STOTTERN IM KINDESALTER - CHILDHOOD STUTTERING HLAVNÍ TÉMA / MAIN TOPIC - Listy klinické ...
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HLAVNÍ TÉMA / MAIN TOPIC LISTY KLINICKÉ LOGOPEDIE 1/2021 24 STOTTERN IM KINDESALTER CHILDHOOD STUTTERING Patricia Sandrieser1 Překlad tohoto článku do češtiny Abstract Einführung si můžete přečíst zde. Der Artikel gibt einen Überblick über die Stottern gehört mit einer Inzidenz von historische Betrachtung und den aktuellen mindestens 5 Prozent im Kindesalter (An- Stand der Forschung zum Thema Stottern drews and Harris, 1964, Mannson, 2002) und beschäftigt sich mit den etablierten zu den häufigen logopädischen Störungs- und empfohlenen Methoden zur Behand- bildern. Viele Jahre lang galt Stottern als lung des Stotterns und zu den Formen der geheimnisvoll und schwer zu behandeln. Elternberatung. In Anlehnung an die ICF Nicht nur in Europa wurde Stottern lan- sollen Leserinnen in die Lage versetzt wer- ge indirekt durch Elternberatung oder Psy- den, die zweistufige Diagnostik, die Bera- chotherapie behandelt. Stotternden Kin- tung und gegebenenfalls die Therapiepla- dern und ihren Eltern wurden besondere nung ableiten zu können. In Anlehnung an Eigenschaften nahgesagt – sie galten lange die deutsche S3-Leitlinie werden auch The- als psychisch wenig belastbar; als Ursache rapieverfahren genannt, die sich nicht be- wurden fälschlicherweise elterliche Erzie- währt haben. Der aktuelle Stand der The- hungsfehler oder traumatische Erlebnisse Patricia Sandrieser rapieforschung wird kritisch diskutiert. angenommen (Boberg, 1995). Aufgrund der situationsabhängigen Schwankungen Abstract der Symptomatik galt Stottern als „Queck- The article gives a historical overview and silberstörung“ (Dell, 1993), was Laien häu- the state of the art concerning childhood fig zur Annahme verleitete, die Kinder stuttering. It deals with the well-established müssten sich besser konzentrieren, länger and recommended methods of treat- über das Gesagte nachdenken, sich beruhi- ing stuttering and of advising parents. gen oder langsamer sprechen, da ihr Den- According to the ICF model, the reader ken schneller als ihr Sprechen sei. should be enabled to deduce the two-step Heute gilt Stottern als eine der am diagnostic procedure, the counselling and besten erforschten Störungsbilder in der - if necessary - the scheduling of therapy. Logopädie, was mit daran liegt, dass die According to the German guidelines, rec- Kernsymptome des Stotterns unabhängig ommended therapeutic methods are men- von der gesprochenen Sprache und sogar tioned. The state of the art concerning re- unabhängig von der Modalität des Ge- search into therapy is critically discussed. sprochenen auftritt – in Gebärdensprachen wird mit den gleichen Symptomen gestot- Schlüsselwörter tert (Poizner et al., 1987). Das bedeutet, Kindheit, Stottern, Vorurteile, Ätiologie, dass die Grundlagenforschung nicht für Therapie, Beratung, Therapieentscheidung jede Sprache repliziert werden muss, wie es in der sprachsystematischen Forschung Keywords üblich ist, z. B. in der Erforschung der childhood, stuttering, prejudices, aetiolo- Syntax der Verbstellung. Wir wissen, dass gy, therapy, counselling, therapy decision Stottern eine Sprechablaufstörung ist, wes- wegen Logopädinnen mit ihrer Grund- ausbildung in den Bereichen Sprachent- wicklung, Kommunikation und Phonetik und ihrem Wissen über Spontansprach- analysen und therapeutisches Vorgehen 1 r. phil. Patricia Sandrieser, Katholisches Klinikum Koblenz Montabaur, Rudolf-Virchow-Straße 7–9, D - 56073 Koblenz, Bundesrepublik Deutschland. D E-Mail: patricia@sandrieser.de, p.sandrieser@kk-km.de. https://doi.org/10.36833/lkl.2021.011 licensed under CC BY-NC
