Kann ein Manager über-haupt noch Aktien seiner Gesellschaft erwerben?

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GesKR 4             2008

                                                                                                                                           359
                                        Daniel Daeniker / Claude Lambert*

                                        Kann ein Manager über-
                                        haupt noch Aktien seiner

                                                                                                                                           Fragen & Antworten
                                        Gesellschaft erwerben?

Inhaltsübersicht                                                         Zur Zeit ihres Inkrafttretens wurde die Insiderstraf-
I. Einleitung                                                            norm als «Lex Americana» verschrieen und betroffene
II. Gesetzliche Grundlagen                                               Kreise befürchteten eine Welle von Strafverfolgungen.
     Q 1: Bei welchen Gesellschaften findet die Insiderstrafnorm         Allerdings hat sich die praktische Wirkung der Insi-
            des schweizerischen Strafrechts Anwendung?
                                                                         derstrafnorm in recht engen Grenzen gehalten: In den
     Q 2: Wie hat sich die Insiderstrafnorm im schweizerischen
                                                                         20 Jahren seit Inkrafttreten von Art. 161 StGB sind in
            Strafrecht entwickelt?
     Q 3: Wie verhält sich die Insiderstrafnorm zur börsenrecht-
                                                                         der Schweiz erst einige wenige Verurteilungen wegen
            lichen Regel über die Ad-hoc-Publizität?                     Insiderhandels ergangen. Trotzdem hat das Problem-
     Q 4: Welche Regeln gelten für kotierte Gesellschaften, deren        bewusstsein im Bereich Insiderhandel seit dem Inkraft-
            Aktien an der SWX Europe gehandelt werden?                   treten erheblich zugenommen.
III. Privatautonome Regelung durch ­Gesellschaften
                                                                         Auf Vorschlag des Bundesrats hat der Ständerat in
     Q 5: Inwieweit haben schweizerische Gesellschaften dafür zu
            sorgen, dass innerhalb des Unternehmens keine Insider-
                                                                         der Junisession 2007 eine Verschärfung des Insider-
            delikte begangen werden?                                     straftatbestandes beschlossen  . Der Nationalrat hat in
     Q 6: Wie werden Bestimmungen betreffend Ausnützen ver-              der Frühjahrssession 2008 nachgezogen  und seit dem
            traulicher Informationen innerhalb eines Unternehmens        1. Oktober 2008 ist die revidierte Strafnorm in Kraft.
            konkret umgesetzt?                                           Die Verschärfung im Insiderstrafrecht wird vor allem
IV. Aktienhandel durch eingeweihte Personen                              diejenigen Manager interessieren, die im Rahmen von
     Q 7: Wann müssen Manager Transaktionen in Aktien der                Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen oder anderweitig
            eigenen Gesellschaft offenlegen?                             an ihrer eigenen Gesellschaft beteiligt sind. Regelmäs-
     Q 8: Welche Sanktionsmöglichkeiten bestehen bei unterlas-           sig sind diese Spitzenkader in vertrauliche unternehme-
            sener Offenlegung?
                                                                         rische Projekte eingebunden. Können solche Manager
     Q 9: Kann ein Manager, der in ein vertrauliches Projekt einge-
                                                                         überhaupt noch in Aktien ihrer Gesellschaft handeln,
            weiht ist, generell in Aktien seiner Gesellschaft handeln?
     Q 10: Kann ein Manager zwischen dem Bilanzstichtag und dem
                                                                         wenn sie in ein vertrauliches Projekt eingeweiht sind,
            Tag der Veröffentlichung der Unternehmenszahlen in           dessen Bekanntwerden den Kurs erheblich beeinflussen
            Aktien seiner Gesellschaft handeln?                          könnte?
     Q 11: Bis zu welchem Zeitpunkt gilt ein allfälliges Handels­
                                                                         In diesem Artikel ist zuerst die Rede von den gesetz-
            verbot?
                                                                         lichen Grundlagen der Insiderstrafnorm im schwei-
V. Arbeitsrechtliche Sanktionen bei ­Insidergeschäften
     Q 12: Wie kann ein Unternehmen die Verletzung der Insider-
                                                                         zerischen Strafrecht (II.). Danach werden kurz die in
            strafnorm ahnden?                                            schweizerischen Gesellschaften bestehenden privat-
                                                                         autonomen Regelungen, üblicherweise als Insiderre-
                                                                         glemente bezeichnet, in ihren Grundzügen vorgestellt
I. Einleitung                                                            (III.). Sodann wird auf die Frage eingegangen, inwie-
                                                                         weit Manager Aktien ihrer eigenen Gesellschaft kaufen
Seit dem 1. Juli 1988 ist in der Schweiz das Ausnüt-                     oder verkaufen können, wenn sie in ein vertrauliches
zen der Kenntnis vertraulicher Tatsachen bei börslich                    Projekt eingeweiht sind (IV.). Ausführungen zu arbeits-
gehandelten Effekten unter Strafe gestellt (Art. 161
StGB).

                                                                           Vgl. die Nachweise bei BSK StGB II-Peter, Vorbemerkung zu
*   Dr. iur. Daniel Daeniker, LLM., Rechtsanwalt/Dr. iur. Claude            Art. 161 StGB; Daniela Koenig, Das Verbot von Insiderhandel,
    Lambert, LLM., Rechtsanwalt, beide Partner bei Homburger                Diss. Zürich 2006, 254 f.; EBK-Jahresbericht 2004, 85.
    AG, Zürich. Die Autoren danken ihren Kollegen lic. iur. Karin           AB 2007 S 541.
                                                                         	���
    Wiedmer, lic. iur. Niklaus Meier und lic. iur. Stefan Waller für        AB 2008 N 293.
                                                                         	���
    wertvolle Hinweise.                                                     AS 2008 4501.
                                                                         	���
GesKR 4                  2008         Daniel Daeniker / Claude Lambert  – Kann ein Manager überhaupt noch Aktien seiner Gesellschaft erwerben?

360                  rechtlichen Sanktionen bei Vornahme von unzulässigen                    Q 2: Wie hat sich die Insiderstrafnorm im schweize-
                     Insidergeschäften (V.) beschliessen den Artikel.                        rischen Strafrecht entwickelt?
                                                                                             Die Insiderstrafnorm von 1988 wies bis zum Inkrafttre-
                                                                                             ten der Neufassung am 1. Oktober 2008 im Vergleich zu
                     II. Gesetzliche Grundlagen                                              ausländischen Regelungen einen ausgesprochen engen
Fragen & Antworten

