Elterngeld - Neuer Risikofaktor für Unternehmen

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Elterngeld – Neuer Risikofaktor für Unternehmen
                                             – Kurzfassung –

Mit dem zum 1. Januar 2007 neu eingeführten El-        ist, verhältnismäßig einfach dadurch senken, indem
terngeld verfolgt der Gesetzgeber unter anderem        ein Mann beschäftigt wurde, wird diese Strategie
das Ziel, mehr Väter für eine Elternzeit zu begeis-    in Zukunft an Bedeutung verlieren. Es ist zu er-
tern. Bislang wurden die Auswirkungen des Eltern-      warten, dass dieses veränderte Risikoumfeld einer-
gelds insbesondere aus familienpolitischer Perspek-    seits die Karrierechancen der Frauen verbessern
tive betrachtet. Ziel dieses Beitrags ist es jedoch,   und zu einer Verringerung der Lohnlücke zwischen
die unternehmenspolitischen Folgen des Eltern-         den Geschlechtern beitragen kann. Es ist jedoch
gelds zu untersuchen.                                  auch zu erwarten, dass sich die Risikosituation der
    Die Entwicklung der Elterngeldanträge im Jahr      Unternehmen insgesamt verschlechtert und bei
2007 deutet darauf hin, dass zunehmend mehr Vä-        gegebener Risikotragfähigkeit bisher tragbare Ri-
ter von der Elternzeit Gebrauch machen. Dabei          siken zukünftig nicht mehr eingegangen werden
handelt es sich in mehr als der Hälfte der Fälle um    können, was sich negativ auf die wirtschaftliche
berufstätige Väter. Konnten Unternehmen in der         Entwicklung auswirken könnte.
Vergangenheit das Risiko, dass eine wichtige Po-
sition im Unternehmen für einen längeren Zeit-                 Nicole Nulsch, Henry Dannenberg (Seite 4)
raum aufgrund der Geburt eines Kindes unbesetzt

IWH-Pressemitteilung 27/2008                                                                            1
Elterngeld – Neuer Risikofaktor für Unternehmen
Ein wesentliches Ziel des zum 1. Januar 2007 neu                     durch den Ausfall wichtige Mitarbeitern (Schlüs-
eingeführten Elterngelds als familienpolitische Maß-                 selpersonen) ist häufig eine bedeutende Gefahr und
nahme besteht in einer Verbesserung der Verein-                      kann besonders für kleine und mittelständische Un-
barkeit von Beruf und Familie. Die Neuregelung                       ternehmen ein existenzgefährdendes Risiko sein.5
soll Paaren die Familiengründung erleichtern und                     Das Risiko eines Unternehmens, dass ein Mitarbei-
einen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung von Fa-                     ter aufgrund der Geburt eines Kindes für einen län-
milien leisten.1 Außerdem soll insbesondere Aka-                     geren Zeitraum nicht zur Verfügung steht, betraf da-
demikern und jungen Menschen ein Anreiz gebo-                        bei in der Vergangenheit primär Frauen, da Männer
ten werden, sich (früher) für ein Kind zu entschei-                  kaum Elternzeit beantragten.
den.2 Zusätzlich soll ein zeitigerer Wiedereinstieg                      Durch die Einführung des Elterngelds werden
in das Berufsleben erreicht werden. Denn durch lange                 nun jedoch die Anreize für Männer erhöht, eine
Erwerbsunterbrechungen vermindert sich das Lohn-                     Auszeit zu nehmen und sich der Erziehung ihrer
niveau, wodurch die wirtschaftliche Selbstständig-                   Kinder zu widmen. Hierdurch verändert sich die
keit des betreuenden Elternteils gefährdet ist.3 Mit                 Risikostruktur der Unternehmen. Konnten diese
dem Elterngeld soll der aktuellen demographischen                    bisher ihre Risiken relativ einfach dadurch senken,
Entwicklung mit ihrer Tendenz zu einer immer äl-                     indem sie Männer anstatt Frauen einstellten oder
ter werdenden Gesellschaft entgegengewirkt wer-                      weiterbildeten, könnte diese Risikosenkungsstrate-
den. Langfristig können so die sozialen Sicherungs-                  gie in Zukunft an Bedeutung verlieren.
systeme stabilisiert werden. Aber auch die Ar-                           Im Folgenden sollen die Implikationen des El-
beitskräfteverfügbarkeit der Zukunft und damit die                   terngelds aus dieser unternehmerischen Perspek-
künftige volkswirtschaftliche Entwicklung hängen                     tive betrachtet werden. Es wird insbesondere un-
maßgeblich von der Entwicklung der aktuellen                         tersucht, inwiefern sich durch die Einführung des
Geburtenzahlen ab. Maßnahmen zur Erhöhung der                        Elterngelds und der Vätermonate das Mitarbeiter-
Geburtenrate stellen somit wichtige Instrumente zur                  ausfallrisiko der Unternehmen bereits verändert hat
Sicherung der Zukunft dar und weisen folglich ei-                    bzw. in Zukunft weiter ändern könnte. Es werden
ne sehr hohe volkswirtschaftliche Bedeutung auf.                     mögliche Anpassungsstrategien der Unternehmen
    Während diese volkswirtschaftlichen Überle-                      diskutiert. Insbesondere werden Argumente entwi-
gungen in der wissenschaftlichen und politischen                     ckelt, die dafür sprechen, dass sich die vielfach
Diskussion einen breiten Raum einnehmen und                          noch beobachtbare Lohndifferenz zwischen Män-
daher hier nicht weiter betrachtet werden sollen,                    nern und Frauen infolge der sich verändernden Ri-
bleiben betriebswirtschaftliche Aspekte oft außen                    sikosituation verringern könnte.
vor. Ein Erfolg des Elterngelds erhöht jedoch nicht
nur die Geburtenrate, sondern auch die Wahr-                         Ursachen des Mitarbeiterausfallrisikos
scheinlichkeit, dass Mitarbeiter aufgrund der Inan-
                                                                     Das Mitarbeiterausfallrisiko6 kann in die beiden Ri-
spruchnahme von Elternzeit für einen längeren
                                                                     sikokomponenten „Wahrscheinlichkeit“ und „Scha-
Zeitraum nicht zur Verfügung stehen. Besonders in
einer Gesellschaft, in der das Wissen immer stär-
                                                                        Verlag: München, Wien 1998. – ZINGALES, L.: In Search
ker an Bedeutung gewinnt, stellen Mitarbeiter zu-                       of New Foundations. The Journal of Finance, Vol. LV, No. 4,
nehmend die wichtigste Ressource vieler Unterneh-                       2000, pp. 1623 et sqq., beschreibt das Humankapital als den
men dar.4 Der unerwartete Verlust von Humankapital                      entscheidenden Produktionsfaktor der Zukunft.
                                                                     5 So haben Untersuchungen unter mittelständischen Unterneh-
                                                                        men in Sachsen ergeben, dass das Mitarbeiterausfallrisiko ei-
1 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Eltern-                nes der bedeutendsten Risiken für diese Unternehmen dar-
    gelds. Bundestagsdrucksache 16/1889, S. 1.                          stellt. Vgl. BLUM, U.; LEIBBRAND, F.; GLEISSNER, W.:
2 Vgl. „Mehr als nur Geld.” Interview mit Renate Schmidt in             Richtig gewichtet: Erkenntnisse aus dem Sachsen-Rating-
                                                                        Projekt, in: RiskNews 01/05, S. 31. In einer Modellrechnung
    der ZEIT vom 23.09.2004, http://www.zeit.de/2004/40/                von KALTENBORN, B.: Wirkung von Erziehungszeit und
    Interview_Schmidt?page=1, Zugriff am 16.06.2008.                    Erziehungsurlaub, in: Beiträge zur Wirtschaftsforschung und
3 Vgl. SPIESS, K.; WROHLICH, K.: Elterngeld: Kürzere                    Politikberatung, Beitrag Nr. 25, 2004, S. 48, wurden die jähr-
    Erwerbspausen von Müttern erwartet. DIW Wochenbericht               lichen Kosten des Unternehmens pro Abgang eines Mit-
    Nr. 48/2006.                                                        arbeiters in die Elternzeit auf etwa 27 800 Euro beziffert.
4 Vgl. WETZKER, K.; STRÜVEN, P.; BILMES, L. J.: Gebt                 6 Für eine ausführliche Analyse des Mitarbeiterausfallrisikos sie-
    uns das Risiko zurück, Strategien für mehr Arbeit. Carl Hanser      he DANNENBERG, H.: Management von Mitarbeiterrisiken