HLAVNÍ TÉMA / MAIN TOPIC LISTY KLINICKÉ LOGOPEDIE 1/2021 25 die Fachleute sind, um stotternde Kinder Einschränkung in der Partizipation im 1995). Alle Menschen, Kinder wie Erwach- zu diagnostizieren, die Eltern zu beraten Alltag besteht (Sandrieser und Schneider, sene, machen normale Unflüssigkeiten, und ein Therapieangebot zu machen. Uns 2015). In vielen Fällen wird die Begleit- die Starkweather „funktionelle Unflüssig- liegen evaluierte und gut strukturierte symptomatik oder Verhaltensänderungen, keiten“ nennt (Starkweather, 1987). Die- Therapiekonzepte vor, die bereits im Alter die aus der psychischen Belastung resultie- se Unflüssigkeiten haben eine Funktion: von 2 Jahren angewandt werden können. ren, als sozial auffälliger bewertet als das sie verschaffen dem Sprecher Zeit für die Durch die hohe Rate an Spontanremissio- Stottern selbst. Sprechplanung oder helfen, Fehler zu kor- nen genügt in vielen Fällen, eine Beratung rigieren. Funktionelle Unflüssigkeiten wer- der Eltern mit Hinweisen zu einem güns- Historische Betrachtung den daher strategisch eingesetzt, um zu tigen Umgang mit dem stotternden Kind. Der Nimbus des Geheimnisvollen, der verhindern, dass die Aufmerksamkeit des Stottern viele Jahre umgab und das Beste- Zuhörers nachlässt oder um einen Spre- Definition hen von wirkungslosen Ratschlägen und cherwechsel zu vermeiden (Kowal et al., Stottern bedeutet unfreiwillige Wiederho- Interventionen kann erklärt werden, wenn 1975). Im Gegensatz zu Laien-Meinung lungen von Lauten oder Silben, Dehnun- man die international zugängliche Lite- sind sie nicht Zeichen von unreifer Sprach- gen von Lauten oder Blockierungen vor ratur sichtet und erkennt, dass fehlende entwicklung, sondern werden mit zuneh- oder in einem Wort (Bloodstein and Bern- Grundlagenforschung und die Interpreta- mendem Alter mit immer größer wer- stein Ratner, 2008). Die Diagnose Stottern tion einer Studie vor fast 100 Jahren lange denden zeitlichen Anteilen im Sprechen kann gestellt werden, wenn in einer reprä- zu Fehlinterpretationen in drei Bereichen eingesetzt (Sandrieser, 2005). Als typische sentativen Sprechprobe mindestens 3 % der geführt haben: funktionelle Unflüssigkeiten im Kinder- gesprochenen Silben diese Unflüssigkei- › Die Ähnlichkeit von Stotterereignisse gartenalter gelten Wiederholungen von ten aufweisen (Sandrieser, 2005). Wieder- und normalen Unflüssigkeiten Wörtern (Kowal et al.,1975). In dieser Zeit holungen, Dehnungen und Blockierungen führte zur Annahme, dass das beginnen die meisten der betroffenen Kin- werden auch Kernsymptome des Stotterns Stottern ein Phänomen sei, dass in der zu stottern (Guitar, 2014). Da auch bei genannt. Sie können einzeln, zu zweit oder der Sprachentwicklung üblich und stotternden Kindern Wiederholungen als alle drei im Sprechen einer Person auftre- daher kein Grund zur Sorge sei. Kernsymptome auftreten können, wurden ten. Diese Kernsymptome definieren in der › Die hohe Rate an Spontanremissionen diese schon früh und sehr lange als eine ICD-10 die Diagnose Stottern (F98.5). Als schien die Befürworterinnen der Entität mit den normalen Unflüssigkeiten Begleitsymptome bezeichnet man ungüns- Strategie, erst einmal abzuwarten, betrachtet (Fröschels, 1931). Funktionelle tige Coping-Strategien, die entweder aus zu bestätigen und führte oft dazu, Unflüssigkeiten lassen sich jedoch sowohl dem Versuch resultieren, aus einem Stot- dass besorgte Eltern nicht ernst anhand des Ortes ihres Auftretens (oft terereignis zu fliehen (z. B. in Form von genommen wurden. Außerdem ist am Ende einer Phrase) und aufgrund ih- Tonuserhöhung im Symptom oder Mit- zu befürchten, dass sich dadurch bis rer Struktur (mehrsilbige Wörter, Phrasen- bewegungen der Augen, des Kopfes oder heute Anbieterinnen unwirksamer wiederholungen oder Betonungsdehnun- der Extremitäten) oder die den Versuch Therapiemethoden bestätigt sehen, gen) von Stotterereignissen unterschieden darstellen, dem Stottern vorzubeugen (z. wenn Kinder zum Zeitpunkt ihrer (Sandrieser, 2005). B. durch das Ersetzen eines gefürchteten Intervention eine Remission haben. Das