Elterngeld - Neuer Risikofaktor für Unternehmen
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Elterngeld – Neuer Risikofaktor für Unternehmen – Kurzfassung – Mit dem zum 1. Januar 2007 neu eingeführten El- ist, verhältnismäßig einfach dadurch senken, indem terngeld verfolgt der Gesetzgeber unter anderem ein Mann beschäftigt wurde, wird diese Strategie das Ziel, mehr Väter für eine Elternzeit zu begeis- in Zukunft an Bedeutung verlieren. Es ist zu er- tern. Bislang wurden die Auswirkungen des Eltern- warten, dass dieses veränderte Risikoumfeld einer- gelds insbesondere aus familienpolitischer Perspek- seits die Karrierechancen der Frauen verbessern tive betrachtet. Ziel dieses Beitrags ist es jedoch, und zu einer Verringerung der Lohnlücke zwischen die unternehmenspolitischen Folgen des Eltern- den Geschlechtern beitragen kann. Es ist jedoch gelds zu untersuchen. auch zu erwarten, dass sich die Risikosituation der Die Entwicklung der Elterngeldanträge im Jahr Unternehmen insgesamt verschlechtert und bei 2007 deutet darauf hin, dass zunehmend mehr Vä- gegebener Risikotragfähigkeit bisher tragbare Ri- ter von der Elternzeit Gebrauch machen. Dabei siken zukünftig nicht mehr eingegangen werden handelt es sich in mehr als der Hälfte der Fälle um können, was sich negativ auf die wirtschaftliche berufstätige Väter. Konnten Unternehmen in der Entwicklung auswirken könnte. Vergangenheit das Risiko, dass eine wichtige Po- sition im Unternehmen für einen längeren Zeit- Nicole Nulsch, Henry Dannenberg (Seite 4) raum aufgrund der Geburt eines Kindes unbesetzt IWH-Pressemitteilung 27/2008 1
Elterngeld – Neuer Risikofaktor für Unternehmen Ein wesentliches Ziel des zum 1. Januar 2007 neu durch den Ausfall wichtige Mitarbeitern (Schlüs- eingeführten Elterngelds als familienpolitische Maß- selpersonen) ist häufig eine bedeutende Gefahr und nahme besteht in einer Verbesserung der Verein- kann besonders für kleine und mittelständische Un- barkeit von Beruf und Familie. Die Neuregelung ternehmen ein existenzgefährdendes Risiko sein.5 soll Paaren die Familiengründung erleichtern und Das Risiko eines Unternehmens, dass ein Mitarbei- einen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung von Fa- ter aufgrund der Geburt eines Kindes für einen län- milien leisten.1 Außerdem soll insbesondere Aka- geren Zeitraum nicht zur Verfügung steht, betraf da- demikern und jungen Menschen ein Anreiz gebo- bei in der Vergangenheit primär Frauen, da Männer ten werden, sich (früher) für ein Kind zu entschei- kaum Elternzeit beantragten. den.2 Zusätzlich soll ein zeitigerer Wiedereinstieg Durch die Einführung des Elterngelds werden in das Berufsleben erreicht werden. Denn durch lange nun jedoch die Anreize für Männer erhöht, eine Erwerbsunterbrechungen vermindert sich das Lohn- Auszeit zu nehmen und sich der Erziehung ihrer niveau, wodurch die wirtschaftliche Selbstständig- Kinder zu widmen. Hierdurch verändert sich die keit des betreuenden Elternteils gefährdet ist.3 Mit Risikostruktur der Unternehmen. Konnten diese dem Elterngeld soll der aktuellen demographischen bisher ihre Risiken relativ einfach dadurch senken, Entwicklung mit ihrer Tendenz zu einer immer äl- indem sie Männer anstatt Frauen einstellten oder ter werdenden Gesellschaft entgegengewirkt wer- weiterbildeten, könnte diese Risikosenkungsstrate- den. Langfristig können so die sozialen Sicherungs- gie in Zukunft an Bedeutung verlieren. systeme stabilisiert werden. Aber auch die Ar- Im Folgenden sollen die Implikationen des El- beitskräfteverfügbarkeit der Zukunft und damit die terngelds aus dieser unternehmerischen Perspek- künftige volkswirtschaftliche Entwicklung hängen tive betrachtet werden. Es wird insbesondere un- maßgeblich von der Entwicklung der aktuellen tersucht, inwiefern sich durch die Einführung des Geburtenzahlen ab. Maßnahmen zur Erhöhung der Elterngelds und der Vätermonate das Mitarbeiter- Geburtenrate stellen somit wichtige Instrumente zur ausfallrisiko der Unternehmen bereits verändert hat Sicherung der Zukunft dar und weisen folglich ei- bzw. in Zukunft weiter ändern könnte. Es werden ne sehr hohe volkswirtschaftliche Bedeutung auf. mögliche Anpassungsstrategien der Unternehmen Während diese volkswirtschaftlichen Überle- diskutiert. Insbesondere werden Argumente entwi- gungen in der wissenschaftlichen und politischen ckelt, die dafür sprechen, dass sich die vielfach Diskussion einen breiten Raum einnehmen und noch beobachtbare Lohndifferenz zwischen Män- daher hier nicht weiter betrachtet werden sollen, nern