erfordern die Inhalte des Konzeptes sind Maßarbeit, auch die jeweils ■ der Wille der Gemeinde, die Mobilität, also das passende Vorgangsweise, die Einbeziehung von Politik, Be- Verhalten der BewohnerInnen, zu verändern völkerung und Interessenträgern ist in jeder Gemeinde, bei ■ ein geplantes Örtliches Entwicklungskonzept jedem Mobilitätskonzept neu zu überlegen. ■ Projekte, die den Verkehr in der Gemeinde Planen heißt Handlungen vorbereiten. Die inhaltliche Auf- verändern (u. a. durch Gewerbegebiete) gabe ist daher, vorerst den Handlungsrahmen, den Möglich- ■ Wünsche und Kritik aus der Bevölkerung keitsraum eines Konzeptes aufzuspannen und sich danach ■ Landesförderungen, die konzeptive Überlegungen konkreten Lösungen – vorzugsweise kommunikativ, also in erfordern Gesprächen und Workshops – anzunähern. Dabei können ■ ein bestehendes Mobilitätskonzept, das aktualisiert Vergleiche mit anderen Städten und Gemeinden sowie „Gute werden soll Beispiele“ hilfreich sein. ■ etc. Nicht immer ist ein umfassendes Mobilitätskonzept in einer Gemeinde zweckmäßig oder notwendig; oft geht es darum, für konkrete Probleme entsprechende Lösungen anzubieten. Die frühzeitige Klärung der Aufgaben bestimmt die weitere Vorgangsweise und erleichtert die Umsetzung von Maßnah- men, verhindert ein aufwendiges „Alibikonzept“ und ermög- licht im Übrigen auch eine zielgerichtete Unterstützung durch das Land Niederösterreich. 8
4 Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Wie kommt die Gemeinde zu einem Mobilitätskonzept? ANLASS UND KLÄRUNG DER 4.1 zu erfassen, am besten durch Vorgespräche mit den Entschei AUFGABEN dungsträgerInnen in Stadt oder Gemeinde. Schon bei dieser Eine gut überlegte Startphase, der Beginn des Weges zum ersten Frage werden die Gemeinden vom Regionalen Mobi Mobilitätskonzept, entscheidet über den Erfolg, vermeidet litätsmanagement der NÖ.Regional (www.noeregional.at) Enttäuschungen und unnötigen Aufwand. Am Beginn fällt unterstützt. die wichtigste Entscheidung: Gibt es gute Gründe für ein um- Das Service des NÖ Mobilitätsmanagements steht allen fassendes Mobilitätskonzept oder sind konkrete Lösungen für niederösterreichischen Gemeinden kostenlos zur Verfügung, spezifische Probleme gefragt? In beiden Fällen sind die Rah- erforderlich ist ein Gemeindevorstands- bzw. Stadtratsbe- menbedingungen – die Handlungsmöglichkeiten und die schluss. Das Regionale Mobilitätsmanagement ist erste An- Handlungsdynamik, die Dringlichkeit und/oder Wichtigkeit laufstelle für alle Mobilitätsfragen und Koordinationsstelle von Lösungen, die Problemlage usw. – zumindest qualitativ für alle Beteiligten. Entscheidungsfindung Ver Sc k hu i t? er n ? w e l t ve r b u n d? eh l tei g uf Um en a i he Neue H rss aup ich ät s ahr t um fre t pl a it W- F ität in de r Gemeinde umsetzen? Barriere tzg K fel nP M obil l er i es dv ob vo nde he t n e eM g o er b it e ? ng eines Fuß-/Radw un masch alt u Plan ege Aktiv r hö esser K li un ehrsangebot er weitern hes Verk er ne ? lag g tze t l i c hen s? en Öf Ver n? ? Fragestellung relevant NEIN Lösung wird gesucht für für gesamtes Gemeinde Platz oder Straßenzug oder Orts- VERKEHRSPLANUNG, VERKEHRSERHEBUNG, gebiet/ganze Region? teil oder Kreuzungsbereich etc. JA Fragestellung betrifft NEIN Thema ist Problemlösung mehrere Verkehrsarten für eine Verkehrsart, wie und das Mobilitätsver Zufußgehen oder Radverkehr GUTACHTEN ETC. halten der Bevölkerung? oder ÖV oder PKW JA Entwicklung von NEIN Ergebnis ist technisch Schwerpunkten und funktionale Lösung in Form Maßnahmen, die einem einer Planung oder eines Gestal- NEIN Leitbild untergeordnet tungsvorschlags oder Entwurfs Leitbild erstellen werden können? oder Zählungsergebnisses etc. JA NEIN Lösungsfindung durch Beteiligung von Politik, fachliche Expertise, eventuell NEIN GemeindebürgerInnen, Beteiligungs in Varianten als Grundlage InteressensvertreterInnen? prozess aufsetzen für Entscheidung JA GESAMT-MOBILITÄTSKONZEPT 9
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Exkurs: Verkehrsplanung, Eine der häufigsten Verkehrsthemen in Gemeinden ist der Verkehrserhebung, Gutachten, …? Wunsch nach einem Schutzweg für FußgängerInnen. Hier Ist die Entscheidung getroffen worden, kein Mobilitätskon- ist es unumgänglich, eine vorherige Verkehrszählung zept zu erstellen, da die zu bearbeitenden Fragestellungen durchzuführen, da die Umsetzung vom entsprechend vor- nicht themenübergreifend und ganzheitlich zu sehen sind, handenen Verkehrsaufkommen abhängig ist. Gibt es The- ist es wichtig, die einzelnen Instrumente, die außer einem men in der Gemeinde, die nicht nur durch reine Zählungen Mobilitätskonzept zur Lösungsfindung zur Verfügung ste- von VerkehrsteilnehmerInnen zu beantworten sind, son- hen, gut zu überlegen. Im Wesentlichen muss hier zwischen dern auch das Wissen um weitere Details erfordert (Wege- punktuellen, räumlich oder auch fachlich abgegrenzten zweck der Menschen, Alter, Häufigkeit, Geschlecht, ...), dann Fragestellungen unterschieden werden. muss eine gesamte Verkehrserhebung durchgeführt