Steuerliche Maßnahmen für Unternehmen aus Anlass der Corona-Krise - Stellungnahme 03/2020
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Stellungnahme 03/2020 Steuerliche Maßnahmen für Unternehmen aus Anlass der Corona-Krise
Steuerliche Maßnahmen für Unternehmen aus Anlass der Corona-Krise Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen Stellungnahme 03/2020
Inhaltsverzeichnis 1. Grundsätzliches________________________________________________1 2. Aufschub von Steuerzahlungszeitpunkten______________________2 3. Erweiterte Stundungsvorschriften______________________________2 4. Erleichterungen bei der steuerlichen Verlustverrechnung ______4 4.1 Berücksichtigung von laufenden Verlusten zwecks Anpassung von Vorauszahlungen___________________ 4.2 Anhebung des steuerlichen Verlustrücktrags___________________________________________________________ 4.3 Aussetzung der Mindestbesteuerung für ab dem VZ 2020 entstehende Verluste_________________________ 5. Änderungen bei der steuerlichen Gewinnermittlung____________5 5.1 Einführung einer steuerfreien Rücklage für 2019_______________________________________________________ 5.1.1 Zweck und Wirkungsweise von steuerfreien Rücklagen__________________________________________ 5.1.2 Bedingungen der steuerfreien Rücklage__________________________________________________________ 5.1.3 Auflösung der steuerfreien Rücklage_____________________________________________________________ 5.1.4 Corona-Krise als Legitimation für zeitlich befristete steuerliche Lenkungsnormen________________ 5.2 Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 5 Abs. 4a Satz 1 EStG)___________ 5.3 Abzinsungssatz bei Pensionsrückstellungen (§ 6a EStG)________________________________________________ 6. Würdigung und Ausblick_______________________________________8 Verzeichnis der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats________9
Steuerliche Maßnahmen Grundsätzliches für Unternehmen aus Anlass der Corona-Krise 1. Grundsätzliches Die Corona-Krise stellt die Unternehmen vor die Banken ihrerseits mit Eigenkapital unterlegen große Herausforderungen. Eigenkapital und und eine eigene Kreditwürdigkeitsprüfung vor- Gewinne der Unternehmen werden stark belastet. nehmen. Dies bewirkt bürokratischen Aufwand Die Liquidität der Unternehmen ist angespannt. und führt dem Vernehmen nach außerdem dazu, Für das Geschäftsjahr 2020 steht zu befürchten, dass etliche Unternehmen im Ergebnis keine Kre- dass viele Unternehmen Verluste erleiden. Dies dite erhalten, weil die Banken die Mitfinanzie- kann eine große Zahl von Firmenzusammenbrü- rung ablehnen. Die versprochenen Liquiditäts- chen nach sich ziehen, durch die eine wirtschaft- hilfen kommen unter diesen Umständen bei den liche Erholung nach der Krise erheblich gefährdet Unternehmen tatsächlich nicht an, was gerade wird. Wie lange die Krisensituation anhält, lässt in einer extremen Lage wie in der Corona-Krise sich heute noch nicht absehen. misslich ist. Auch für die Unternehmen, die in den Genuss der Kredithilfen kommen, ist der dadurch Von staatlicher Seite sind zahlreiche Maßnahmen bewirkte Anstieg des Verschuldungsgrades nicht zur Unterstützung von Unternehmen auf den Weg unproblematisch. Es steht zu befürchten, dass für gebracht worden, z. B. finanzielle Soforthilfen für etliche Unternehmen zwar zunächst eine Liquidi- Kleinunternehmen, Erleichterungen beim Kurz- tätskrise vermieden werden kann, diese aber spä- arbeitergeld und staatliche Kreditprogramme. ter in eine Überschuldungskrise geraten. Die beschlossenen steuerlichen Maßnahmen beschränken sich indes auf Erleichterungen bei Um die Liquidität und Überlebensfähigkeit der der Stundung der Steuerschuld