und Frauen infolge der sich verändernden Ri- bleiben betriebswirtschaftliche Aspekte oft außen sikosituation verringern könnte. vor. Ein Erfolg des Elterngelds erhöht jedoch nicht nur die Geburtenrate, sondern auch die Wahr- Ursachen des Mitarbeiterausfallrisikos scheinlichkeit, dass Mitarbeiter aufgrund der Inan- Das Mitarbeiterausfallrisiko6 kann in die beiden Ri- spruchnahme von Elternzeit für einen längeren sikokomponenten „Wahrscheinlichkeit“ und „Scha- Zeitraum nicht zur Verfügung stehen. Besonders in einer Gesellschaft, in der das Wissen immer stär- Verlag: München, Wien 1998. – ZINGALES, L.: In Search ker an Bedeutung gewinnt, stellen Mitarbeiter zu- of New Foundations. The Journal of Finance, Vol. LV, No. 4, nehmend die wichtigste Ressource vieler Unterneh- 2000, pp. 1623 et sqq., beschreibt das Humankapital als den men dar.4 Der unerwartete Verlust von Humankapital entscheidenden Produktionsfaktor der Zukunft. 5 So haben Untersuchungen unter mittelständischen Unterneh- men in Sachsen ergeben, dass das Mitarbeiterausfallrisiko ei- 1 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Eltern- nes der bedeutendsten Risiken für diese Unternehmen dar- gelds. Bundestagsdrucksache 16/1889, S. 1. stellt. Vgl. BLUM, U.; LEIBBRAND, F.; GLEISSNER, W.: 2 Vgl. „Mehr als nur Geld.” Interview mit Renate Schmidt in Richtig gewichtet: Erkenntnisse aus dem Sachsen-Rating- Projekt, in: RiskNews 01/05, S. 31. In einer Modellrechnung der ZEIT vom 23.09.2004, http://www.zeit.de/2004/40/ von KALTENBORN, B.: Wirkung von Erziehungszeit und Interview_Schmidt?page=1, Zugriff am 16.06.2008. Erziehungsurlaub, in: Beiträge zur Wirtschaftsforschung und 3 Vgl. SPIESS, K.; WROHLICH, K.: Elterngeld: Kürzere Politikberatung, Beitrag Nr. 25, 2004, S. 48, wurden die jähr- Erwerbspausen von Müttern erwartet. DIW Wochenbericht lichen Kosten des Unternehmens pro Abgang eines Mit- Nr. 48/2006. arbeiters in die Elternzeit auf etwa 27 800 Euro beziffert. 4 Vgl. WETZKER, K.; STRÜVEN, P.; BILMES, L. J.: Gebt 6 Für eine ausführliche Analyse des Mitarbeiterausfallrisikos sie- uns das Risiko zurück, Strategien für mehr Arbeit. Carl Hanser he DANNENBERG, H.: Management von Mitarbeiterrisiken 2 IWH-Pressemitteilung 27/2008
den“ untergliedert werden.7 Die Wahrscheinlich- Der Ausfall von Mitarbeitern kann aus verschie- keit drückt aus Sicht des Unternehmens die Höhe denen Gründen Kosten verursachen. Beispielsweise der Gefahr aus, dass ein bestimmter Mitarbeiter verliert das Unternehmen einen Wissensträger. Das für einen längeren Zeitraum ausfällt. Die Ursachen verlorene Wissen muss ein neu eingestellter Mitar- für einen Ausfall können dabei verschiedener Na- beiter erst erwerben. Dafür können spezielle Aus- tur sein (z. B. Tod, Krankheit, Fluktuation, Eltern- bildungen erforderlich sein, für die Ressourcen zur zeit etc.). Die Höhe der Wahrscheinlichkeit hängt Verfügung zu stellen sind.9 Neu eingestellte Be- im Wesentlichen vom Mitarbeiter ab. So ist z. B. schäftigte sind zu Beginn ihrer Tätigkeit häufig auch die Wahrscheinlichkeit, in einem bestimmten Alter weniger produktiv.10 Das ist darauf zurückzufüh- zu sterben, für einen Raucher tendenziell höher als ren, dass sie erst ein bestimmtes Maß firmenspezi- für einen Nichtraucher.8 In geringerem Umfang kann fischen Humankapitals akquirieren müssen, um die aber auch ein Unternehmen Einfluss auf diese Wahr- Leistungsfähigkeit des ausgefallenen Mitarbeiters scheinlichkeit nehmen, indem es beispielsweise ein zu erlangen. Demnach kann auch der Output des Arbeitsumfeld schafft, das die Fluktuationsnei- Unternehmens infolge eines Ausfalls sinken. Es gung der Mitarbeiter reduziert. könnten zwar Kompensationsmaßnahmen eingeleitet Der Schaden, der einem Unternehmen durch den werden, um dies zu verhindern, dadurch würden Ausfall eines Mitarbeiters entsteht, hängt im We- jedoch wiederum Kosten entstehen. Der Mitarbei- sentlichen davon ab, wo dieser Mitarbeiter im Un- terverlust hat möglicherweise auch direkte Aus- ternehmen eingesetzt ist und welche Aufgaben er zu wirkungen auf die Kundenzufriedenheit.11 Aus die- erfüllen hat. Der Schaden besteht insbesondere in sem Grund könnten beispielsweise verstärkte An- Einbußen, die dadurch entstehen, dass bestimmte strengungen erforderlich werden, um einen Kunden Aufgaben nicht oder nur mit Verzögerungen erfüllt nicht zu verlieren. Die Suche nach einem geeigne- werden können. Die Schadenshöhe wird dabei von ten Ersatz des ausgefallenen Mitarbeiters erzeugt verschiedenen Faktoren determiniert. So können unter anderem