2                                                                                                  IWH-Pressemitteilung 27/2008
den“ untergliedert werden.7 Die Wahrscheinlich-                      Der Ausfall von Mitarbeitern kann aus verschie-
keit drückt aus Sicht des Unternehmens die Höhe                  denen Gründen Kosten verursachen. Beispielsweise
der Gefahr aus, dass ein bestimmter Mitarbeiter                  verliert das Unternehmen einen Wissensträger. Das
für einen längeren Zeitraum ausfällt. Die Ursachen               verlorene Wissen muss ein neu eingestellter Mitar-
für einen Ausfall können dabei verschiedener Na-                 beiter erst erwerben. Dafür können spezielle Aus-
tur sein (z. B. Tod, Krankheit, Fluktuation, Eltern-             bildungen erforderlich sein, für die Ressourcen zur
zeit etc.). Die Höhe der Wahrscheinlichkeit hängt                Verfügung zu stellen sind.9 Neu eingestellte Be-
im Wesentlichen vom Mitarbeiter ab. So ist z. B.                 schäftigte sind zu Beginn ihrer Tätigkeit häufig auch
die Wahrscheinlichkeit, in einem bestimmten Alter                weniger produktiv.10 Das ist darauf zurückzufüh-
zu sterben, für einen Raucher tendenziell höher als              ren, dass sie erst ein bestimmtes Maß firmenspezi-
für einen Nichtraucher.8 In geringerem Umfang kann               fischen Humankapitals akquirieren müssen, um die
aber auch ein Unternehmen Einfluss auf diese Wahr-               Leistungsfähigkeit des ausgefallenen Mitarbeiters
scheinlichkeit nehmen, indem es beispielsweise ein               zu erlangen. Demnach kann auch der Output des
Arbeitsumfeld schafft, das die Fluktuationsnei-                  Unternehmens infolge eines Ausfalls sinken. Es
gung der Mitarbeiter reduziert.                                  könnten zwar Kompensationsmaßnahmen eingeleitet
    Der Schaden, der einem Unternehmen durch den                 werden, um dies zu verhindern, dadurch würden
Ausfall eines Mitarbeiters entsteht, hängt im We-                jedoch wiederum Kosten entstehen. Der Mitarbei-
sentlichen davon ab, wo dieser Mitarbeiter im Un-                terverlust hat möglicherweise auch direkte Aus-
ternehmen eingesetzt ist und welche Aufgaben er zu               wirkungen auf die Kundenzufriedenheit.11 Aus die-
erfüllen hat. Der Schaden besteht insbesondere in                sem Grund könnten beispielsweise verstärkte An-
Einbußen, die dadurch entstehen, dass bestimmte                  strengungen erforderlich werden, um einen Kunden
Aufgaben nicht oder nur mit Verzögerungen erfüllt                nicht zu verlieren. Die Suche nach einem geeigne-
werden können. Die Schadenshöhe wird dabei von                   ten Ersatz des ausgefallenen Mitarbeiters erzeugt
verschiedenen Faktoren determiniert. So können                   unter anderem auch Akquisekosten.12
Ausfälle in der Regel besser kompensiert werden,
wenn sie sich langfristig ankündigen. Ist bekannt,
dass ein Mitarbeiter das Unternehmen erst in drei                Umgang mit dem Risiko auf Unternehmensebene
Monaten verlässt, kann gegebenenfalls ein Kollege                Ein Unternehmen muss sein Mitarbeiterausfallrisiko
in dessen Aufgabengebiet eingearbeitet werden, wo-               wie auch andere Unternehmensrisiken steuern,
durch zumindest Schäden vermeidbar sind, die sich                um die eigene Existenz nicht zu gefährden. Hierfür
bei einem sofortigen Weggang ergeben würden.                     stehen verschiedene Strategien wie das Vermeiden,
Auch die Art und Dauer des Ausfalls können Aus-                  Vermindern, Überwälzen und Tragen der Risiken
wirkungen auf die Höhe des finanziellen Schadens                 zur Verfügung.13 Das Vermeiden eines Risikos be-
haben.                                                           deutet, dass entweder die Wahrscheinlichkeit oder
                                                                 der Schaden auf null gesenkt werden können. Bei
                                                                 einer Verminderungsstrategie werden entweder die
   in Unternehmen – Theoretische Grundlagen und Entwicklung      möglichen Konsequenzen oder die Wahrschein-
   eines praxistauglichen Erfassungs- und Auswertungsverfah-     lichkeit eines Schadensereignisses gesenkt. Unter-
   rens. Dresden 2005, http://www.iwh.uni-halle.de/projects/     nehmen können Risiken aber auch auf Dritte über-
   ma_risiko/Management%20von%20Mitarbeiterrisiken%20in%
   20Unternehmen.pdf, Zugriff am 28.02.2008.
7 Die Zeitschrift „Wirtschaft im Wandel“ beschäftigte sich in    9 Vgl. FLAMMANN, J.; SCHEIDELER, R.: Trainingsrendi-
   der Vergangenheit bereits in verschiedenen Zusammenhän-         ten: So rechnet sich Personalentwicklung, in: Arbeit und
   gen mit der Bedeutung von Unternehmensrisiken, deren            Arbeitsrecht, Heft 1/2004, S. 26 ff.
   Bewertung sowie mit deren Umgang (siehe z. B.                 10 PHELPS, E. S.; HOON, H. T.; KANAGINIS, G.; ZOEGA, G.:
   DANNENBERG, H.: Sind Kreditoreneigenschaften als In-            Structural Slumps – The Modern Equilibrium Theory of
   dikatoren zur Quantifizierung der Höhe des Forderungs-          Unemployment, Interest, and Assets. Harvard University
   ausfallrisikos nutzbar?, in: IWH, Wirtschaft im Wandel          Press: Cambridge, Massachusetts, London 1994, p. 23.
   12/2005, S. 388-396. – DANNENBERG, H.; STEINAT, N.:           11 Vgl. MEIER, R.: Ärgerlich: Fluktuation von neuen Außen-
   Bußgeldgrenze schränkt Wirkung des europäischen Kar-
   tellrechts erheblich ein, in: IWH, Wirtschaft im Wandel         dienstlern. Gedanken für Führungskräfte im Außendienst,
   2/2008, S. 71-77).                                              in: Versicherungswirtschaft Heft 18, 46. Jahrgang,
8 Die Wahrscheinlichkeit zu sterben ist beispielsweise für ei-
                                                                   09/1991, S. 1157.
                                                                 12 Vgl. FLAMMANN, J.; SCHEIDELER, R., a. a. O., S. 26 ff.
   nen 50-jährigen Raucher mehr als doppelt so hoch wie für
   einen gleichaltrigen Nichtraucher (vgl. DANNENBERG, H.,       13 Vgl. ROMEIKE, F.: Lexikon Risiko-Management, Bank
   a. a. O., S. 48).                                               Verlag: Köln 2004, S. 117.