und Anpassun- Unternehmen in diesen Krisenzeiten zu sichern gen der Vorauszahlungen. Dabei haben steuer- will, sollte ergänzend zu den eingeführten Kre- liche Maßnahmen besondere Vorzüge. Erstens dithilfen über konkrete steuerliche Maßnahmen können sie im Vergleich zu anderen Instrumen- nachgedacht werden. Tatsächlich besteht eine ten vergleichsweise zielgenau eingesetzt werden. ganze Reihe von Ansatzpunkten. Befristete steu- Zweitens kann mit steuerlichen Maßnahmen eine erliche Entlastungen können durch Aufschub der Verschiebung von Zahllasten in die Zukunft her- Termine für Steuerzahlungen, erweiterte Stun- beigeführt werden, ohne dass die staatlichen Ein- dungsmöglichkeiten, Anpassung von Steuervor- nahmen dauerhaft gesenkt werden müssen. Dies auszahlungen, verbesserte Möglichkeiten des Ver- ist vor dem Hintergrund der bereits abzusehenden lustausgleichs und bessere Berücksichtigung von enormen Finanzierungslasten der Bekämpfung Verlusten bei der steuerlichen Gewinnermitt- der Corona-Krise von besonderer Bedeutung. lung erfolgen. Solche zusätzlichen steuerlichen Maßnahmen würden die Liquiditätssituation Zwar haben auch staatliche Kredite den Vorteil, der Unternehmen in 2020/21 wirksam schonen. dass sie temporär die Liquidität verstärken ohne Andererseits würden keine endgültigen Steuerbe- notwendigerweise dauerhafte Finanzierungslas- günstigungen gewährt, sondern nur Steuerstun- ten für den Staat zu verursachen. Die Stützung von dungen, d.h. ein Aufschub der Steuerlasten auf Unternehmen durch Kreditgewährung erfordert der Zeitachse. Im Folgenden wird ein Überblick indes eine Bonitätsprüfung. Bei der Kreditvergabe über konkrete steuerliche Maßnahmen gegeben, an größere Unternehmen werden private Ban- die sich aus Sicht des Wissenschaftlichen Beirats ken (in Höhe von gegenwärtig 10 %) am Kreditri- besonders anbieten. siko beteiligt, was bei wirtschaftlicher Normal- lage durchaus sinnvoll ist. Dieses Risiko müssen 1
Aufschub von Steuerzahlungszeitpunkten Steuerliche Maßnahmen für Unternehmen aus Anlass der Corona-Krise 2. Aufschub von Steuerzahlungszeitpunkten Eine erste, unmittelbar wirksame Maßnahme Diese Maßnahme würde zwar sämtliche Unter- könnte darin bestehen, die Termine für die nehmen begünstigen, auch solche, die sich mögli- demnächst anstehenden Steuerzahlungen cherweise gar nicht in Pandemie-bedingten Liqui- (z. B. Lohnsteuer sowie die Vorauszahlungen ditätsschwierigkeiten befinden. Sie wäre daher ein bei Körperschaftsteuer, Einkommensteuer auf recht grobes Instrument mit erheblichen Auswir- Gewinneinkünfte oder Gewerbesteuer) aufzu- kungen auf die aktuellen Steuereinnahmen. Ande- schieben. Dies würde für Unternehmen wie ein rerseits hat der Aufschub von Steuerzahlungszeit- Moratorium auf Forderungen des Fiskus wirken, punkten den Vorteil, dass diese Maßnahme, anders ähnlich wie sie der Gesetzgeber zum Schutz der als die anderen denkbaren Instrumente, nicht mit Mieter in Zeiten der COVID-19-Pandemie zuletzt bürokratischen Nachweispflichten belastet wäre. auf den Weg gebracht hat, wobei allerdings den Sie wäre daher eine schnell wirksame Soforthilfe. Vermietern Lasten aufgebürdet werden. Wenn Erforderlich wäre eine gesetzliche Regelung des der Staat sich mit Teilen seiner eigenen Steuerfor- befristeten Zahlungsaufschubs. derungen ein ähnliches Moratorium auferlegen würde, würde dies die Liquidität der Unterneh- men unmittelbar und spürbar entlasten. 