wer- Handelt es sich um Fragestellungen, die bei Überlegungen den, die meist nur in Form einer Befragung zu lösen ist. zur Gestaltung auftreten, wird eine punktuelle Verkehrs Für viele dieser speziellen Fragestellungen abseits eines planung, unterstützt durch ein Verkehrsplanungsbüro, ein Mobilitätskonzeptes kann die NÖ Verkehrsberatung eine passender Lösungsweg sein. Beispielsweise kann hier eine erste Anlaufstelle sein. Bei diesem kostenlosen Service für Kreuzungssituation Thema sein, die sich als Unfallshäu- Gemeinden unterstützen speziell geschulte Verkehrsbera- fungspunkt erwiesen hat, eine Siedlungsstraße, die zu terInnen der NÖ.Regional in einem ersten Schritt, Lösungen dauer haften Geschwindigkeitsüberschreitungen verleitet zu Verkehrsfragen wie z. B. Verkehrsberuhigung, Straßen- oder auch der Vorplatz der Volksschule, der die zu Fuß ge- raumgestaltung, Begegnungszonen, Schulwegsicherung henden Schulkinder bei alltäglichen Verkehrssituationen etc. zu finden – bei Bedarf in Abstimmung mit den zustän- immer wieder überfordert und die Verkehrssicherheit be- digen Behörden. Im Zuge dieser Beratungen werden keine einträchtigt. Detailplanungen ausgearbeitet, sondern Grundlagen für Braucht es Expertisen spezieller Branchen (Statik, Bauinge- einen Entscheidungsprozess vorbereitet und Empfehlun- nieure etc.), dann ist das entsprechende Instrument ein gen abgegeben. Diese Beratungsleistung kann in der Ge- Gutachten. Beispiele hierfür sind etwa die Notwendigkeit, meinde für die erforderlichen Entscheidungsprozesse hin- eine in die Jahre gekommene Brücke hinsichtlich des ge- sichtlich der Art bzw. des Umfangs des zu wählenden steigerten Verkehrsaufkommens oder der ausreichenden Instrumentes und für weitere externe Auftragsvergaben Tragfähigkeit im Hinblick auf schwere Lkws und Busse einer z. B. an VerkehrsplanerInnen herangezogen werden. Überprüfung zu unterziehen. Service NÖ Verkehrsberatung Gemeinde BürgermeisterIn RU7 Abt. Raumordnung und Gesamtverkehrsangelegenheiten VerkehrsberaterIn E-Mail: post.ru7@noel.gv.at Industrieviertel VerkehrsberaterIn Mostviertel Beratungstermin und Begehungen vor Ort Fachbereichsleitung Mobilität VerkehrsberaterIn Regionales Mobilitätsmanagement NÖ-Mitte Empfehlungsschreiben VerkehrsberaterIn mit Lösungsvorschlägen Quelle: NÖ.Regional, 2019 Waldviertel VerkehrsberaterIn Weinviertel 10
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser LEISTUNGEN UND ARBEITS 4.2 tung verzahnt ist, bewähren. Diese Aufgabe kann mit dem ABLAUF BEIM MOBILITÄTSKONZEPT Mobilitätskonzept verwoben sein oder gesondert ausge- Soll nun ein Mobilitätskonzept erstellt werden, ist nach der schrieben und vergeben werden. Aufgabenklärung sowohl eine Festlegung der Konzeptinhalte erforderlich als auch die Überlegung, wie und mit welchen Von der ersten Idee bis zur Aufgabenklärung und Fertigstel- fach lichen Qualifikationen die notwendigen Leistungen lung bzw. Beschlussfassung eines Mobilitätskonzeptes liegen zweckmäßigerweise erbracht werden. Bei diesem Schritt, in der Regel ein bis zwei Jahre. aber auch bei der Aufgabenklärung kann auf das Service des NÖ Mobilitätsmanagements zurückgegriffen werden. Es kann 4.3 ARBEITSWEISE allerdings auch eine externe Beratung zur Planungsmethodik Die Erarbeitung von Mobilitätskonzepten kann unterschied- (= Vorgangsweise) herangezogen werden. Der Arbeitsum- lich lang dauern, ist vom Umfang der erforderlichen Analysen fang der Gemeinde umfasst das Abstecken eines generellen und Erhebungen, von der Arbeitsweise und den Abstim- Zeitrahmens und eine Abschätzung des erforderlichen Auf- mungsprozessen innerhalb der Gemeinde oder mit parallel wandes (Stunden, Kosten) als Grundlage für eine Auftragsver- laufenden Planungen (z. B. Örtliches Entwicklungskonzept, gabe oder ein Vergabeverfahren und die A rbeit am Konzept. …) abhängig. Die Gemeindegröße spielt eine Rolle, ist aber Bei komplexen Fragen, länger dauernden Planungsprozessen nicht alleine ausschlaggebend für die Dauer oder den Um- und der Einbindung von BürgerInnen kann sich eine fachliche fang der Aufgaben. Die Ausarbeitung von Mobilitätskonzep- Prozessbegleitung, die mit der inhaltlichen Projektbearbei- ten dauert meist zwischen sechs und 18 Monaten. Was? – Aufgaben Wer? – Handlungsträger Der Anlass Aufgabenklärung Bedarf nach einem Mobilitätskonzept Gemeinde Erstellung Leitbild und Gemeinde mit Unterstützung Zielformulierung im Konsens von des NÖ Mobilitätsmanagement Politik und Bevölkerung oder externer Moderation Leistungen Verfahrenshilfe Inhalt konzeptionieren, Aufgabenschärfung Land NÖ Arbeitsablauf festlegen Aufwand NÖ Mobilitätsmanagement Zeitrahmen, Dauer (Stunden/Kosten) Vergabe durchführen Vergabeverfahren wählen Konzepterstellung Leistungsträger / PlanerInnen1) und -begleitung 1) Eigenleistungen (Land Niederösterreich, Gemeinde), NÖ MobilitätsmanagerInnen oder Planungsbüros, abhängig von den Aufgaben 11