Fazit ist, dass Eltern ernst genom- Wortes oder die Veränderung der Sprech- › Die sogenannte „Diagnosogene men werden müssen, die in Sorge sind, weise, z. B. durch Flüstern oder Spre- Theorie des Stotterns“ von Wendell dass ihr Kind stottert. Wenn vermeintliche chen im Singsang). (WHO, 2019). Im Ver- Johnson (1942) führte zur Annahme, Fachleute sie fälschlicherweise dahin ge- lauf des Stotterns kann es mitunter schon dass es für Kinder schädlich sei, auf hend beraten, dass ihre Sorge unbegründet nach kurzer Zeit durch Sprechängste und ihr Stottern angesprochen zu werden. sei, werden sie in ihrer elterlichen Kompe- die Beeinträchtigung der effektiven Kom- Der daraus resultierende Ratschlag tenz verunsichert. munikation zu psychischen Beeinträch- an die Eltern, nur auf den Inhalt tigungen kommen, die im DSM-5 (Ame- des Gesprochenen zu achten und Remissionen rican Psychiatric Association, 2015) im das Stottern zu ignorieren, hatte zur Die Rate an Remissionen wird für stot- Zusammenhang mit Stottern hinsichtlich Folge, dass sich in der Logopädie über ternde Kinder auf 70 bis 80 Prozent ge- auftretender negativer Gefühle wie Angst lange Zeit keine direkten Ansätze zur schätzt (Neumann et al., 2016). Die größte oder Scham codiert werden. In der Diag- Behandlung des Stotterns etablierten. Chance besteht in den ersten zwei Jahren nostik und Therapie, aber auch in der ers- nach Stotterbeginn. Wenn Therapeutin- ten Beratung ist es daher wichtig, alle Be- Stottertypische und normale nen mit Kindern dieser Altersgruppe ar- teiligten zu informieren, dass das Stottern Unflüssigkeiten beiten, müssen ihre Interventionen noch alleine durch die Kernsymptome (Wieder- mehr Kindern zu einer Remission verhel- holungen, Dehnungen, Blockierungen) de- Bei den drei möglichen Kernsymptomen fen, wenn sie sich in Bezug auf Heilung als finiert ist. Bei den Begleitsymptomen und des Stotterns (Wiederholungen von Lauten Effektiv bezeichnen möchten. der eventuell resultierenden psychischen und Silben, Dehnungen von Lauten und Fazit: Seriöse Therapeutinnen machen Belastung handelt es sich um Folgen des Blockierungen vor oder in einem Wort) Eltern stotternder Kinder darauf aufmerk- Stotterns. Im Sinne der ICF (WHO, 2001) handelt es sich um unfreiwillige Unflüssig- sam, dass es sich um einen zeitlichen Zu- ist unabhängig vom Alter des Kindes und keiten des Sprechens, die bei nichtstottern- fall handeln könnte, wenn zeitgleich zur vom Zeitpunkt seit Stotterbeginn eine lo- den Menschen sehr selten auftreten und Therapie eine Remission eintritt. In einer gopädische Diagnostik und Beratung die diagnostisch relevante Schwelle von Therapiestudie muss entweder eine aus- sinnvoll, wenn durch das Stottern eine 3 Prozent nicht überschreiten (Sandrieser, reichend große Gruppe von Kindern oder
HLAVNÍ TÉMA / MAIN TOPIC LISTY KLINICKÉ LOGOPEDIE 1/2021 26 eine vergleichbare Kontrollgruppe einge- Daten führte jedoch noch lange Zeit nicht (für einen Überblick siehe Neumann et al., schlossen sein, um Effekte nachweisen zu zu einer Veränderung im Beratungs- und 2016, S. 41ff). können. Therapie-Angebot. Auch hier könnte die Da phasenweise Schwankungen der hohe Rate an Spontanremissionen im the- Empfohlene Diagnostik Symptomatik bekannt sind und auch rapeutischen Alltag dazu geführt haben, Die 2016 in Deutschland veröffentlich- Zeiten mit Symptomfreiheit beschrieben dass Therapeutinnen sich darin bestärkt te S3-Leitlinie "Redeflussstörungen" (Neu- werden, muss eine vermeintlich erfolg- sahen, Kinder nicht direkt zu behandeln mann et al., 2016) empfiehlt eine logo- reiche Therapie zudem eine follow-up- und stattdessen die Eltern zu beraten, das pädische Diagnostik, indem in einer Untersuchung beinhalten, die frühestens Stottern zu ignorieren. Spontansprachanalyse neben den stotter- 12 Monate nach Therapieende durchge- Fazit: Da wir heute wissen, dass das el- typischen Unflüssigkeiten auch die