Sozial ökologische Forschung - Förderkonzept für eine gesellschaftsbezogene Nachhaltigkeitsforschung 2015 2020 - BMBF

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Sozial ökologische Forschung - Förderkonzept für eine gesellschaftsbezogene Nachhaltigkeitsforschung 2015 2020 - BMBF
Sozial­ökologische
Forschung
Förderkonzept für eine gesellschaftsbezogene
Nachhaltigkeitsforschung 2015­2020
Sozial ökologische Forschung - Förderkonzept für eine gesellschaftsbezogene Nachhaltigkeitsforschung 2015 2020 - BMBF
Sozial ökologische Forschung - Förderkonzept für eine gesellschaftsbezogene Nachhaltigkeitsforschung 2015 2020 - BMBF
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Inhaltsverzeichnis

1. Sozial­ökologische Forschung: Nachhaltigkeit als
   gesellschaftliche Aufgabe                                                           3

2. Bisherige und aktuelle Förderung der gesellschaftsbezogenen
   Nachhaltigkeitsforschung                                                            6
2.1 Förderung von SÖF und WiN durch das BMBF                                           6
2.2 Gesellschaftsbezogene Nachhaltigkeitsforschung in Deutschland und international    7

3. Agendaprozess und Neuausrichtung der gesellschaftsbezogenen
   Nachhaltigkeitsforschung des BMBF                                                   8

4. Förderstrategie                                                                    10
4.1 Ziele des Förderschwerpunkts                                                      10
4.2 Zielgruppen der Förderung                                                         11
4.3 Partizipative Weiterentwicklung des Förderschwerpunkts                            11
4.4 Zukünftige strukturelle Schwerpunktsetzung: Stärkung der Fachszene ­
    Instrumente und Institutionen                                                     12

5. Thematische Schwerpunkte                                                           16
5.1 Nachhaltige Transformation urbaner Räume                                          16
5.2 Ko­Transformation sozial­ökologischer Versorgungssysteme                          18
5.3 Nachhaltig Wirtschaften: Konsumenten und Unternehmen als Schlüsselakteure für
    nachhaltige Transformationen                                                      18
5.4 Resilienz sozial­ökologischer Systeme gegenüber Krisen                            21
5.5 Demokratie, Beteiligung und Governance für eine nachhaltige Gesellschaft          22

6. Organisation des Förderschwerpunkts                                                25

7. Weitere Informationen                                                              27

Anhang 1: Förderung der gesellschaftsbezogenen
Nachhaltigkeitsforschung in Deutschland und international                             28

Anhang 2: Zusammenfassung der Bilanzierungsergebnisse
„SÖF­Nachwuchsgruppen“                                                                33

Impressum                                                                             35
Sozial ökologische Forschung - Förderkonzept für eine gesellschaftsbezogene Nachhaltigkeitsforschung 2015 2020 - BMBF
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Sozial ökologische Forschung - Förderkonzept für eine gesellschaftsbezogene Nachhaltigkeitsforschung 2015 2020 - BMBF
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1. Sozial­ökologische Forschung: Nachhaltigkeit als
gesellschaftliche Aufgabe

Die Weltgemeinschaft steht heute vor großen gesell­      in Zukunft sicher zu stellen, führt am Leitbild einer
schaftlichen Herausforderungen. Der Mensch ist Teil      nachhaltigen Entwicklung kein Weg vorbei. Aus ihr
der Ökosysteme, verändert aber durch sein Handeln we­    wurden Rahmenbedingungen für gesellschaftliche
sentlich die Grundlagen dieser Systeme und damit das     Veränderungsprozesse und den Umgang mit Umwelt­
Gesicht der Erde. Wissenschaftler sprechen bereits vom   gefährdungen entwickelt. Hierfür ist es erforderlich,
Anthropozän als neuem Erdzeitalter. Unsere heutige       Umweltprobleme nicht nur in ihrer Dimension als
Lebensweise überlastet die natürlichen Lebensgrund­      Beeinträchtigung ökologischer Systeme zu betrachten,
lagen und gefährdet damit die künftigen Entwicklungs­    sondern in Verbindung mit den politischen, wirtschaft­
möglichkeiten der Menschen. Bedrohungen entstehen        lichen und sozialen Strukturen, die sie verursachen.
unter anderem durch den Klimawandel, den Verlust der     Umgekehrt ist es bei einer Betrachtung sozio­öko­
Biodiversität, die Bodendegradation, Wassermangel und    nomischer Krisenphänomene notwendig, auch die
­verschmutzung oder die Ressourcenverknappung.           Auswirkungen auf die Umwelt in den Blick zu nehmen.

                                                         Eine Politik für eine nachhaltige Entwicklung muss
Gesellschaftliche Herausforderungen                      deshalb das Ziel verfolgen, wirtschaftliche, soziale und
Die Umweltbelastung ist dabei nur ein Aspekt. Die        ökologische Belange gleichermaßen zu berücksichti­
Herausforderungen betreffen auch die globalisierte       gen. Lösungsansätze zur Bewältigung der globalen, sich
Wirtschafts­und Gesellschaftsentwi cklung. Das zeigen    gegenseitig verschärfenden Probleme dürfen sich nicht
uns die globale Finanz­ und Wirtschaftskrise, der be­    auf kurzfristig umsetzbare Maßnahmen konzentrie­
schleunigte demografische Wandel und die wachsende       ren. Es sind Strategien notwendig, die eine langfristige
Weltbevölkerung, Landnutzungskonflikte, Probleme         Entwicklung ermöglichen, welche wirtschaftliche
der weltweiten Ernährungssicherung, die rasch fort­      Leistungsfähigkeit mit sozialer Gerechtigkeit und
schreitende Urbanisierung oder die Versorgungssiche­     ökologischer Tragfähigkeit verbindet. Im Sinne eines
rung mit nachhaltiger Energie. Um gute Lebensqualität    nachhaltigen Wirtschaftens dürfen begrenzte natürli­
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4                     FÖRDERKONZEPT DES BMBF FÜR EINE GESELLSCHAFTSBEZOGENE NACHHALTIGKEITSFORSCHUNG 2015­2020

che Ressourcen nur in dem Maße genutzt werden, wie               • Bereitstellung von System-, Orientierungs- und Ent-
sie sich selbst regenerieren. Der heutige Ressourcen­              scheidungswissen zum gesellschaftlichen Umgang mit
verbrauch muss verringert und vom Wirtschaftswachs­                den zentralen Nachhaltigkeitsherausforderungen wie
tum entkoppelt werden. Vor diesem Hintergrund hat                  beispielsweise Energiewende, nachhaltiges Wirtschaf-
die Enquete Kommission des deutschen Bundestages                   ten, nachhaltige Stadt- und Landentwicklung und
„Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu                     Klimawandel sowie Analyse des jeweiligen Transfor-
nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem                   mationsbedarfs in Wirtschaft und Gesellschaft;
Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“1 vorge­
schlagen, den Wohlstand unserer Gesellschaft anders              • Erarbeiten von Lösungsvorschlägen zum Umgang
zu messen und zu bewerten als lediglich über die Kenn­             mit (ökologischen, ökonomischen und sozialen)
größe des BIP. Stattdessen empfiehlt die Kommission                Risiken und Krisen;
erweiterte Kriterien, die neben dem materiellen Wohl­
stand auch Fragen der Gerechtigkeit oder den ökologi­            • Erarbeitung von Lösungsvorschlägen bei Zielkon-
schen Fußabdruck unserer Lebensweise umfassen. Um                  flikten (z.B. Naturschutz, Energie- und Nahrungsmit-
in diesem Sinne Wohlstand dauerhaft zu sichern, sind               telproduktion) unter Berücksichtigung von Partizi-
tiefgreifende Veränderungen der Produktionsprozesse,               pation und Akzeptanz zentraler gesellschaftlicher
der Infrastrukturen, aber auch der ressourceninten­                Gruppen;
siven, auf einen wachsenden Konsum ausgerichteten
Lebensstile insbesondere in den Industrieländern                 • Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsbewertungen
notwendig.                                                         in Entscheidungsprozessen.