5 Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Was beinhalten Mobilitätskonzepte? 5.1MOBILITÄTSKONZEPTE ALS In der Abbildung auf Seite 14 werden beispielhaft für ein BESTANDTEIL EINER KONTINUIER Mobilitätskonzept Inhalt und Gliederung des sogenannten LICHEN PLANUNG „Generalverkehrskonzept St. Pölten“ dargestellt. Städte und Gemeinden beschäftigen sich häufig mit Ver kehrsthemen und lassen deshalb auch entsprechende Dis- 5.3VERKEHRSKONZEPT IM kussions- und Entscheidungsgrundlagen erarbeiten. Ein ÖRTLICHEN ENTWICKLUNGS Mobilitätskonzept muss diese Vorarbeiten berücksichtigen, KONZEPT (ÖEK) aber auch Handlungsanleitungen für weitere Planungs- Das Niederösterreichische Raumordnungsgesetz legt fest, schritte e nthalten. dass im Zusammenhang mit Örtlichen Entwicklungskonzep So können etwa vorhandene Verkehrsuntersuchungen für ten ein sogenanntes Verkehrskonzept zu erstellen ist. Ein sol- konkrete Fragen herangezogen werden, aber auch als spä- ches Verkehrskonzept im Rahmen eines ÖEK behandelt die tere Aufgabe im Mobilitätskonzept definiert werden. derzeitige Mobilitätssituation in der Gemeinde und eine ver- Die Ergebnisse eines Mobilitätskonzeptes können eine kehrspolitische Strategie, formuliert Ziele und umfasst auch Summe an Projekten aus mehreren Verkehrsbereichen (Rad- ein verkehrsträgerübergreifendes Maßnahmenprogramm, verkehrsnetz, Platzgestaltung, Parkraummanagement, ÖV- mit direkten räumlichen Bezügen zum Örtlichen Entwick- Angebote usw.) sein oder die Festlegung von Prozessen lungskonzept. Bei diesem Verkehrskonzept sind somit in als Vorgangsweise zur kooperativen Lösung von definierten hohemMaße die Wechselwirkungen zwischen der ange- Aufgaben. strebten oder absehbaren Entwicklung des Raums und seiner Nutzungen einerseits und der dadurch veränderten Mobi 5.2 GLIEDERUNG UND INHALTE litätssituation andererseits zu thematisieren. EINES MOBILITÄTSKONZEPTES Angesichts unterschiedlicher Aufgaben und Schwerpunkte in den Gemeinden gibt es keine standardisierte Gliederung oder Mindestinhalte bei einem Mobilitätskonzept. Das Land Niederösterreich gibt allerdings mit seinem Landesmobi litätskonzept die generellen Leitziele vor. Mobilitätskonzepte müssen jedenfalls ■ die Ausgangssituation verkehrsträgerübergreifend beurteilen, ■ alle Verkehrsarten behandeln, ■ auf verkehrspolitische Ziele und Strategien verweisen und ■ auf übergeordnete und zusammenhängende P lanungen reagieren. 12
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Verkehrskonzepte im 1) Das Gesamtkonzept Örtlichen Entwicklungskonzept Viele Mobilitätskonzepte verstehen sich als Gesamt ■ gehören zu den Entscheidungsgrundlagen der konzepte, die viele mögliche Maßnahmen auflisten und örtlichen Raumordnung, der Gemeinde ein breites Lösungsspektrum aufzeigen. ■ sind als Gesamtkonzepte oder Schwerpunktkon- Bei diesen Mobilitätskonzepten werden allerdings keine zepte zu verstehen (Kapitel 5.4), besonderen Prioritäten und auch keine inhaltlichen ■ sind kein Bestandteil der Verordnung zum Örtlichen Schwerpunkte gesetzt. Der Vorteil von Gesamtkonzepten Entwicklungsprogramm, einzelne Aussagen und ist ein Blumenstrauß an Maßnahmen, die auf Mängel re- Inhalte finden aber direkten Eingang in Örtliche agieren, der Nachteil ist oft die fehlende operative – also Entwicklungskonzepte, handlungsorientierte – Ausrichtung. ■ stimmen künftige Raumnutzungen mit der Verkehrs planung ab, zeigen erforderliche Entwicklungen im 2) Das Schwerpunktkonzept Verkehrssystem verkehrsträgerübergreifend auf und Schwerpunktkonzepte setzen auf verkehrspolitische liefern konkrete Hinweise für die künftige räumliche Ziele und eine strategische Ausrichtung von Verkehrs- Entwicklung im Sinne des NÖ Raumordnungs maßnahmen. Sie reagieren auf aktuelle Probleme und gesetzes, konzentrieren sich – angesichts begrenzter Ressourcen – ■ haben mindestens einen Plan, der das gesamte auf ausgewählte wichtige bzw. dringende Aufgaben, die Gemeindegebiet abdeckt, es der Gemeinde ermöglichen, Prioritäten zu setzen und ■ sind nicht grundstücksbezogen, sondern betrachten ihre finanziellen Mittel zielgerichtet zu verwenden. Der die Gesamtentwicklung der Gemeinde. Vorteil von Schwerpunktkonzepten sind für die Ge- meinde maßgeschneiderte Maßnahmen, allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Schwerpunkte liegen zu Beginn noch nicht vor, sie werden im Zuge des Planungs- 5.4TYPEN VON prozesses argumentativ entwickelt. OBILITÄTSKONZEPTEN M Ein Überblick über aktuelle Mobilitätskonzepte in österreichi- 3) Das Detailkonzept schen Gemeinden zeigt unterschiedliche Typen, die auch Detailkonzepte sind sinnvoll, wenn die Gemeinde thema- unterschiedliche Inhalte aufweisen. In dieser Broschüre wer- tisch eingegrenzte Aufgaben hat. Beispielsweise kann den Mobilitätskonzepte zu drei Typen zusammengefasst. dies ein Konzept zur Einführung von Kurzparkzonen oder der Parkraumbewirtschaftung sein, ein Konzept für den öffentlichen Verkehr, ein Verkehrsleitsystem oder die kon- Typen von Mobilitätskonzepten zeptive Verkehrsorganisation für eine Großveranstaltung. ■ das Gesamtkonzept als Bündel möglicher Detailkonzepte können auch konkrete Gestaltungsvor Maßnahmen schläge für Straßenräume, Kreuzungsbereiche oder Plätze ■ das Schwerpunktkonzept mit einer Konzentration beinhalten. Häufig basieren Detailkonzepte auf vorange- auf w enige, wichtige Aufgaben gangenen Überlegungen oder Schwerpunktkonzepten, ■ das Detailkonzept für einen thematisch eine Grundsatzentscheidung im Gemeinderat über die a bgegrenzten Bereich jeweilige Maßnahme sollte jedenfalls schon vorliegen. 13