Be- führt wird. terliche Verhalten keine erhebliche Rolle in gleitsymptome und die vermuteten psychi- Fazit: Die hohen Remissionsraten dür- der Entstehung des Stotterns spielt (Neu- schen Reaktionen auf das Stottern erfasst fen nicht die Begründung sein, jungen mann et al, 2016, S. 31) ist es ethisch be- werden sollen. Als geeignet hat sich hier Kindern eine logopädische Diagnostik denklich, Eltern das Gefühl zu geben, am das Stuttering Severity Instrument, SSI-4 und Beratung vorzuenthalten – da Begleit- Stottern des Kindes Schuld zu sein. Da wir von Riley (2009) erwiesen. Neben dieser symptome und psychische Belastung auch aus Studien in mehreren Sprachen wissen, standardisierten Analyse der Kernsympto- schon bald nach Stotterbeginn auftreten dass auch junge Kinder sich zu Stotter- me in Quantität und Qualität ist die ana- können, kann auch eine später remittier- beginn gewahr sind, dass ihr Sprechen mnestische Erhebung der möglichen kom- te Symptomatik zu einem ungünstigen sich verändert (auch wenn sie den Begriff munikativen Einschränkungen und die Selbstbild und Einschränkungen in der "Stottern" nicht immer kennen), kann es Reaktionen aus der Umgebung ebenso Partizipation im Alltag führen (Sandrieser den Kindern nicht schaden, wenn sie ange- wichtig, wie die Einschätzung der Sprech- and Schneider, 2015). messen und wohlwollend auf ihr Stottern natürlichkeit und bei älteren Kindern de- angesprochen werden (Boey et al. 2009, ren eigene Einschätzung des Grads der Be- W. Johnsons „Diagnosogene Langevin 2009). Sandrieser und Schneider lastung durch das Stottern. Sandrieser und Theorie des Stotterns“ (2015) weisen zudem darauf hin, das Ta- Schneider (2015) empfehlen eine zweistu- buisieren dazu führen kann, dass belastete fige Diagnostik, in dem im ersten Schritt Als W. Johnson Eltern stotternder Kinder Kinder sich nicht hilfe- und trostsuchend festgestellt wird, ob Stottern vorliegt und nach Unflüssigkeiten befragte, die ihnen an die Erwachsenen in ihrer Umgebung im zweiten Schritt alle Informationen er- zu Beginn der Störung aufgefallen seien wenden. hoben werden, die notwendig sind, um und eine Kontrollgruppe von Eltern, deren die Eltern zu beraten. Da in den ersten Kinder nicht stotterten, befragte, welche Aktueller Stand zwei Jahren nach Stotterbeginn die Wahr- Unflüssigkeiten sie im Sprechen ihrer Kin- scheinlichkeit einer spontanen Remissi- der Forschung der hörten, ergab eine quantitative Analy- on am höchsten ist, kann bei Kindern, die se das Ergebnis, dass nichtstotternde Kin- Stottern ist eine Sprechablaufstörung, die durch ihre Kernsymptome nicht belastet der manchmal sogar mehr Unflüssigkeiten genetisch bedingt ist (Felsenfeld et al., sind und die keine auffälligen Begleitsym- hatten (Johnson et al., 1942). Er leitete da- 2000; Kraft and Yairi 2011). Stottern be- ptome entwickeln die Option abzuwarten raus die sogenannte diagnosogene Theorie ginnt typischerweise zwischen dem 2. und eine zielführende Maßnahme sein. Das des Stotterns ab, die besagte, dass stottern- 5. Lebensjahr, der durchschnittliche Be- setzt aber voraus, dass die Eltern gut über de Kinder Unflüssigkeiten wie alle anderen ginn ist mit 2,8 Jahren (Guitar, 2014). Der mögliche Verläufe informiert sind und Kinder machten. Ihre Eltern würden aber etwas höhere Anteil von stotternden Jun- wissen, dass sie ihr Kind wieder vorstellen negativ darauf reagieren und die Kinder gen zu Beginn verschiebt sich bis zum Ju- können, falls sich etwas verändert. dadurch ins Stottern treiben. Seine thera- gendalter noch, da mehr Mädchen eine Im Verlauf der Diagnostik muss die peutische Konsequenz bestand darin, das Remission erfahren. (Andrews and Harris Logopädin außerdem eine Einschätzung Thema Stottern gegenüber Kindern nicht 1964; Mansson, 2000). Die Inzidenz, also vornehmen, ob Komorbiditäten vorlie- zu thematisieren, sie keinesfalls zu thera- die Anzahl an Neuerkrankungen in