Forschungspolitische Ziele                                       Dazu werden in der Sozial­ökologischen Forschung
Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen und              (SÖF) integrierte Analysen durchgeführt, um Wech­
die damit verbundenen grundlegenden technischen                  selwirkungen zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und
und sozialen Innovationen2 können nur dann bewäl­                Umwelt abschätzen zu können. Diese berücksichtigen:
tigt werden, wenn Lösungsstrategien unter Einbindung
aller gesellschaftlicher Gruppen auf solider wissen­             • soziale Entwicklungen (z.B. Alterung der Gesellschaft,
schaftlicher Grundlage entwickelt und umgesetzt wer­               Wohlstandsverteilung, Teilhabe, Lebensstilände-
den. Notwendig ist neben dem Wissen über empirische                rungen);
Sachverhalte, Systemdynamiken und Wechselbezie­
hungen (Systemwissen) auch die Untersuchung von                  • ökonomische Entwicklungen (z.B. fortschreitende
Werten und Normen, um Veränderungsbedarf sowie                     globale Verflechtung von Märkten, ökonomischer
erwünschte Ziele begründen zu können (Ziel­ oder                   Aufholbedarf wenig entwickelter Volkswirtschaften)
Orientierungswissen). Schließlich wird auch Wissen
darüber benötigt, wie diese Ziele zu erreichen sind              • und politische Entwicklungen (z.B. zunehmende Ver-
(Transformations­ oder Entscheidungswissen).                       flechtung von Politikfeldern und -prozessen, „global
                                                                   governance“).
Mit der Förderung der Sozial­ökologischen Forschung3
sind deshalb folgende forschungspolitische Ziele ver­
bunden:

1
    Der Abschlussbericht der Enquete­Kommission ist als PDF unter folgender Internetadresse verfügbar:
    http://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/175745/schlussbericht­der­enquete­kommission
2
    Soziale Innovationen werden hier verstanden als von bisher praktizierten Selbstverständlichkeiten und Routinen ab­
    weichende, neuartige Praktiken, die Lösungen für gesellschaftliche Probleme darstellen und weitreichende strukturelle
    gesellschaftliche Veränderungen zur Folge haben (ISInova/ZTG TU Berlin 2012: 3).
3
    Sozial­ökologische Forschung wird großgeschrieben, wenn damit der BMBF­Förderschwerpunkt gemeint ist.
Sozial ökologische Forschung - Förderkonzept für eine gesellschaftsbezogene Nachhaltigkeitsforschung 2015 2020 - BMBF
SOZIAL­ÖKOLOGISCHE FORSCHUNG: NACHHALTIGKEIT ALS GESELLSCHAFTLICHE AUFGABE                                          5

System­, Orientierungs­ und Entscheidungswissen             Politik, Verwaltung) am Forschungsprozess erarbeitet
können nicht durch isolierte Arbeiten einzelner             werden, damit es in der Praxis wirksam werden kann.
Disziplinen bereitgestellt werden. Es bedarf eines          Die gemeinsame Formulierung von gesellschaftlichen
Zusammenwirkens unterschiedlicher wissenschaftli­           Problemen und des damit zusammenhängenden
cher Disziplinen, ergänzt um Wissen aus der Praxis. Die     Forschungsbedarfs durch Wissenschaft und Gesell­
Verknüpfung dieser unterschiedlichen Wissensquellen         schaft ist dafür der erste Schritt. Diesem ersten Schritt
ist Gegenstand des inter­ und transdisziplinären For­       müssen geeignete Formate der Beteiligung im weiteren
schungsansatzes in der Sozial­ökologischen Forschung.       Forschungsprozess und beim Transfer des erzeugten
                                                            Wissens in die Praxis folgen. Gesellschaftliche Akteure
Die SÖF ist eine problemorientierte Forschung, die          müssen in solchen Prozessen zum einen als Wissens­
ihren Ausgangspunkt in der Auseinandersetzung mit           träger beteiligt und zum anderen für die Umsetzung
konkreten gesellschaftlichen Herausforderungen              der Forschungsergebnisse in die Praxis gewonnen
findet. Von dort aus bindet sie fachübergreifend die        werden. Diese zeitaufwändige Art der gesellschaft­
hierfür erforderlichen wissenschaftlichen Disziplinen       lichen Beteiligung an Forschung unterscheidet sich
ein (Interdisziplinarität). Das Spektrum reicht von         von Runden Tischen oder Mediationsverfahren, die
den Ingenieur­ und Naturwissenschaften bis zu den           der Befriedung gesellschaftlicher Konflikte dienen.
Sozial­ und Geisteswissenschaften. Das Erfahrungs­          Partizipation in der transdisziplinären sozial­ökologi­
wissen weiterer gesellschaftlicher Akteure von Unter­       schen Forschung bedeutet Teilhabe am Verstehen und
nehmensvertretern über Umwelt­ und Verbraucher­             Gestalten von Transformationsprozessen.
schutzverbänden bis zu Bürgerinnen und Bürgern ist
darüber hinaus eine weitere wichtige Wissensquelle auf
der Suche nach Lösungsoptionen. Daher ist neben der
Interdisziplinarität die Transdisziplinarität ein wesent­
liches Merkmal des sozial­ökologischen Forschungsan­
satzes, um praxisnahe Lösungswege aufzuzeigen.

Aufgabe dieser Art von Forschung ist nicht nur, Wis­
sen als Grundlage für Entscheidungen und Handeln
bereit zu stellen. Es geht darüber hinaus auch um
die Beschreibung und Analyse von Wertkonflikten.
Abzuwägen ist beispielsweise, inwieweit Maßnahmen
eher auf generationenübergreifende Gerechtigkeit
ausgelegt werden sollen. Fragen nach Verantwortung
und Handlungskompetenz unterschiedlicher Akteure,
nach deren Beitrag und Bedeutung in der Gesellschaft
und nach der Demokratisierung gesellschaftlicher
Prozesse sind weitere Beispiele. Die Sozial­ökologische
Forschung greift Themen auf, die gesellschaftliche
Aushandlungsprozesse und Wertediskussionen zum
Gegenstand haben, um auf diese Weise realistische
Lösungsoptionen für das „Wie“ des Übergangs zu einer
nachhaltigen Gesellschaft (d.h. das Transformations­
wissen) finden zu können.

Aufgrund der Verknüpfung von Wissens­ und Werte­
fragen ist ein enger Praxis­ und Anwendungsbezug für
die Sozial­ökologische Forschung unerlässlich. Wissen
für die Gestaltung der anstehenden großen Trans­
formationsprozesse muss unter gezielter Beteiligung
gesellschaftlicher Akteure (z.B. Unternehmen, NGOs,
Sozial ökologische Forschung - Förderkonzept für eine gesellschaftsbezogene Nachhaltigkeitsforschung 2015 2020 - BMBF
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2. Bisherige und aktuelle Förderung der
gesellschaftsbezogenen Nachhaltigkeitsforschung

Die gesellschaftsbezogene Nachhaltigkeitsforschung        Forschungsvorhaben mit einem Mittelvolumen von 85
ist ein wesentlicher Bestandteil des BMBF­Rahmenpro­      Mio. Euro gefördert. Neben strukturellen Maßnahmen
gramms „Forschung für nachhaltige Entwicklungen“          zur Stärkung der Wissenschaft auf diesem Gebiet, wie
(FONA). Sie geht davon aus, dass eine nachhaltige Ent­    der Förderung von interdisziplinären Nachwuchsgrup­
wicklung nur zu erreichen ist, wenn naturwissenschaft­    pen, wurden bisher sieben Bekanntmachungen zu ver­
lich­technische und soziale Innovationen ineinander       schiedenen thematischen Schwerpunkten gefördert:
greifen. Im Mittelpunkt der bisherigen Förderung der
gesellschaftsbezogenen Nachhaltigkeitsforschung           • Nachhaltige Entwicklung im Spannungsfeld „Um­
standen zwei Schwerpunkte: die Sozial­ökologische           welt, Ernährung, Gesundheit“. Langfriststrategien für
Forschung (SÖF) und die Wirtschaftswissenschaften für       einen nachhaltigen Konsum
Nachhaltigkeit (WiN).
                                                          • Politische Strategien zur Bewältigung globaler Um­
                                                            weltprobleme – zwischen Lokalität und Globalität
2.1 Förderung von SÖF und WiN
durch das BMBF                                            • Sozial­ökologische Transformationen im Ver­ und
                                                            Entsorgungssektor