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Beispiel für Inhalte eines umfassenden Mobilitätskonzeptes Siedlungsentwicklung Wirtschaft, Arbeitsplätze Schwachstellen Fußverkehr Verkehrssicherheit Technologie Radverkehr / Radwegenetz Mobilitätsverhalten Räumliche Entwicklung Bildungseinrichtungen Handel Pkw-Besitz Kfz-Verkehr Nutzungspotenziale Bevölkerung Lärm, Luft Mobilitätsverhalten Öff. Raum, Straßen, Plätze Bus / Bahn BEFUNDE TRENDS ÜBERGEORDNETE MOBILITÄTS- QUANTITATIVE UND RAHMENBEDINGUNGEN KONZEPT QUALITATIVE ZIELE FESTLEGEN ZIELE UND VORGABEN DES EVALUIERUNGSKRITERIEN LANDES, BUNDES, DER EU ZIELERREICHUNG ZIELE UND VORGABEN AUS ANDEREN SEKTOREN STRATEGIE UMSETZUNG (RAUMORDNUNG, ENERGIE, ...) ZIELE GRUNDSÄTZE Zeitplan Prioritäten SCHWERPUNKTE INHALTLICH UND / ODER ÖRTLICH Quelle: Generalverkehrskonzept St. Pölten 2014, eigene Bearbeitung Aktivitäten zur Öffentlichkeitsarbeit Maßnahmenprogramm nach Schwerpunkten, und Bewusstseinsbildung z. B. Schwerpunkt Radverkehr ■ Radroutennetz / Hierarchien Kontinuierliche Aktivitäten, ■ Abstellanlagen z. B. laufende Verkehrs- ■ Multimodale Schnittstellen sicherheitsarbeit ■ Pilotprojekte, … 14
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser WAS HAT SICH BEI MOBILITÄTS 5.5 5.5.3 Kooperative Erarbeitung KONZEPTEN BEWÄHRT? Bei der Erarbeitung von Mobilitätskonzepten bewährt sich eine kooperative Einbindung der Verwaltung (Verkehr, Bauen, 5.5.1 Definition konkreter Aufgaben Raumplanung, Umwelt, Klimaschutz, …) und der politisch Angesichts der vielfältigen Aufgaben der Gemeinde haben Verantwortlichen unterschiedlicher Ressorts – beispielsweise sich jene Mobilitätskonzepte bewährt, die für konkrete Auf- im Rahmen von Workshops. Die Einbindung von BürgerInnen gaben auch Prioritäten und einen Zeitplan für die Umsetzung in die Erstellung eines Mobilitätskonzeptes wird jedenfalls benennen. Gibt es wenig Aufgaben und wenig Probleme, ist empfohlen. Wird ein Mobilitätskonzept im Zuge eines Ört es sinnvoll, Detailkonzepte und Projekte auszuarbeiten. In der lichen Entwicklungskonzeptes erstellt, sind im Vorfeld geeig- Regel sind Verkehrsthemen allerdings komplex – zumal es nete Abstimmungsprozesse zu definieren. Zusammenhänge mit der Siedlungsentwicklung, dem Klima- schutz etc. gibt. Daher ist eine umfassende Betrachtung im 5.5.4 Technische Anforderungen Vorfeld von Detailprojekten unerlässlich und unterstützt die Mobilitätskonzepte bestehen aus einem Textteil und min Behörde auch bei der Begutachtung von Projekten. destens einer Plandarstellung. Der Inhalt des Textes orientiert sich an der in Kapitel 5.2 vorgeschlagenen Struktur, ist aber 5.5.2 Operative Qualität durch für jede Gemeinde maßgeschneidert zu adaptieren. Da sich Pilotprojekte und Zeithorizonte ein Mobilitätskonzept nicht auf einzelne Grundstücke be- Ein weiteres Merkmal von Mobilitätskonzepten ist die opera- zieht, ist eine generalisierte Kartendarstellung hilfreich. Eine tive Qualität, also der Umsetzungshorizont vorgeschlagener Darstellung auf Katasterebene ist nicht sinnvoll. Maßnahmen: Soll das Konzept Pilotprojekte enthalten, die sofort umgesetzt werden sollen? Soll sich das Konzept auf mittel- und längerfristige Maßnahmen konzentrieren? Oder sollen Perspektiven der Mobilität und Visionen ohne zeit lichen Bezug behandelt werden? 15
6 Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Wie entsteht ein Mobilitätskonzept? 6.1 DIE THEORIE Wie laufen zyklische Planungsprozesse ab? In der Planungstheorie wird folgende Vorgangsweise für ■ Am Anfang stehen meist konkrete Vorschläge für Konzepte empfohlen: Auf eine Systemabgrenzung (was? wo? Lösungen und vorgefasste Meinungen. wann?) folgt eine Problemanalyse, danach werden Ziele ent- ■ Der nächste Schritt der Planung ist, einen Überblick wickelt und darauf aufbauend Maßnahmen. Diese Maßnah- zur Ausgangslage zu gewinnen, schon um Hand- men werden auf ihre Zielerfüllung geprüft, daraus wird ein lungsmöglichkeiten abschätzen zu können. Die Maßnahmenprogramm abgeleitet. erste Erkundungsphase zielt also auf Einblicke ins Die Theorie geht davon aus, dass Planungsprozesse Schritt Ganze ab, detaillierte Analysen können später für Schritt (= konsekutiv) bearbeitet werden, auch wenn zielgerichtet und somit kosten- und ressourcenscho- Rückkopplungen vorgesehen sind. Das mag so lange zweck- nend erfolgen. mäßig sein, als Konzepte ausschließlich von ExpertInnen er ■ Nach dieser Erkundungsphase ist eine erste arbeitet werden. Nun aber entstehen Mobilitätskonzepte in verkehrspolitische Orientierung zweckmäßig, in Zusammenarbeit mit Bevölkerung, Politik und Verwaltung – der Schwerpunkte, vielleicht schon konkrete das erfordert andere