auch Akquisekosten.12 Ausfälle in der Regel besser kompensiert werden, wenn sie sich langfristig ankündigen. Ist bekannt, dass ein Mitarbeiter das Unternehmen erst in drei Umgang mit dem Risiko auf Unternehmensebene Monaten verlässt, kann gegebenenfalls ein Kollege Ein Unternehmen muss sein Mitarbeiterausfallrisiko in dessen Aufgabengebiet eingearbeitet werden, wo- wie auch andere Unternehmensrisiken steuern, durch zumindest Schäden vermeidbar sind, die sich um die eigene Existenz nicht zu gefährden. Hierfür bei einem sofortigen Weggang ergeben würden. stehen verschiedene Strategien wie das Vermeiden, Auch die Art und Dauer des Ausfalls können Aus- Vermindern, Überwälzen und Tragen der Risiken wirkungen auf die Höhe des finanziellen Schadens zur Verfügung.13 Das Vermeiden eines Risikos be- haben. deutet, dass entweder die Wahrscheinlichkeit oder der Schaden auf null gesenkt werden können. Bei einer Verminderungsstrategie werden entweder die in Unternehmen – Theoretische Grundlagen und Entwicklung möglichen Konsequenzen oder die Wahrschein- eines praxistauglichen Erfassungs- und Auswertungsverfah- lichkeit eines Schadensereignisses gesenkt. Unter- rens. Dresden 2005, http://www.iwh.uni-halle.de/projects/ nehmen können Risiken aber auch auf Dritte über- ma_risiko/Management%20von%20Mitarbeiterrisiken%20in% 20Unternehmen.pdf, Zugriff am 28.02.2008. 7 Die Zeitschrift „Wirtschaft im Wandel“ beschäftigte sich in 9 Vgl. FLAMMANN, J.; SCHEIDELER, R.: Trainingsrendi- der Vergangenheit bereits in verschiedenen Zusammenhän- ten: So rechnet sich Personalentwicklung, in: Arbeit und gen mit der Bedeutung von Unternehmensrisiken, deren Arbeitsrecht, Heft 1/2004, S. 26 ff. Bewertung sowie mit deren Umgang (siehe z. B. 10 PHELPS, E. S.; HOON, H. T.; KANAGINIS, G.; ZOEGA, G.: DANNENBERG, H.: Sind Kreditoreneigenschaften als In- Structural Slumps – The Modern Equilibrium Theory of dikatoren zur Quantifizierung der Höhe des Forderungs- Unemployment, Interest, and Assets. Harvard University ausfallrisikos nutzbar?, in: IWH, Wirtschaft im Wandel Press: Cambridge, Massachusetts, London 1994, p. 23. 12/2005, S. 388-396. – DANNENBERG, H.; STEINAT, N.: 11 Vgl. MEIER, R.: Ärgerlich: Fluktuation von neuen Außen- Bußgeldgrenze schränkt Wirkung des europäischen Kar- tellrechts erheblich ein, in: IWH, Wirtschaft im Wandel dienstlern. Gedanken für Führungskräfte im Außendienst, 2/2008, S. 71-77). in: Versicherungswirtschaft Heft 18, 46. Jahrgang, 8 Die Wahrscheinlichkeit zu sterben ist beispielsweise für ei- 09/1991, S. 1157. 12 Vgl. FLAMMANN, J.; SCHEIDELER, R., a. a. O., S. 26 ff. nen 50-jährigen Raucher mehr als doppelt so hoch wie für einen gleichaltrigen Nichtraucher (vgl. DANNENBERG, H., 13 Vgl. ROMEIKE, F.: Lexikon Risiko-Management, Bank a. a. O., S. 48). Verlag: Köln 2004, S. 117. IWH-Pressemitteilung 27/2008 3
Tabelle 1: Anteil der männlichen Begünstigten am Erziehungsgeld - 2001 bis 2006 - Erziehungsgeld 2001 2002 2003 2004 2005 2006 Anteil der männlichen Be- 2,1% 2,4% 2,6% 2,7% 3,2% 5%a günstigten a Werte zur Anzahl der Erziehungsgeldanträge für 2006 wurden noch nicht bekanntgegeben, jedoch wurde im Rahmen der Einführung des Eltern- gelds ermittelt, dass bis zur Einführung des Elterngelds rund 5% der Väter Erziehungszeit nahmen. Vgl. Pressemitteilung des BMFSFJ vom 14.06.2006, http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Presse/pressemitteilungen,did=76728.html. Quelle: Statistisches Bundesamt 2008. tragen (überwälzen), indem sie beispielsweise Ver- destens 300 und maximal 1 800 Euro. Während das sicherungen abschließen. Außerdem besteht auch Erziehungsgeld für maximal zwei Jahre gezahlt die Möglichkeit, Risiken zu tragen, also für mög- wurde, wird das Elterngeld nur noch für maximal liche Schäden selbst aufzukommen. Für eine sol- zwölf Monate gezahlt. Bleibt auch der Partner che Strategie ist in der Regel Eigenkapital erfor- zwei Monate zu Hause, können zwei zusätzliche derlich. Eigenkapital muss vorgehalten werden, um Monate gewährt werden. Alleinerziehende bekom- auch unerwartet hohe Verluste zu decken, die nicht men diese zwei zusätzlichen Monate ebenfalls an- aus laufenden Gewinnen finanziert werden können. erkannt. Ob bei einem gegebenen Risikoumfeld vorhandene Mit der Zahlung dieser zwei Partnermonate zielt Risiken vermieden, gesenkt, überwälzt oder getragen der Gesetzgeber darauf ab, den Anteil von Män- werden sollten, hängt von den mit den jeweiligen nern, die eine Auszeit vom Beruf nehmen, zu er- Strategien verbundenen Aufwendungen beziehungs- höhen. Bereits