Mit der Einrichtung des Förderschwerpunkts SÖF            • Nachhaltige Stadt­ und Regionalentwicklung
im Jahre 2000 reagierte das BMBF auf Empfehlungen
des Wissenschaftsrats und des WBGU, verstärkt             • Strategien zum Umgang mit systemischen Risiken
gesellschaftliche Aspekte in die Umweltforschung zu
integrieren. Die SÖF verkörpert seitdem einen transdis­   • Vom Wissen zum Handeln – neue Wege zum nach­
ziplinären Forschungsansatz, der nicht nur die Grenzen      haltigen Konsum
der Fachdisziplinen überschreitet, sondern auch das
Wissenschaftssystem selbst. Wesentlicher Bestandteil      • Soziale Dimensionen von Klimaschutz und Klima­
ist die Einbeziehung von Interessensgruppen in den          wandel
Forschungsprozess. Bis 2013 wurden ca. 100
Sozial ökologische Forschung - Förderkonzept für eine gesellschaftsbezogene Nachhaltigkeitsforschung 2015 2020 - BMBF
BISHERIGE UND AKTUELLE FÖRDERUNG DER GESELLSCHAFTSBEZOGENEN NACHHALTIGKEITSFORSCHUNG                               7

Als neuer Schwerpunkt wurde 2013 die „Umwelt­ und           licher und ökonomischer Akteure (z.B. Bedeutung von
gesellschaftsverträgliche Transformation des Ener­          Gerechtigkeitsprinzipien bei Klimaverhandlungen) oder
giesystems“ mit einem Mittelvolumen von ca. 32 Mio.         die Steuerung von Innovationsverhalten untersucht.
Euro gestartet. Die Projekte begleiten die Energiewende
aus gesellschaftswissenschaftlicher Sicht und beschäfti­
gen sich u.a. mit der Akzeptabilität neuer Lösungen im      2.2 Gesellschaftsbezogene Nachhal­
Rahmen der Energiewende, mit Szenarien der Entwick­         tigkeitsforschung in Deutschland
lung des Energiesystems (Netzausbau, ökonomische
Szenarien u.a.), mit neuen Geschäftsmodellen in der
                                                            und international
Energiewende und bürgerschaftlichem Engagement
sowie mit Fragen zur Governance der Energiewende.           Auf Bundesebene stellt das BMBF­Rahmenprogramm
                                                            FONA die wichtigste Basis zur Förderung der gesell­
Aufgrund der zentralen Bedeutung ökonomischer               schaftsbezogenen Nachhaltigkeitsforschung dar. Von
Aspekte für Nachhaltigkeitsfragen wurde 2006 die            den insgesamt in FONA 2010 ­ 2013 geförderten rund
erste Bekanntmachung zum Förderschwerpunkt                  2700 Vorhaben sind etwa 350 den Gesellschaftswissen­
„Wirtschaftswissenschaften für Nachhaltigkeit“              schaften zuzuordnen. Neben dem Aktionsfeld „Gesell­
veröffentlicht. Ziel war die Stärkung des Potentials der    schaftliche Entwicklungen“, in dem die Förderschwer­
Wirtschaftswissenschaften zur Lösung von Nachhal­           punkte SÖF und WiN angesiedelt sind, gibt es also
tigkeitsproblemen – auch weil ihnen z.B. vom Wissen­        weitere Forschungsfelder, in denen die gesellschaftswis­
schaftsrat (2002) eine zu geringe Anwendungsnähe und        senschaftliche Forschung integraler Bestandteil ist.
Politikrelevanz attestiert wurde.                           Im Anhang 1 ist aufgelistet, welche Forschungsinstitute
                                                            und Forschungsprogramme im universitären und auße­
Die erste Förderphase (2006 ­ 2010) bezog sich auf die      runiversitären Bereich sowie welche Programme der Län­
thematischen Schwerpunkte „Modelle und Instrumente          der und Stiftungen sich mit gesellschaftlicher Nachhal­
der ökologischen Steuerung“, „Ökonomie nachhaltigen         tigkeitsforschung auseinandersetzen. Im europäischen
Konsums“ sowie das Querschnittsthema „Nachhal­              Bereich setzt das Rahmenprogramm der EU „Horizont
tigkeitsinnovationen und ­bewertungen“. Es wurden           2020“ einen Schwerpunkt auf gesellschaftliche Heraus­
16 Projekte mit einem Mittelvolumen von ca. 7,5 Mio.        forderungen. International findet eine Abstimmung der
Euro gefördert. In der zweiten Förderphase (2010 ­ 2013)    Nachhaltigkeitsforschung im sogenannten Belmont
wurden 18 Vorhaben mit einem Mittelvolumen von              Forum (Internationales Forum der Forschungsförderer
ca. 8,5 Mio. Euro gefördert. Im Mittelpunkt standen         zur Nachhaltigkeit) statt. Weitere Angaben zu internati­
vor allem Fragen der Governance im Sinne von neuen          onalen Aspekten der gesellschaftlichen Nachhaltigkeits­
Steuerungsformen und Grenzziehungen im Verhältnis           forschung finden sich ebenfalls im Anhang 1.
von Staat und Markt, sowie institutionelle Aspekte
der Nachhaltigkeitspolitik. Dies beinhaltet auch die
Beschäftigung mit Fragen der Gerechtigkeit und der
sozialen Dimension von Nachhaltigkeit.

Die Projekte beschäftigten sich beispielsweise mit inter­
nationaler Umweltregulierung und Politikdiffusion (z.B.
globales Wassermanagement), mit Landnahmen (Aus­
landsinvestitionen in Land), mit der Ausgestaltung regi­
onaler Märkte für Erneuerbare Energien, der langfristi­
gen Entwicklung von Infrastruktursystemen oder der
Einführung und der Bewertung von (marktwirtschaft­
lichen) umweltpolitischen Instrumenten (z.B. Schutz
der Artenvielfalt, Immissionsschutz). In den Projekten
wurden Vorschläge zur Bewertung von Nachhaltigkeit
gemacht, etwa in Bezug auf Verwirklichungschancen.
Des Weiteren wurde das Entscheidungsverhalten staat­
Sozial ökologische Forschung - Förderkonzept für eine gesellschaftsbezogene Nachhaltigkeitsforschung 2015 2020 - BMBF
8

3. Agendaprozess und Neuausrichtung der gesell­
schaftsbezogenen Nachhaltigkeitsforschung des BMBF

Die Sozial­ökologische Forschung ist von Anfang an         tigkeit als fakultätsübergreifendes Thema an vielen
als „lernender Förderschwerpunkt“ konzipiert wor­          Hochschulen an Bedeutung gewonnen. Erwähnt sei
den, bei dem die Erfahrungen mit dieser neuen Art der      hier nur die Gründung einer „Fakultät Nachhaltigkeit“
Forschung kontinuierlich reflektiert und in die Ausge­     an der Universität Lüneburg im Jahr 2010. Zudem hat
staltung der Fördermaßnahmen eingebracht werden.           der inter­und transdiszip linäre Ansatz der SÖF zu­
Wichtige Schritte in diesem Lernprozess stellen die        nehmend Eingang in weitere Fördermaßnahmen des
von einem externen Expertengremium durchgeführte           BMBF im Rahmen von FONAgefunden, insbesondere
Programmevaluation von 2004/2005 und die darauf auf­       im Bereich „globaler Wandel“.
bauende Überarbeitungdes SÖF­Rahmenkonzepts dar.
Nach Abschluss der ursprünglich geplanten zehnjähri­       Gleichwohl besteht weiterhin der Bedarf an der Fort­
gen Programmphase war es an der Zeit, erneut Bilanz        führung und Weiterentwicklung eines eigenständigen
zu ziehen und die aus einem Rückblick auf die bisherige    Förderschwerpunkts SÖF. Die erwähnten Fortschritte
Förderung gewonnenen Erkenntnisse für eine Neuaus­         des Wissenschaftssystems hinsichtlich einer umfassen­
richtung der Förderkonzeption zu nutzen.                   den Nachhaltigkeitsforschung können angesichts der
                                                           oben beschriebenen komplexen Herausforderungen
Es kann festgestellt werden, dass die SÖF wichtige         und des damit verbundenen hohen Handlungsdrucks
neue Impulse in der Nachhaltigkeitsforschung gesetzt       nicht befriedigen. Nach wie vor ist das Wissenschafts­
hat: So wurden wesentliche Beiträge sowohl zur Unter­      system zum größten Teil disziplinär ausgerichtet. In der
stützung gesellschaftlicher Transformationsprozesse        Nachhaltigkeitsforschung werden die hauptsächlichen
mit Bezug auf die oben genannten Themenschwer­             Defizite weiterhin in der Analyse der gesellschaftlichen
punkte (siehe Kapitel 2.1), als auch zur Entwicklung       und ökonomischen Prozesse gesehen. Beispielsweise
von Qualitätsstandards und Methoden transdisziplinä­       erfordert die Analyse der fortschreitenden interna­
rer Forschung geleistet. Darüber hinaus wurden im          tionalen Verflechtung von Märkten und Politikpro­
Sinne eines „Capacity Building“, also von Maßnahmen,       zessen sowie der Verflechtung innerhalb verschiedener
die auf die Integration und Etablierung eines inter­ und   Politikfelder in ihren Auswirkungen auf Umwelt und
transdisziplinären Ansatzes in Forschung und               Gesellschaft eine übergeordnete Perspektive, wie sie in
Lehre zielen, auch Impulse für das Wissenschaftssys        der SÖF entwickelt worden ist.
tem gesetzt. In den vergangenen Jahren hat Nachhal­
AGENDAPROZESS UND NEUAUSRICHTUNG DER GESELLSCHAFTSBEZOGENEN NACHHALTIGKEITSFORSCHUNG DES BMBF                                                      9