                                                                                             Anwendungsbereich auf. Insbesondere war der Begriff der
                     Q 1: Bei welchen Gesellschaften findet die Insiderstraf-                «vertraulichen Tatsache» sehr restriktiv definiert als «eine
                     norm des schweizerischen Strafrechts Anwendung?                         bevorstehende Emission neuer Beteiligungsrechte, eine
                                                                                             Unternehmensverbindung oder ein ähnlicher Sachverhalt
                     Das Verbot des Insiderhandels ist in Art. 161 StGB un-
                                                                                             von vergleichbarer Tragweite» (Art. 161 Ziff. 3 a-StGB).
                     ter dem Randtitel «Ausnützen der Kenntnis vertrau-
                     licher Tatsachen» geregelt. Die Strafnorm hat in der                    Die Tragweite der Definition des «ähnlichen Sachver-
                     heute geltenden Fassung folgenden Wortlaut:                             haltes von vergleichbarer Tragweite» wurde bereits vor
                                                                                             Erlass der Insiderstrafnorm , aber auch nach deren In-
                        1. Wer als Mitglied des Verwaltungsrates, der Geschäfts-
                        leitung, der Revisionsstelle oder als Beauftragter einer             krafttreten heftig debattiert. Ein Teil der Lehre befürwor-
                        Aktiengesellschaft oder einer sie beherrschenden oder                tete ursprünglich eine extensive Auslegung und wollte
                        von ihr abhängigen Gesellschaft, als Mitglied einer Be-              damit grundsätzlich jedes Ereignis mit Kursrelevanz un-
                        hörde oder als Beamter, oder als Hilfsperson einer der               ter den Straftatbestand subsumiert wissen. Andere Au-
                        vorgenannten Personen, sich oder einem andern einen
                                                                                             toren plädierten von Anfang an für eine enge Auslegung
                        Vermögensvorteil verschafft, indem er die Kenntnis
                        einer vertraulichen Tatsache, deren Bekanntwerden                    der gesetzlichen Bestimmung10. Diese Auslegung schien
                        den Kurs von in der Schweiz börslich oder vorbörslich                auch eher dem im Strafrecht verankerten Legalitätsprin-
                        gehandelten Aktien, andern Wertschriften oder ent-                   zip, konkret: dem Bestimmtheitsgebot11, zu entsprechen.
                        sprechenden Bucheffekten der Gesellschaft oder von
                        Optionen auf solche in voraussehbarer Weise erheblich                In einem 1992 ergangenen, wegweisenden Entscheid
                        beeinflussen wird, ausnützt oder diese Tatsache einem                hatte sich das Bundesgericht für die restriktive Ausle-
                        Dritten zur Kenntnis bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis            gung von Art. 161 Ziff. 3 a-StGB ausgesprochen. In die-
                        zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
                                                                                             sem Entscheid hielt das höchste Gericht fest, ein Rück-
                        2. Wer eine solche Tatsache von einer der in Ziffer 1 ge-            gang des Reingewinns einer Gesellschaft um knapp
                        nannten Personen unmittelbar oder mittelbar mitgeteilt
                        erhält und sich oder einem andern durch Ausnützen dieser             50 % gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres
                        Mitteilung einen Vermögensvorteil verschafft, wird mit               stelle keine vertrauliche Tatsache im Sinne von Art. 161
                        Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft.          Ziff. 3 a-StGB dar. Dass die öffentliche Ankündigung
                        3. [aufgehoben ]                                                    des Gewinnrückgangs einen Kurssturz von knapp 20 %
                        4. Ist die Verbindung zweier Aktiengesellschaften ge-                verursachte, war offenbar irrelevant. Die Auslegung des
                        plant, so gelten die Ziffern 1 und 2 für beide Gesell-               Willens des Gesetzgebers liess keinen anderen Schluss
                        schaften.                                                            zu, obwohl das höchste Gericht selbst diese Auslegung
                        5. Die Ziffern 1, 2 und 4 sind sinngemäss anwendbar,                 als insoddisfacente im Lichte des Schutzzwecks von
                        wenn die Ausnützung der Kenntnis einer vertraulichen                 Art. 161 StGB bezeichnete12 . Der Bundesgerichtsent-
                        Tatsache Anteilscheine, andere Wertschriften, Buchef-
                        fekten oder entsprechende Optionen einer Genossen-
                                                                                             scheid wurde später mehrmals bestätigt13.
                        schaft oder einer ausländischen Gesellschaft betrifft.
                     Die Insiderstrafnorm kann nur dann Anwendung fin-                       	��������������������������������������������������������������
                                                                                                 Der Bundesrat wollte das Ausnützen der Kenntnis über jede Art
                     den, wenn sich das Ausnützen der Kenntnis einer ver-                         von kursrelevanten Informationen unter Strafe stellen (BBl 1985
                     traulichen Tatsache auf in der Schweiz börslich oder                         II 74 und 81), aber der Ständerat schränkte durch Einführung der
                                                                                                  Ziffer 3 zu Art. 161 StGB den Anwendungsbereich der Norm er-
                     vorbörslich gehandelte Effekten bezieht. Der (Börsen-)                       heblich ein (BGE 118 Ib 547 ff., 556; BBl 2007 439 ff., 442).
                     Handel der fraglichen Effekten ist m.a.W. notwendige                    	��������
                                                                                                  So etwa Niklaus Schmid, Schweizerisches Insiderstrafrecht, Ein
                     Voraussetzung zur Anwendung von Art. 161 StGB . Die                         Kommentar zu Artikel 161 des Strafgesetzbuches: Ausnützen der
                                                                                                  Kenntnis vertraulicher Tatsachen, Bern 1988, 183 ff.; Peter Forst-
                     Strafnorm gilt gleichermassen für Effekten in- oder aus-                     moser, Insiderstrafrecht, in: SAG 60 (1988), 122 ff., 129; Lutz
                     ländischer Emittenten (so ausdrücklich Art. 161 Ziff. 5                      Krauskopf, Die neue Insiderstrafnorm, in: ST 1988, 228 ff., 230.
                                                                                             10	���������������
                                                                                                  Anstatt vieler Christoph Peter, Aspekte der Insiderstrafnorm,
                     StGB), in beiden Fällen allerdings nur, sofern die Titel
                                                                                                  Diss. Zürich 1991, 109 ff.; Peter Böckli, Insiderstrafrecht und
                     in der Schweiz börslich gehandelt werden.                                   Verantwortung des Verwaltungsrates, Zürich 1989, 51; Martin
                                                                                                  Schubarth/Peter Albrecht, Kommentar zum Schweize-
                                                                                                  rischen Strafrecht, Bern 1990, N 71 zu Art. 161 StGB; zur ganzen
                                                                                                  Diskussion Koenig (FN 1), 166 f.
                     	����������
                         Vgl. dazu   Q 2.
                                     �� ���                                                  11	���������������������
                                                                                                  Vgl. dazu BSK StGB I-Popp, N 31 ff. zu Art. 1 StGB.
                     	����������������������������������������
                         Zum Begriff des börslichen Handels vgl.  Peter (FN 1), N 18 ff.     12	�������������������������������������
                                                                                                  Ausführlich BGE 118 Ib 547 ff., 558. Ähnlich
                                                                                                                                         ����������������������������
                                                                                                                                                 hatte bereits zuvor
                         zu Art. 161 StGB; Koenig (FN 1), 137 ff.; BSK BEHG-Trippel/              das Obergericht des Kantons Zürich entschieden (Obergericht
                         Urbach, N 17 ff. zu Art. 161 StGB.                                       des Kantons Zürich, Entscheid vom 30. August 1991, in: SJZ 88
                     	�������������������������������������������������������������
                         Zur Anwendbarkeit der Strafnorm auf Gesellschaften, deren Be-            (1992), 170 f.).
                         teiligungspapiere an der SWX Europe zum Handel zugelassen           13	�����������������������
                                                                                                  Vgl. die Nachweise bei Trippel/Urbach (FN 6), N 24 zu Art. 161
                         sind, vgl. hinten, Q 4.                                                  StGB.
Daniel Daeniker / Claude Lambert  – Kann ein Manager überhaupt noch Aktien seiner Gesellschaft erwerben?
                                                                                                                   GesKR 4             2008

Trotz klarer – und aufgrund der Gesetzgebungsge-                             Im Falle des Bekanntgabeaufschubes muss der Emittent                361
schichte wohl richtiger – Praxis des Bundesgerichts                          die umfassende Vertraulichkeit dieser Tatsache gewähr-
wurde in der Lehre nach wie vor kritisiert, dass nur                         leisten, ansonsten entfällt die Berechtigung für den Auf-
                                                                             schub sofort.
spezifische Arten von Wissensvorsprüngen zu einer
                                                                             Die Bekanntmachung ist so vorzunehmen, dass die
Strafbarkeit führen konnten14. Der unbefriedigende Zu-                       Gleichbehandlung der Marktteilnehmer gewährleistet