die Reform des Bundeserziehungs- weise Kosten ab.14 Ändert sich das Risikoumfeld, geldgesetzes zum 01.01.2001 bezweckte, dass sich können bis dahin geeignete Strategien gegebenen- Väter vermehrt an der Kinderbetreuung beteiligen.16 falls durch alternative Strategien ersetzt werden. Immerhin stieg infolge dieser Reform der Anteil Durch die Einführung des Elterngelds wurde von Vätern, die sich um die Kinderbetreuung küm- durch die Politik das Risikoumfeld der Unterneh- mern, von 1,5% auf 5% im Jahr 2006 an (vgl. Ta- men verändert. In den folgenden Abschnitten wird belle 1).17 daher untersucht, welche Rückschlüsse aus der Entwicklung des Elterngeldbezugs im Jahr 2007 und 2008 auf das Mitarbeiterausfallrisiko von Un- Entwicklung des Mitarbeiterausfallrisikos infolge ternehmen gezogen werden können. der Elterngeldreform Seit der Einführung des Elterngelds im Jahr 2007 steigen die so genannten Vätermonate in ihrer Be- Ausgestaltung des Elterngelds liebtheit.18 Die aktuellen Zahlen des Statistischen Im September 2006 beschloss die Bundesregie- Bundesamts19 zum Elterngeld für das Jahr 2007 rung, das bis dahin gültige Erziehungsgeld durch zeigen, dass zunehmend Väter eine berufliche ein so genanntes Elterngeld zu ersetzen. Das El- Auszeit nehmen, um ihre Kinder zu betreuen. Lag terngeld löst das Erziehungsgeld mit dem Ziel ab, der Anteil von betreuenden Vätern vor der Einfüh- Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage zu unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um 16 Vgl. FENDRICH, S. et al.: Erziehungsgeld und Elternzeit. die Betreuung ihrer Kinder kümmern und durch Bericht des Jahres 2003. Dortmund 2005, S. 5. die Erwerbsunterbrechung somit ein Einkommen 17 Vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 14/3553, S. 2, auch wegfallen würde. Während das Erziehungsgeld VASKOVICS, L.; ROST, H.: Väter und Erziehungsurlaub, maximal 300 Euro im Monat betrug,15 erhalten El- Stuttgart 1999, und BUNDESTAGSDRUCKSACHE tern ab 2007 eine Elterngeldleistung in Höhe von 16/1889, S. 1. 67% des vorherigen Nettoeinkommens, jedoch min- 18 Siehe auch Bericht im SPIEGEL: Vätermonate immer be- liebter, 28.02.2008, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ 0,1518,538265,00.html, Zugriff am 28.02.2008. 14 Wobei auch entgangene Chancen zu berücksichtigen sind. 19 STATISTISCHES BUNDESAMT: Öffentliche Sozialleis- 15 Entschieden sich die Eltern allerdings für die Budgetvariante, tung: Statistik zum Elterngeld – Elterngeld für Geburten erhielten sie zwölf Monate lang ein Erziehungsgeld in Höhe 2007 – Anträge Januar 2007 bis März 2008. Statistisches von 450 Euro. Bundesamt: Wiesbaden 2008. 4 IWH-Pressemitteilung 27/2008
rung des Elterngelds noch bei 5%,20 so ist er für wurde (§2 Abs. 1 BEEG), sondern es steht auch El- im vergangenen Jahr geborene Kinder auf 12,1% tern ohne vorheriges Erwerbseinkommen (beispiels- angestiegen (vgl. Tabelle 2). Von 719 621 bewil- weise Studenten) ein Mindestbetrag in Höhe von ligten Anträgen entfielen somit 87 379 auf Männer. 300 Euro je Monat zu (§2 Abs. 5 BEEG). Für Ge- ringverdiener steigt zudem die Bemessungsgrund- Tabelle 2: lage je nach Einkommen auf bis zu 100% (§2 Elterngeldanträge für 2007 geborene Kindera Abs. 2 BEEG). Außerdem kann ein so genannter Anzahl in % Geschwisterbonus gewährt werden (je nach Alter der Geschwisterkinder, vgl. §2 Abs. 4 BEEG). Auch Insgesamt 719 621 100,0 bei Mehrlingsgeburten erhöht sich das Elterngeld Männer 87 379 12,1 (§2 Abs. 6 BEEG). Frauen 632 242 87,9 a Die Anzahl der Elterngeldanträge bezieht sich in der gesamten Un- Abbildung 1: tersuchung auf die Anzahl der bewilligten Anträge. Anteil der männlichen Begünstigten 2007 bis 2008 Quelle: Statistisches Bundesamt 2008. für im Jahr 2007 geborene Kinder - in % - Werden die Zahlen der Anträge für alle Quar- 20 tale einzeln betrachtet, zeigt sich ein deutlicher 18 18,5 Anstieg der Anzahl männlicher Begünstigter. 