3. Erweiterte Stundungsvorschriften Mit BMF-Schreiben vom 19.3.2020 (IV A 3 - S 0336/ über erweiterte Steuerstundungen von vornher- 19/10007 :002) wurden im Erlasswege bereits erste ein nicht auf. Maßnahmen zu Stundungs- und Vollstreckungs- hilfen sowie zur Anpassung von Steuervoraus- Die Höhe der Steuerstundung ist auf den Betrag zahlungen beschlossen, die eine Erleichterung der der gestundeten Steuer beschränkt. Insoweit sind Darlegungslast der Stundungsvoraussetzungen Steuerstundungen meist nur komplementär zu vorsehen. Diese Vorschriften könnten feinjustiert, anderen Hilfsmaßnahmen. Steuerstundungen erweitert und ausgedehnt werden. und steuerliche Bemessungsgrundlage sowie Ver- lustabzugsbeschränkungen sind außerdem mitei- Erweiterte steuerliche Stundungsregelungen nander verknüpft, weil die Bemessungsgrundlage haben den Vorteil, dass sie ohne Eingriffe in die und Verlustabzugsbeschränkungen sich unmit- Bemessungsgrundlage möglich und leicht admi- telbar auf die Höhe der zu stundenden Steuern nistrierbar sind und zudem unmittelbar bei den auswirken. Steuerpflichtigen wirken. Namentlich werden Steuerstundungen durch den Fiskus als Gläubiger Bei der Ausgestaltung erweiterter Vorschriften zur allein administriert. Die Einschaltung von Banken Steuerstundung wären die rechtsstaatlichen Vor- als Intermediären wie bei Hilfen über den Kredit- aussetzungen einzuhalten, wie sie im Beschluss sektor entfällt. Damit treten die Probleme, die sich des Großen Senats des BFH zum sog. Sanie- derzeit im Kreditsektor manifestieren, bei Hilfen rungserlass (BFH v. 28. November 2016, GrS 1/15) 2
Steuerliche Maßnahmen Erleichterungen bei der steuerlichen Verlustverrechnung für Unternehmen aus Anlass der Corona-Krise konkretisiert worden sind. Ob eine Erleichterung werden. Dies betrifft auch die Möglichkeit der der Stundungsvoraussetzungen und ein gene- Stundung der nach dem 31. Dezember 2020 fäl- reller Verzicht auf Verzinsung allein im Erlass- ligen Steuern und Steuervorauszahlungen. Die wege (vgl. BMF-Schreiben vom 19.3.2020, IV A 3 - besonderen Gründe, die derzeit Voraussetzung für S 0336/19/10007 :002) geschehen kann, erscheint Stundungen nach dem 31. Dezember 2020 sind, nicht über jeden Zweifel erhaben. Eine gesetzli- sollten näher beschrieben und damit für notlei- che Regelung wäre daher zu begrüßen. Die Ausge- dende Unternehmen transparenter sein. staltung der Vorschriften sollte so geschehen, dass die Regelungen mit möglichst wenig Aufwand Soweit Stundungen an den Nachweis von aktuel- für Unternehmen und Behörden administrier- len Liquidationsschwierigkeiten geknüpft werden, bar bleiben. Dem Vernehmen nach stößt das o. g. kann der Nachweils mittels eines Liquiditätsstatus BMF-Schreiben in der Praxis auf Anwendungs- geführt werden, der aus dem betrieblichen Rech- probleme; insbes. das Erfordernis einer „unmittel- nungswesen abgeleitet werden kann. Von weite- baren Betroffenheit“ und die konkrete „Darlegung ren Corona-spezifischen Nachteilsnachweispflich- der Verhältnisse“ schafft Abgrenzungsprobleme ten sollte zur Erleichterung der Vollziehbarkeit des und Rechtsunsicherheit. Hier sollte nachjustiert Instruments eher abgesehen werden. 4. Erleichterungen bei der steuerlichen Verlustverrechnung In Betracht kommen ferner Erleichterungen bei werden muss, bindet die Festsetzung eines vor- der steuerlichen Verlustnutzung. aussichtlich niedrigeren Steuermessbetrags vom Betriebsfinanzamt die Kommunen. 