Fachleute aus der Wissenschaft und Praxis diskutieren neue Forschungsthemen (Workshop auf dem 11. BMBF­Forum für Nachhaltigkeit 2014 in Berlin).

Diese grundsätzliche Einschätzung bezüglich der                             die Ergebnisse des Agenda­Prozesses in einem Memo­
Fortführung der SÖF wurde in einer gemeinsamen Bi­                          randum „Verstehen ­ Bewerten ­ Gestalten. Transdis­
lanzierung des BMBF mit Fachleuten aus Wissenschaft                         ziplinäres Wissen für eine nachhaltige Gesellschaft“4
und Praxis im Jahr 2011 bestätigt. Darüber hinaus wur­                      zusammengefasst, das im Juni 2012 dem BMBF überge­
den aber auch Schwächen aufgezeigt und Hinweise für                         ben wurde. Aus den Anregungen des Agenda­Prozesses
eine Neuausrichtung gegeben. Die Bilanz markierte                           und insbesondere dem Memorandum ist das vorliegen­
zugleich den Startpunkt für einen Agenda­Prozess                            de Förderkonzept entstanden. Dieses Konzept soll die
Sozial­ökologische Forschung, in dem die zukünftigen                        bisher eigenständigen Förderschwerpunkte Sozial­öko­
thematischen und strukturellen Schwerpunktset­                              logische Forschung und Wirtschaftswissenschaften
zungen der Förderung im Bereich gesellschaftsbezo­                          für Nachhaltigkeit integrieren und stärker mit den
gene Nachhaltigkeitsforschung mit der Fachszene, also                       anderen Förderinitiativen der BMBF­Nachhaltigkeits­
Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirt­                            forschung vernetzen.
schaft und Gesellschaft, erarbeitet wurden.

Zentrale Veranstaltung war die Agendakonferenz im
März 2012 in Bonn mit über 200 Persönlichkeiten der
Fachöffentlichkeit. Die Fachöffentlichkeit hat ihrerseits

4
    Dieses Memorandum wurde vorgelegt von der Expertengruppe Rainer Grießhammer (Öko­Institut), Thomas Jahn
    (ISOE), Thomas Korbun (IÖW), R. Andreas Kraemer (Ecologic Institut), Claus Leggewie (KWI), Ortwin Renn (Universität
    Stuttgart), Uwe Schneidewind (Wuppertal Institut) und Angelika Zahrnt (BUND) zur BMBF­Agenda­Konferenz „Sozi­
    al­ökologische Forschung für eine zukunftsfähige Gesellschaft“ in Bonn am 19. und 20. März 2012. Es wurde vor dem
    Hintergrund der Tagungsergebnisse überarbeitet. Das Memorandum ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar:
    http://www.fona.de/mediathek/pdf/soef­Memorandum_2012_de.pdf
10

4. Förderstrategie

In der Sozial­ökologischen Forschung sollen zu kon­        Technologien oder von Verhaltensweisen der Kon­
kreten gesellschaftlichen Herausforderungen wissen­        sumenten) muss die Forschung zunächst Fakten und
schaftlich fundierte, in der Praxis umsetzbare Lösungs­    Wissen ermitteln. So ist es z.B. notwendig, auch die mög­
wege erarbeitet werden. Die übergeordneten Ziele des       lichen Rebound­Effekte (Definition siehe S.24) zu einer
Förderschwerpunkts lassen sich daher folgendermaßen        neuen energieeffizienten Technologie möglichst genau
beschreiben: Durch die SÖF­Förderung soll System­,         abschätzen zu können. Dies reicht aber nicht aus: Nach­
Orientierungs­und Entscheidungswissen zum g esell­         haltigkeit (z.B. im Konsum), ist oft ein gesellschaftlicher
schaftlichen Umgang mit den globalen Nachhaltigkeits­      Aushandlungsprozess, in dem Bewertungsmaßstäbe und
problemen bereitgestellt werden, das eine Grundlage        Bewertungssysteme entwickelt werden müssen.
für Veränderungsprozesse hin zu einer nachhaltigen
Gesellschaft zur Verfügung stellt.                         Die SÖF soll Entscheidungswissen für den Umgang
                                                           mit ökologischen, ökonomischen und sozialen Risiken
                                                           sowie Krisen liefern. Krisen der vergangenen Jahre, wie
4.1 Ziele des Förderschwerpunkts                           die im Finanz­ und Wirtschaftssektor,sind derart k om­
                                                           plexe Vorgänge, dass oft keine eindeutigen Lösungen
                                                           möglich sind. Lösungsansätze beruhen auf oft unsiche­
Die zentralen Nachhaltigkeitstransformationen sind         rem Wissen und auf unterschiedlichen Wertungen. Die
insbesondere die Energiewende, die nachhaltige Stadt­      SÖF stellt deshalb alternative Szenarien und Orientie­
und Landentwicklung, der Klimaschutz und die Anpas­        rungsmaßstäbe bereit, die fundiertere Entscheidungs­
sung an den Klimawandel sowie der Übergang zu einer        möglichkeiten aufzeigen. Nachhaltigkeitsdebatten
nachhaltigen Wirtschaftsweise mit dem Ziel, bei qua­       beinhalten oft Zielkonflikte (z.B. zwischen Naturschutz,
litativ wachsendem Wohlstand dennoch den Ressour­          Energie­ und Nahrungsmittelproduktion). Auch diese
cenverbrauch absolut zu reduzieren. Voraussetzung für      sind in einem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess
eine nachhaltige Gesellschaft ist die Bewertung dessen,    auszubalancieren. Die SÖF berücksichtigt deshalb insbe­
was überhaupt als nachhaltige Lebens­ und Wirt­            sondere auch Aspekte der Partizipation und Akzeptanz
schaftsweise gelten kann. Ziel der SÖF ist, in konkreten   gesellschaftlicher Gruppen.
Fällen die qualitativen und quantitativen Bewertungs­
maßstäbe für Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln. Für        Partizipation und Akzeptanz sind deshalb einerseits For­
die Bewertung der Nachhaltigkeit (z.B. von neuen           schungsgegenstand der SÖF. Andererseits gewährleistet
FÖRDERSTRATEGIE                                                                                                  11