IWH-Pressemitteilung 27/2008                                                                                             3
Tabelle 1:
Anteil der männlichen Begünstigten am Erziehungsgeld
- 2001 bis 2006 -
    Erziehungsgeld                        2001             2002           2003             2004              2005             2006
    Anteil der männlichen Be-
                                          2,1%            2,4%            2,6%             2,7%              3,2%             5%a
    günstigten
a
 Werte zur Anzahl der Erziehungsgeldanträge für 2006 wurden noch nicht bekanntgegeben, jedoch wurde im Rahmen der Einführung des Eltern-
gelds ermittelt, dass bis zur Einführung des Elterngelds rund 5% der Väter Erziehungszeit nahmen. Vgl. Pressemitteilung des BMFSFJ vom
14.06.2006, http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Presse/pressemitteilungen,did=76728.html.
Quelle: Statistisches Bundesamt 2008.

tragen (überwälzen), indem sie beispielsweise Ver-                     destens 300 und maximal 1 800 Euro. Während das
sicherungen abschließen. Außerdem besteht auch                         Erziehungsgeld für maximal zwei Jahre gezahlt
die Möglichkeit, Risiken zu tragen, also für mög-                      wurde, wird das Elterngeld nur noch für maximal
liche Schäden selbst aufzukommen. Für eine sol-                        zwölf Monate gezahlt. Bleibt auch der Partner
che Strategie ist in der Regel Eigenkapital erfor-                     zwei Monate zu Hause, können zwei zusätzliche
derlich. Eigenkapital muss vorgehalten werden, um                      Monate gewährt werden. Alleinerziehende bekom-
auch unerwartet hohe Verluste zu decken, die nicht                     men diese zwei zusätzlichen Monate ebenfalls an-
aus laufenden Gewinnen finanziert werden können.                       erkannt.
Ob bei einem gegebenen Risikoumfeld vorhandene                            Mit der Zahlung dieser zwei Partnermonate zielt
Risiken vermieden, gesenkt, überwälzt oder getragen                    der Gesetzgeber darauf ab, den Anteil von Män-
werden sollten, hängt von den mit den jeweiligen                       nern, die eine Auszeit vom Beruf nehmen, zu er-
Strategien verbundenen Aufwendungen beziehungs-                        höhen. Bereits die Reform des Bundeserziehungs-
weise Kosten ab.14 Ändert sich das Risikoumfeld,                       geldgesetzes zum 01.01.2001 bezweckte, dass sich
können bis dahin geeignete Strategien gegebenen-                       Väter vermehrt an der Kinderbetreuung beteiligen.16
falls durch alternative Strategien ersetzt werden.                     Immerhin stieg infolge dieser Reform der Anteil
    Durch die Einführung des Elterngelds wurde                         von Vätern, die sich um die Kinderbetreuung küm-
durch die Politik das Risikoumfeld der Unterneh-                       mern, von 1,5% auf 5% im Jahr 2006 an (vgl. Ta-
men verändert. In den folgenden Abschnitten wird                       belle 1).17
daher untersucht, welche Rückschlüsse aus der
Entwicklung des Elterngeldbezugs im Jahr 2007
und 2008 auf das Mitarbeiterausfallrisiko von Un-                      Entwicklung des Mitarbeiterausfallrisikos infolge
ternehmen gezogen werden können.                                       der Elterngeldreform
                                                                       Seit der Einführung des Elterngelds im Jahr 2007
                                                                       steigen die so genannten Vätermonate in ihrer Be-
Ausgestaltung des Elterngelds
                                                                       liebtheit.18 Die aktuellen Zahlen des Statistischen
Im September 2006 beschloss die Bundesregie-                           Bundesamts19 zum Elterngeld für das Jahr 2007
rung, das bis dahin gültige Erziehungsgeld durch                       zeigen, dass zunehmend Väter eine berufliche
ein so genanntes Elterngeld zu ersetzen. Das El-                       Auszeit nehmen, um ihre Kinder zu betreuen. Lag
terngeld löst das Erziehungsgeld mit dem Ziel ab,                      der Anteil von betreuenden Vätern vor der Einfüh-
Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage
zu unterstützen, wenn sich die Eltern vorrangig um
                                                                       16 Vgl. FENDRICH, S. et al.: Erziehungsgeld und Elternzeit.
die Betreuung ihrer Kinder kümmern und durch
                                                                           Bericht des Jahres 2003. Dortmund 2005, S. 5.
die Erwerbsunterbrechung somit ein Einkommen                           17 Vgl. BUNDESTAGSDRUCKSACHE 14/3553, S. 2, auch
wegfallen würde. Während das Erziehungsgeld
                                                                           VASKOVICS, L.; ROST, H.: Väter und Erziehungsurlaub,
maximal 300 Euro im Monat betrug,15 erhalten El-                           Stuttgart 1999, und BUNDESTAGSDRUCKSACHE
tern ab 2007 eine Elterngeldleistung in Höhe von                           16/1889, S. 1.
67% des vorherigen Nettoeinkommens, jedoch min-                        18 Siehe auch Bericht im SPIEGEL: Vätermonate immer be-
                                                                           liebter, 28.02.2008, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/
                                                                           0,1518,538265,00.html, Zugriff am 28.02.2008.
14 Wobei auch entgangene Chancen zu berücksichtigen sind.              19 STATISTISCHES BUNDESAMT: Öffentliche Sozialleis-
15 Entschieden sich die Eltern allerdings für die Budgetvariante,          tung: Statistik zum Elterngeld – Elterngeld für Geburten
     erhielten sie zwölf Monate lang ein Erziehungsgeld in Höhe            2007 – Anträge Januar 2007 bis März 2008. Statistisches
     von 450 Euro.                                                         Bundesamt: Wiesbaden 2008.

4                                                                                                    IWH-Pressemitteilung 27/2008
rung des Elterngelds noch bei 5%,20 so ist er für                     wurde (§2 Abs. 1 BEEG), sondern es steht auch El-
im vergangenen Jahr geborene Kinder auf 12,1%                         tern ohne vorheriges Erwerbseinkommen (beispiels-