4.1 Berücksichtigung von laufenden Verlusten zwecks Anpassung von 4.2 Anhebung des steuerlichen Vorauszahlungen Verlustrücktrags Im laufenden Veranlagungszeitraum 2020 ist Das geltende Recht sieht einen Verlustrücktrag nur ein Ausgleich aktueller Verluste mit zukünfti- in sehr eingeschränktem Maße vor, um Risiken gen Gewinnen ohne weiteres möglich. Dies kann für die staatliche Haushaltsplanung zu begrenzen. genutzt werden, um eine Erstattung bereits erfolg- Soweit für das Jahr 2020 insgesamt mit einem Ver- ter sowie die Herabsetzung zukünftiger Steuervo- lust zu rechnen ist, erlaubt § 10d Abs. 1 EStG einen rauszahlungen für das Jahr 2020 zu beantragen. Rücktrag in das Jahr 2019 in Höhe von 1 Mio. Euro. Voraussetzung ist ähnlich wie bei der Stundung Der Verlustrücktrag kann auf der Grundlage des ein individueller Antrag auf Anpassung der Vor- BMF-Schreibens vom 19.3.2020 genutzt werden, auszahlungen mit der Notwendigkeit des Nach- um unter erleichterten Nachweisbedingungen weises, dass die Steuer in 2020 niedriger ausfallen eine Herabsetzung und Erstattung der Einkom- wird als bei der letzten Veranlagung. Anders als mensteuervorauszahlungen für 2019 zu erreichen. die Stundung der Gewerbesteuer, die von den ein- zelnen kommunalen Steuerämtern vorgenommen 3
Erleichterungen bei der steuerlichen Verlustverrechnung Steuerliche Maßnahmen für Unternehmen aus Anlass der Corona-Krise Da der Verlustrücktrag im Gegensatz zum Ver- lustvortrag (dazu weiter unten) den zeitnahen Ausgleich von Verlusten erlaubt und entspre- chend zum Rückfluss früherer Steuerzahlungen führt, wäre eine rückwirkende Anhebung des Ver- lustrücktrags und die Erweiterung des Rücktrag- zeitraums für im Jahr 2020 entstandene Verluste denkbar. Eine genauere Beschränkung auf Coro- na-krisenbedingte Verluste wäre dabei grundsätz- lich nicht möglich bzw. mit erheblichen Nachwei- sproblemen behaftet. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Gesetz- geber, um die fiskalischen Auswirkungen über- schaubar zu halten, nur in begrenztem Umfang zu einer Anhebung des Verlustrücktrags bereit sein wird. Gleichwohl ist der Verlustrücktrag ein sehr wirksames Instrument, um vor allem die Liquidi- tät der Unternehmen in der Krise zu verbessern. Auf diese Weise würden in erster Linie kleinere und mittlere Unternehmen profitieren. 4.3 Aussetzung der Mindestbesteuerung für ab dem VZ 2020 entstehende Verluste Erleichterungen bzw. die Abschaffung der Min- destbesteuerung leisten keinen unmittelbaren Liquiditätsbeitrag, sind aber von großer Bedeu- tung, um Unternehmen nach Überwindung der Krise eine schnelle Sanierung zu ermöglichen. Aktuell beschränkt § 10d Absatz 2 EStG den Ver- lustvortrag für 1 Mio. Euro übersteigende Verluste auf 60 Prozent des Gewinns der Folgejahre, das heißt, sobald das Unternehmen wieder Gewinne macht, müssten Steuern bezahlt werden, auch wenn in erheblichem Umfang Verluste aufgelau- fen sind. Damit fehlt in Höhe der Mindestbesteu- erung Liquidität. Die Mindestbesteuerung sollte mindestens für Verluste des Jahres 2020 ausgesetzt werden. Wird die Mindestbesteuerung nur für in 2020 und bis zur Überwindung der Krise entste- hende Verluste ausgesetzt, kann verhindert wer- den, dass sich auch in der Vergangenheit aufgelau- fene Verlustvorträge unbegrenzt auswirken. 4
Steuerliche Maßnahmen Änderungen bei der steuerlichen Gewinnermittlung für Unternehmen aus Anlass der Corona-Krise 5. Änderungen bei der steuerlichen Gewinnermittlung Zu erwägen sind schließlich Änderungen im Recht über den Verlustabzug, die Steuerzahllast des der steuerlichen Gewinnermittlung (wobei solche Steuerpflichtigen. Sie wirkt damit unmittelbar Maßnahmen am ehesten auf steuersystematische liquiditätsrelevant. Bedenken stoßen könnten): Die Möglichkeit, eine steuerfreie Rücklage noch für den Veranlagungszeitraum 2019 zu bilden, 5.1 Einführung einer würde entsprechend die Berechnungsgrundlage steuerfreien Rücklage für 2019 für die Festsetzung der Steuervorauszahlungen für 2020 mindern. Der Effekt wäre also ein doppel- Denkbar wäre zunächst, bereits für den Veranla- ter: liquiditätsschonend würden sowohl die Steu- gungszeitraum 2019 eine steuerfreie Rücklage zu erlast für 2019 als auch die Vorauszahlungslasten