der transdisziplinäre Forschungszugang der SÖF das         sind in vielen Fällen Voraussetzung für den wirtschaft­
partizipative Einbeziehen gesellschaftlicher Akteure und   lichen Erfolg. Die Politik ist ein weiterer Adressat des
trägt somit auch zur Umsetzung von Forschungsergeb­        in der SÖF erarbeiteten Transformationswissens und
nissen bei. Daher sollen transdisziplinäre Kooperation     der Handlungsempfehlungen aus der Wissenschaft.
zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen,     Entscheidungen in der Nachhaltigkeitspolitik können
Fachkulturen, Forschungseinrichtungen und der Praxis       so durch die aktuellsten Erkenntnisse der gesellschafts­
zu innovativen Themen mit gesellschaftsrelevantem          bezogenen Nachhaltigkeitsforschung fundiert werden.
Nachhaltigkeitsbezug noch stärker als bisher befördert
werden.
                                                           4.3 Partizipative Weiterentwicklung
Während die Gesellschaftswissenschaften weiterhin im       des Förderschwerpunkts
Zentrum der Sozial­ökologischen Forschung des BMBF
stehen, soll die Vernetzung mit Ingenieur­ und Natur­
wissenschaften noch stärker als bisher befördert werden.   Die Sozial­ökologische Forschung versteht sich als ler­
Die Entwicklungen in den Wirtschaftswissenschaften         nender Förderschwerpunkt, der kontinuierlich weiter­
hin zu einer „Nachhaltigkeitsökonomik“, wie sie durch      entwickelt und neuen Gegebenheiten angepasst wird.
den Förderschwerpunkt „Wirtschaftswissenschaften für       Diese Weiterentwicklung wird unter Einbindung der
Nachhaltigkeit“ angestoßen wurden, sollen im Rahmen        Fachöffentlichkeit über Agenda­Prozesse organisiert.
der Sozial­ökologischen Forschung fortgeführt werden.      Dazu werden insbesondere thematische Fachgespräche
Notwendig ist auch die Stärkung auf inter­ und trans­      und Diskurse über sozial­ökologische Zielkonflikte
disziplinäre Kompetenzen im Allgemeinen sowie die          gefördert.
Weiterentwicklung von entsprechenden Methoden,
Qualitätskriterien und wissenschaftlichen Standards im     In Fachgesprächen mit kleineren Expertengruppen
Besonderen.                                                wird die Fachszene gezielt am Themenfindungsprozess
                                                           für zukünftige Förderthemen beteiligt. Die Fachge­
                                                           spräche dienen auch der Vertiefung und Priorisierung
4.2 Zielgruppen der Förderung                              der Forschungsthemen. Den Themenfindungsprozess
                                                           unterstützen darüber hinaus regelmäßig stattfindende
                                                           Agenda­Konferenzen unter Einbeziehung der Fach­
Mit der SÖF sind zunächst Wissenschaftlerinnen und         szene. Um den Praxisbezug zu sichern, werden zudem
Wissenschaftler in den Hochschulen und außeruniver­        in der Regel die für die Fachpolitiken zuständigen Res­
sitären Forschungsinstituten angesprochen. Um jedoch       sorts (insbesondere BMUB, BMJV, BMEL und BMWi)
in der Praxis umsetzbare Lösungswege erarbeiten zu         in die Entwicklung neuer thematischer Schwerpunkt­
können, ist es unerlässlich, dass Akteure aus Zivilge­     setzungen einbezogen. Dies dient einerseits dazu, den
sellschaft und Wirtschaft in den Forschungsprojekten       Forschungsbedarf dieser Ressorts und eine mögliche
zumindest mitwirken, wenn nicht sogar diese initiieren     Unterstützung durch das BMBF auszuloten. Anderer­
und federführend vorantreiben. Gemeinsam mit den           seits sollen so die gewonnenen Forschungsergebnisse
Praxispartnern sollte der Forschungsbedarf ermittelt,      schneller zu den entsprechenden politischen Entschei­
die entsprechenden Forschungsfragen formuliert und         dungsträgerinnen und Entscheidungsträgern gelangen.
sodann in einem gemeinsamen Forschungsprozess mit
den Akteuren aus der Praxis anwendungsrelevantes           Im Rahmen eines ersten Agenda­Prozesses in
Wissen und gesellschaftlich relevante, wissenschaftlich    2011/2012 wurden verschiedene Themen mit der
fundierte Lösungswege erarbeitet werden.                   Fachszene in Wissenschaft und Praxis erarbeitet. Diese
                                                           Themen werden in Kapitel 5 dieses Förderkonzepts
Unternehmen sind ein wichtiger Praxispartner in der        kurz umrissen und stellen einen Ausgangspunkt für
SÖF, da viele Nachhaltigkeitsinnovationen nur mit der      kommende Förderbekanntmachungen dar. Diese The­
Wirtschaft zu realisieren sind. Die Beantwortung von       men stehen jedoch nicht unveränderlich fest, sondern
Fragen der ökologischen und sozialen Wirkung neuer         werden bei Bedarf erweitert, ergänzt oder auch ersetzt.
Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen so­        Als eines der ersten aus dem Agenda­Prozess hervorge­
wie der gesellschaftlichen Akzeptanz von Innovationen      gangenen Themen wurde eine Fördermaßnahme zum
12                      FÖRDERKONZEPT DES BMBF FÜR EINE GESELLSCHAFTSBEZOGENE NACHHALTIGKEITSFORSCHUNG 2015­2020

Thema „Nachhaltiges Wirtschaften“ mit den Schwer­                  res Arbeiten immer noch nicht ausreichend belohnt.
punkten „Unternehmen und Konsumenten als Gestal­                   Wissenschaftliche Karrieren sind auf inter­ und trans­
ter sozial­ökologischen Wandels“ und „Systemische                  disziplinärem Arbeiten nur schwer aufzubauen, auch
Fragen zur Transformation des Wirtschaftssystems“                  wenn die SÖF­Nachwuchsförderung hier konkrete
gestartet.                                                         Fortschritte gezeigt hat. Es ist weiter notwendig, dass
                                                                   mehr und mehr heranwachsende Wissenschaftlerin­
Der Förderschwerpunkt wird nach etwa 5 Jahren unter                nen und Wissenschaftler mit dem transdisziplinären
Beteiligung der Geförderten aus den verschiedenen                  Forschungsansatz vertraut werden sowie die hierfür
Projekten und unabhängigen Fachleuten evaluiert und                benötigten Methoden und Instrumente erlernen. Die
weiterentwickelt.                                                  SÖF­Nachwuchsgruppen sollen dazu beizutragen, in­
                                                                   ter­ und transdisziplinäres Arbeiten im Wissenschafts­
                                                                   system strukturell zu etablieren.
4.4 Zukünftige strukturelle Schwer­
punktsetzung: Stärkung der Fachsze­                                Sozial­ökologische Nachwuchsforschungsgruppen
                                                                   werden weiterhin themenoffen ausgeschrieben. Ziel ist,
ne ­ Instrumente und Institutionen                                 die Nachwuchswissenschaftler und ­wissenschaftle­
                                                                   rinnen noch stärker dabei zu unterstützen, den Spagat
Nachwuchsförderung                                                 zwischen disziplinärer Qualifizierung und inter­/trans­
Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen des                     disziplinärer Projektarbeit zu meistern, möglicherweise
Bilanzierungs­Workshops 2011, der Agendakonferenz                  indem Phasen der (vorwiegend disziplinären) Quali­
und den im Memorandum 2012 festgehaltenen Vor­                     fikation und Phasen der inter­ und transdisziplinären
schlägen der Fachöffentlichkeit sowie der im Winter/               Zusammenarbeit definiert werden. Zur Unterstützung
Frühjahr 2013 durchgeführten Bilanzierung der in                   der Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter sowie der
Phase I und II erzielten Wirkungen und Ergebnisse                  Teammitglieder soll das Mentoringprogramm intensi­
(siehe Anhang 2) wird die Nachwuchsgruppenför­                     viert sowie die gruppenübergreifenden Trainings­ bzw.
derung weiterentwickelt. Dies ist notwendig, da das                Coachingmaßnahmen ausgebaut werden. Zukünftig
Wissenschaftssystem weiterhin vorwiegend disziplinär               wird noch stärker darauf geachtet, dass jede Gruppe
ausgerichtet ist. So wird inter­ und transdisziplinä­              Zugang zu inter­ und transdisziplinärer Forschungs­

Nachwuchs entwickelt sich: Verpuppung einer Schmetterlingsraupe.
FÖRDERSTRATEGIE                                                                                                                13

expertise hat. Hier sind insbesondere die Mentorinnen
und Mentoren gefragt, bei Bedarf können aber auch
weitere externe Experten und Expertinnen für spezi­
elle Unterstützungsleistungen hinzugezogen werden.
Außerdem soll angestrebt werden Gruppenleitungs­
funktionen mit einer Juniorprofessur zu verknüpfen.
Abweichend von der bisherigen Praxis werden zukünf­
tig in regelmäßigen kürzeren Abständen Nachwuchs­
gruppen zur Förderung ausgewählt. Ergänzend zu den
themenoffenen Nachwuchsgruppen soll bei themati­
schen SÖF­Bekanntmachungen die Nachwuchsförde­
rung ebenfalls stärker in den Fokus gerückt werden.
Konkret heißt das,

• Promotionen, transdisziplinäre Post­Doc­Stellen, Ju­
  nior­Professuren und zeitlich befristete Forschungs­
  aufenthalte im Ausland im Rahmen von themati­
  schen SÖF­Vorhaben zu fördern;

• Gastwissenschaftleraufenthalte sowie Forschungsau­
  fenthalte im Rahmen von thematischen SÖF­Vorha­
  ben zu ermöglichen.

