Sterbehilfe "Hilfeleistung zum Selbstmord" - Wechselberger Artur Bezirksärzteversammlungen 2021 - Ärztekammer Tirol
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§ 78 StGB (Mitwirkung am Selbstmord) Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. § 77 StGB (Tötung auf Verlangen) Wer einen anderen auf dessen ernstliches und eindringliches Verlangen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Wechselberger Artur 2
Hilfeleistung zum Selbstmord • § 78 StGB (Mitwirkung am Selbstmord) Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Wechselberger Artur 3
Einige Begriffe • Passive Sterbehilfe Änderung des Therapieziels durch Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen/Behandlungsabbruch • Aktive Sterbehilfe Tötung auf Verlangen • Beihilfe zur Selbsttötung Sterbebeihilfe – Hilfeleistung zum Selbstmord – assistierter Suizid • Sterbebegleitung • Palliativbehandlung • Behandlung auch unter Inkaufnahme einer Lebensverkürzung durch die palliativen Maßnahmen Wechselberger Artur 4
Beihilfe zur Selbsttötung - assistierter Suizid • Beim Suizid tötet sich ein Mensch selbst • Er nimmt z. B. eigenhändig ein tödlich wirkendes Medikament ein • Die Beihilfe zum Suizid umfasst Handlungen, mit denen eine Person dabei unterstützt wird, ihren Wunsch, sich selbst zu töten, in die Tat umzusetzen (z. B. durch das Verschreiben, Überlassen oder sonstige Verschaffen eines Medikaments zum Zweck der Selbsttötung) • Die rechtliche Bewertung von der Beihilfe zu einem Suizid hängt entscheidend von der Freiverantwortlichkeit der Suizidhandlung ab Wechselberger Artur 5
Entscheidungsgründe des VfGH • Da § 78 StGB zweiter Tatbestand jede Art der Hilfeleistung zur Selbsttötung ausnahmslos verbietet, sohin auch ein Sterben in der vom Suizidwilligen gewollten Würde nicht möglich ist, verstößt diese Regelung gegen das aus der Bundesverfassung ableitbare Recht auf Selbstbestimmung. Wechselberger Artur 6
Entscheidungsgründe des VfGH • Gesetzgeber anerkennt das Recht des Einzelnen auf freie Selbstbestimmung in vielfachem Zusammenhang Einwilligung (und deren Widerrufbarkeit) in med. Behandlungen (§§ 252ff ABGB) Eigenmächtige Heilbehandlung (§ 110 StGB) PatVG Beistand für Sterbende (§ 49a ÄrzteG) • VfGH sieht in dem darin zum Ausdruck kommenden Stellenwert der Selbstbestimmung einen Widerspruch zu § 78 2. Tatbestand StGB Wechselberger Artur 7
VfGH - Verhinderung von Missbrauch • „VfGH übersieht nicht, dass die freie Selbstbestimmung auch durch vielfältige soziale und ökonomische Umstände beeinflusst wird.“ Familienverhältnisse Einkommens- und Vermögensverhältnisse Pflegebedingungen Hilfsbedürftigkeit Medizinische Prognose etc. ⇒ „Gesetzgeber hat Maßnahmen zur Verhinderung von Missbrauch vorzusehen, damit die betroffene Person ihre Entscheidung zur Selbsttötung nicht unter dem Einfluss Dritter fasst.“ Wechselberger Artur 8
Entscheidungsvarianten • Gar nichts machen keine Maßnahmen gegen Missbrauch • Status quo ante – vorigen Zustand wieder herstellen Lösung in Verfassungsrang • realpolitisch undenkbar Lösung auf Ebene des Tatbestands • neuerliche Aufhebung durch VfGH zu erwarten • Legitimation durch Verfahren – Festsetzung von Voraussetzungen Erkrankung im Terminalstadium/in jeder Phase menschlicher Existenz Medizinische-/rechtliche-/sonst. Beratung (“Auffangen“ des Suizidwilligen) Angebot/Ausbau des Angebotes an Palliativmedizin Wechselberger Artur 9
Forderungen - Österreichische Ärztekammer • Hilfeleistung zum Selbstmord nicht gewerbsmäßig – kein Geschäftsmodell kein Rechtsanspruch gegenüber Dritten • insbesondere kein Zwang für Ärzte • assistierter Suizid ist keine ärztliche Aufgabe vorgegebenes Verfahren • Feststellen des freien Willens zur Entscheidung • Aufklärung über Alternativen • Palliativangebote Wechselberger Artur 10