angestiegen (vgl. Tabelle 2). Von 719 621 bewil-                      weise Studenten) ein Mindestbetrag in Höhe von
ligten Anträgen entfielen somit 87 379 auf Männer.                    300 Euro je Monat zu (§2 Abs. 5 BEEG). Für Ge-
                                                                      ringverdiener steigt zudem die Bemessungsgrund-
Tabelle 2:                                                            lage je nach Einkommen auf bis zu 100% (§2
Elterngeldanträge für 2007 geborene Kindera                           Abs. 2 BEEG). Außerdem kann ein so genannter
                               Anzahl                 in %            Geschwisterbonus gewährt werden (je nach Alter
                                                                      der Geschwisterkinder, vgl. §2 Abs. 4 BEEG). Auch
    Insgesamt                  719 621               100,0
                                                                      bei Mehrlingsgeburten erhöht sich das Elterngeld
    Männer                      87 379                12,1
                                                                      (§2 Abs. 6 BEEG).
    Frauen                     632 242                87,9
a
  Die Anzahl der Elterngeldanträge bezieht sich in der gesamten Un-   Abbildung 1:
tersuchung auf die Anzahl der bewilligten Anträge.                    Anteil der männlichen Begünstigten 2007 bis 2008
Quelle: Statistisches Bundesamt 2008.                                 für im Jahr 2007 geborene Kinder
                                                                      - in % -
    Werden die Zahlen der Anträge für alle Quar-
                                                                         20
tale einzeln betrachtet, zeigt sich ein deutlicher
                                                                         18                                                              18,5
Anstieg der Anzahl männlicher Begünstigter.
                                                                         16
Stellten im ersten Quartal 2007 bundesweit nur
                                                                         14                                            12,4
3 985 Männer einen Antrag auf Elterngeld, waren
                                                                         12                               10,7
es im ersten Quartal 2008 bereits 27 367. Der An-                                             9,3
                                                                         10
teil männlicher Begünstigter stieg damit von 6,8%                                6,8
                                                                          8
im ersten Quartal des Jahres 2007 auf 18,5% im
                                                                          6
ersten Quartal 2008. Hier ist jedoch zu beachten,                             1. Quartal   2. Quartal   3. Quartal   4. Quartal   1. Quartal
                                                                                 2007         2007         2007         2007         2008
dass Väter vermehrt in den späteren Lebensmona-
ten (13. und 14. Lebensmonat des Kindes) Eltern-                                                                                           IWH
zeit und Elterngeld beantragen und die Zahl der                       Quellen: Statistisches Bundesamt 2008; Berechnungen des IWH.
Anträge von Müttern für 2007 geborene Kinder
rückläufig ist, da sie ihre Anträge zu einem we-                          Es zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwi-
sentlich früheren Zeitpunkt stellten (vgl. Tabelle 3                  schen Männern und Frauen hinsichtlich der ge-
und Abbildung 1).                                                     setzlichen Grundlage, auf der für im Jahr 2007 ge-
    Für Unternehmen bedeutet diese politisch ge-                      borene Kinder Elterngeld gewährt wurde. Während
wünschte Entwicklung einen Anstieg der Ausfall-                       bei den Männern 60% Elterngeld als Ersatz für ein
wahrscheinlichkeit männlicher Mitarbeiter, da diese                   Erwerbseinkommen und 21% aufgrund eines redu-
vermehrt Elternzeit in Anspruch nehmen und da-                        zierten Einkommens bezogen, sind es bei den
mit dem Arbeitgeber für einen gewissen Zeitraum                       Frauen nur 28% beziehungsweise 4%. Entspre-
nicht zur Verfügung stehen. Der Anstieg der Vä-                       chend zeigt sich, dass 51% der Frauen den Min-
termonate und somit das zunehmende Ausfallri-                         destbetrag erhielten, da sie vor der Geburt über kein
siko eines männlichen Mitarbeiters wird besonders                     oder nur ein sehr geringes Erwerbseinkommen ver-
deutlich, wenn die Bezugsgrundlagen des Eltern-                       fügten. Bei den Männern sind hingegen nur 26%
gelds betrachtet werden. Diese lassen Rückschlüsse                    dieser Gruppe zuzuordnen (vgl. Tabelle 4). In den
zu, ob ein Bezieher vor der Geburt des Kindes einer                   Fällen, in denen Elterngeld als Ersatz für Erwerbs-
Berufstätigkeit nachging. Das Bundeselterngeld-                       einkommen beziehungsweise für eine Einkommens-
gesetz (BEEG) sieht vor, dass Elterngeld nicht nur                    reduzierung gezahlt wurde – und damit für die aus
dann gezahlt wird, wenn in den zwölf Kalendermo-                      Risikosicht der Unternehmen relevanten Fälle –, er-
naten vor der Geburt ein Erwerbseinkommen erzielt                     reichen Männer also bereits einen Anteil von 26,1%
                                                                      der bewilligten Elterngeldanträge. Anders ausge-
                                                                      drückt bedeutet das, dass Unternehmen inzwischen
20 Vgl. Pressemitteilung des BMFSFJ vom 14.06.2006,
                                                                      jede vierte Elternzeit einem männlichen Mitarbeiter
     http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Presse/p
     ressemitteilungen,did=76728.html, Zugriff am 28.02.2008,         gewähren müssen.
     sowie Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Eltern-              Durch den Anstieg des Anteils der Männer, die
     gelds, BUNDESTAGSDRUCKSACHE 16/1889 vom                          Elterngeld erhalten, steigt auch deren Ausfallhäu-
     20.06.2006.