Mit Nachwuchsförderung allein werden im Wissen­          Vernetzung: Kooperationen zwischen Hochschulen, außeruniversitären For­
schaftssystem jedoch nicht in ausreichendem Maße         schungseinrichtungen und Praxispartnern sollen weiter entwickelt werden.
Veränderungsprozesse vorangebracht werden können.
Zusätzlich werden Unterstützer der SÖF in den akade­     schen Erfahrungen sowie inter­ und transdisziplinäre
mischen Gremien und Fachgesellschaften benötigt, die     Rahmenkonzepte sowie Begriffsbildungen.
dort zu einem stärkeren Transfer des SÖF­Ansatzes in     Zum anderen ist auch die Entwicklung neuer Metho­
Wissenschaft und Forschung beitragen.                    den für eine Sozial­ökologische Forschung möglich.
                                                         Es werden also Projekte gefördert, die konzeptionelle,
Wissenschaftliche Grundlagen: Inter­ und                 theoretische und methodische Grundlagen sowie
transdisziplinäre Methodenentwicklung                    Qualitätsstandards transdisziplinärer Nachhaltigkeits­
                                                         forschung weiterentwickeln.
Die Sozial­ökologische Forschung des BMBF hat in den
vergangenen Jahren mit dazu beigetragen, die für die     Innovative Forschungsprojekte
Erarbeitung von Transformationswissen notwendigen        Um kurzfristig auf aktuelle thematische wie methodi­
Veränderungen im Wissenschaftssystem zu unterstüt­       sche Forschungsbedarfe flexibel reagieren zu können,
zen und damit die die Etablierung des sozial­ökolo­      sollen besonders innovative und riskante Pilotprojekte
gischen Forschungsansatzes in Forschung und Lehre        sowie Maßnahmen zur Weiterentwicklung von interes­
vorangebracht. Die wissenschaftlichen Grundlagen         santen neuen Themen gefördert werden.
der SÖF sollen künftig verstärkt in Kooperationen
zwischen Hochschulen und den in sozial­ökologischer      Stärkung der sozial­ökologischen Wissenschafts­
Forschung ausgewiesenen außeruniversitären Insti­        szene
tuten sowie Praxispartnern weiterentwickelt werden.      Ziel der Förderung der Sozial­ökologischen Forschung
Gleichzeitig sollen neue Partner gewonnen werden,        ist es, auch die Methodik und das Wissen zu trans­
damit die Nachhaltigkeitsforschung eine breitere         formativer Nachhaltigkeitsforschung5 in der Wissen­
Grundlage im Wissenschaftssystem erhält. Dies betrifft   schaftslandschaft zu verbreiten. Denn noch existiert
insbesondere Konzepte und Methoden der Integration       keine Plattform wie z.B. eine Fachgesellschaft, über die
von Wissen aus verschiedenen Disziplinen und prakti­     systematisch Austauschprozesse zwischen Wissenschaft­
14                     FÖRDERKONZEPT DES BMBF FÜR EINE GESELLSCHAFTSBEZOGENE NACHHALTIGKEITSFORSCHUNG 2015­2020

lern gefördert, das Wissen gebündelt und dieses sowohl         der Vorbereitung einer Umsetzung von Projektergeb­
Anwendern als auch Nachwuchswissenschaftlerinnen               nissen dienen, an dem Forschungsprojekt beteiligen.
und ­wissenschaftlern vermittelt werden kann.                  Zum anderen soll für ausgewählte Projekte die Option
                                                               eröffnet werden, sich im Anschluss an das Forschungs­
Im Rahmen der SÖF könnte die methodische und                   projekt um ein Transferprojekt zu bewerben. In diesem
konzeptionelle Weiterentwicklung in einem Plattform­           gesondert geförderten Anschlussprojekt sollen die
projekt gebündelt werden, das der Vernetzung und               erworbenen wissenschaftlichen Erkenntnisse mittels
dem Austausch der Wissenschaft mit den Praxisakteu­            spezieller Maßnahmen gezielt in die Praxis transferiert
ren dient. Workshops zu inter­ und transdisziplinären          werden. Dabei ist anzustreben, dass die Praxisakteure in
Methoden und aktuellen Fragestellungen sollen über             dieser Phase die Federführung übernehmen und durch
diese Plattform an unterschiedlichen Orten organisiert         die Forschung lediglich begleitet werden.
werden. Wichtig ist, dass die Methodenentwicklung im
Rahmen der Plattform nicht abstrakt betrieben wird,            Wissenschaftliche Koordinierung der
sondern jeweils in Verbindung mit einem konkreten              Fördermaßnahmen und Wirkungsforschung
Problem. Forschungsinhalte und Forschungsstrukturen            Voraussetzung für einen wirksamen Ergebnistransfer
müssen zusammen gedacht werden.                                ist, dass die Forschungsergebnisse so aufbereitet werden,
                                                               dass eine Diffusion in die Breite der gesellschaftlichen
Zudem sollen Diskussionsrunden zu bestimmten The­              Anwendung bzw. am Markt möglich wird. Das erfordert
men zwischen führenden Personen der SÖF­Fachszene              auch eine Darstellung der Forschungsergebnisse in einer
und Vertreterinnen und Vertretern aus den Fachge­              Sprache, die von den Praxispartnern verstanden wird. In
sellschaften verschiedener relevanter Fachgebiete wie          der Vielzahl der Vorhaben müssen zudem systematisch
zum Beispiel der Deutschen Gesellschaft für Soziologie         Synergien zwischen den Ergebnissen verschiedener
(DGS), dem Verein für Socialpolitik, dem Bundesver­            Vorhaben sichtbar gemacht und Einzelergebnisse zum
band Deutscher Volks­ und Betriebswirte (bdvb), des            Gesamtbild zusammengefügt werden. Das sprengt den
Zusammenschlusses der Fachgesellschaften in der                Rahmen einzelner Forschungsvorhaben. Deshalb wer­
Biologie oder der Geologischen Vereinigung (GV) orga­          den zu den Forschungsschwerpunkten der SÖF in der
nisiert werden. Diese Diskussionsrunden können zum             Regel Begleitvorhaben eingerichtet, die einen Überblick
einen als zusätzlicher Themenradar dienen. Zum an­             und eine Synthese der Ergebnisse aller beteiligten Vor­
deren soll dadurch ein Hineinwirken der gesellschafts­         haben erarbeiten und so gemeinsam mit den Verbund­
bezogenen inter­ und transdisziplinären Forschung in           partnern den Praxistransfer unterstützen.
die tradierten Fachgesellschaften und akademischen             Die Auswirkungen der Forschungsergebnisse soll­
Gremien gefördert werden.                                      ten nicht nur „bis zur Anwendung“ sondern auch
                                                               „während“ und ggf. „danach“ betrachtet werden. Es
Stärkerer Fokus auf Praxistransfer                             bedarf einer Wirkungsforschung, die feststellt, welche
Der Transferaspekt zwischen Wissenschaft und Praxis            Veränderungen die SÖF in Gesellschaft und Wirtschaft
soll bei der Förderung gestärkt werden. Künftig sind           konkret ausgelöst hat und wie die Wirkung verbessert
Anwenderinnen und Anwender noch stärker als bisher             werden kann. Eventuelle Gründe für das Scheitern des
und soweit möglich bereits ab der Konzeption in die            Ergebnistransfers sollten untersucht werden. Dazu sind
Projekte zu integrieren. Zum einen beinhaltet dies             zunächst neue methodische Ansätze notwendig, um
verstärkt die Möglichkeit für Anwender, als Verbund­           Wirkungen zu kategorisieren und zu erfassen.
partner eine eigene Zuwendung zu beantragen. Anwen­
der sind dabei sowohl Unternehmen als auch öffentli­           Internationale Vernetzung und Forschungs­
che Verwaltungen (Kommunen) oder Partner aus der               kooperation
Zivilgesellschaft. Es wird erwartet, dass die Anwen­           Die internationale Vernetzung und Anschlussfähigkeit
derinnen und Anwender sich mit eigenen Arbeiten, die           der Sozial-ökologischen Forschung soll gestärkt wer-