16 Stellten im ersten Quartal 2007 bundesweit nur 14 12,4 3 985 Männer einen Antrag auf Elterngeld, waren 12 10,7 es im ersten Quartal 2008 bereits 27 367. Der An- 9,3 10 teil männlicher Begünstigter stieg damit von 6,8% 6,8 8 im ersten Quartal des Jahres 2007 auf 18,5% im 6 ersten Quartal 2008. Hier ist jedoch zu beachten, 1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal 1. Quartal 2007 2007 2007 2007 2008 dass Väter vermehrt in den späteren Lebensmona- ten (13. und 14. Lebensmonat des Kindes) Eltern- IWH zeit und Elterngeld beantragen und die Zahl der Quellen: Statistisches Bundesamt 2008; Berechnungen des IWH. Anträge von Müttern für 2007 geborene Kinder rückläufig ist, da sie ihre Anträge zu einem we- Es zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwi- sentlich früheren Zeitpunkt stellten (vgl. Tabelle 3 schen Männern und Frauen hinsichtlich der ge- und Abbildung 1). setzlichen Grundlage, auf der für im Jahr 2007 ge- Für Unternehmen bedeutet diese politisch ge- borene Kinder Elterngeld gewährt wurde. Während wünschte Entwicklung einen Anstieg der Ausfall- bei den Männern 60% Elterngeld als Ersatz für ein wahrscheinlichkeit männlicher Mitarbeiter, da diese Erwerbseinkommen und 21% aufgrund eines redu- vermehrt Elternzeit in Anspruch nehmen und da- zierten Einkommens bezogen, sind es bei den mit dem Arbeitgeber für einen gewissen Zeitraum Frauen nur 28% beziehungsweise 4%. Entspre- nicht zur Verfügung stehen. Der Anstieg der Vä- chend zeigt sich, dass 51% der Frauen den Min- termonate und somit das zunehmende Ausfallri- destbetrag erhielten, da sie vor der Geburt über kein siko eines männlichen Mitarbeiters wird besonders oder nur ein sehr geringes Erwerbseinkommen ver- deutlich, wenn die Bezugsgrundlagen des Eltern- fügten. Bei den Männern sind hingegen nur 26% gelds betrachtet werden. Diese lassen Rückschlüsse dieser Gruppe zuzuordnen (vgl. Tabelle 4). In den zu, ob ein Bezieher vor der Geburt des Kindes einer Fällen, in denen Elterngeld als Ersatz für Erwerbs- Berufstätigkeit nachging. Das Bundeselterngeld- einkommen beziehungsweise für eine Einkommens- gesetz (BEEG) sieht vor, dass Elterngeld nicht nur reduzierung gezahlt wurde – und damit für die aus dann gezahlt wird, wenn in den zwölf Kalendermo- Risikosicht der Unternehmen relevanten Fälle –, er- naten vor der Geburt ein Erwerbseinkommen erzielt reichen Männer also bereits einen Anteil von 26,1% der bewilligten Elterngeldanträge. Anders ausge- drückt bedeutet das, dass Unternehmen inzwischen 20 Vgl. Pressemitteilung des BMFSFJ vom 14.06.2006, jede vierte Elternzeit einem männlichen Mitarbeiter http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Presse/p ressemitteilungen,did=76728.html, Zugriff am 28.02.2008, gewähren müssen. sowie Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Eltern- Durch den Anstieg des Anteils der Männer, die gelds, BUNDESTAGSDRUCKSACHE 16/1889 vom Elterngeld erhalten, steigt auch deren Ausfallhäu- 20.06.2006. IWH-Pressemitteilung 27/2008 5
Tabelle 3: Elterngeldanträge für 2007 geborene Kinder je Quartal 1. Quartal 2007 2. Quartal 2007 3. Quartal 2007 4. Quartal 2007 1. Quartal 2008 Insgesamt 58 417 141 298 187 240 184 456 148 210 Männer 3 985 13 073 20 082 22 872 27 367 Frauen 54 432 128 225 167 158 161 584 120 843 Quellen: Statistisches Bundesamt 2008; Berechnungen des IWH. Tabelle 4: Elterngeldanträge nach Bezugsgrundlagea Grundlage des Elterngelds Anzahl Geschlecht Elterngeld- Ersatz von Reduzierung des Ein- Mindestbetrag anträge insgesamt Erwerbseinkommen kommens §2 Abs. 5 BEEG §2 Abs. 1 BEEG §2 Abs. 3 BEEG Insgesamt 719 621 228 948 31,8% 42 425 5,9% 342 376 47,6% Männlich 87 379 52 657 60,3% 18 215 20,9% 23 070 26,4% Weiblich 632 242 176 291 27,9% 24 210 3,8% 319 306 50,5% a In der Tabelle sind Mehrfachnennungen möglich. Quelle: Statistisches Bundesamt 2008. Tabelle 5: Bezugsdauer des Elterngelds im Jahr 2007 Bezugsdauer des Elterngelds (in Monaten) Geschlecht Gesamt 1 2 3 4 5 6 7 Männlich 87 379 1 504 54 768 2 822 2 113 1 464 2 647 2 112 in % 100 1,7 62,7 3,2 2,4 1,7 3,0 2,4 Weiblich 632 242 767 6 268 3 084 3 122 2 992 4 915 4 944 in % 100 0,1 1,0 0,5 0,5 0,5 0,8 0,8 Bezugsdauer des Elterngelds (in Monaten) Geschlecht Gesamt 8 9 10 11 12 13 14 Männlich 87 379 1 364 1 227 1 910 2 463 12 893 6 86 in % 100 1,6 1,4 2,2 2,8 14,8 0,0 0,1 Weiblich 632 242 5 192 5 195 15 150 17 341 550 705 1 045 11 522 in % 100 0,8 0,8 2,4 2,7 87,1 0,2 1,8 Quelle: Statistisches Bundesamt 2008. figkeit in den Unternehmen. Die Höhe des Risikos ziehenden 14 Monate gezahlt wird.21 Da jedoch wird wie oben beschrieben neben der Ausfallwahr- 85,1% der Männer weniger als zwölf Monate El- scheinlichkeit maßgeblich auch durch den damit terngeld in Anspruch nehmen und 64,4% der Män- verbundenen Schaden determiniert. Hier kann fest- ner maximal zwei Monate beantragen, ist es nahe- gestellt werden, dass Männer mit durchschnittlich liegend, dass nur ein geringer Anteil der Männer 4,5 Monaten deutlich kürzer Elterngeld beziehen länger als ein Jahr zu Hause bleibt. Bei den Frauen als Frauen (11,6 Monate). Die Bezugsdauer des El- nutzen hingegen 89% die maximal mögliche Be- terngelds macht allerdings unter Umständen nur zugsdauer. Es ist daher zu erwarten, dass hier ein einen Teil der möglichen Elternzeit aus. Eltern ha- nicht unbedeutender Teil für die Kindererziehung ben die Möglichkeit, sich bis zu drei Jahre vom Arbeitgeber freistellen zu lassen, während Eltern- 21 Die Bezugsdauer kann auch verdoppelt werden, wenn der geld maximal zwölf beziehungsweise bei Alleiner- Auszahlungsbetrag halbiert wird. 6 IWH-Pressemitteilung 27/2008