IWH-Pressemitteilung 27/2008                                                                                                                    5
Tabelle 3:
Elterngeldanträge für 2007 geborene Kinder je Quartal
                     1. Quartal 2007             2. Quartal 2007      3. Quartal 2007            4. Quartal 2007            1. Quartal 2008
    Insgesamt            58 417                      141 298              187 240                   184 456                    148 210
    Männer                 3 985                      13 073                  20 082                 22 872                     27 367
    Frauen               54 432                      128 225              167 158                   161 584                    120 843
Quellen: Statistisches Bundesamt 2008; Berechnungen des IWH.

Tabelle 4:
Elterngeldanträge nach Bezugsgrundlagea
                                                                                   Grundlage des Elterngelds
                                  Anzahl
    Geschlecht                  Elterngeld-                  Ersatz von                Reduzierung des Ein-
                                                                                                                       Mindestbetrag
                             anträge insgesamt           Erwerbseinkommen                   kommens
                                                                                                                      §2 Abs. 5 BEEG
                                                          §2 Abs. 1 BEEG                 §2 Abs. 3 BEEG
    Insgesamt                      719 621              228 948      31,8%             42 425        5,9%          342 376          47,6%
    Männlich                        87 379               52 657      60,3%             18 215       20,9%           23 070          26,4%
    Weiblich                       632 242              176 291      27,9%             24 210        3,8%          319 306          50,5%
a
    In der Tabelle sind Mehrfachnennungen möglich.
Quelle: Statistisches Bundesamt 2008.

Tabelle 5:
Bezugsdauer des Elterngelds im Jahr 2007
                                                                   Bezugsdauer des Elterngelds (in Monaten)
    Geschlecht           Gesamt
                                             1                 2        3                 4            5              6                  7
    Männlich             87 379          1 504            54 768      2 822             2 113        1 464           2 647           2 112
    in %                   100             1,7             62,7         3,2              2,4           1,7            3,0             2,4
    Weiblich             632 242          767             6 268       3 084             3 122        2 992           4 915           4 944
    in %                   100             0,1             1,0          0,5              0,5           0,5            0,8             0,8

                                                                   Bezugsdauer des Elterngelds (in Monaten)
    Geschlecht           Gesamt
                                             8                 9        10               11            12             13              14
    Männlich             87 379          1 364            1 227       1 910             2 463        12 893           6               86
    in %                   100             1,6             1,4          2,2              2,8          14,8            0,0             0,1
    Weiblich             632 242         5 192            5 195       15 150           17 341       550 705          1 045          11 522
    in %                   100             0,8             0,8          2,4              2,7          87,1            0,2             1,8
Quelle: Statistisches Bundesamt 2008.

figkeit in den Unternehmen. Die Höhe des Risikos                              ziehenden 14 Monate gezahlt wird.21 Da jedoch
wird wie oben beschrieben neben der Ausfallwahr-                              85,1% der Männer weniger als zwölf Monate El-
scheinlichkeit maßgeblich auch durch den damit                                terngeld in Anspruch nehmen und 64,4% der Män-
verbundenen Schaden determiniert. Hier kann fest-                             ner maximal zwei Monate beantragen, ist es nahe-
gestellt werden, dass Männer mit durchschnittlich                             liegend, dass nur ein geringer Anteil der Männer
4,5 Monaten deutlich kürzer Elterngeld beziehen                               länger als ein Jahr zu Hause bleibt. Bei den Frauen
als Frauen (11,6 Monate). Die Bezugsdauer des El-                             nutzen hingegen 89% die maximal mögliche Be-
terngelds macht allerdings unter Umständen nur                                zugsdauer. Es ist daher zu erwarten, dass hier ein
einen Teil der möglichen Elternzeit aus. Eltern ha-                           nicht unbedeutender Teil für die Kindererziehung
ben die Möglichkeit, sich bis zu drei Jahre vom
Arbeitgeber freistellen zu lassen, während Eltern-                            21 Die Bezugsdauer kann auch verdoppelt werden, wenn der
geld maximal zwölf beziehungsweise bei Alleiner-                                Auszahlungsbetrag halbiert wird.