5
     Vgl dazu: Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation. WGBU, 2011. Das Hauptgutachten kann
     unter der Internetadresse http://www.wbgu.de/hauptgutachten/hg­2011­transformation/ heruntergeladen werden
FÖRDERSTRATEGIE                                                                                                                   15

Die Sozial­ökologische Forschung vernetzt sich in Europa und international.

den. Dies soll insbesondere dadurch erreicht werden,                          nationaler Ebene organisiert werden, auf denen ein
dass die thematischen Förderbekanntmachungen                                  Austausch zwischen sozial­ökologischer und internati­
prinzipiell offen für internationale Kooperationen sind                       onaler Forschung stattfinden kann. Der internationalen
und im Rahmen der thematischen Projekte auch dafür                            Vernetzung dienen auch die im Rahmen der Nach­
Mittel beantragt werden können.                                               wuchsförderung genannten Fördermöglichkeiten von
                                                                              Forschungsaufenthalten im Ausland.
Die internationale Vernetzung hat zwei Schwerpunkte:

• Beteiligung an europäischen Joint Programming
  Initiativen (JPI). Im Rahmen der JPI Climate werden
  z.B. seit 2014 Projekte zu den sozialen Dimensionen
  des Klimawandels gemeinsam mit europäischen
  Partnern gefördert.

• Internationale Initiativen: Im Rahmen von inter­
  nationalen Initiativen (z.B. des Belmont Forums der
  internationalen Förderorganisationen) für Nachhal­
  tigkeitsforschung können gesellschaftswissenschaft­
  liche Themen der Transformation zur Nachhaltigkeit
  behandelt werden.

Die Projektergebnisse sollen verstärkt auf internationa­
len Konferenzen präsentiert werden. Zudem sollen in
regelmäßigen Abständen Veranstaltungen auf inter­
16

Thematische Schwerpunkte
        5. Thematische Schwerpunkte

        Die im Folgenden genannten Themenschwerpunkte               sche und ökonomische Prozesse, vor allem der Klima­
        sind beispielhaft und nicht abschließend. Sie orientieren   wandel erzeugt Handlungsdruck. Für Siedlungs­,
        sich am bisherigen SÖF­Agenda­Prozess. Im Sinne eines       Natur­ und Freiraumsysteme müssen auch in Deutsch­
        lernenden Programms wird der Agenda­Prozess weiter­         land Konzepte einer klimaverträglichen Entwicklung
        geführt, so dass die Themen kontinuierlich weiterent­       entworfen und umgesetzt werden. Zugleich sind Stra­
        wickelt werden.                                             tegien gefragt, die Städte baulich und sozial­räumlich an
                                                                    die absehbaren Klimaveränderungen anpassen, sie also
                                                                    resilient machen.
        5.1 Nachhaltige Transformation
        urbaner Räume                                               All dies ist vor dem Hintergrund sozial und räumlich
                                                                    disparater Entwicklungen in zum Teil geografisch eng
                                                                    beieinander liegenden Gebieten zu sehen. Als Beispie­
        Weltweit wandeln sich derzeit ländliche und urbane          le seien genannt: Schrumpfende stehen wachsenden
        Räume in einem Maße wie kaum jemals zuvor. Der his­         Städten gegenüber, Entleerung des ländlichen Raums
        torisch überkommene Stadt­Land­Gegensatz scheint            findet neben zersiedelten „Speckgürteln“ im subur­
        sich im globalen Maßstab noch weiter zu verschärfen.        banen Raum und Re­Urbanisierung zeitgleich mit
        Ökonomische Potentiale, ökologische Situation und           Des­Urbanisierung statt. Dabei werden die Siedlungs­
        Lebensqualität klaffen teils weit auseinander und lösen     flächen noch immer in zu großem Ausmaß ausgeweitet
        (auch grenzüberschreitend) enorme Bevölkerungsbe­           – selbst in Regionen mit abnehmender Bevölkerungs­
        wegungen aus.                                               zahl. Auf kommunaler Ebene mangelt es häufig noch am
                                                                    Problembewusstsein, eine kommunale Nachhaltigkeits­
        Auch wenn die Urbanisierung in weiten Teilen Europas        berichterstattung ist eher die Ausnahme als die Regel.
        für einen gewissen Ausgleich dieser Gegensätze gesorgt
        hat, stehen auch hier Stadt und Land unter einem            Den Städten steht ein Modernisierungsprozess bevor,
        enormen Veränderungsdruck: Nicht nur demografi­             der auf den Klimawandel und andere Umweltprobleme
THEMATISCHE SCHWERPUNKTE                                                                                                             17

reagiert, der ökonomische, räumliche und technische                            Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
Fragen betrifft, der aber auch den sozialen Problem­                           und das Bundesministerium für Verkehr und digitale In­
lagen in den Stadtgesellschaften gerecht wird: Es gilt,                        frastruktur (BMVI) haben mit der Nationalen Plattform
soziale Spaltungen zu mindern, sozio­ökonomische                               Zukunftsstadt (NPZ) ein Dialogforum initiiert, in dem
und räumlich­städtebauliche Strukturen zu stabili­                             Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kommunen und
sieren sowie zugleich umwelt­ und gesellschaftsver­                            Zivilgesellschaft eine Forschungsagenda für die nachhal­
trägliche wie auch neue technische, insbesondere                               tige Stadt der Zukunft erarbeit haben. Sie beschäftigen
energetische Systeme in städtischer Infrastruktur,                             sich in vier Arbeitskreisen mit den Themen Energie­ und
gewerblichen Unternehmen und privaten Haushal­                                 Ressourcenverbrauch, Klimaanpassung und Resilienz,
ten zu etablieren. Zweifellos sind hierfür auch neue                           Transformationsmanagement und Governance sowie
Formen der Bürgerbeteiligung und neue kooperative                              Systemforschung. Anfang 2015 wird die strategische
Strukturen aufzubauen; es sind neue Geschäftsmodelle                           Forschungsagenda Zukunftsstadt veröffentlicht.
und Organisationsformen nötig, die sich an Prinzipien
der Nachhaltigkeit orientieren und Gemeinwohlziele                             Bei den Transformationsprozessen der „Zukunftsstadt“
verfolgen.                                                                     werden die Konzepte der Dezentralisierung und Regi­
                                                                               onalisierung eine wesentliche Rolle spielen, die die Ent­
Diese nachhaltige Transformation urbaner Räume wird                            wicklung zur Dekarbonisierung unterstützen können.
nur gelingen, wenn sie durch adäquate Anstrengungen                            Die Transformation des Energiesystems ist ein Beispiel
einer gesellschaftsbezogenen und interdisziplinären                            dafür. Auch städtische Elektromobilitätskonzepte
Nachhaltigkeitsforschung unterstützt und begleitet                             zählen dazu. Transformationsprozesse dieses Ausmaßes
wird, deren Anliegen es ist, Problemlösungen trans­                            bedingen massive Eingriffe in die vorhandene Struktur
disziplinär zu entwickeln und diese mit der Praxis                             von Lebenswelt, sozialer Beziehung und technischer
umzusetzen.                                                                    Infrastruktur. Sie werfen erhebliche Adaptions­ und
                                                                               Akzeptanzprobleme auf, wenn die Eingriffe vertrau­
Mittlerweile wurde hierzu eine Forschungsagenda                                te Abläufe und räumliche Ordnungsmuster infrage
erarbeitet: Das Bundesministerium für Bildung und                              stellen. Die Sozial­ökologische Forschung ist deshalb
Forschung (BMBF), das Bundesministerium für Umwelt,                            gefordert, zu diesem wichtigen Zukunftsthema ihren
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), das                             Beitrag zu leisten.