Tabelle 6: Elterngeldanträge nach Altersgruppe im Jahr 2007 Männer Frauen Altersgruppe Anzahl Anteil in % Anzahl Anteil in % Insgesamt 87 379 100,0 632 242 100,0 unter 20 Jahre 215 0,2 20 498 3,2 20 bis 25 Jahre 2 946 3,4 95 961 15,2 25 bis 30 Jahre 13 103 15,0 189 430 30,0 30 bis 35 Jahre 25 975 29,7 189 939 30,0 35 bis 40 Jahre 27 139 31,1 112 611 17,8 40 bis 45 Jahre 13 088 15,0 22 753 3,6 45 Jahre und älter 4 913 5,6 1 050 0,2 Durchschnittsaltera 35,3 Jahre 30,3 Jahre a Das Durchschnittsalter wurde bestimmt, indem die Summe aus dem Produkt der jeweiligen Klassenmitte und dem Anteil der Begünstigten errech- net wurde. Für die Klasse der über 45-Jährigen wurde ein Mittelwert von 47,5 Jahren angenommen. Quellen: Statistisches Bundesamt 2008; Berechnungen des IWH. Tabelle 7: Höhe des monatlichen Elterngelds im Jahr 2007 Männer Frauen Höhe des Elterngelds Anzahl Anteil in % Kumuliert, in % Anzahl Anteil in % Kumuliert, in % Insgesamt 87 379 100,0 632 242 100,0 unter 300 Euro 18 153 20,8 20,8 204 634 32,4 32,4 300 bis 500 Euro 7 873 9,0 29,8 159 016 25,2 57,5 500 bis 750 Euro 9 801 11,2 41,0 110 417 17,5 75,0 750 bis 1 000 Euro 11 737 13,4 54,4 72 402 11,5 86,4 1 000 bis 1 250 Euro 12 424 14,2 68,7 40 205 6,4 92,8 1 250 bis 1 500 Euro 8 883 10,2 78,8 18 116 2,9 95,7 1 500 bis 1 800 Euro 7 420 8,5 87,3 15 023 2,4 98,0 über 1 800 Euro 11 088 12,7 100,0 12 429 2,0 100,0 Quelle: Statistisches Bundesamt 2008. auch länger als ein Jahr die Berufstätigkeit ruhen Diese Vermutung wird bei einer differenzierten lässt (vgl. Tabelle 5). Betrachtung der Höhe des Elterngelds in Abhängig- Männer kehren demnach im Mittel schneller keit vom Geschlecht verstärkt. Während rund 30% wieder in ihren Beruf zurück, wodurch mögliche der Männer weniger als 500 Euro Elterngeld be- Konsequenzen für die Unternehmen reduziert wer- ziehen, sind es bei den Frauen bereits knapp 58%, den. Es kann allerdings auch festgestellt werden, die diese Grenze nicht überschreiten. Mehr als dass Männer durchschnittlich etwa fünf Jahre älter 1 500 Euro Elterngeld bekommen dagegen bei den sind als Frauen, wenn sie Elterngeld beantragen. Männern rund 21% der begünstigten Antragsteller, Während die Mehrheit der männlichen Begünstig- bei den Frauen sind es nur 4% (vgl. Tabelle 7). Da ten (60,8%) zwischen 30 und 40 Jahre alt ist, ist sich das Elterngeld am erzielten Einkommen orien- die Mehrheit der weiblichen Begünstigten (60%) tiert, ist zu vermuten, dass ein Unternehmen durch zwischen 25 und 35 Jahre alt, also fünf Jahre jün- die Elternzeit eines Mannes im Mittel höhere Auf- ger (vgl. Tabelle 6). Männer stehen somit bereits wendungen im Verhältnis zur Länge der Auszeit länger im Berufsleben als Frauen, wenn sie Eltern- zu tragen hat als bei der einer Frau. Der wirtschaft- zeit nehmen. Wird unterstellt, dass mit zunehmen- liche Schaden, der einem Unternehmen durch die der Berufserfahrung das Humankapital einer Per- Auszeit eines Vaters bezogen auf die Länge des son und damit deren Wert für ein Unternehmen Ausfalls entsteht, ist demzufolge vermutlich deut- steigt, sind die Konsequenzen der Elternzeit eines lich höher als bei einer Frau. Mannes im Mittel schwerwiegender für Unterneh- men als die der Elternzeit einer Frau. IWH-Pressemitteilung 27/2008 7
Mögliche Reaktionen der Unternehmen auf die kation und ausgeübter Tätigkeit für ein Unterneh- veränderte Risikosituation men geringer sein könnte als bei einem Mann. Hinzu kommt, dass wie oben dargestellt gegebenenfalls Wie oben dargestellt können die Risikostrategien Eigenkapital vorzuhalten ist, um das Risiko eines von Unternehmen in vier Kategorien (Vermeiden, Mitarbeiterausfalls tragen zu können. Ein geringe- Vermindern, Überwälzen und Tragen) zusammen- rer erwarteter Ertrag des Beschäftigungsverhältnis- gefasst werden. Die Vorteilhaftigkeit einer Strate- ses verbunden mit höheren Eigenkapitalkosten wür- gie hängt dabei von den mit ihr verbundenen Auf- de aus Unternehmenssicht eine Verdienstdifferenz wendungen beziehungsweise Chancen ab. Im Fol- zwischen Männern und Frauen bei gleicher Quali- genden werden mögliche Konsequenzen der