6                                                                                                            IWH-Pressemitteilung 27/2008
Tabelle 6:
Elterngeldanträge nach Altersgruppe im Jahr 2007
                                                           Männer                                             Frauen
    Altersgruppe
                                               Anzahl                  Anteil in %                Anzahl                 Anteil in %
    Insgesamt                                  87 379                    100,0                    632 242                  100,0
    unter 20 Jahre                                215                       0,2                    20 498                     3,2
    20 bis 25 Jahre                             2 946                       3,4                    95 961                   15,2
    25 bis 30 Jahre                            13 103                     15,0                    189 430                   30,0
    30 bis 35 Jahre                            25 975                     29,7                    189 939                   30,0
     35 bis 40 Jahre                           27 139                     31,1                    112 611                   17,8
    40 bis 45 Jahre                            13 088                     15,0                     22 753                     3,6
    45 Jahre und älter                          4 913                       5,6                     1 050                     0,2
    Durchschnittsaltera                                   35,3 Jahre                                        30,3 Jahre
a
 Das Durchschnittsalter wurde bestimmt, indem die Summe aus dem Produkt der jeweiligen Klassenmitte und dem Anteil der Begünstigten errech-
net wurde. Für die Klasse der über 45-Jährigen wurde ein Mittelwert von 47,5 Jahren angenommen.
Quellen: Statistisches Bundesamt 2008; Berechnungen des IWH.

Tabelle 7:
Höhe des monatlichen Elterngelds im Jahr 2007
                                                  Männer                                                  Frauen
    Höhe des Elterngelds
                                 Anzahl         Anteil in %     Kumuliert, in %         Anzahl          Anteil in %      Kumuliert, in %
    Insgesamt                    87 379           100,0                                 632 242            100,0
    unter 300 Euro               18 153             20,8              20,8              204 634             32,4              32,4
    300 bis 500 Euro              7 873              9,0              29,8              159 016             25,2              57,5
    500 bis 750 Euro              9 801             11,2              41,0              110 417             17,5              75,0
    750 bis 1 000 Euro           11 737             13,4              54,4               72 402             11,5              86,4
    1 000 bis 1 250 Euro         12 424             14,2              68,7               40 205               6,4             92,8
    1 250 bis 1 500 Euro          8 883             10,2              78,8               18 116               2,9             95,7
    1 500 bis 1 800 Euro          7 420              8,5              87,3               15 023               2,4             98,0
    über 1 800 Euro              11 088             12,7             100,0               12 429               2,0            100,0
Quelle: Statistisches Bundesamt 2008.

auch länger als ein Jahr die Berufstätigkeit ruhen                           Diese Vermutung wird bei einer differenzierten
lässt (vgl. Tabelle 5).                                                  Betrachtung der Höhe des Elterngelds in Abhängig-
    Männer kehren demnach im Mittel schneller                            keit vom Geschlecht verstärkt. Während rund 30%
wieder in ihren Beruf zurück, wodurch mögliche                           der Männer weniger als 500 Euro Elterngeld be-
Konsequenzen für die Unternehmen reduziert wer-                          ziehen, sind es bei den Frauen bereits knapp 58%,
den. Es kann allerdings auch festgestellt werden,                        die diese Grenze nicht überschreiten. Mehr als
dass Männer durchschnittlich etwa fünf Jahre älter                       1 500 Euro Elterngeld bekommen dagegen bei den
sind als Frauen, wenn sie Elterngeld beantragen.                         Männern rund 21% der begünstigten Antragsteller,
Während die Mehrheit der männlichen Begünstig-                           bei den Frauen sind es nur 4% (vgl. Tabelle 7). Da
ten (60,8%) zwischen 30 und 40 Jahre alt ist, ist                        sich das Elterngeld am erzielten Einkommen orien-
die Mehrheit der weiblichen Begünstigten (60%)                           tiert, ist zu vermuten, dass ein Unternehmen durch
zwischen 25 und 35 Jahre alt, also fünf Jahre jün-                       die Elternzeit eines Mannes im Mittel höhere Auf-
ger (vgl. Tabelle 6). Männer stehen somit bereits                        wendungen im Verhältnis zur Länge der Auszeit
länger im Berufsleben als Frauen, wenn sie Eltern-                       zu tragen hat als bei der einer Frau. Der wirtschaft-
zeit nehmen. Wird unterstellt, dass mit zunehmen-                        liche Schaden, der einem Unternehmen durch die
der Berufserfahrung das Humankapital einer Per-                          Auszeit eines Vaters bezogen auf die Länge des
son und damit deren Wert für ein Unternehmen                             Ausfalls entsteht, ist demzufolge vermutlich deut-
steigt, sind die Konsequenzen der Elternzeit eines                       lich höher als bei einer Frau.
Mannes im Mittel schwerwiegender für Unterneh-
men als die der Elternzeit einer Frau.