                                                                                                                                                 Fragen & Antworten
stand ist durch die Revision von Art. 161 StGB beseitigt                     ist.
worden. Der Bundesrat hat am 8. Dezember 2006 vor-                           Die Zulassungsstelle kann im Rahmen einer Richtlinie
geschlagen, Ziffer 3 von Art. 161 a-StGB ersatzlos zu                        Ausführungsbestimmungen erlassen.
streichen15, was wie erwähnt seit dem 1. Oktober 2008
                                                                          Die Regelung betreffend die Ad-hoc-Publizität in
Gesetz ist.
                                                                          Art. 72 des Kotierungsreglements richtet sich an die
Die Streichung von Ziffer 3 der Strafnorm führt im We-                    Emittenten, nicht an Individuen; die Nichteinhaltung
sentlichen dazu, dass jede Tatsache, die den Kurs börs­                   wird mit börsenrechtlichen Sanktionen geahndet, nicht
lich gehandelter Effekten in voraussehbarer Weise er-                     mit strafrechtlichen. Dennoch fällt auf den ersten Blick
heblich beeinflussen wird, als vertrauliche Tatsache im                   auf, dass der Anwendungsbereich der Regelung betref-
Sinne des Strafrechts gilt16 .                                            fend Ad-hoc-Publizität viel weiter gefasst ist als der ur-
                                                                          sprüngliche Text der 1988 erlassenen strafrechtlichen
Q 3: Wie verhält sich die Insiderstrafnorm zur börsen-                    Bestimmung, d.h. vor der per 1. Oktober 2008 erfolgten
rechtlichen Regel über die Ad-hoc-Publizität?                             Streichung von Ziff. 3 von Art. 161 StGB: Als kursrele-
Knapp zehn Jahre nach Inkrafttreten der Insiderstraf-                     vant im Sinne des Kotierungsreglements gilt jede Tat-
norm wurde das vereinheitlichte Kotierungsreglement                       sache, die geeignet ist, zu einer erheblichen Änderung
für die Zulassung von Effekten an der Schweizer Börse                     der Kurse zu führen. Voraussetzungen dazu sind einzig,
(heute SIX Swiss Exchange) erlassen. Art. 72 des Ko-                      dass die entsprechende Tatsache im Tätigkeitsbereich
tierungsreglements verpflichtet die kotierten Gesell-                     des Emittenten eingetreten ist17 und dass diese Tatsache
schaften, über potenziell kursrelevante Tatsachen un-                     nicht öffentlich bekannt ist. Eine Einschränkung, wie
verzüglich die Öffentlichkeit zu informieren oder aber                    sie bisher in Ziff. 3 von Art. 161 StGB vorgesehen war18 ,
für deren umfassende Vertraulichkeit zu sorgen. Die                       fehlt hier gänzlich.
entsprechende Regelung lautet in ihrer heute geltenden                    Als Folge davon gab es eine ganze Reihe kursrelevanter
Fassung wie folgt:                                                        Ereignisse im Sinne des Kotierungsreglements, bei de-
   Der Emittent informiert den Markt über kursrelevante                   nen ein Emittent verpflichtet war, den Markt zu infor-
   Tatsachen, welche in seinem Tätigkeitsbereich eingetre-                mieren oder alle notwendigen Massnahmen zur um-
   ten und nicht öffentlich bekannt sind. Als kursrelevant                fassenden Vertraulichkeit zu treffen, insbesondere um
   gelten Tatsachen, die geeignet sind, zu einer erheblichen              Lecks zu vermeiden, die umgekehrt aber nicht unter
   Änderung der Kurse zu führen.
                                                                          Art. 161 Ziff. 3 a-StGB subsumiert werden konnten.
   Der Emittent informiert, sobald er von der Tatsache in
   ihren wesentlichen Punkten Kenntnis hat. Er kann je-                   Die per 1. Oktober 2008 erfolgte ersatzlose Streichung
   doch die Bekanntgabe einer kursrelevanten Tatsache                     der Ziffer 3 von Art. 161 a-StGB soll hier eine Annä-
   hinausschieben, wenn
                                                                          herung des Strafrechts zum Börsengesellschaftsrecht be-
   a. die Tatsache auf einem Plan oder Entschluss des
       Emittenten beruht und                                              wirken. Obwohl die Formulierung im Strafgesetzbuch
   b. deren Verbreitung geeignet ist, die berechtigten In-                (vertrauliche Tatsache, deren Bekanntwerden den Kurs
       teressen des Emittenten zu beeinträchtigen.                        in voraussehbarer Weise erheblich beeinflussen wird)
                                                                          nicht identisch ist mit derjenigen im Kotierungsregle-
                                                                          ment (nicht öffentliche Tatsache im Tätigkeitsbereich,
                                                                          die geeignet ist, zu einer erheblichen Änderung der Kur-
14	���������������
     Anstatt vieler Peter Böckli/Christoph Bühler, Vorabinfor-
     mationen an Grossaktionäre: Möglichkeiten und Grenzen nach
                                                                          se zu führen), scheint die Botschaft davon auszugehen,
     Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, in: SZW 2005, 101 ff.,         dass die bereits bestehende Praxis zur kursrelevanten
     106; Roger Groner, Aspekte des Insidertatbestands (Art. 161          Tatsache in Anwendung von Art. 72 des Kotierungs­
     StGB), in: Jürg-Beat Ackermann (Hrsg.), Strafrecht als Heraus-
     forderung, Zürich 1999, 261 ff., 267; Christoph Peter, Soll der
                                                                          reglements auch für die strafrechtliche Beurteilung he-
     schweizerische Insiderartikel demnächst wirklich als hinkender       rangezogen werden kann19.
     exotischer Zwitter einbetoniert werden?, in: Robert Waldburger/
     Charlotte M. Baer/Ursula Nobel/Benno Bernet (Hrsg.), Wirt-           Allerdings wird wohl der strafrechtliche Begriff der In-
     schaftsrecht zu Beginn des 21. Jahrhunderts, Festschrift für Peter   sider-Information nicht völlig deckungsgleich mit dem
     Nobel zum 60. Geburtstag, Bern 2005, 583 ff.
15	��������������������������������������������������������������
                                                                          Begriff der kursrelevanten Tatsache im Sinne des Ko-
     Für Einzelheiten vgl. die Botschaft des Bundesrates vom 8. De-
     zember 2006 (BBl 2007, 439 ff.); nachfolgend zit. als Botschaft
     2007.
16	����������������������������������������������������������������
     Ziffer 3 von Art. 161 a-StGB hatte folgenden Wortlaut: «Als Tat-     17	����������������������������������������������������������������
                                                                               Die Regelung in der EU ist in dieser Hinsicht anders: vgl. dazu
     sache im Sinne der Ziffern 1 und 2 gilt eine bevorstehende Emis­         hinten, Q 4.
     sion neuer Beteiligungsrechte, eine Unternehmensverbindung           18	����������������
                                                                              Vgl. dazu FN 16.
     oder ein ähnlicher Sachverhalt von vergleichbarer Tragweite».        19	���������������������������������
                                                                               Vgl. Botschaft 2007 (FN 15), 445.
GesKR 4              2008            Daniel Daeniker / Claude Lambert  – Kann ein Manager überhaupt noch Aktien seiner Gesellschaft erwerben?

362                  tierungsreglements sein. Falls die Gesellschaft bspw.                  Unabhängig davon, in welchem Segment die Aktien ei-
                     weiss, dass das Geschäftsergebnis von den Erwar-                       ner schweizerischen Gesellschaft gehandelt werden, gel-
                     tungen im Markt, die nicht von der Gesellschaft selbst                 ten die Marktregeln des Vereinigten Königreichs allein
                     geweckt worden sind, abweicht, so gilt das tatsächliche                aufgrund der Tatsache, dass die Aktien an einer eng-
                     Geschäftsergebnis nach Praxis der SIX Swiss Exchange                   lischen Börse gehandelt werden 25. Inwieweit Art. 161
Fragen & Antworten

                     nicht als kursrelevante Tatsache, die von der Gesell-                  StGB bei Insiderdelikten, die über die SWX Europe er-
                     schaft offengelegt werden muss20 . Umgekehrt scheint es                folgen, zur Anwendung gelangt, ist unklar26 . Die Frage
                     u.E. nicht ausgeschlossen, dass die Kenntnis des von den               scheint im Lichte der bevorstehenden Repatriierung des
                     Erwartungen abweichenden Geschäftsergebnisses eine                     Handels indes nicht mehr akut.
                     strafrechtlich relevante Insider-Information sein kann.
                                                                                            Im Gegensatz zum UK-Exchange Regulated Market Seg-
                                                                                            ment gelten im EU-Regulated Market Segment grundsätz-
                     Q 4: Welche Regeln gelten für kotierte Gesellschaften,
                                                                                            lich die Vorschriften der einschlägigen EU-Richtlinien,
                     deren Aktien an der SWX Europe gehandelt werden?
                                                                                            insbesondere der Prospektrichtlinie27, der Marktmiss-
                     Die Aktien der grössten schweizerischen Publikums-                     brauchsrichtlinie28 , der Transparenzrichtlinie29 und der
                     gesellschaften sind an der SIX Swiss Exchange kotiert,                 Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente30.
                     werden aber gegenwärtig an der SWX Europe (vormals
                                                                                            Für den Geltungsbereich der Marktmissbrauchsrichtli-
                     virt-x) gehandelt. SWX Europe mit Sitz in London ist
                                                                                            nie aus Sicht der SMI-Emittenten ist allerdings folgende
                     eine von der Financial Services Authority überwachte
                                                                                            Präzisierung zu beachten. Der sachliche Anwendungs-
                     Börse, eine sogenannte recognized investment exchange;
                                                                                            bereich der Marktmissbrauchsrichtlinie bezieht sich
                     sie gilt ausserdem als geregelter Markt nach den Bestim-
                                                                                            auf alle Finanzinstrumente, die zum Handel an einem
                     mungen der einschlägigen EU-Richtlinien 21.
                                                                                            geregelten Markt in mindestens einem EU-Mitglied-
                     Anfang November 2008 hat die SIX Group bekanntge-                      staat zugelassen sind oder für die ein Zulassungsantrag
                     geben, den gesamten Schweizer Aktienhandel bis Mit-                    gestellt wurde 31. Schweizer Emittenten, deren Aktien
                     te 2009 an der SIX Swiss Exchange zu vereinigen 22. Der                ab dem 1. Juli 2005 im EU-Regulated Market Segment
                     Handel, der heute über die SWX Europe in London er-                    der SWX Europe gehandelt werden, unterstehen da-
                     folgt, soll an die SIX Swiss Exchange in Zürich verlegt                mit an sich den Bestimmungen der Marktmissbrauchs-
                     werden. Regulatorische Konsequenz dieser Repatriierung                 richtlinie. Bezüglich der in Art. 6 Abs. 1–3 Marktmiss-
                     wird wohl sein, dass der gesamte Schweizer Aktienhandel                brauchsrichtlinie statuierten Emittentenpflichten 32 gilt
                     grundsätzlich 23 (wieder) unter einheitlicher inländischer             allerdings ein sogenanntes grandfathering 33 .
                     Regulierung und Überwachung steht. Einstweilen gelten
                     für Gesellschafen, deren Aktien an der SWX Europe ge-
                     handelt werden, noch folgende Besonderheiten.                          25	���������������������������������������������������������������
                                                                                                Dazu zählt unter anderem das englische Regelwerk betreffend In-
                                                                                                 siderhandel, das einerseits im Criminal Justice Act verankert ist,
                     SWX Europe bietet den schweizerischen Emittenten                            andererseits im Financial Services and Markets Act (in der Fas-
                     zwei verschiedene Handelssegmente:                                          sung von 2005).
                                                                                            26   Peter Nobel, Transnationales und Europäisches Aktienrecht,
                     •   das EU-Regulated Market Segment, in dem die an-                         Bern 2006, Kap. 5 N 235 ff.
                                                                                            27	����������������������������������������������������������
                                                                                                  Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des
                         wendbaren Bestimmungen der EU-Richtlinien teil-                         Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim
                         weise automatisch gelten, teilweise in Kraft treten,                    öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung
                         sobald ein Emittent eine Neukotierung (z.B. infolge                     zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richt-
                                                                                                 linie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie).
                         Kapitalerhöhung) beantragt; sowie                                  28	������������������������������������������������������������
                                                                                                 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Ra-
                     •   das UK-Exchange Regulated Market Segment, das                           tes vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmani-
                         nicht als geregelter Markt im Sinne der EU-Regeln                       pulation (Marktmissbrauch).
                                                                                            29	�����������������������������������������������������������
                                                                                                 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des
                         gilt, womit auch die Vorschriften des EU-Regel-                         Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transpa-
                         werks keine direkte Anwendung finden 24.                                renzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten,
                                                                                                 deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zu-
                                                                                                 gelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG
                                                                                                 (Transparenzrichtlinie).
                     20	�����������������������������������������������������
                         SWX Swiss Exchange, Kommentar zur Ad-hoc-Publizitäts-              30	�������������������������������������������������������������
                                                                                                  Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Ra-
                         Richtlinie, Rz. 3 N 22.                                                 tes vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur
                     21	��������������������������������������������������������
                         Regulatorische Rahmenbedingungen für Emittenten: Handel                 Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Ra-
                         von SIX-kotierten Effekten an SWX Europe, herausgegeben von             tes und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments
                         der SIX Swiss Exchange, Ziff. 1 (abrufbar unter: www.swx.com/           und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG
                         download/admission/listing/equity_market/regulatory_frame-              des Rates, geändert durch Richtlinie 2006/31/EG und Richtli-
                         work_08_de.pdf).                                                        nie 2007/44/EG (Markets in Financial Instruments Directive,
                     22	�����������������������������������������������������
                         Medienmitteilung der SIX Group vom 11. November 2008.                   ­M iFID).
                     23	���������������������������������������������������������������
                         Einzelheiten der regulatorischen Folgen der Repatriierung sind     31	�����������������������������������������
                                                                                                  Art. 9 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie.
                         im Zeitpunkt der Drucklegung dieses Aufsatzes noch nicht be-       32	����������������������������������������������������������������
                                                                                                  Zu den Emittentenpflichten zählt u.a. die Pflicht zur Bekanntga-
                         kannt.                                                                   be von Insider-Informationen an die Öffentlichkeit.
                     24	���������������������������������������������������������
                         Regulatorische Rahmenbedingungen für Emittenten (FN 21),           33	����������������������������������������������������������������
                                                                                                  Art. 9 Abs. 3 Marktmiss­brauchsrichtlinie. Nach Ansicht der SIX
                         N 18–24.                                                                 Swiss Exchange gilt das grandfathering – entgegen dem Wortlaut
Daniel Daeniker / Claude Lambert  – Kann ein Manager überhaupt noch Aktien seiner Gesellschaft erwerben?
                                                                                                                   GesKR 4              2008