ver- fikation und ausgeübter Tätigkeit demnach recht- änderten Risikosituation der Unternehmen für die fertigen. Wahl der geeigneten Risikostrategie diskutiert. Insbesondere die Geburt eines Kindes führt In Deutschland und in Europa können nach wie häufig zu einem langfristigen Ausfall der Mütter. vor zum Teil deutliche Verdienstunterschiede zwi- In der Vergangenheit konnten Unternehmen dieses schen Männern und Frauen auch bei gleicher Qua- Risiko verhältnismäßig einfach senken, indem sie lifikation und ausgeübter Tätigkeit beobachtet wer- einen Mann anstatt einer Frau eingestellt oder mit den. So zeigt eine Statistik der EU-Kommission, risikobehafteten Aufgaben betraut haben. Damit dass fast überall in Europa die Erwerbseinkommen kann auch eine Erklärung dafür geliefert werden, von Arbeitnehmerinnen deutlich unter denen ihrer warum Frauen weniger offensiv verhandeln können männlichen Kollegen liegen.22 So verdienen bei- als Männer. Da eine junge Frau häufig nicht ein- spielsweise Bankkauffrauen im Durchschnitt 21% schätzen kann, ob und in welchem Umfang die weniger als ihre männlichen Kollegen, Graphik- Möglichkeit einer Mutterschaft ihre Einstellungs- designerinnen sogar 28,9% weniger. Eine aktuelle beziehungsweise Karrierechancen tangiert, wird sie Studie des DIW zeigt, dass gut 60% der Lohnlücke darüber Erwartungen bilden und entsprechend we- zwischen Männern und Frauen nicht auf die dort niger offensiv verhandeln als ein Mann. betrachteten Merkmale, wie z. B. Bildung, Berufs- Durch die Einführung des Elterngelds werden erfahrung oder die Anzahl der Kinder, zurückzu- sich die geschlechtsspezifischen Risiken annähern. führen sind. Vielmehr sind hier laut DIW institu- Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann zur Erzie- tionelle und kulturelle Rahmenbedingungen ursäch- hung seiner Kinder ein Arbeitsverhältnis ruhen lässt, lich, „die sich in diskriminierend wirkenden Me- hat sich deutlich erhöht. Damit hat sich auch das chanismen auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen Risiko der Unternehmen erhöht, dass ein männ- können.“23 Häufig verhandeln Frauen weniger offen- licher Mitarbeiter ausfällt. Das sollte sich in der siv als Männer, wofür sich verschiedene Gründe Nutzung möglicher Risikostrategien widerspie- benennen lassen.24 geln. Das heißt, die Aufwendungen, die ein Unter- Es ist zu vermuten, dass ein Teil der vom DIW nehmen dadurch einsparen kann, indem es einen nicht erklärten Lohnlücke auf geschlechtsspezifi- Mann anstelle einer Frau beschäftigt, haben sich sche Risiken zurückzuführen ist. Insbesondere das reduziert. Langfristig sollte sich durch ein Anglei- Mitarbeiterausfallrisiko muss vom Unternehmen ge- chen der Risiken auch die Lohnlücke zwischen tragen werden. Bleiben Frauen also beispielsweise Männern und Frauen zumindest teilweise schließen. häufiger zu Hause, um kranke Kinder zu pflegen, Hinzu kommt, dass es auch Ziel der Politik war, können sie im Mittel weniger erwirtschaften als Frauen schneller in den Arbeitsmarkt und damit in ein Mann. Das heißt, dass der erwartete Ertrag aus ihre Unternehmen zu re-integrieren. Gelingt dies, der Beschäftigung einer Frau bei gleicher Qualifi- können die mit einem Ausfall einer Mitarbeiterin verbundenen Konsequenzen für Unternehmen und 22 Vgl. EU-KOMMISSION: Bericht zur Gleichstellung von damit Risiken reduziert werden. Dies sollte eben- Frauen und Männern 2008. Brüssel 2008, http://ec.europa. eu/employment_social/gender_equality/docs/com_2008_00 falls zu einer Verkleinerung der Lohnlücke beitra- 10_de.pdf, Zugriff am 12.03.2008. gen. 23 Vgl. BUSCH, A.; HOLST, E.: Verdienstdifferenzen zwi- Dieser Zusammenhang wirkt natürlich in erster schen Frauen und Männern nur teilweise durch Struktur- Linie bei jungen Frauen, da mit zunehmendem Alter merkmale zu erklären. DIW Wochenbericht Nr. 15/2008, die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der S. 184 ff. Elternzeit abnimmt. Jedoch sind auch nachhaltige 24 Vgl. DIE ZEIT: Gleiche Leistung, weniger Lohn, vom Auswirkungen möglich. So kann die Fortbildung 07.03.2008, http://www.zeit.de/online/2008/10/interview- frauen-gehaltscoach?from=rss, Zugriff am 25.03.2008. eines Mitarbeiters aus Unternehmenssicht weniger 8 IWH-Pressemitteilung 27/2008