IWH-Pressemitteilung 27/2008                                                                                                               7
Mögliche Reaktionen der Unternehmen auf die                    kation und ausgeübter Tätigkeit für ein Unterneh-
veränderte Risikosituation                                     men geringer sein könnte als bei einem Mann. Hinzu
                                                               kommt, dass wie oben dargestellt gegebenenfalls
Wie oben dargestellt können die Risikostrategien
                                                               Eigenkapital vorzuhalten ist, um das Risiko eines
von Unternehmen in vier Kategorien (Vermeiden,
                                                               Mitarbeiterausfalls tragen zu können. Ein geringe-
Vermindern, Überwälzen und Tragen) zusammen-
                                                               rer erwarteter Ertrag des Beschäftigungsverhältnis-
gefasst werden. Die Vorteilhaftigkeit einer Strate-
                                                               ses verbunden mit höheren Eigenkapitalkosten wür-
gie hängt dabei von den mit ihr verbundenen Auf-
                                                               de aus Unternehmenssicht eine Verdienstdifferenz
wendungen beziehungsweise Chancen ab. Im Fol-
                                                               zwischen Männern und Frauen bei gleicher Quali-
genden werden mögliche Konsequenzen der ver-
                                                               fikation und ausgeübter Tätigkeit demnach recht-
änderten Risikosituation der Unternehmen für die
                                                               fertigen.
Wahl der geeigneten Risikostrategie diskutiert.
                                                                   Insbesondere die Geburt eines Kindes führt
    In Deutschland und in Europa können nach wie
                                                               häufig zu einem langfristigen Ausfall der Mütter.
vor zum Teil deutliche Verdienstunterschiede zwi-
                                                               In der Vergangenheit konnten Unternehmen dieses
schen Männern und Frauen auch bei gleicher Qua-
                                                               Risiko verhältnismäßig einfach senken, indem sie
lifikation und ausgeübter Tätigkeit beobachtet wer-
                                                               einen Mann anstatt einer Frau eingestellt oder mit
den. So zeigt eine Statistik der EU-Kommission,
                                                               risikobehafteten Aufgaben betraut haben. Damit
dass fast überall in Europa die Erwerbseinkommen
                                                               kann auch eine Erklärung dafür geliefert werden,
von Arbeitnehmerinnen deutlich unter denen ihrer
                                                               warum Frauen weniger offensiv verhandeln können
männlichen Kollegen liegen.22 So verdienen bei-
                                                               als Männer. Da eine junge Frau häufig nicht ein-
spielsweise Bankkauffrauen im Durchschnitt 21%
                                                               schätzen kann, ob und in welchem Umfang die
weniger als ihre männlichen Kollegen, Graphik-
                                                               Möglichkeit einer Mutterschaft ihre Einstellungs-
designerinnen sogar 28,9% weniger. Eine aktuelle
                                                               beziehungsweise Karrierechancen tangiert, wird sie
Studie des DIW zeigt, dass gut 60% der Lohnlücke
                                                               darüber Erwartungen bilden und entsprechend we-
zwischen Männern und Frauen nicht auf die dort
                                                               niger offensiv verhandeln als ein Mann.
betrachteten Merkmale, wie z. B. Bildung, Berufs-
                                                                   Durch die Einführung des Elterngelds werden
erfahrung oder die Anzahl der Kinder, zurückzu-
                                                               sich die geschlechtsspezifischen Risiken annähern.
führen sind. Vielmehr sind hier laut DIW institu-
                                                               Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann zur Erzie-
tionelle und kulturelle Rahmenbedingungen ursäch-
                                                               hung seiner Kinder ein Arbeitsverhältnis ruhen lässt,
lich, „die sich in diskriminierend wirkenden Me-
                                                               hat sich deutlich erhöht. Damit hat sich auch das
chanismen auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen
                                                               Risiko der Unternehmen erhöht, dass ein männ-
können.“23 Häufig verhandeln Frauen weniger offen-
                                                               licher Mitarbeiter ausfällt. Das sollte sich in der
siv als Männer, wofür sich verschiedene Gründe
                                                               Nutzung möglicher Risikostrategien widerspie-
benennen lassen.24
                                                               geln. Das heißt, die Aufwendungen, die ein Unter-
    Es ist zu vermuten, dass ein Teil der vom DIW
                                                               nehmen dadurch einsparen kann, indem es einen
nicht erklärten Lohnlücke auf geschlechtsspezifi-
                                                               Mann anstelle einer Frau beschäftigt, haben sich
sche Risiken zurückzuführen ist. Insbesondere das
                                                               reduziert. Langfristig sollte sich durch ein Anglei-
Mitarbeiterausfallrisiko muss vom Unternehmen ge-
                                                               chen der Risiken auch die Lohnlücke zwischen
tragen werden. Bleiben Frauen also beispielsweise
                                                               Männern und Frauen zumindest teilweise schließen.
häufiger zu Hause, um kranke Kinder zu pflegen,
                                                               Hinzu kommt, dass es auch Ziel der Politik war,
können sie im Mittel weniger erwirtschaften als
                                                               Frauen schneller in den Arbeitsmarkt und damit in
ein Mann. Das heißt, dass der erwartete Ertrag aus
                                                               ihre Unternehmen zu re-integrieren. Gelingt dies,
der Beschäftigung einer Frau bei gleicher Qualifi-
                                                               können die mit einem Ausfall einer Mitarbeiterin
                                                               verbundenen Konsequenzen für Unternehmen und
22 Vgl. EU-KOMMISSION: Bericht zur Gleichstellung von
                                                               damit Risiken reduziert werden. Dies sollte eben-
    Frauen und Männern 2008. Brüssel 2008, http://ec.europa.
    eu/employment_social/gender_equality/docs/com_2008_00      falls zu einer Verkleinerung der Lohnlücke beitra-
    10_de.pdf, Zugriff am 12.03.2008.                          gen.
23 Vgl. BUSCH, A.; HOLST, E.: Verdienstdifferenzen zwi-            Dieser Zusammenhang wirkt natürlich in erster
    schen Frauen und Männern nur teilweise durch Struktur-     Linie bei jungen Frauen, da mit zunehmendem Alter
    merkmale zu erklären. DIW Wochenbericht Nr. 15/2008,       die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der
    S. 184 ff.                                                 Elternzeit abnimmt. Jedoch sind auch nachhaltige
24 Vgl. DIE ZEIT: Gleiche Leistung, weniger Lohn, vom
                                                               Auswirkungen möglich. So kann die Fortbildung
    07.03.2008, http://www.zeit.de/online/2008/10/interview-
    frauen-gehaltscoach?from=rss, Zugriff am 25.03.2008.
                                                               eines Mitarbeiters aus Unternehmenssicht weniger