Vorgangsweisen: In einem politischen Maßnahmen entwickelt werden. Dann können die Planungsprozess lassen sich die einzelnen Schritte, wie sie in ersten E inschätzungen („vorgefasste Meinungen“) der traditionellen Planungstheorie vorgegeben werden, geprüft werden. nicht voneinander trennen, sie sind im Diskurs miteinander ■ Danach werden also vertiefende Analysen für verbunden (Kapitel 6.2). Schwerpunkte und Maßnahmen bzw. für deren Beurteilung zweckmäßig sein. Dieser Prozess wird 6.2 DIE PRAXIS zumeist mehrfach durchlaufen, bis ein gemeinsa- Jedes Mobilitätskonzept hat also eine Vorgeschichte und baut mes Ergebnis, das Maßnahmenprogramm, auf Überlegungen und anderen Planungen auf, es beginnt entstanden ist. nicht bei null. Politik und Verwaltung, aber auch Fachleute haben schon Lösungen im Kopf, und dies noch fern von ver- In der Praxis stehen also oft Lösungen und Maßnahmen- einbarten politischen Zielen und systematischen Analysen. vorschläge schon „im Raum“, deren Wirksamkeit über- Die VerkehrsplanerInnen haben im Zuge des Planungspro prüft werden muss. Auch wenn es in vielen Gemeinden zesses die Aufgabe, alternative Handlungsmöglichkeiten be- nur punktuelle Probleme gibt, die kein umfassendes wusst zu machen. Letztlich geht es darum, die tradierte Pla- Mobilitätskonzept erfordern, sind die Lösungsvorschläge, nungstheorie mit neueren Erkenntnissen – insbesondere aus insbesondere ihre Wirkungen und Alternativen, in der der Entscheidungstheorie – produktiv zu verknüpfen. gleichen Methodik zu prüfen. 16
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Planungszyklus vorhandene Planungen, Projekte, Verkehrsuntersuchungen VORGEFASSTE MEINUNGEN Ausgangshypothesen, Lösungsvorschläge ERKUNDUNGEN PROGRAMMIERUNG MOBILITÄTSKONZEPT Systemabgrenzungen, Maßnahmenprogramm, Analysen, Umsetzung, ERARBEITEN Handlungsmöglichkeiten, Fristigkeiten Beurteilungen ORIENTIERUNG Ziele, Strategie, Schwerpunkte Projekte, Prozesse, Verkehrsuntersuchungen 17
7 Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Welche Daten braucht man wofür? Mobilitäts- und Verkehrskonzepte sind auf Informationen, die gen, zum Beispiel Schulumfeldern oder ruhendem Verkehr. Maßnahmen begründen, angewiesen. Eine Analyse – die Vorhandene Daten des Landes Niederösterreich sind zum Sammlung von Fakten und Eindrücken, von Vergangenem, Beispiel Querschnittszählungen auf Landesstraßen, die Mobi Gegenwärtigem und Erwartbarem, von Rahmenbedingun- litätserhebung für das Land Niederösterreich – regionsweise gen und Möglichkeiten – ist unerlässlich. aufbereitet – oder auch Bedienungsqualitäten im öffentlichen Verkehr (ÖV-Güteklassen). Für den Rad- und F ußverkehr gibt 7.1RELEVANTE UND es meist nur wenig Datenmaterial, ebenso für den ruhenden INTERESSANTE DATEN Verkehr. Dieses muss – je nach Aufgabe – im Zuge eines Relevant sind Analysen, wenn sie die Maßnahmen eines Kon- Mobilitätskonzeptes selbst oder von PlanerInnen erhoben zeptes begründen helfen; interessant sind sie, wenn sie ganz werden. allgemein argumentativ brauchbar sind. Grundsätzlich gilt: vorerst nur das Nötige erheben und allenfalls im weiteren 7.2BEDEUTUNG VON Prozess durch spezifische, maßnahmenbezogene Daten VERKEHRSERHEBUNGEN ergänzen. Die folgende Aufstellung zeigt, welche Daten und Erhebun- Zu unterscheiden sind Erhebungen und vorhandene Grund- gen für welche Ergebnisse benötigt werden. Will man wissen, lagen zu Mobilität und Verkehr. Als erste Anlaufstelle unter- ob die Einführung einer Kurzparkzone sinnvoll ist, wird es stützen die MobilitätsmanagerInnen der NÖ.Regional die zweckmäßig sein, eine Erhebung des ruhenden Verkehrs zu Gemeinde bei allgemeinen Fragestellungen bzw. können bei beauftragen. Will die Gemeinde eine Begegnungszone ein- der Auswahl von Erhebungen und der Beschaffung von richten, müssen bestimmte Eignungskriterien fachgerecht Grundlagen hinzugezogen werden. Die VerkehrsberaterInnen überprüft werden. Je nach Fragestellung und Aufgabe sind machen eine Erstberatung zu ganz konkreten Fragestellun- entsprechende Erhebungen und Daten notwendig. 18
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Was Wofür Inhalt Erhebungen im ■ Entwicklung und Begründung von ■ Parkraumerhebungen Straßenraum Stellplatzkonzepten bzw. -regulativen (Fahrzeugart, Parkdauer, Auslastungen) ■ Neuaufteilung des Straßenraumes, ■ Erhebungen von FußgängerInnenströmen Gestaltung des öffentlichen Raumes, und Bewegungsmustern Beurteilung von Begegnungszonen ■ Video-Beobachtungen von Aktivitäten im öffentlichen Raum Kfz-Verkehrs ■ Ermittlung von Schleichwegen und ■ Kennzeichenverfolgungen zur Erfassung erhebungen Durchfahrtsverkehr von Verkehrsströmen innerhalb eines ■ Leistungsfähigkeit und Auslastung von Gebietes Kreuzungen und Straßen ■ Knotenstromzählungen an Kreuzungen ■ Querschnittszählungen Radverkehrs ■ Planung für durchgängiges Radwegenetz ■ Radwege-Schwachstellenanalyse erhebungen ■ Erhöhung Verkehrssicherheit für ■ Analyse Unfallhäufungspunkte RadfahrerInnen ■ Querschnittszählungen Erhebungen im ■ Beurteilung von Schutzwegen und ■ Zählungen