erlauben. Diese würde einerseits ähnlich der oben für 2020 reduziert. Ferner würde durch eine steu- beschriebenen Änderung beim Verlustrücktrag erfreie Rücklage schon für 2019 das Problem ent- wirken, böte andererseits bei der Ausgestaltung schärft, welches für die Praxis dadurch entstan- etwas größere Flexibilität. den ist, dass das Institut der Wirtschaftsprüfer die Corona-Pandemie als wertbegründendes neues 5.1.1 Zweck und Wirkungsweise von Ereignis eingeordnet hat, das erst in den Bilan- steuerfreien Rücklagen zen für das Geschäftsjahr 2020 zu berücksichti- gen sein soll. Diese Sichtweise wirkt faktisch über Steuerfreie Rücklagen sind gewinnmindernde den Maßgeblichkeitsgrundsatz gem. § 5 Abs 1 Satz Passivposten bei der steuerlichen Gewinnermitt- 1 EStG auch bei der steuerlichen Gewinnermitt- lung. Sie sind Instrumente der steuerlichen Len- lung. Zwar können Steuerpflichtige sich auf den kung für wirtschaftspolitische oder sonstige vom Standpunkt stellen, die IDW-Auslegung sei objek- Gesetzgeber als förderwürdig beurteilte außer- tiv unrichtig, und deshalb die Corona-Pandemie fiskalische Zwecke. Sie wirken auf die steuerliche auch bereits in den Abschlüssen für 2019 berück- Bemessungsgrundlage im Ergebnis wie Rückstel- sichtigen. Dann wären aber Konflikte mit dem lungen, setzen anders als diese aber keine unge- Abschlussprüfer und möglicherweise auch mit der wisse Außenverbindlichkeit gegenüber Dritten Finanzverwaltung vorprogrammiert. Die rück- i.S. des § 249 HGB voraus. Während deshalb Rück- wirkende Einführung einer steuerfreien Rücklage stellungen für allgemeine Verlustrisiken oder noch für 2019 würde diese Schwierigkeiten für die für Zwecke der allgemeinen Risikovorsorge nach Unternehmen lösen. § 249 HGB nicht gebildet werden dürfen, unter- liegen steuerfreie Rücklagen diesen Begrenzun- gen nicht, sondern können vom Gesetzgeber fle- xibel auch zur allgemeinen Risikovorsorge erlaubt werden. Die Bildung einer solchen steuerfreien Rücklage mindert den steuerbaren Gewinn oder vertieft einen steuerlichen Verlust und redu- ziert damit, im Verbund mit den Vorschriften 5
Änderungen bei der steuerlichen Gewinnermittlung Steuerliche Maßnahmen für Unternehmen aus Anlass der Corona-Krise 5.1.2 Bedingungen der steuerfreien Rücklage 5.1.3 Auflösung der steuerfreien Rücklage Die Bedingungen für die steuerfreie Rücklage und Die Rücklage wäre über einen vom Gesetzge- der Auflösungszeitraum wären vom Gesetzgeber ber zu bestimmenden Zeitraum mit umgekehr- zu bestimmen. Denkbar wäre z. B. die Dotierung ter Erfolgswirkung aufzulösen. Auch steuerfreie der Rücklage an den für 2020 erwarteten Verlust Rücklagen führen deshalb nicht zu einer end- zu knüpfen und diesen Verlust damit in 2019 vor- gültigen Steuerentlastung, sondern nur zu einer zuverlagern (und auf die Dauer der Auflösung der liquiditätsschonenden Steuerstundung. Der Auf- Rücklage zu verteilen). Der für 2020 zu erwartende lösungszeitraum könnte dabei z. B. auf fünf Jahre Verlust könnte auf der Grundlage eines Zwischen- festgelegt werden, um die durch die Corona-Pan- abschlusses oder aufgrund der Daten aus der in demie bedingten Verluste ausreichend zeitlich 2020 laufenden Buchführung geschätzt werden. abzufedern. Eine solche Regelung würde bewirken, dass die Unternehmen die Corona-Effekte steuerlich über 5.1.4 Corona-Krise als Legitimation die Laufzeit der Rücklage verteilen könnten. für zeitlich befristete steuerliche Lenkungsnormen Weitere Differenzierungen etwa nach der Art und Ursache der Verlustquellen wären zwar denkbar, Die Verlustverrechnung (oben Abschnitt 4.) ist praktische Erwägungen sprechen aber dagegen. Bestandteil einer leistungsfähigkeitsgerechten Die