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risikobehaftet sein als die einer Mitarbeiterin. Aus    erwartet darüber hinaus, dass der Anteil der Väter,
diesem Grund können Männer gegebenenfalls               die Elternzeit in Anspruch nehmen, auf 27% im
schneller Karriere machen und somit langfristig         Jahr 2009 steigen wird.25 Damit wird sich das Aus-
auch ein höheres Einkommen erzielen. Auch diese         fallrisiko von männlichen Mitarbeitern noch weiter
Ungleichbehandlung kann durch die Reform des            erhöhen und dem der Frauen annähern. Derzeit
Elterngelds gemildert werden. Das bedeutet, auf-        entfallen 26,1% der Anträge, in denen Elterngeld
grund der sich angleichenden Risiken zwischen           aufgrund der Minderung oder des Verzichts auf
den Geschlechtern sollten sich auch die Karriere-       Erwerbseinkommen genehmigt wird, auf Männer.
chancen von Frauen verbessern.                          Erhöht sich der Anteil der Männer, die Elternzeit
    Für die Risikosituation der Unternehmen ist al-     in Anspruch nehmen, auf 27%, ist zu vermuten,
lerdings zu vermuten, dass sie sich durch die Re-       dass – aktuell beobachtbare Verhältnisse gegeben –
form verschlechtert. Es werden in Zukunft deutlich      im Jahr 2009 infolge der Geburt von Kindern etwa
mehr Väter die Elternzeit nutzen, wodurch sich die      die Hälfte der Mitarbeiterausfälle Männer betrifft.
Risiken der Unternehmen erhöhen. Insbesondere           Auch wenn die Fehlzeiten der Männer deutlich
die Tatsache, dass Männer bereits deutlich älter sind   kürzer sind als die der Frauen, wird die Elternzeit
als Frauen, wenn sie Erziehungszeiten nutzen, und       der Männer damit ein relevantes Risiko für eine
damit ein größerer Wert Humankapital ausfällt,          Vielzahl von Unternehmen darstellen.
wirkt sich risikoerhöhend aus. Bei gegebener Risiko-        Da beide Geschlechter gleichermaßen von Kin-
tragfähigkeit bedeutet das, dass Unternehmen ge-        dern profitieren, kann die Risikoverschiebung eine
gebenenfalls andere Risiken (Investitionen) redu-       Gleichberechtigung von Männern und Frauen be-
zieren müssen und damit wirtschaftliche Chancen         günstigen. Es lässt sich aber nicht ausschließen,
nicht wahrgenommen werden können. Ein Teil der          dass sich die Risikoposition der Unternehmen durch
mit der Risikotragung verbundenen Aufwendungen          diese Maßnahme insgesamt verschlechtert. In die-
der Unternehmen wird auf die Männer überwälzt           sem Fall wäre daher mit negativen Auswirkungen
werden, die ihr höheres Risiko vermutlich mit ei-       auf die wirtschaftliche Entwicklung zu rechnen.
ner – im Vergleich zu Frauen – durchschnittlich         Gleichzeitig birgt eine stärkere Beteiligung von
schwächeren Lohnentwicklung bezahlen müssen             Frauen aber ebenso Chancen für Unternehmen,
(Reduktion der Lohnlücke). Das bedeutet, dass           auch bzw. insbesondere wenn diese Führungsposi-
Unternehmen unter Umständen durch die Reform            tionen innehaben. So belegen Studien, dass eine
aufgrund der Überwälzung zwar keine Ertragsein-         stärker gemischte Belegschaft für den Erfolg von
bußen haben, aber dennoch wirtschaftlich sinn-          Unternehmen positiv sein kann.26 Auch ist zu be-
volle Projekte aufgrund der begrenzten Risikotrag-      rücksichtigen, dass es ein wesentliches Ziel der Po-
fähigkeit nicht durchgeführt werden können. Die         litik ist, durch das Elterngeld die Geburtenrate zu
Höhe der Auswirkungen hängt also davon ab, wie          erhöhen. Es ist daher zu vermuten, dass langfristig
schnell die Unternehmen ihr Eigenkapital an die         die positiven Effekte, die sich aus einer höheren
veränderte Situation anpassen können und welche         Geburtenrate für die Volkswirtschaft ergeben, die
Renditen für dieses zusätzliche Kapital gefordert       negativen Auswirkungen aufgrund der Risikover-
werden.                                                 schiebung kompensieren können.

                                                                                             5icole 5ulsch
Ausblick
                                                                              (5icole.5ulsch@iwh-halle.de)
Das von der Großen Koalition eingeführte Eltern-                                        Henry Dannenberg
geld trägt dazu bei, Risiken, die bisher in erster                        (Henry.Dannenberg@iwh-halle.de
Linie die Verhandlungspositionen von Frauen
schwächte, auch auf Männer zu übertragen. Durch
                                                        25 Vgl. Pressemitteilung des BMFSFJ vom 14.06.2006,
die Einführung des Elterngelds hat sich der Anteil
                                                          a. a. O.
der Männer, die für die Erziehung ihrer Kinder eine
                                                        26 Vgl. u. a. FENWICK, G. D.; NEAL, D. J.: Effect of Gen-
Auszeit nehmen, von 5% im Jahr 2006 auf 12,1%
                                                          der Composition on Group Performance, in: Gender, Work
für im Jahr 2007 geborene Kinder bereits mehr als         and Organization, Vol. 8. No. 2, April 2001, pp. 205-225.
verdoppelt. Dabei ist zu erwarten, dass sich dieser       – Bezüglich positiver Effekte gemischter Teams im ge-
Anteil noch weiter erhöhen wird, da Männer ten-           hobenen Management vgl. u. a. ERHARDT, N. et al.:
denziell eher in den späteren Lebensmonaten ihrer         Board of Director Diversity and Firm Financial Perform-
                                                          ance, in: Corporate Governance, Vol. 11, No. 2, April
Kinder Elterngeld beantragen. Die Bundesregierung         2003, pp. 102-111.

IWH-Pressemitteilung 27/2008                                                                                     9
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