Kein grandfathering besteht dagegen für die in                                 c. Gesellschaften;                                                 363
Art. 2–5 Marktmissbrauchsrichtlinie aufgeführten Be­                           d. Einzelfirmen.
stimmungen zum Insiderhandel und zur Marktmanipu-                         Art. 102 Abs. 1 StGB begründet eine auf beliebige Ver-
lation. Die im EU-Regulated Market Segment der SWX                        brechen und Vergehen bezogene subsidiäre Unterneh-
Europe gehandelten Aktien von SMI-Gesellschaften                          mensstrafbarkeit. Das Unternehmen kann strafrechtlich

                                                                                                                                                  Fragen & Antworten
unterstehen diesem Regime vollumfänglich 34.                              belangt werden, wenn die im Unternehmen begangene
                                                                          Anlasstat wegen mangelhafter Organisation keiner be-
                                                                          stimmten natürlichen Person zugerechnet werden kann.
III. Privatautonome Regelung durch                                        Die Strafbarkeit kann indessen vermieden werden, wenn
     ­G esellschaften                                                     eine adäquate personale Unternehmensorganisation be-
                                                                          steht, welche die Ermittelbarkeit des Täters ermöglicht.
Q 5: Inwieweit haben schweizerische Gesellschaften
                                                                          Dazu dienen die üblichen Organisationsreglemente,
dafür zu sorgen, dass innerhalb des Unternehmens kei-
                                                                          Organigramme, Pflichtenhefte usw., deren Einhaltung
ne Insiderdelikte begangen werden?
                                                                          auch überwacht und durchgesetzt werden muss35.
Wiederum aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis
wurde das Konzept der Unternehmensstrafbarkeit ins                        Zu betonen ist, dass die subsidiäre Unternehmensstraf-
schweizerische Recht importiert. Die Schweiz hat mit                      barkeit nicht unbeschränkt gilt nach dem Motto: Wenn
Art. 102 und 102a StGB (ursprünglich Art. 100 quater                      sich kein individueller Täter finden lässt, dann ist das
und 100 quinquies StGB) am 1. Oktober 2003 die Bestim-                    Unternehmen strafbar. Die Strafbarkeit des Unterneh-
mungen betreffend die strafrechtliche Verantwortlich-                     mens ergibt sich vielmehr erst dann, wenn die Zure-
keit des Unternehmens in Kraft gesetzt.                                   chenbarkeit an eine einzelne Person wegen mangelhaf-
                                                                          ter Organisation des Unternehmens nicht möglich ist 36 .
Art. 102 StGB lautet wie folgt:                                           Daraus ergibt sich auch der Umkehrschluss, dass ein
   1 Wird   in einem Unternehmen in Ausübung geschäft-                    Unternehmen nicht strafrechtlich zur Verantwortung
   licher Verrichtung im Rahmen des Unternehmens-                         gezogen werden kann, wenn zwar der Täter nicht er-
   zwecks ein Verbrechen oder Vergehen begangen und                       mittelt werden kann, dies aber nicht auf einen Organi-
   kann diese Tat wegen mangelhafter Organisation des
                                                                          sationsmangel zurückzuführen ist 37.
   Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person
   zugerechnet werden, so wird das Verbrechen oder Ver-                   Wie kann ein Unternehmen Strukturen schaffen, welche
   gehen dem Unternehmen zugerechnet. In diesem Fall
                                                                          die Verantwortung für eine strafbare Handlung inner-
   wird das Unternehmen mit Busse bis zu 5 Millionen
   Franken bestraft.                                                      halb eines Unternehmens jederzeit einem bestimmten
   2 Handelt es sich dabei um eine Straftat nach den Ar-                  Mitarbeiter zuzuweisen erlauben? Das Konzept der
   tikeln 260 ter, 260 quinquies , 305bis , 322ter, 322quinquies oder     subsidiären Strafbarkeit des Unternehmens zielt ja ge-
   322 septies Absatz 1 oder um eine Straftat nach Artikel 4a             rade darauf ab, die Defizite des Individualstrafrechts,
   Absatz 1 Buchstabe a des Bundesgesetzes vom 19. Dez.                   nämlich die Unmöglichkeit, den für einen strafrechtlich
   1986 gegen den unlauteren Wettbewerb, so wird das Un-                  relevanten Vorgang Verantwortlichen innerhalb eines
   ternehmen unabhängig von der Strafbarkeit natürlicher
   Personen bestraft, wenn dem Unternehmen vorzuwer-                      Unternehmens festzustellen, zu überwinden. Es sind
   fen ist, dass es nicht alle erforderlichen und zumutbaren              also nicht Organisations-, sondern Zurechnungsmän-
   organisatorischen Vorkehren getroffen hat, um eine sol-                gel, die der Verantwortlichkeit der Einzelperson entge-
   che Straftat zu verhindern.                                            genstehen 38 .
   3 Das Gericht bemisst die Busse insbesondere nach der

   Schwere der Tat und der Schwere des Organisations-                     In Bezug auf Insiderdelikte müsste demnach beim
   mangels und des angerichteten Schadens sowie nach der                  Emittenten in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im
   wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens.                  Rahmen des Unternehmenszweckes ein Insiderdelikt
   4 Als Unternehmen im Sinne dieses Titels gelten:                       begangen worden sein. Die Tatbestandsmerkmale des
   a. juristische Personen des Privatrechts;                              Insiderdelikts müssen somit in objektiver und subjek-
   b. juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Aus-               tiver Hinsicht erfüllt worden sein, wobei individuelles
       nahme der Gebietskörperschaften;                                   Verschulden entbehrlich sein mag, nicht jedoch der Vor-
                                                                          satz39. Das Unternehmen ist aber nach Art. 102 StGB

    von Art. 9 Abs. 3 – auch für Art. 6 Abs. 4 Marktmissbrauchs-
    richtlinie, d.h. für die Offenlegung von Management-Transak­
    tionen, vgl. dazu hinten, Q 7.1.                                      35	������������������
                                                                               Vgl. dazu hinten,   Q 6.4.
                                                                                                   �� ����
34	�����
    Vgl. Thomas Werlen, Relevanz der EU-Marktmissbrauchs-                 36	����������������
                                                                              Vgl. BSK StGB I-Niggli/Gfeller,        N 51 und 207 zu Art. 102
    richtlinie, in: ST 2005, 778. Die Marktmissbrauchsrichtlinie ist           StGB.
    allerdings nicht unmittelbar anwendbar, sondern war von den           37   Niggli/Gfeller (FN 36), N 208 zu Art. 102 StGB.
    Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen; für Schweizer         38   Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allge-
    Emittenten, deren Beteiligungspa­piere auf SWX Europe gehan-               meiner Teil I: Die Straftat, 3. Aufl., Bern 2005, § 13 N 188 f.;
    delt werden, ist damit auf die entsprechende Regulierung im                ­M atthias Forster, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des
    Vereinig­ten Königreich abzustellen, d.h. hauptsächlich auf den             Unternehmens nach Art. 102 StGB, Diss. Bern 2006, 294.
    Financial Services and Markets Act (in der Fassung von 2005).         39    Stratenwerth (FN 38), § 13 N 185.
GesKR 4              2008              Daniel Daeniker / Claude Lambert  – Kann ein Manager überhaupt noch Aktien seiner Gesellschaft erwerben?