von FußgängerInnen im Fußverkehr Begegnungszonen Längs- und Querverkehr ■ Planung von Maßnahmen zur Barrierefreiheit ■ FußgängerInnen-Schwachstellenanalyse und für umwegfreie und sichere Fußwege Erhebungen im ■ Dimensionierung von Angeboten ■ Fahrgastbefragungen im Verkehrsmittel öffentlichen Verkehr (Intervalle, Fahrzeuge etc.) ■ Linienerhebungen (EinsteigerInnen, ■ Funktionskonzepte für Bahnhöfe AussteigerInnen, Auslastungen) ■ Bahnhofserhebungen (FußgängerInnen- ströme) Mobilitätserhebungen/ ■ Verhaltensbeeinflussung ■ Systematische Erfassung der täglichen Wege Verkehrsverhaltens ■ Öffentlichkeitsarbeit der Wohnbevölkerung befragungen ■ Meinungen und Einschätzungen zur ■ Kontrolle bzw. Wirksamkeit von Maßnahmen Mobilität ■ Schadstoff- und Klimabilanzen ■ Vorgegebenes Design (Kontiv/Komod) Mobilitätsbefragungen ■ Motive der Verkehrsmittelwahl und ■ Fokusgruppen zu spezifischen -nutzung Mobilitätsthemen ■ Inputs für Stärken-Schwächen-Analysen ■ Qualitative (Online-)Befragungen im öffentlichen Raum bzw. in Verkehrsmitteln Fahrleistungen/ ■ Erstellung von Klimabilanzen ■ CO₂-Emissionen von Maßnahmen oder CO₂-Bilanzen ■ Beitrag von Maßnahmen zum Klimaschutz ■ Veränderungen der Verkehrsmittelwahl ■ Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstseins bildung Potenziale und ■ Beurteilung von strukturellen Optionen ■ Ermittlung der Verkehrsverträglichkeit Entwicklungsreserven bzw. Konsequenzen für die Verkehrs ■ Erschließungserfordernisse erschließung 19
8 Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Handlungsfelder in den Gemeinden Im Folgenden werden Handlungsfelder und Themen disku- So gilt es, möglichst viele Wege im Umweltverbund (zu Fuß, tiert, die für die Gemeinden – insbesondere auch im Sinne mit dem Fahrrad, mit Bus und Bahn) abzuwickeln. Werden der Landesmobilitätspolitik – relevant sind. Die Broschüre Siedlungs- und Betriebsgebiete in den Gemeinden neu gibt Hinweise zu einzelnen Fragestellungen, die – je nach geschaffen oder erweitert, müssen verkehrliche Wirkungen Aufgabe – in Mobilitätskonzepten und bei Verkehrsprojekten berücksichtigt werden. Wesentlich sind zu Grunde gelegt werden sollen. ■ der Vorrang der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung, 8.1 RAUMORDNUNG UND VERKEHR ■ die Erschließung im öffentlichen Verkehr, Verkehrsinfrastruktur und Raumentwicklung bedingen ein- die im Zuge eines Mobilitätskonzeptes nach der ander und beeinflussen sich durch wechselseitige Beziehun- Erschließungsqualität (ÖV-Güteklassenmodell) und gen. Weitere Einflussfaktoren sind die Bevölkerungs- und dem ÖV-Bedienungsstandard beurteilt werden Wirtschaftsentwicklung (mehr EinwohnerInnen ➝ mehr kann (Kapitel 8.8), zurückgelegte Wege) sowie gesetzliche und fiskalische Rah- ■ die bauliche Verdichtung an Bahnhöfen und menbedingungen. Haltestellen (Kapitel 8.8.2), Vor allem die Siedlungsstrukturen beeinflussen das Mobi ■ die Stärkung der Angebotsqualität im Rad- und litätsverhalten, also die Verkehrsmittelwahl. Siedlungen am Fußverkehr; das betrifft die innere Erschließung der Ortsrand ohne Anbindung an Bus und Bahn mit weiten Siedlungs- und Betriebsgebiete, also eine attraktive Fußwegen sorgen dafür, dass die Menschen gezwungen Durchwegung mit Straßenräumen, die nicht oder sind, ihre Wege mit dem Auto zurückzulegen. Dadurch wur- nicht ausschließlich auf den Kfz-Verkehr ausgerichtet den in der Vergangenheit Abhängigkeiten geschaffen, die die sind. Dazu kommt die Anbindung an das lokale und Gesellschaft mit einem hohen Energieverbrauch, mit hohen regionale Radroutennetz (Kapitel 8.4), klimaschädlichen Emissionen und damit verbundenen ho- ■ regulative, verkehrslenkende Maßnahmen, die hen volkswirtschaftlichen Kosten bezahlt. Da Verkehrsnetz notwendig sein können. Am wirksamsten sind das und -angebot die Erschließung einer Gemeinde beeinflussen, Pkw-Stellplatzangebot und ein aktives Parkraum ist die Erreichbarkeit häufig ein Faktor bei Standortentschei- management (Kapitel 8.7). Für größere Vorhaben dungen von Unternehmen oder bei der Wahl des Wohnortes. (Wohnhausanlagen, Betriebe) mit erheblicher Sie wirkt auf Grundstücks- und Wohnungspreise, auf die Verkehrserzeugung sind Mobilitätskonzepte zweck- Nachfrage und auf die Entwicklung einer Gemeinde. Entspre- mäßig, die mithelfen, den Kfz-Verkehr zu reduzieren, chend wichtig ist bei der räumlichen Planung (u. a. Örtliche beispielsweise das betriebliche Mobilitätsmanage- Entwicklungskonzepte, Flächenwidmungsplanung, Innen ment oder spezielle Maßnahmen im Wohnbau entwicklung) daher die sorgfältige Abstimmung der Verkehrs (hochwertige Radabstellplätze, Car Sharing, Stell infrastruktur, des Verkehrsangebotes und der räumlichen platzschlüssel für Pkw-Stellplätze, Situierung der Entwicklung. Stellplätze, …). 20