Neuregelung sollte möglichst einfach ausge- Besteuerung. Bei Maßnahmen zur Erleichterung staltet werden, um bürokratische Hürden zu ver- der Verlustverrechnung handelt es sich daher meiden und den administrativen Verwaltungs- nicht um Steuervergünstigungen. Demgegenüber aufwand zu minimieren. Perfektion anzustreben wäre die hier angedachte, zeitlich befristete steu- ist in Krisenzeiten möglicherweise schädlicher als erfreie Rücklage eine steuerliche Lenkungs- und schnelles, wenn auch imperfektes Handeln. Wenn Subventionsvorschrift, die im System der steuerli- durch ein breites Begünstigungsraster im Ergeb- chen Gewinnermittlung an sich ein Fremdkörper nis auch einige Unternehmen begünstigt würden, ist. Grundsätzlich steht der Beirat der Einführung deren Verluste nicht unmittelbar Corona-bedingt steuerlicher Subventionsnormen kritisch gegen- sind, so wäre das im Interesse der Verwaltungs- über. Das Recht der steuerlichen Gewinnermitt- vereinfachung und des überwiegend positiven lung sollte prinzipiell nicht für außersteuerrecht- Effekts auf die tatsächlich betroffenen Unterneh- liche Lenkungszwecke instrumentalisiert werden. men in Kauf zu nehmen. Die Corona-Krise rechtfertigt aber eine Abwei- Der Umstand, dass die handelsrechtlichen chung von dieser sonst gebotenen Dogmatik. Die Abschlüsse teilweise bereits festgestellt sind (vor Pandemie und ihre Auswirkungen sind ein dis- allem bei Kapitalmarktgesellschaften), stünde der ruptives exogenes Ereignis, das die Wirtschaft an rückwirkenden Einführung einer steuerfreien die Belastungsgrenzen führen wird. Die hier ange- Rücklage noch für den Veranlagungszeitraum dachte, zeitlich befristete steuerfreie Rücklage 2019 nicht entgegen. Steuerfreie Rücklagen sind schon für den Veranlagungszeitraum 2019 könnte Instrumente allein der steuerlichen Gewinner- etlichen Unternehmen in ihrer gegenwärtigen mittlung und haben deshalb keinerlei Auswirkun- Liquiditätskrise immerhin ein wenig Entlastung gen auf die handelsrechtliche Rechnungslegung. bringen. Das würde andere Hilfsmaßnahmen naturgemäß nicht überflüssig machen, könnte sie aber flankierend ergänzen. 6
Steuerliche Maßnahmen Änderungen bei der steuerlichen Gewinnermittlung für Unternehmen aus Anlass der Corona-Krise 5.2 Rückstellungen für drohende Rückstellungen für drohende Verluste aus schwe- Verluste aus schwebenden benden Geschäften werden in der Corona-Krise Geschäften zunehmend relevant. Sowohl mit Blick auf am Abschlussstichtag schwebende Absatz- als auch (§ 5 Abs. 4a Satz 1 EStG) auf schwebende Beschaffungsgeschäfte kann Gem. § 5 Abs. 4 Satz 1 EStG dürfen Rückstellungen die Corona-Pandemie die Bildung von Drohver- für drohende Verluste aus schwebenden Geschäf- lustrückstellungen erfordern1. Wenn diese bei der ten bei der steuerlichen Gewinnermittlung nicht steuerlichen Gewinnermittlung nicht berück- gebildet werden. Das widerspricht der für die Han- sichtigt werden, entstehen für die Steuerpflichti- delsbilanz zwingenden Passivierungspflicht gem. gen überhöhte Steuerlasten: Der zur Deckung der § 249 Abs. 1 Satz 1, 2. Fall HGB und durchbricht als Verluste erforderliche Betrag steht für den Steuer- sog. Steuervorbehalt den Grundsatz der Maßgeb- pflichtigen nicht zur Disposition, wird aber gleich- lichkeit der handelsrechtlichen GoB für die steu- wohl steuerlich belastet; die Berücksichtigung erliche Gewinnermittlung. dieser Last ist aufgeschoben bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Realisation des Verlusts. Das kann Hintergrund der steuerlichen Sondervorschrift sich krisenverschärfend auswirken. Das bisherige ist die Überlegung, drohende Verluste aus schwe- steuerliche Passivierungsverbot für diese Rück- benden Geschäften