364                  nur strafbar, wenn das Insiderdelikt wegen personeller                   eine Insider Policy erlässt, die das Handeln in eigenen
                     Organisationsmängel keinem Mitarbeiter zugeordnet                        Effekten regelt.
                     werden kann. Die Schulung der eigenen Mitarbeiter im                     Diese Reglemente umschreiben zum einen den Anwen-
                     Zusammenhang mit Art. 161 StGB als Grundsatz, der                        dungsbereich, d.h.
                     Hinweis auf Art. 161 StGB vor der Einweihung in ein
Fragen & Antworten

                     insiderrelevantes Projekt im Einzelfall sowie das Füh-                   •   die Adressaten (Verwaltungsrat, Geschäftsleitung
                     ren von Insiderlisten40 sollten u.E. in der Praxis ausrei-                   oder gar alle Mitarbeiter),
                     chen, um den Vorwurf der mangelhaften Organisation                       •   die betroffenen Effekten (Aktien, Anleihensobliga-
                     des Unternehmens zu entkräften.                                              tionen, Optionen und andere derivative Finanzin­
                                                                                                  strumente),
                     Q 6: Wie werden Bestimmungen betreffend Ausnützen                        •   den Begriff inside information. Dieser Begriff ent-
                     vertraulicher Informationen innerhalb eines Unterneh-                        sprach bislang üblicherweise dem Begriff der poten-
                     mens konkret umgesetzt?                                                      ziell kursrelevanten Tatsache im Sinne von Art. 72
                     Nach ständiger Lehre und Rechtsprechung zählt zu den                         des Kotierungsreglements bzw. der Terminologie in
                     allgemeinen Sorgfaltspflichten als Arbeitnehmer oder                         der Marktmissbrauchsrichtlinie. Seit dem 1. Okto-
                     als Organ einer Gesellschaft unter anderem auch das                          ber 2008 ist auch der Begriff der Insiderinformation
                     Verhindern von Straftaten im Unternehmen41. Was dies                         gemäss Art. 161 StGB für die Umschreibung von in-
                     im Einzelfall bedeutet, ist allerdings weniger klar. Ge-                     side information tauglich.
                     setzliche Vorgaben fehlen. Der Swiss Code of Best Prac-                  Zum anderen werden close periods definiert, in welchen
                     tice for Corporate Governance, ein unter der Ägide der                   es den Adressaten des Reglements grundsätzlich unter-
                     Economiesuisse erstellter Kodex mit Empfehlungen für                     sagt ist, (i) Transaktionen in den betroffenen Effekten
                     schweizerische Publikumsgesellschaften, hält indessen                    abzuschliessen, (ii) inside information zu verbreiten und
                     in Ziff. 17 Folgendes fest:                                              (iii) Dritten Empfehlungen zu Transaktionen in den be-
                        Der Verwaltungsrat regelt die näheren Grundsätze für                  troffenen Effekten abzugeben. Üblicherweise werden
                        die Ad-hoc-Publizität und trifft Massnahmen zur Ver-                  zwei Arten von close periods unterschieden:
                        hinderung von Insiderdelikten. Der Verwaltungsrat
                        prüft insbesondere, ob während kritischer Zeitspannen,                •   Fixe wiederkehrende close periods stehen im Zusam-
                        z.B. im Zusammenhang mit Übernahmeprojekten, vor                          menhang mit dem Erstellen und der Publikation der
                        Medienkonferenzen oder vor der Bekanntgabe von Un-                        regelmässigen Finanz-Berichterstattung oder mit
                        ternehmenszahlen, geeignete Massnahmen (z.B. Sperr-                       der Veröffentlichung zum Geschäftsgang; sie gelten
                        zeiten, «close periods») bezüglich Käufen und Verkäufen                   damit unabhängig von einem konkreten unterneh-
                        von Titeln der Gesellschaft oder andern sensitiven Wer-
                        ten getroffen werden müssen.                                              merischen Insiderprojekt. Entsprechende close pe-
                                                                                                  riods gelten zwischen dem Bilanzstichtag bzw. der
                     Ziff. 20 führt weiter aus:                                                   internen Verfügbarkeit der relevanten Zahlen bis zur
                        Der Verwaltungsrat trifft Massnahmen zur Einhaltung                       oder kurz nach der Publikation42 der Zahlen zur je-
                        der anwendbaren Normen (Compliance).                                      weiligen Berichtsperiode.
                        Der Verwaltungsrat ordnet die Funktion der Compliance                 •   Variable close periods stehen demgegenüber im Zu-
                        nach den Besonderheiten des Unternehmens, er kann die                     sammenhang mit einem konkreten unternehme-
                        Compliance dem internen Kontrollsystem zuweisen.
                                                                                                  rischen Projekt. Sie sind davon abhängig, ob der
                        Er gibt sich mindestens einmal jährlich darüber Rechen-                   Betroffene im Einzelfall im Besitze von inside infor-
                        schaft, ob die für ihn und das Unternehmen anwend-
                        baren Compliance-Grundsätze hinreichend bekannt                           mation ist oder nicht.
                        sind und ihnen dauernd nachgelebt wird.                               Vielfach werden zu den close periods noch ein bis drei
                     Nachfolgend sei beispielhaft dargestellt, was dies für                   Börsentage dazugeschlagen, damit der Markt die veröf-
                     eine schweizerische Publikumsgesellschaft konkret be-                    fentlichte inside information absorbieren kann und da-
                     deuten kann.                                                             mit wieder Informationsgleichheit besteht43.
                                                                                              Falls im konkreten Einzelfall für einen Mitarbeiter un-
                     1. Code of Business Conduct / Insider Policy                             klar ist, ob er in den betroffenen Finanzinstrumenten
                                                                                              eine Transaktion abschliessen kann, wird oft im Unter-
                     Es gehört wohl heute zum Standard einer kotierten Ge-
                                                                                              nehmen eine Person bezeichnet, die in Zweifelsfällen
                     sellschaft, dass sie einen Code of Business Conduct oder
                                                                                              die konkreten Umstände beurteilen und gegebenenfalls
                                                                                              die Bewilligung zum Handel erteilen kann44.
                     40	�����������������������������������������������������������������
                          Vgl. auch Art. 6 Abs. 3 Marktmissbrauchsrichtlinie sowie hinten,
                         Q 6.2.
                     41	�����������������������������������������������������
                         Vgl. zur Thematik aus Sicht des Verwaltungsrats etwa       Diane
                         Freymond/Hans-Ueli Vogt, Die Pflicht des Verwaltungsrates            42	������������������
                                                                                                   Vgl. dazu hinten, Q 11.
                                                                                                                     �� ���
                         zur Verhinderung von Insiderdelikten, in: Jürg-Beat Ackermann        43	������������������
                                                                                                   Vgl. dazu hinten, ��
                                                                                                                     Q 11.
                                                                                                                        ���
                         (Hrsg.), Strafrecht als Herausforderung, Zürich 1999, 173 ff.        44	�������������������
                                                                                                   Vgl. dazu sogleich Q 6.4.
                                                                                                                      �� ����
Daniel Daeniker / Claude Lambert  – Kann ein Manager überhaupt noch Aktien seiner Gesellschaft erwerben?
                                                                                                                   GesKR 4              2008

2. Insiderlisten                                                          und überwacht. Besteht etwa eine Bewilligungspflicht                    365
                                                                          für Mitarbeitergeschäfte, ist der Compliance Officer für
Gemäss Art. 6 Abs. 3            Marktmissbrauchsrichtlinie 45             die Genehmigung zuständig. Häufig werden dar­über
müssen die EU-Mitgliedstaaten vorsehen, dass Emit-                        hinaus Mitarbeiter- und Eigengeschäfte der Gesell-
tenten oder in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung                       schaft daraufhin überprüft, ob keine Verstösse gegen