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Merkmale einer guten Abstimmung zwischen 8.2 KLIMASCHUTZ Raumplanung und Verkehrsplanung sind in Die Gemeinden sind wie der Bund und das Bundesland Hand- Mobilitätskonzepten zu berücksichtigen, wie lungsträger beim Klimaschutz. Österreich hat das Ziel, die ■ eine Siedlungsentwicklung in gut mit dem CO2 -Emissionen bis 2030 um 36 % zu reduzieren, Basis ist das öffentlichen Verkehr erschlossenen Gemeindeteilen Jahr 2005. Bis 2050 müssen die Treibhausgasemissionen um (vgl. Kapitel 8.8), 80 bis 95 % reduziert werden, um die durchschnittliche Erder- ■ ein Fokus auf eine Siedlungsentwicklung, die ein wärmung auf 2 °C zu beschränken; darauf hat sich die Staaten- effizientes und flächenschonendes Verkehrssystem gemeinschaft im Rahmen des Pariser Klimavertrages geeinigt. fördert – im Wesentlichen also den Fuß- und In der Personenmobilität geht es dabei um die Verlagerung Radverkehr (Kapitel 8.4), von Wegen von motorisierten Verkehrsmitteln auf andere Ver- ■ die Ausrichtung der Verkehrsnetze an der räumlichen kehrsmittel wie das Fahrrad, Bus und Bahn und auf das Entwicklung, mit dem Ziel, möglichst viele Wege mit Zu-Fuß-Gehen. Die Gemeinden tragen dazu einerseits mit Bus und Bahn, dem Fahrrad oder zu Fuß zurückzulegen, raumplanerischen Maßnahmen bei (vgl. Kapitel 8.1), anderer- oder die Ausrichtung der räumlichen Entwicklung an seits mit der Umsetzung von Maßnahmen eines Mobilitäts- den bestehenden Verkehrsnetzen und Angeboten, konzeptes, die das Mobilitätsverhalten beeinflussen – mit dem ■ eine Innenverdichtung sowie eine Durchmischung von Ziel, mehr Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen. Nutzungen mit geringen Erschließungs- und Infrastruk- Dazu kommt, dass sich das Fahrzeugkollektiv im nächsten turkosten und mit einem geringen Flächenverbrauch, Jahrzehnt voraussichtlich verändern wird, hin zu CO₂-freien ■ die Beachtung von Wechselwirkungen (z. B. durch bzw. CO₂-armen Antrieben. Die Technologie leistet damit Ortsumfahrungen, Verkehrserreger, …), einen ergänzenden Beitrag, den Klimazielen näher zu kom- ■ keine ausschließliche Beseitigung von Engpässen men. Städte und Gemeinden können diesen technologi- der Kfz-Verkehrsinfrastruktur und schen Wandel fördern, durch Anschaffung gemeindeeigener ■ keine ausschließliche Betrachtung von Fahrzeit Fahrzeuge, CO₂-freier Car-Sharing-Fahrzeuge, aber auch reduktionen durch Infrastrukturausbau. durch Zufahrtsbeschränkungen für gewisse Fahrzeuge, etwa im Lieferverkehr. Beiträge zum Klimaschutz im Rahmen von Mobilitätskonzepten gering hoch noch mittel bis sehr Ausbau des öffentlichen Verkehrs (Bus, Bahn) hoch hoch mittel bis sehr hoch Ausbau von Fuß- und Radwegenetz hoch noch mittel bis sehr Stellplatzschlüssel und Parkraumbewirtschaftung hoch hoch sehr gering Umrüstung von Busflotten gering bis gering sehr Förderungen von E-Bikes in der Gemeinde gering gering sehr Förderungen für E-Car-Sharing in der Gemeinde gering gering gering bis mittel Tempo 30 im Gemeindestraßennetz mittel gering bis mittel Geschwindigkeitsreduktionen auf Landesstraßen mittel mittel bis hoch Innenentwicklung und Siedlungserweiterungen in gut mit ÖV erschlossenen Gebieten hoch mittel Mobilitätskonzepte für große Verkehrserreger (Arbeitgeber, Schulen, größere Wohnsiedlungen) hoch gering bis mittel Zufahrtsbeschränkungen für bestimmte Fahrzeuge mittel sehr gering bis mittel Schaffung von multifunktionalen und multimodalen Mobility Points gering (gesicherte Radabstellanlagen, Sharing-Angebote, Verleihsysteme, ÖV-Haltestellen, Paketboxen etc.) als Beitrag zu einer wahlfreieren Mobilitätsgestaltung 21
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser Jeder Weg, der vom Pkw und vom Lkw auf ein anderes 8.4.1 Grundlagen zum Fußverkehr Verkehrsmittel oder einen CO₂-freien Antrieb verlagert Jeder Weg beginnt oder endet zu Fuß, und auch das Wech- werden kann, trägt zum Klimaschutz bei. Entsprechende seln von Verkehrsmitteln bedingt Fußwege. Der Fußverkehr Maßnahmen müssen prioritär in den Mobilitätskonzep wird in Mobilitätserhebungen systematisch unterschätzt; ten verankert werden. und er hat keine starke Lobby, die Standards umzusetzen hilft. Schon deshalb muss der Fußverkehr in der Planung 8.3 KLIMAWANDELANPASSUNG stärker beachtet werden. Es geht um Trockenheit und Missernten, Schädlingsbefall und lokale Stark ■ Standards für Gehbereiche (Gehsteigbreiten, Querungs- niederschläge sowie Hitzetage nehmen zu und verursachen hilfen, Rast- und Schattenplätze, Aufenthaltsbereiche Schäden und Kosten. Ergänzend zum Klimaschutz (Kapitel 8.2), vor sensiblen und publikumsintensiven Nutzungen wie der bei der täglichen Mobilität der BewohnerInnen und Ein- Schulen und öffentlichen Gebäuden, Ortszentren usw.), pendlerInnen ansetzt, sind lokale Maßnahmen zur Anpas- ■ Barrierefreiheit (Gebäudezugang, Rampenneigungen sung an die Folgen des Klimawandels erforderlich. Neben bei Unter- oder Überführungen, Liftanlagen etc.), den Maßnahmen des Rad- und Fußverkehrs und öffentlichen ■ Grundsätze für den Mischverkehr mit dem Radverkehr Verkehrs müssen in Mobilitätskonzepten daher Maßnahmen bzw. mit dem Kfz-Verkehr in Wohn- und Anliegerstraßen. zur Klimawandelanpassung Niederschlag finden. Grundsätzlich ist der Fußverkehr Teil aller Straßenplanungen. Bei der Dimensionierung von Querschnitten – insbesondere