würden die Leistungsfähig- stellungen sollte deshalb überdacht werden. keit des Steuerpflichtigen am Stichtag noch nicht mindern. Das handelsrechtliche Imparitätsprin- zip sei für die steuerliche Gewinnermittlung nicht 5.3 Abzinsungssatz bei relevant. Dem objektiven Nettoprinzip sei genügt, Pensionsrückstellungen wenn Verluste steuerlich dann berücksichtigt (§ 6a EStG) würden, wenn sie sich realisieren und tatsächlich eintreten. Eine weitere denkbare Änderung, die sich zwar nicht unmittelbar mit der Corona-Krise begrün- Die Sondervorschrift des § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG den lässt, aber einen spürbaren Entlastungseffekt war seit ihrer Einführung (durch Art. 1 Nr. 2 des zugunsten der Unternehmen bewirken würde, Gesetzes zur Fortsetzung der UnternehmensStRe- betrifft die Abzinsung von Pensionsrückstellun- form v. 29.10.1997, BGBl. I 1997, 2590) rechtspoli- gen gem. § 6a EStG. Auch diese steuerliche Son- tisch sehr umstritten. Steuersystematisch wird dervorschrift wird bereits seit langem kritisiert, u. a. kritisiert, dass die sog. Drohverlustrückstel- u. a. weil der anzuwendende Abzinsungssatz von lungen nur ein Unterfall des Grundfalls der Rück- gegenwärtig 6 % dazu führt, dass die wirtschaft- stellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind. lich gegebene Belastungssituation steuerlich nicht Denn der für die Passivierung in Rede stehende realitätsgerecht abgebildet wird. Tatsächlich ent- Verpflichtungsüberschuss (Überschuss des Werts halten die Steuerbilanzen in der Position der Pen- der eigenen Verpflichtung gegenüber dem Wert sionsrückstellungen erhebliche stille Lasten. Eine des eigenen Anspruchs) beruht auf der Verpflich- realitätsgerechte Bewertung von Pensionsrück- tung aus dem schwebenden Vertrag. Es sei, so wird stellungen ist sinnvoll, weil die zur Bedienung die- kritisiert, deshalb systematisch unstimmig, den ser Verbindlichkeiten benötigten Mittel für den einen Anwendungsfall der Rückstellungen für Steuerpflichtigen nicht disponibel sind; es handelt ungewisse Verbindlichkeiten (§ 249 Abs. 1 Satz 1, Fall 1 HGB) auch bei der steuerlichen Gewinner- mittlung weiterhin zu erlauben, den anderen, sys- 1 Nämlich dann, wenn der Wert der vom Bilanzierenden aufgrund eines gegenseitigen Vertrags über die gesamte tematisch gleichrangigen Fall (§ 249 Abs. 1 Satz 1, Restlaufzeit des Vertrags zu erbringenden Leistung Fall 2 HGB) dagegen nicht. infolge der Corona-Krise hinter dem Wert seines Gegenleistungsanspruchs zurückbleibt (vgl. im Einzelnen IDW RS HFA 4). 7
Würdigung und Ausblick Steuerliche Maßnahmen für Unternehmen aus Anlass der Corona-Krise sich um Mittel, die für die Gläubigerbefriedigung Eine solche Änderung des § 6a EStG ließe sich frei- benötigt wird. lich, anders als die übrigen beschriebenen Maß- nahmen, praktisch wohl kaum sinnvoll als befris- Durch Absenkung des steuerlichen Abzinsungs- tete Regelung einführen, sondern wäre eine satzes für die Bewertung von Pensionsrückstellun- dauerhafte Änderung des Steuerbilanzrechts mit gen würde der Wertansatz der Pensionsrückstel- durchaus beachtlichen fiskalischen Auswirkun- lungen in den Steuerbilanzen gewinnmindernd gen2. Diese denkbare Maßnahme könnte deshalb steigen, mit den oben beschriebenen Effekten auf auch zunächst zurückgestellt werden, um die Vor- Steuerzahllasten und Liquidität. Administration und Nachteile sorgfältig und in Ruhe abzuwägen. und Abwicklung dieser Finanzierungshilfe wären Das gilt auch für die Frage, ob nicht die Nachzah- denkbar einfach und würden im Rahmen der lau- lungszinsen von 6 % generell den Marktbedingun- fenden Veranlagungen erfolgen. Zugleich würde gen angepasst werden sollten. dadurch ein Beitrag zur Wiederannäherung von Handels- und Steuerbilanz geleistet, die derzeit im Bereich der Rückstellungen stark voneinander abweichen (mit entsprechenden Rechtsanwen- dungskosten auf Seiten der Unternehmen). Eine solche Hilfsmaßnahme würde wahrscheinlich besonders die mittelständischen Unternehmen als Rückgrat der deutschen Wirtschaft erreichen, weil sie, insbes. in der Rechtsform der GmbH, häu- fig Pensionsverbindlichkeiten in ihren Büchern haben. 