                                                                                                                                                  Fragen & Antworten
handelnde Personen ein Verzeichnis derjenigen Per-                        die Insider Policy vorlagen. Die Compliance betreffend
sonen führen, die für sie auf Grundlage eines Arbeits-                    Vermeidung von Insiderdelikten ist damit meist Teil des
vertrags oder anderweitig tätig sind und Zugang zu In-                    internen Kontrollsystems eines Unternehmens48 .
sider-Informationen haben. Die Emittenten bzw. die
in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnden
Personen müssen dieses Verzeichnis regelmässig aktua-
lisieren und der zuständigen Behörde auf Anfrage über-                    IV. Aktienhandel durch eingeweihte
mitteln.                                                                      ­Personen
Demzufolge sind Emittenten, deren Finanzinstrumente
                                                                          Q 7: Wann müssen Manager Transaktionen in Aktien
an einem EU-regulierten Markt zum Handel zugelassen
                                                                          der eigenen Gesellschaft offenlegen?
sind, verpflichtet, Insiderlisten zu führen, die darüber
Auskunft geben, wer warum und wann in ein insiderre-
levantes Projekt eingeweiht wurde.                                        1. Offenlegung von Transaktionen
Das Führen von Insiderlisten empfiehlt sich aber auch                     Aufgrund von Art. 74a Kotierungsreglement und der
für alle anderen Emittenten. Insiderlisten sind ein wich-                 dazu erlassenen Richtlinie betreffend Offenlegung von
tiges Mittel, um die subsidiäre Strafbarkeit des Unter-                   Management-Transaktionen49 müssen Emittenten, de-
nehmens zu vermeiden46 , aber auch um intern rasch                        ren Beteiligungsrechte mindestens teilweise an der SIX
dar­über Klarheit zu schaffen, ob sich ein Verdacht als                   Swiss Exchange kotiert sind, für die Offenlegung von
begründet erweist.                                                        Management-Transaktionen besorgt sein.
                                                                          Die Meldepflicht betrifft Geschäfte von Verwaltungs-
3. Sperrkonten und -depots                                                rats- und Geschäftsleitungsmitgliedern (nicht jedoch
                                                                          deren nahestehenden Personen) in eigenen Beteiligungs-
Eine faktische Kontrolle über Transaktionen in eigenen
                                                                          rechten, Wandel- und Erwerbsrechten auf eigene Aktien
Beteiligungspapieren kann das Unternehmen dadurch
                                                                          und Finanzinstrumente, deren Preis massgeblich durch
erreichen, dass Konten und Depots eingerichtet wer-
                                                                          eigene Beteiligungsrechte beeinflusst wird.
den, welche die Mitarbeiter zu benutzen haben, falls sie
eigene Beteiligungspapiere halten und handeln wollen.                     Überschreitet der Gesamtwert sämtlicher Geschäfts-
Dies gilt insbesondere für Aktien oder Optionen, die                      abschlüsse einer meldepflichtigen Person innerhalb
Mitarbeiter vom Emittenten im Rahmen eines Beteili-                       eines Kalendermonats den Betrag von CHF 100 000,
gungsplans oder als Boni erhalten.                                        so hat dies die meldepflichtige Person dem Emittenten
                                                                          innerhalb von zwei Börsentagen zu melden. Der Emit-
                                                                          tent seinerseits hat der SIX Swiss Exchange innerhalb
4. Compliance Officer
                                                                          von zwei Börsentagen eine Meldung unter anderem mit
Die Verhaltensregeln, wie sie in einem bereits er-                        Angabe von Namen und Funktion der meldepflichtigen
wähnten Code of Business Conduct oder in einer ent-                       Person zu erstatten.
sprechenden Insider Policy verankert sind47, bedürfen                     Wird innerhalb eines Kalendermonats pro meldepflich-
der Überwachung. Überdies sind nicht selten Zwei-                         tige Person der Schwellenwert von CHF 100 000 nicht
felsfälle – ob etwa eine bestimmte Transaktion unter                      überschritten, so leitet der Emittent nach Monatsende
den gegebenen Umständen zulässig ist – zu entschei-                       eine Sammelmeldung, unter anderem mit Angabe von
den. Diese Rolle der Überwachung und Entscheidung                         Namen und Funktion, geordnet nach meldepflichtigen
nimmt meist eine unternehmensinterne, eigens hierfür                      Personen, an die SIX Swiss Exchange weiter.
zuständige neutrale Compliance-Stelle unter Führung
eines Compliance Officer wahr. Hier werden alle insi-                     Die SIX Swiss Exchange veröffentlicht die Meldungen
derrechtlich sensiblen Informationen zentral erfasst, die                 jeweils ohne Namensnennung, jedoch unter der Anga-
verschiedenen organisatorischen Massnahmen zur Ver-                       be der Funktion auf ihrer Website. Transaktionen, die
meidung von Insiderhandel implementiert, koordiniert                      insgesamt den Schwellenwert von CHF 100 000 pro Ka-

                                                                          48	�����������������������������������������������������������������
                                                                               Dies entspricht den Vorgaben des Swiss Code of Best Practice for
45	�����������������
     Vgl. dazu vorne, Q 4.
                      �� ��                                                    Corporate Governance (Ziff. 20); vgl. dazu vorne, Q 6.
46	�����������������
     Vgl. dazu vorne, Q 5.
                      �� ��                                               49   Vgl. http://www.swx.com/admission/being_public/mtrans/legal_
47	�����������������
     Vgl. dazu vorne, Q 6.1.
                      �� ����                                                  basis_de.html.
GesKR 4              2008               Daniel Daeniker / Claude Lambert  – Kann ein Manager überhaupt noch Aktien seiner Gesellschaft erwerben?

366                  lendermonat nicht überschreiten, werden von der SIX                       Q 8: Welche Sanktionsmöglichkeiten bestehen bei un-
                     Swiss Exchange nicht veröffentlicht.                                      terlassener Offenlegung?

                     Falls Finanzinstrumente des Emittenten an einem EU-                       Gemäss Art. 81 Kotierungsreglement kann die Sank-
                     Regulated Market zum Handel zugelassen sind, sind                         tionskommission der SIX Swiss Exchange Sanktionen
                                                                                               nach Art. 82 und 82a Kotierungsreglement ausspre-
Fragen & Antworten