risikobehaftet sein als die einer Mitarbeiterin. Aus erwartet darüber hinaus, dass der Anteil der Väter, diesem Grund können Männer gegebenenfalls die Elternzeit in Anspruch nehmen, auf 27% im schneller Karriere machen und somit langfristig Jahr 2009 steigen wird.25 Damit wird sich das Aus- auch ein höheres Einkommen erzielen. Auch diese fallrisiko von männlichen Mitarbeitern noch weiter Ungleichbehandlung kann durch die Reform des erhöhen und dem der Frauen annähern. Derzeit Elterngelds gemildert werden. Das bedeutet, auf- entfallen 26,1% der Anträge, in denen Elterngeld grund der sich angleichenden Risiken zwischen aufgrund der Minderung oder des Verzichts auf den Geschlechtern sollten sich auch die Karriere- Erwerbseinkommen genehmigt wird, auf Männer. chancen von Frauen verbessern. Erhöht sich der Anteil der Männer, die Elternzeit Für die Risikosituation der Unternehmen ist al- in Anspruch nehmen, auf 27%, ist zu vermuten, lerdings zu vermuten, dass sie sich durch die Re- dass – aktuell beobachtbare Verhältnisse gegeben – form verschlechtert. Es werden in Zukunft deutlich im Jahr 2009 infolge der Geburt von Kindern etwa mehr Väter die Elternzeit nutzen, wodurch sich die die Hälfte der Mitarbeiterausfälle Männer betrifft. Risiken der Unternehmen erhöhen. Insbesondere Auch wenn die Fehlzeiten der Männer deutlich die Tatsache, dass Männer bereits deutlich älter sind kürzer sind als die der Frauen, wird die Elternzeit als Frauen, wenn sie Erziehungszeiten nutzen, und der Männer damit ein relevantes Risiko für eine damit ein größerer Wert Humankapital ausfällt, Vielzahl von Unternehmen darstellen. wirkt sich risikoerhöhend aus. Bei gegebener Risiko- Da beide Geschlechter gleichermaßen von Kin- tragfähigkeit bedeutet das, dass Unternehmen ge- dern profitieren, kann die Risikoverschiebung eine gebenenfalls andere Risiken (Investitionen) redu- Gleichberechtigung von Männern und Frauen be- zieren müssen und damit wirtschaftliche Chancen günstigen. Es lässt sich aber nicht ausschließen, nicht wahrgenommen werden können. Ein Teil der dass sich die Risikoposition der Unternehmen durch mit der Risikotragung verbundenen Aufwendungen diese Maßnahme insgesamt verschlechtert. In die- der Unternehmen wird auf die Männer überwälzt sem Fall wäre daher mit negativen Auswirkungen werden, die ihr höheres Risiko vermutlich mit ei- auf die wirtschaftliche Entwicklung zu rechnen. ner – im Vergleich zu Frauen – durchschnittlich Gleichzeitig birgt eine stärkere Beteiligung von schwächeren Lohnentwicklung bezahlen müssen Frauen aber ebenso Chancen für Unternehmen, (Reduktion der Lohnlücke). Das bedeutet, dass auch bzw. insbesondere wenn diese Führungsposi- Unternehmen unter Umständen durch die Reform tionen innehaben. So belegen Studien, dass eine aufgrund der Überwälzung zwar keine Ertragsein- stärker gemischte Belegschaft für den Erfolg von bußen haben, aber dennoch wirtschaftlich sinn- Unternehmen positiv sein kann.26 Auch ist zu be- volle Projekte aufgrund der begrenzten Risikotrag- rücksichtigen, dass es ein wesentliches Ziel der Po- fähigkeit nicht durchgeführt werden können. Die litik ist, durch das Elterngeld die Geburtenrate zu Höhe der Auswirkungen hängt also davon ab, wie erhöhen. Es ist daher zu vermuten, dass langfristig schnell die Unternehmen ihr Eigenkapital an die die positiven Effekte, die sich aus einer höheren veränderte Situation anpassen können und welche Geburtenrate für die Volkswirtschaft ergeben, die Renditen für dieses zusätzliche Kapital gefordert negativen Auswirkungen aufgrund der Risikover- werden. schiebung kompensieren können. 5icole 5ulsch Ausblick (5icole.5ulsch@iwh-halle.de) Das von der Großen Koalition eingeführte Eltern- Henry Dannenberg geld trägt dazu bei, Risiken, die bisher in erster (Henry.Dannenberg@iwh-halle.de Linie die Verhandlungspositionen von Frauen schwächte, auch auf Männer zu übertragen. Durch 25 Vgl. Pressemitteilung des BMFSFJ vom 14.06.2006, die Einführung des Elterngelds hat sich der Anteil a. a. O. der Männer, die für die Erziehung ihrer Kinder eine 26 Vgl. u. a. FENWICK, G. D.; NEAL, D. J.: Effect of Gen- Auszeit nehmen, von 5% im Jahr 2006 auf 12,1% der Composition on Group Performance, in: Gender, Work für im Jahr 2007 geborene Kinder bereits mehr als and Organization, Vol. 8. No. 2, April 2001, pp. 205-225. verdoppelt. Dabei ist zu erwarten, dass sich dieser – Bezüglich positiver Effekte gemischter Teams im ge- Anteil noch weiter erhöhen wird, da Männer ten- hobenen Management vgl. u. a. ERHARDT, N. et al.: denziell eher in den späteren Lebensmonaten ihrer Board of Director Diversity and Firm Financial Perform- ance, in: Corporate Governance, Vol. 11, No. 2, April Kinder Elterngeld beantragen. Die Bundesregierung 2003, pp. 102-111. IWH-Pressemitteilung 27/2008 9
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