Klimawandelanpassungsmaßnahmen in in den Ortszentren – hat der Fußverkehr Priorität, allenfalls Mobilitätskonzepten sind müssen Fahrbahnbreiten reduziert, muss auf Parkstreifen ver- ■ die Begrünung von Straßenzügen, Parkplätzen zichtet werden. Ausführliche Hinweise finden sich in den und anderen Oberflächen zur Verstärkung der RVS-Richtlinien 03.04.12 (Querschnittsgestaltung von Inner- Verdunstungskühlung – in Siedlungs- und auch in ortsstraßen), 03.02.12 (Fußverkehr) und 03.02.13 (Radverkehr). Betriebsgebieten, In den Richtlinien sind Richtwerte und Mindeststandards ■ die Berücksichtigung von Wasserflächen bei der dargestellt, Qualitäten für den FußgängerInnenverkehr und Planung, wie zum Beispiel Brunnen, insbesondere in den Radverkehr entstehen vor allem dann, wenn die Min- dichter bebauten Siedlungsgebieten, destbreiten überschritten werden und/oder gestalterische ■ die Verwendung von wasserdurchlässigen Belägen Aspekte Beachtung finden. und Vorsorge für Starkregenereignisse, ■ die Verwendung von hellen Farben und Oberflächen mit hohem Reflexionsvermögen, zum Beispiel bei Planungsgrundsätze des F ußverkehrs der Neugestaltung von Ortszentren und neuen ■ Mindeststandards für Gehsteige Siedlungsgebieten, — in Ortszentren: 2,0 m ■ Maßnahmen zur Beschattung im öffentlichen Raum, — ansonsten: 1,5 m also Baumreihen und Alleen, die Errichtung von ■ Barrierefreiheit Vordächern und überdachten Passagen zur Reduk- — rollstuhltaugliche Gebäudezugänge tion von Hitzeinseln und Oberflächentemperaturen. — Rampenneigung ≤ 4 % ■ Mischverkehr Fußverkehr – Radverkehr — Mindestbreite: 2,5 m 8.4 AKTIVE MOBILITÄT — Standardbreite: 3,5 m Aktive Mobilität ist ein Sammelbegriff für den Fußverkehr ■ Mischverkehr Fußverkehr – Kfz-Verkehr und den Radverkehr – gemeint ist die physische Bewegung, — in Anliegerstraßen (Tempo 30) mit ≤ 500 Kfz/Tag die zur Fitness, Gesundheit und zum Klimaschutz maßgeb- — in Wohnstraßen lich beiträgt. 22
Mobilitätskonzepte für NÖ Gemeinden | Wegweiser 8.4.2 Häufige Themen beim Fußverkehr ■ Fuß- und Radverkehr mischen: Eine gemeinsame ■ Durchwegung und kurze Wege: Im Zuge der raum Führung des Fuß- und Radverkehrs auf einer Fläche kann planerischen Aufgaben (Örtliche Entwicklungsplanung, dann eine gute Lösung sein, wenn entsprechend breite Flächenwidmungsplanung) ist auf kurze Wege und eine Flächen zur Verfügung stehen oder wenn sehr wenige Durchwegung von Siedlungsgebieten zu achten. FußgängerInnen und RadfahrerInnen unterwegs sein Vielerorts entstehen auch heute noch autoorientierte werden. Sind viele VerkehrsteilnehmerInnen unterwegs, Siedlungen, die Umwege für FußgängerInnen erzeugen. empfiehlt sich eine Trennung. Denn: RadfahrerInnen sind Sogar sehr kurze Wege werden dann mit dem Auto schneller unterwegs als FußgängerInnen, das erzeugt gefahren. Konflikte, die durch entsprechende Trennung oder Breiten vermieden werden können. Durch fehlende direkte ■ FußgängerInnen und Kreisverkehre: Kreisverkehre Verbindungen im Zuge der gelten im Allgemeinen als leistungsfähiger und für Kfz Flächenwidmung entstehen für FußgängerInnen Umwege sicherer als andere Kreuzungen. Größere Kreisverkehre von mehreren 100 Metern. haben den Nachteil, dass sie für FußgängerInnen oftmals längere Wege erzeugen. 8.4.3 Schwachstellen im Fußverkehr Zahlreiche Schwachstellen im Fußverkehr lassen sich durch einfache, kostengünstige Maßnahmen rasch beheben. Schwachstellen sind beispielsweise ■ fehlende direkte Verbindungen oder ungenügend gesicherte Querungsmöglichkeiten, lange Rotphasen für FußgängerInnen, die zu regelwidrigem Verhalten führen, ■ falsch parkende Pkw (auf dem Gehsteig), Quelle: Rosinak & Partner ZT GmbH ■ fehlende oder zu schmale Gehsteige, im Längsverkehr Fehlende Durchwegung von Kfz befahrene Gehsteige, Umwege ■ verwinkelte, dunkle Wege, Unterführungen, ■ fehlende Orientierung, ■ mangelhafter Anschluss von Bus- und Bahnhaltestellen an das F ußwegenetz, ■ Tempo 30 oder Tempo 40? In vielen Städten und ■ zu schmale Warteflächen bei Bushaltestellen, Gemeinden gibt es die Diskussion, welches Tempo, 30 ■ fehlende Sitzgelegenheiten, Beleuchtungen, Fahrgast oder 40, im untergeordneten Straßennetz zweckmäßig information, behindertengerechte Ausstattung, sei. Vielfach wird auch vom „ehrlichen 40er“ gesprochen. fehlender Witterungsschutz, Fest steht: Bei 30 km/h Kollisionsgeschwindigkeit beträgt ■ fehlende Querungsmöglichkeiten von Eisenbahnlinien, die Wahrscheinlichkeit für FußgängerInnen getötet oder größeren Flächen/Arealen, Gewässern oder stark schwer verletzt zu werden unter 50 %, bei Kollisionen mit befahrenen Straßen, 40 km/h schon etwa 65 %. Untersuchungen (Quellen: ■ Engstellen, fehlende Gehsteigabsenkungen, fehlende z. B. Universität für Bodenkultur, 2007) haben gezeigt, dass Rampen, die Verordnung von Tempo 30 auf Tempo-50-Straßen ■ Konfliktpotenzial Fuß-/Radverkehr, eine Unfall- und Verletzungsreduktion von 20 % bis 30 % ■ schlechte Einsehbarkeit, z. B. durch mangelhaften erwarten lässt. Grünschnitt, 23
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