Blick ins Ausland • Oregon hat als erster US-Bundesstaat bereits 1997 die ärztliche Suizidassistenz erlaubt. • Kalifornien und Montana - bei schweren Erkrankungen im Endstadium Ausnahmen für indirekte Sterbeassistenz erlaubt. • Washington, Oregon und Vermont erkennen ein persönliches Recht auf Entscheidung an und stellen nach Prüfung der Anträge Rezepte auf tödliche Medikamente aus. • Kanada - seit 2016 aktive Sterbehilfe legal. Oberster Gerichtshof - Recht auf freiwilligen Tod in Würde • Neuseeland - Referendum am 17. Oktober 2020 - 65% für das Recht auf die aktive Beendigung des Lebens unheilbar erkrankter Menschen ab 18 Jahre. Gesetz zur Sterbehilfe soll nun im November 2021 in Kraft treten. • Kolumbien einziges lateinamerikanisches Land aktive Sterbehilfe seit 2014. Auf austherapierte Patienten beschränkt, bestätigt durch ein Gremium von Wissenschaftern. • Deutschland - Bundesverfassungsgericht (2020) erkennt, dass das Persönlichkeitsrecht das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben und auf die freiwillig geleistete Hilfe Dritter umfasst und hebt Straftatbestand gemäß § 217 der „Geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ auf. Wechselberger Artur 11
Blick ins Ausland Aus einem Vortrag von Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende Marburger Bund, Vorstandsmitglied Bundesärztekammer, Präsidiumsmitglied Landesärztekammer Hessen Wechselberger Artur 12
aktueller Ausblick auf Österreich / Ministerialentwurf • Bundesgesetz über die Errichtung von Sterbeverfügungen (Sterbeverfügungsgesetz – StVfG) • Regelt die Voraussetzungen und die Wirksamkeit von Sterbeverfügungen • zum Nachweis eines dauerhaften, freien und selbstbestimmten Entschlusses zur Selbsttötung • für sterbewillige Personen mit dauerhaften Aufenthalt in Österreich oder österreichische Staatsangehörige • Freiwilligkeit der Mitwirkung, Benachteiligungsverbot • Höchstpersönlichkeit • Begriffsbestimmungen (Sterbeverfügung - sterbewillige Person - Hilfe leistende Person - ärztliche Personen - Präparat - Identifikationsdaten) • Sterbeverfügung • Inhalt - Voraussetzungen - Aufklärung - Errichtung - Dokumentation und Sterbeverfügungsregister - Widerrufbarkeit - Präparat - Werbeverbot und Verbot wirtschaftlicher Vorteile • Weitere Gesetzesänderungen • Änderungen im Suchtmittelgesetz, Änderung des § 78 StGB, Hospiz- und Palliativfondsgesetz – HosPalFG Wechselberger Artur 13
aktueller Ausblick auf Österreich / Ministerialentwurf • Sterbeverfügungsgesetz • regelt die Errichtung einer Sterbeverfügung als höchstpersönliches Recht • Voraussetzungen • dauerhaft schwerkrank oder unheilbar krank • volljährig und entscheidungsfähig • Aufklärung und Bestätigung der Entscheidungsfähigkeit durch 2 Ärzte (einer davon mit palliativer Qualifikation) • im Zweifelsfall Beiziehung von Psychiater oder klinischen Psychologen • Zwölfwochenfrist zwischen ärztlicher Aufklärung und Errichtung der Sterbeverfügung (Reduktion auf 2 Wochen möglich) • Errichtung bei Notaren oder Patientenvertretungen / Sterbeverfügungsregister / Gültigkeit 1 Jahr / Widerrufsmöglichkeit / Meldepflicht für Totenbeschauärztinnen und Totenbeschauärzte • Sterbeverfügung berechtigt zum Bezug des tödlichen Medikaments in der Apotheke • durch die Sterbenswillige Person selbst/ durch eine in der Verfügung namhaftgemachte Person/ als Lieferung durch die Apotheke • Natrium-Pentobarbital oder ein anderes per Verordnung des Gesundheitsministers festgelegtes Präparat • die Einnahme des Medikaments muss durch den Patienten selbst erfolgen • niemand ist verpflichtet Sterbehilfe zu leisten / auch der Apotheker kann nicht zur Abgabe gezwungen werden • Beschluss im Nationalrat im Dezember 2021 / Inkrafttreten ab 1.1.2022 geplant • Hospiz- und Palliativfondsgesetz (HosPalFG) - Errichtung eines Fonds zum Ausbau der Palliativversorgung Wechselberger Artur 14
Vereinbarkeit mit der Arztethik • WMA - Deklaration von Genf („Genfer Gelöbnis“ 1948 / Überarbeitung 2017) „Ich werde die Autonomie und die Würde meiner Patientin oder meines Patienten respektieren.“ „Ich werde den höchsten Respekt vor menschlichem Leben wahren.“ https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/International/Deklaration_von_Genf_DE_2017.pdf • WMA – „Deklaration von Tiflis“ 2019 The WMA reiterates its strong commitment to the principles of medical ethics and that utmost respect has to be maintained for human life. Therefore, the WMA is firmly opposed to euthanasia and physician assisted suicide. https://www.wma.net/policies-post/declaration-on-euthanasia-and-physician-assisted-suicide/ • Hippokratischer Eid „Ich werde niemandem, auch auf eine Bitte nicht, ein tödlich wirkendes Gift geben und auch keinen Rat dazu erteilen“ Wechselberger Artur 15
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