6. Würdigung und Ausblick Die vorgestellten Maßnahmen zeigen, dass eine Wenn die akute Phase der Krise überwunden ist, ganze Reihe konkreter steuerlicher Maßnahmen wird es dann auch darum gehen, die Investitions- ergriffen werden könnte, um die Liquidität von bedingungen für Unternehmen zu stärken, um Unternehmen in der gegenwärtigen schwierigen den Wiederaufschwung zu unterstützen. Hierbei wirtschaftlichen Lage kurzfristig zu stärken. Die sollten insbesondere ertragsunabhängige Besteu- dargestellten steuerlichen Instrumente können erungselemente einer Überprüfung unterzogen durchaus kumulativ verwendet werden. werden. 2 Nach Schätzungen (vgl. Geberth, ifst-Schrift 2015, Nr. 507, S. 20ff.) kostet jeder Prozentpunkt beim Abzinsungssatz gem. § 6a EStG für Pensionsrückstellungen rd. 10 Mrd. € Steueraufkommen. Das Entlastungspotential für die Wirtschaft, andererseits aber spiegelbildlich die fiskalischen Auswirkungen einer Änderung des § 6a EStG sind also groß. Ggf. könnte die Absenkung des Zinssatzes mittels Übergangsvorschriften zeitlich gestreckt werden, um die fiskalischen Auswirkungen beherrschbar zu gestalten. 8
Steuerliche Maßnahmen Verzeichnis für Unternehmen aus Anlass der Corona-Krise Verzeichnis der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen Prof. Marcel Thum (Vorsitzender) Dresden Prof. Jörg Rocholl (Stellv. Vorsitzender) Berlin Prof. Klaus Adam Mannheim Prof. Dieter Brümmerhoff Rostock Prof. Thiess Büttner Nürnberg-Erlangen Prof. Lars P. Feld Freiburg/Br. Prof. Lutz Fischer Hamburg Prof. Nicola Fuchs-Schündeln Frankfurt/M. Prof. Clemens Fuest München Prof. Klaus Dirk Henke Berlin Prof. Joachim Hennrichs Köln Prof. Johanna Hey Köln Prof. Bernd Friedrich Huber München Prof. Wolfgang Kitterer Köln Prof. Kai A. Konrad München Prof. Jan Pieter Krahnen Frankfurt/M. Prof. Alois Oberhauser Freiburg/Br. Prof. Andreas Peichl München Prof. Helga Pollak Göttingen Prof. Wolfram F. Richter Dortmund Prof. Nadine Riedel Münster Prof. Kerstin Roeder Augsburg Prof. Ronnie Schöb Berlin Prof. Ulrich Schreiber Mannheim Prof. Hartmut Söhn Passau Prof. Christoph Spengel Mannheim Prof. Klaus Stern Köln Prof. Christoph Trebesch Kiel Prof. Christian Waldhoff Berlin Prof. Alfons Weichenrieder Frankfurt/M Prof. Dietmar Wellisch Hamburg Prof. Wolfgang Wiegard Regensburg Prof. Volker Wieland Frankfurt/M. Prof. Berthold Wigger Karlsruhe Prof. Horst Zimmermann Marburg/Lahn Stand: 26.02.2020 9
Impressum Herausgeber Bundesministerium der Finanzen Referat L C 3 (Öffentlichkeitsarbeit) Wilhelmstraße 97, 10117 Berlin Stand Mai 2020 Redaktion Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen Weitere Informationen im Internet unter www.bundesfinanzministerium.de www.bundesfinanzministerium.de/wissenschaftlicher-beirat Zentraler Bestellservice Telefon: 03018 272 2721 Telefax: 03018 10 272 2721 E-Mail: publikationen@bundesregierung.de Bestellung über das Gebärdentelefon: gebaerdentelefon@sip.bundesregierung.de Diese Publikation wird von der Bundesregierung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. Die Publikation wird kostenlos abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen sowie für Wahlen zum Europäischen Parlament.
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