Fahrradfahrer in der Stadt: Fahrradfreundliche Städte unterstützen die nachhaltige Entwicklung.
18                        FÖRDERKONZEPT DES BMBF FÜR EINE GESELLSCHAFTSBEZOGENE NACHHALTIGKEITSFORSCHUNG 2015­2020

5.2 Ko­Transformation sozial­                                                  entwickeln. Das Memorandum stellt dazu fest:
ökologischer Versorgungssysteme
                                                                               „Sozial­ökologische Versorgungssysteme sichern
                                                                               den grundlegenden Bedarf an Wasser und Energie,
Mit der nachhaltigen Transformation urbaner Räume                              Mobilität, Ernährung und Gesundheit. Die Resilienz
ist das Thema „Transformation der Versorgungssyste­                            unserer Gesellschaft wird wesentlich durch diese in
me“ eng verbunden. Ver­ und Entsorgungssysteme für                             einem Transformationsprozess befindlichen Systeme
Wasser, Energie, Ernährung und Abfall sind in zuneh­                           bestimmt. Damit die Systeme auch in Zukunft ihren
mendem Maße miteinander vernetzt. Beispielhaft ist                             Versorgungsaufgaben umfassend und in guter Qualität
die Verknüpfung zwischen Wasser­ und Energieversor­                            gerecht werden können, muss ihre Transformation
gung: Wasser wird mit hohem Energiebedarf über teil­                           nachhaltig gestaltet werden. Voraussetzung dafür ist,
weise weite Distanzen zum Verbraucher transportiert                            eine Vielzahl vernetzter Prozesse in ihrem Zusammen­
und das Abwasser mit hohem chemisch­energetischen                              wirken zu analysieren. Diese sogenannten Ko­Transfor­
Aufwand aufbereitet. Inzwischen wird Abwasser jedoch                           mationen haben sowohl materiell­technische als auch
immer mehr als wertvolle Ressource angesehen. Dazu                             gesellschaftlich­kulturelle Dimensionen und verlaufen
gehören die Rückgewinnung von Energie, Nährstoffen                             auf verschiedenen räumlichen, zeitlichen und sozialen
und Frischwasser aus dem Abwasser und deren Nut­                               Skalen.“
zung für die Pflanzenproduktion. Auch die zunehmen­
de Bedeutung der erneuerbaren Energien beeinflusst
das Wechselspiel zwischen Wasser­ und Energiewirt­                             5.3 Nachhaltig Wirtschaften:
schaft, insbesondere in den Bereichen Wasserkraft,                             Konsumenten und Unternehmen
Bioenergie und Energiespeicherung. Dazu kommt, dass
die genannten Versorgungsnetze immer mehr mit der
                                                                               als Schlüsselakteure für nachhaltige
IT­Infrastruktur vernetzt werden. Dies führt einerseits                        Transformationen
zu Effizienzgewinnen, aber auch zu Fragen der Sicher­
heit und Resilienz der Netze sowie zu Fragen des Schut­
zes der Privatsphäre, weil zusätzliche Verbraucherdaten                        Die Wirtschafts­ und Finanzkrise hat verdeutlicht, dass
den Weg zum „gläsernen Bürger“ bereiten. Die Sozial­                           die vorherrschenden Regelsysteme des Wettbewerbs
ökologische Forschung kann hier Zusammenhänge                                  und der Gewinnoptimierung nicht­nachhaltige Lö­
aufzeigen und somit Perspektiven und Alternativen                              sungen der Marktakteurinnen und Marktakteure be­

Die Forschung kann dazu beitragen, dass Produkte nachhaltiger produziert und genutzt werden.
THEMATISCHE SCHWERPUNKTE                                                                                             19

lohnen. Diese können zu einer Destabilisierung unserer          rinnen und Bürger. Zunehmend kommt es zu koope­
Gesellschaft führen, belasten die Umwelt stark und              rativen Innovationsprozessen zwischen Unternehmen
konterkarieren teilweise soziale Standards in der Pro­          und Konsumenten. Zu diskutieren ist auch, wie der
duktion. Notwendig ist eine Entwicklungsperspektive,            Staat stärker und gezielter die Rahmenbedingungen für
die Nachhaltigkeit umfassend in all ihren Dimensionen           nachhaltige Unternehmen und nachhaltige Produk­
berücksichtigt und somit dauerhaften wirtschaftli­              te verbessern kann. Trotz der inzwischen erreichten
chen Erfolg mit dem Schutz der natürlichen Lebens­              Fortschritte und zahlreicher Beispiele für nachhaltige
grundlagen wie auch mehr sozialer Gerechtigkeit im              Unternehmensführung ist das Leitbild einer nachhalti­
nationalen sowie internationalen Rahmen verbindet.              gen Wirtschaft insgesamt noch nicht erreicht. Auch gab
Eine solche Ausrichtung erhöht mutmaßlich auch die              es in den letzten Jahren keine bahnbrechende Entwick­
Resilienz der gesellschaftlichen Systeme und trägt dazu         lung zu nachhaltigen Konsummustern.
bei, Unternehmen, Organisationen und Individuen
gegenüber Krisen zu stärken (vgl. Abschnitt 5.4).               Konkreter Forschungsbedarf besteht insbesondere im
                                                                Hinblick auf:
Im englischsprachigen Raum ist das Leitbild der Green
Economy entstanden, das u.a. zentrales Fachthema der            Das Messen und Bewerten der Nachhaltigkeits­
UN­Konferenz Rio+206 im Jahr 2012 war. Mit Green                wirkungen von Unternehmenshandeln bzw. von
Economy ist eine kohlenstoffarme, ressourceneffiziente          ausgewählten Produkten und Dienstleistungen:
und sozial inklusive Wirtschaft gemeint, in der Ein­            Um den Beitrag von Unternehmen zu einem gesell­
kommen und Beschäftigung durch Investitionen in                 schaftlichen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit zu
Nachhaltigkeitsinnovationen entstehen. BMBF und                 fördern, ist eine transparente und vergleichbare Bewer­
BMUB haben dazu gemeinsam einen Agenda­Prozess                  tung bis hin zur Wirkungsevaluation erforderlich. Nur
gestartet, in dem Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilge­         wenn neben den ökonomischen Wirkungen auch die
sellschaft im Dialog eine Forschungsagenda zur Green            Umweltwirkungen und gesellschaftlichen Wirkungen
Economy entwickeln. Die sozialwissenschaftliche For­            eines Unternehmens bekannt sind, können Maßnah­
schung zum nachhaltigen Wirtschaften ist ein Beitrag            men zur Verbesserung angegangen werden. Das Messen
der SÖF zur Forschungsagenda Green Economy.                     und Bewerten der Wirkungen des Unternehmenshan­
                                                                delns dient einerseits der Steuerung nach innen in das
Produktion und Konsum von Gütern und Dienstleis­                Unternehmen hinein, andererseits der Kommunika­
tungen können einerseits einen Beitrag zu Wohlstand             tion nach außen zur Information der Geschäftspartner
und zu Lebensqualität leisten. Sie sind andererseits            bzw. Verbraucherinnen und Verbraucher. Insbesondere
häufig die wichtigste Ursache für die Entstehung                in Bezug auf diese stellt sich hier die Frage, wie Ver­
sozial­ökologischer Problemlagen. Zahlreiche Un­                braucherinformation derart zu gestalten ist, dass einer­
ternehmen und Verbraucher suchen und erproben                   seits Komplexität reduziert, aber dennoch Transparenz
deshalb erfolgreich neue Formen des Produzierens und            geschaffen und Orientierung gegeben wird.
Konsumierens. Sie sind wegen der herausragenden
Bedeutung des Handlungsfelds neben den staatlichen              Potentiale und Nachhaltigkeitswirkungen neuer
Akteuren die Schlüsselakteure für nachhaltige Trans­            Geschäftsmodelle:
formationen: Sie beeinflussen über den Markt die                Für unternehmerischen Erfolg bedarf es Innovationen.
Gesellschaft. Unternehmen gestalten als Marktakteure            Jedoch nicht jede Innovation ist nachhaltig bzw. unter­
aktiv Produktions­ und Konsummuster und wirken als              stützt sozial­ökologische Transformationsprozesse. Aus
politische Akteure auf gesellschaftliche und politische         diesem Grund ist zu untersuchen, wie Unternehmen
Prozesse. Verbraucherinnen und Verbraucher haben                ihre Innovationsprozesse gezielter auf Nachhaltigkeits­
einen mehrfachen Einfluss etwa als Nachfrager, Nutzer,          anforderungen ausrichten können. Des Weiteren gilt es,
Erzeuger, Finanzierer oder als politisch aktive Bürge­          das Nachhaltigkeitspotential von kollaborativen Inno­

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    Der Abschlussbericht der Rio+20 Konferenz ist unter folgender Internetadresse abrufbar:
    http://rio20.net/wp­content/uploads/2012/06/N1238164.pdf
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