                     zusätzlich die nationalen Rechte des betroffenen Hei-
                     matstaats zu beachten. Die einschlägigen nationalen                       chen,
                     Vorschriften setzen Art. 6 Abs. 4 Marktmissbrauchs-                       •   wenn der Emittent vorgeschriebene Veröffentli-
                     richtlinie um. Sie sind in mehrfacher Hinsicht strenger                       chungen oder Bekanntgaben gemäss Kotierungs­
                     als die Vorschriften des Kotierungsreglements:                                reglement oder Ausführungsbestimmungen un-
                     •   Der personelle Anwendungsbereich ist insofern                             terlässt oder nicht rechtzeitig macht bzw. wenn er
                         weiter gefasst, als nicht nur Organpersonen von der                       Informationen veröffentlicht, die nicht wahr, klar
                         Meldepflicht betroffen sind, sondern auch diesen na-                      und vollständig sind;
                         hestehende Personen.                                                  •   wenn der Emittent trotz Mahnung der Zulassungs-
                     •   Die Freigrenze für Sammelmeldungen beträgt nach                           stelle nicht gegen meldepflichtige Personen gemäss
                         dem EU-Regelwerk nicht CHF 100 000 pro Monat,                             Art. 74a Abs. 1 Kotierungsreglement, welche die
                         sondern nur gerade EUR 5000 pro Jahr. Im Vereinig­                        vorgeschriebenen Meldungen unterlassen, vorgeht
                         ten Königreich ist im Rahmen der Umsetzung die                            und sie zur Meldung anhält.
                         Freigrenze sogar gänzlich abgeschafft worden 50 .
                                                                                               Die in Art. 82 Kotierungsreglement genannten Sank­
                     Für schweizerische Emittenten gelten die einschlägigen                    tionen umfassen unter anderem den Verweis, die Publi-
                     EU-Vorschriften nur, sofern ihre Aktien an der SWX                        kation der Verfehlung sowie Bussen bis CHF 200 000,
                     Europe im EU-Regulated Market Segment gehandelt                           die indessen nur gegen das fehlbare Unternehmen und
                     werden, und auch das nur, wenn sie nach dem 1. Juli                       nicht gegen die handelnden Personen ausgesprochen
                     2005 aufgrund einer Kapitalerhöhung oder anderweitig                      werden können.
                     eine Zulassung zum Handel beantragt haben 51.                             In der Praxis53 geht es bei der Verletzung von Art. 74a
                                                                                               Kotierungsreglement um die Verletzung der Melde-
                     2. Offenlegung von Beteiligungen und Wandel /                             fristen für die Offenlegung von Management-Trans-
                        Optionsrechten                                                         aktionen, d.h. die Verletzung der zweitägigen Frist der
                                                                                               Meldung des Managers an die Gesellschaft und – in der
                     Gemäss Art. 663bbis und Art. 663c Abs. 3 OR haben                         Praxis häufiger – um die Verletzung der zweitägigen
                     Gesellschaften, deren Aktien an einer Börse kotiert                       Meldefrist der Gesellschaft an die Börse.
                     sind, erstmals für das Geschäftsjahr 2007 im Anhang
                     zur Bilanz52:                                                             In den bis anhin publizierten Entscheiden wird den Ge-
                                                                                               sellschaften im Wesentlichen vorgeworfen 54:
                     •   als Bestandteil der Vergütung die Zuteilung von Be-
                         teiligungen, Wandel- und Optionsrechten an frühere                    •   ein unzureichendes internes Meldesystem zu betrei-
                         und derzeitige Mitglieder des Verwaltungsrats, der                        ben;
                         Geschäftsleitung, des Beirats sowie deren naheste-                    •   die Manager unzureichend hinsichtlich deren Pflich-
                         henden Personen; und                                                      ten bei Management-Transaktionen zu instruieren;
                     •   die am Bilanzstichtag gehaltenen Beteiligungen an                     •   die interne Zuständigkeit für die Offenlegung von
                         der Gesellschaft und Wandel- und Optionsrechte                            Management-Transaktionen nicht geregelt und den
                         jedes gegenwärtigen Mitglieds des Verwaltungsrats,                        Zugang zur webbasierten Meldeplattform der SIX
                         der Geschäftsleitung und des Beirats mit Einschluss                       Swiss Exchange55 nicht eingerichtet zu haben.
                         der Beteiligungen der diesen Personen nahestehen-
                                                                                               Die Verletzung der Offenlegungspflichten gemäss
                         den Personen offenzulegen.
                                                                                               Art. 663bbis und Art. 663c Abs. 3 OR stellt eine ak­
                                                                                               tienrechtliche Pflichtverletzung des Verwaltungsrats
                     50	���������������������������������������������������������������
                         Vgl. Rule 3 der Disclosure Rules and Transparency Rules (abruf-       im Sinne von Art. 754 OR dar56 . Sind die übrigen Haf-
                         bar unter: http://����������������������������������������
                                    �����������������������������������������������
                                           fsahandbook.info/FSA/html/handbook/DTR).
                     51	��������������������������������������������������������������
                          Zumindest ist dies die Auffassung der SIX Swiss Exchange (Fre-
                         quently Asked Questions Regarding the Segmentation Concept
                         on the SWX and SWX Europe (Stand: 3. ������������������������
                                                                  März 2008), Frage 2 auf      53	������������������������������������������������������������
                                                                                                   Gewisse Entscheide und Pressemitteilungen sind auf der Home-
                         S. 4 f.; abrufbar unter: http://www.swx.com/download/admis­                page der SIX Swiss Exchange abrufbar http://www.swx.com/ad-
                         sion/listing/segmentation_faq_en.pdf), die allerdings vom Wort-            mission/being_public/sanctions/ip_management_de.html sowie
                         laut der Marktmissbrauchsrichtlinie nicht abgedeckt ist (vgl. dazu         http://www.swx.com/admission/being_public/sanctions/ma-
                         vorne, Q 4).                                                               nagement_de.html.
                     52	�����������������������
                         Vgl. dazu im Einzelnen Rolf Watter/Karim Maizar, Offen-               54	�����������
                                                                                                    Vgl. FN 53.
                         legung von Vergütungen und Beteiligungen bei schweizerischen          55	������������������
                                                                                                    Vgl. dazu hinten, Q 11.
                                                                                                                      �� ���
                         Publikumsgesellschaften gemäss OR, Basel 2007, N 47 ff. zu            56	�������������������������������������������������������������
                                                                                                    Insoweit als die Revisionsstelle die Generalversammlung über
                         Art. 663bbis OR und N 42 ff. zu Art. 663c OR.                              wesentliche Verstösse gegen das Gesetz zu informieren hat
Daniel Daeniker / Claude Lambert  – Kann ein Manager überhaupt noch Aktien seiner Gesellschaft erwerben?
                                                                                                                     GesKR 4              2008

tungsvoraussetzungen (Schaden, Kausalzusammenhang                         in Zukunft realisiert werden 58 . Nach einem Urteil der                  367
und Verschulden) erfüllt, ist nicht ausgeschlossen, dass                  Zürcher Gerichte stellen Vertragsverhandlungen unab-
Mitglieder des Verwaltungsrats und die Revisionsstelle                    hängig davon, wieweit sie gediehen sind, (vertrauliche)
haftbar werden. Die praktische Relevanz einer Verant-                     Tatsachen im strafrechtlichen Sinne dar59.
wortlichkeitsklage in diesem Kontext ist allerdings als
                                                                          Bezüglich der in der Lehre geäusserten Auffassungen

                                                                                                                                                   Fragen & Antworten
gering einzustufen 57.
                                                                          und der Gerichtspraxis sind Zweifel angezeigt. Mit
                                                                          ­P eter 60 gehen wir davon aus, dass ein (vertrauliches)
Q 9: Kann ein Manager, der in ein vertrauliches Projekt
                                                                           Projekt erst dann strafrechtlich relevant sein kann,
eingeweiht ist, generell in Aktien seiner Gesellschaft
                                                                           wenn eine gewisse Realisierungswahrscheinlichkeit
handeln?
                                                                           besteht. Ansonsten würde jedes exploratorische Ge-
                                                                           spräch, das von der Unternehmensleitung geführt wird,
1. Strafrechtliche Beurteilung                                             automatisch als (vertrauliche) Tatsache im Sinne des
                                                                           Strafrechts gelten und die Unternehmensspitze, die zu
In strafrechtlicher Hinsicht kann ein Manager nicht                        diesem Zeitpunkt in Titeln ihrer Gesellschaft handelt,
mehr in Effekten seiner Gesellschaft handeln, sobald                       den strafrechtlichen Sanktionen aussetzen.
er Kenntnis einer vertraulichen Tatsache im Sinne
von Art. 161 StGB hat. Projekte, wie geplante Unter-                      Gewisse Mitglieder der Unternehmensführung – vorab
nehmenszusammenschlüsse, Kapitalerhöhungen und                            der Vorsitzende der Geschäftsleitung, der von Amtes
‑restruktu­rierungen – nach revidiertem StGB sämtliche                    wegen in alle unternehmerischen Projekte eingeweiht
Tatsachen, deren Bekanntwerden den Kurs von Wert-                         sein sollte – wären so wohl zu jedem erdenklichen Zeit-
schriften in voraussehbarer Weise erheblich beeinflus-                    punkt Insider im Sinne des Strafrechts, weil Explora-
sen wird –, führen somit dazu, dass ein Manager im                        tionsgespräche über neue unternehmerische Projekte
strafrechtlichen Sinne Insider wird. Ist er damit auch                    in den meisten schweizerischen Gesellschaften perma-
automatisch vom Handeln in Effekten seiner eigenen                        nent an der Tagesordnung sind. Wollte man nun jedes
Gesellschaft ausgeschlossen? Die Frage kann wohl nicht                    auch noch so unverbindliche Gespräch z.B. über eine
so einfach beantwortet werden.                                            mögliche Unternehmensverbindung automatisch zur
                                                                          (vertraulichen) Tatsache erheben, so könnten diese Ka-
a) Manager als mögliche Täter des                                         der – sofern alle übrigen Voraussetzungen erfüllt sind –
   ­I nsiderhandels                                                       überhaupt nie mehr in Titeln ihrer eigenen Gesellschaft
                                                                          handeln.
Klar ist zunächst, dass ein Manager bei der Gesellschaft,
in der er seine Funktion ausübt, Insider im Rechtssinne                   In diesem Sinne ist für eine zurückhaltende Auslegung
ist. Dies ergibt sich schon aus der gesetzlichen Um-                      des Begriffs der (vertraulichen) «Tatsache» zu plädieren,
schreibung des Täterkreises (Mitglied des Verwaltungs-                    wie er z.B. auch im Rahmen der Praxis der Börsenorga-
rats bzw. der Geschäftsleitung).                                          ne zur Ad-hoc-Publizität angewendet wird. Nach Auf-
                                                                          fassung der SIX Swiss Exchange 61 fallen blosse Gerüch-
                                                                          te, Ideen, Planungsvarianten und -absichten nicht unter
b) Wann stellt ein Projekt eine (vertrauliche)
   ­Tatsache dar?                                                         die Ad-hoc-Publizität. Nachdem es der Absicht des Ge-
                                                                          setzgebers zu entsprechen scheint, den strafrechtlichen
Als Nächstes stellt sich die Frage, wann ein unterneh-                    Begriff der vertraulichen Tatsache dem börsenrecht-
merisches Projekt als (vertrauliche) Tatsache im straf-                   lichen Begriff der kursrechtlichen Tatsache anzunäh-
rechtlichen Sinne gelten muss. Häufig sind unterneh-                      ern, ist aus unserer Sicht bei der künftigen Auslegung
merische Projekte reine Planspiele, können also nicht                     des Begriffs der vertraulichen Tatsache im strafrecht-
als (vertrauliche) Tatsache bezeichnet werden, wenn                       lichen Sinne dieselbe Zurückhaltung geboten, die sich
das Projekt jederzeit wieder abgebrochen werden kann.                     auch die Börsenorgane auferlegt haben.
Dennoch geht ein Teil der Lehre davon aus, dass auch
Pläne oder Absichten Tatsachen darstellen können,
unabhängig davon, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie

     (Art. 728c Abs. 2 OR) und in ihrem Revisionsbericht das Resultat
     ihrer Prüfung festzuhalten hat (Art. 728b Abs. 2 OR) ist auch eine   58	���������������
                                                                               Anstatt vieler   Böckli (FN 10), 63; Koenig (FN 1), 164.
     Pflichtverletzung durch die Revisionsstelle im Sinne von Art. 755    59	������������������������������������������������������������������
                                                                               Urteil des Bezirksgerichtes Zürich vom 8. Februar 2000, bestätigt
     OR denkbar (vgl. Watter/Maizar (FN 52), N 98 zu Art. 663bbis             durch das Obergericht Zürich am 25. Juni 2001, zitiert bei Peter
     OR und N 62 zu Art. 663c OR).                                            (FN 1), N 25 zu Art. 161 StGB; Koenig (FN 1), 164.
57	����������������������������������������������������������������
     In der Praxis dürfte namentlich der Nachweis eines kausal verur-     60  Peter (FN 1), N 25 zu Art. 161 StGB.
     sachten Schadens äusserst schwierig sein (ebenso Watter/Mai-         61	�����������������������������������������������������������
                                                                              Rz. 3 N 3 des Kommentars der SIX Swiss Exchange zur Ad-hoc-
     zar (FN 52), N 99 zu Art. 663bbis OR).                                   Publizitäts-Richtlinie.
GesKR 4             2008               Daniel Daeniker / Claude Lambert  – Kann ein Manager überhaupt noch Aktien seiner Gesellschaft erwerben?

368                  c) «Ausnützen» als zusätzliches Tatbestands­                             eintritt, ist aus unserer Sicht zumindest solange irrele-
                        element?                                                              vant, als die langfristige Beteiligung am Unternehmen
                                                                                              im Vordergrund stand, nicht die Erzielung eines kurz-
                     Das Strafgesetzbuch ahndet nicht den Erwerb oder die
                                                                                              fristigen Kursvorteils 64.
                     Veräusserung von Effekten 62 , sondern das «Ausnützen»
                     der Kenntnis vertraulicher Tatsachen, um sich einen
Fragen & Antworten

                     ungerechtfertigten Vermögensvorteil zu verschaffen.                      2. Weitergehende Regelung in Insider­
                     In der Lehre wird daraus teilweise der Schluss gezogen,                     reglementen
                     zwischen der Kenntnis der vertraulichen Tatsache und
                     der Handlung des Täters müsse ein Zusammenhang                           Ausserhalb des Strafrechts ist es einer Gesellschaft un-
                     bestehen. Allerdings müsse der Täter die Transaktion                     benommen, in ihren internen Reglementen die Zuläs-
                     nicht einzig oder vorwiegend wegen der Insiderkennt-                     sigkeit des Handelns in eigenen Aktien weiter einzu-
                     nisse vorgenommen haben 63.                                              schränken. So ist insbesondere denkbar, Spitzenkadern
                                                                                              schweizerischer Gesellschaften den Handel in eigenen
                     Wollte man dieser strengen Auffassung folgen, hätte ein                  Aktien zeitweilig zu verbieten, selbst wenn das Projekt,
                     Manager nie die Möglichkeit zu argumentieren, seine                      an dem sie beteiligt sind, sich vorläufig nur in einem
                     Transaktion sei durch andere Gründe motiviert gewe-                      Planungsstadium befindet.
                     sen. Diese Auffassung dürfte nun aber regelmässig an
                     der ­ Realität vorbeigehen: Wie erwähnt, verfügen Ma-                    Q 10: Kann ein Manager zwischen dem Bilanzstichtag
                     nager gerade in Spitzenpositionen regelmässig über die                   und dem Tag der Veröffentlichung der Unternehmens-
                     Kenntnis vertraulicher Tatsachen, die ihnen das Handeln                  zahlen in Aktien seiner Gesellschaft handeln?
                     in Effekten der eigenen Unternehmung über längere Zeit
                     vollständig verbieten würde. Viele Spitzenkader schwei-                  Nach altem schweizerischem Strafrecht waren die Fi-
                     zerischer Unternehmen erhalten heute einen wesent-                       nanzzahlen einer Unternehmung nie insiderrelevante
                     lichen Teil ihrer Gesamtentschädigung in Form von Ak-                    Tatsachen im strafrechtlichen Sinne 65. Sofern sich die zu
                     tien ihrer Gesellschaft. Unter Umständen müssen solche                   veröffentlichenden Finanzzahlen im Rahmen der Er-
                     Titel verkauft werden, z.B. um Steuern zu bezahlen oder                  wartungen von Analysten befinden, dürften diese auch
                     um grössere Investitionen zu finanzieren. Gegebenen-                     nach der Strafrechtsrevision bis zur Veröffentlichung
                     falls haben diese Manager aber auch ein Interesse, Titel                 weder als insiderrelevante Tatsachen im strafrechtlichen
                     der eigenen Unternehmung z.B. im Rahmen von Mitar-                       Sinne noch als kursrelevante Tatsachen im Sinne der
                     beiterbeteiligungsplänen zu erwerben. Streng genom-                      Börsenvorschriften 66 gelten. Gleichwohl sind Konstel-
                     men könnte ein permanent insider weder das eine noch                     lationen denkbar, in denen der strafrechtliche Begriff
                     das andere tun, solange er davon ausgehen muss, dass ein                 der Insider-Information mit demjenigen der kursre-
                     vertrauliches unternehmerisches Projekt irgendwann re-                   levanten Tatsache im Sinne des Kotierungsreglements
                     alisiert wird und den Kurs der Aktien der eigenen Gesell-                nicht deckungsgleich ist67.
                     schaft beeinflussen kann. So ausgelegt, führt die Insider-               Bei der Vorbereitung von Finanzzahlen ist u.E. jeden-
                     strafnorm dazu, dass Manager überhaupt nicht mehr in                     falls Vorsicht geboten. Solange nicht zweifelsfrei fest-
                     Titeln der eigenen Gesellschaft handeln können.                          steht, dass Finanzzahlen sich im Rahmen der Erwar-
                     Dementsprechend ist aus unserer Sicht in der Anwen-                      tungen bewegen werden, empfiehlt es sich, allen mit der
                     dung von Art. 161 StGB Augenmass geboten. Gewisse                        Vorbereitung der Finanzzahlen betrauten Personen ein
                     Transaktionen, etwa die Ausübung von werthaltigen (in                    (gesellschaftsinternes) Handelsverbot aufzuerlegen. Die
                     the money) Optionen unmittelbar vor Verfall, sollten                     strafrechtliche Relevanz lässt sich nämlich regelmässig
                     zulässig sein, sofern sie automatisch, d.h. ohne weitere                 erst nach Publikation wirklich erfassen, je nachdem wie
                     Willenserklärung des Berechtigten, erfolgen.                             die Marktteilnehmer auf die entsprechenden Informa­
                                                                                              tionen reagiert haben. Ein Handelsverbot für diejenigen
                     Andere Transaktionen, etwa der Erwerb von Aktien im                      Personen, die mit der Vorbereitung der Finanzzahlen
                     Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsplans, bei dem                       betraut sind, rechtfertigt sich daher u.E. ab dem Moment
                     die Aktien über längere Zeit gesperrt sind, sollten u.E.                 des Bilanzstichtages bis zu deren Veröffentlichung.
                     aus Sicht des Insiderrechts ebenfalls unwesentlich und
                     damit zulässig sein. Dass unter Umständen nach Be-
                     kanntgabe der vertraulichen Tatsache ein Buchgewinn                      64   Ähnlich
                                                                                                   ���������������������
                                                                                                            argumentiert Peter (FN 1), N 33 zu Art. 161 StGB;
                                                                                                   Böckli (FN 10), 76 f.; a.M. Schmid (FN 9), N 282; Koenig
                                                                                                   (FN 1), 192.
                                                                                              65	�����������������������
                                                                                                   Vgl. dazu vorne, FN 16.
                     62	���������������������������������������������������������������
                         Anders z.B. die Marktmissbrauchsrichtlinie der EU (vgl. Art. 2       66	���������������������������������������������������������������
                                                                                                   Die SIX Swiss Exchange tendiert allerdings – u.E. zu Unrecht –
                          Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie sowie die schlichte Umset-             dazu, eine Offenlegungspflicht auch dann anzunehmen, wenn
                          zung in Section 118(2) des Financial Services and Markets Act            der sog. analyst consensus die Aussichten eines Unternehmens
                          (2005): «[Market abuse is behaviour] where an insider deals […]          korrekt einschätzt, das Unternehmen selbst aber keine entspre-
                          on the basis of inside information»).                                    chenden Informationen verbreitet hat.
                     63	���������������
                          Anstatt vieler Koenig (FN 1), 192.                                  67	������������
                                                                                                   Vgl. vorne, Q 3
                                                                                                               �� ������
                                                                                                                    a.E.
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