einer gen, die beratungs- oder behandlungs- pieren, sondern Eltern zu beraten, wie sie Population wird auf mindestens 5 % ge- bedürftig sind wie z. B. eine spezifische auf Unflüssigkeiten fortan nicht mehr re- schätzt (Mannson, 2000), während die Prä- Sprachentwicklungsstörung. agieren sollten. valenz, also der Anteil der Personen, die zu Eine spätere Durchsicht seiner Studien- einem bestimmten Zeitpunkt stottern, in Differentialdiagnostik daten ergab, dass die angegebenen Unflüs- der Altersgruppe der Kinder und Jugend- Neben dem „originären Stottern“ – also sigkeiten in den beiden Gruppen einen lichen auf etwas mehr als 1,7 % geschätzt dem Stottern, dass in der frühen Kindheit qualitativen Unterschied aufwiesen – die wird (Bloodstein and Bernstein Ratner ohne erkennbare Ursache entsteht und auf Eltern der stotternden Kinder hatten an- 2008). Heute geht man davon aus, dass ge- ein zentrales Defizit der Sprechsteuerung gegeben, dass ihnen die Unflüssigkeiten netische Ursachen die Erklärung für Ge- zurückzuführen ist, gibt es noch weitere aufgefallen seien, die wir heute als Kern- schlechtsdifferenzen zu Beginn und bei Formen von Stottern. Die Leitlinie „Rede- symptome des Stotterns bezeichnen. Die den Remissionswahrscheinlichkeiten sind flussstörungen“ schlägt folgende Nomen- Eltern der nichtstotternden Kinder hatten (Neumann et al, 2016, S. 23). Die Gehir- klatur zur Abgrenzung vor: hingegen vor allem normale, funktionelle ne stotternder Menschen zeigen struktu- Erworbenes Stottern oder angeborenes Unflüssigkeiten im Sprechen ihrer Kin- relle Veränderungen (z. B. Sommer et al., Stottern. der beschrieben (Johnson, 1959). Die 2002), aber auch neurofunktionelle Verän- Erworbenes Stottern: Publikation der erneuten Durchsicht der derungen konnten nachgewiesen werden › neurogenes Stottern,
HLAVNÍ TÉMA / MAIN TOPIC LISTY KLINICKÉ LOGOPEDIE 1/2021 27 › psychogenes Stottern. der Diagnostik und einer fundierten Bera- Stottertherapie, wie die Reduktion der Angeborenes Stottern: tung über mögliche Verläufe und die ange- Stotterereignisse. Falls das Stottern nicht › originäres Stottern botenen Therapiekonzepte informiert sein überwunden wird, sollte ein stotterndes › syndromales Stottern (bei und dann im Sinne eines „informed con- Kind in der Lage sein, den Kontrollverlust Personen mit Trisomie 23). sent“ (Neumann et al, 2016, S. 140) für ihr im Stotterereignis zu überwinden und Als weitere Redeflussstörung noch Poltern. Kind entscheiden können, ob sie Therapie sich selbst als kompetenter Sprecher oder Ein Überblick über die Einteilung der wünschen und möglichst auch mit welcher kompetente Sprecherin zu erleben, die Redeflusstörungen, ihrer Ätiologie und Methode. in angemessener Zeit in der Lage ist, die Symptomatik findet sich in der Leitlinie Eine mögliche elterliche Entscheidung kommunikativen Wünsche zu äußern. (Neumann et al., 2016, S. 54ff). ist auch, keine Therapie für das Kind zu Neben der Arbeit am Symptom spielt Auch bei Kindern mit Verdacht auf wünschen, aber noch dezidierte Beratung die Elternberatung in der Stottertherapie einen elektiven Mutismus sollte anamnes- zum Umgang mit dem stotternden Kind zu eine zentrale Rolle. Da Stottern nach wie tisch erfragt werden, ob in der häuslichen erfragen. vor ein vorurteilsbehaftetes Störungsbild Umgebung eine Stottersymptomatik zu be- ist, ist es wichtig, dass die Familie ei- obachten ist, die erklären könnte, warum Therapieziele nes stotternden Kindes genug über das das Kind z. B. im Kindergarten als Vermei- Für junge Kinder ist eine Remission, also Phänomen Stottern weiß, um die nähere deverhalten die verbale Kommunikation eine vollständige Heilung, verständli- Umgebung (Großeltern, Freunde und aussetzt. cherweise das gewünschte Ziel. Mit zune- Freundinnen, Erzieherinnen) darüber zu hmender Dauer seit Stotterbeginn und informieren. Beratung und Therapie- vor allem nach Abschluss der Pubertät Ableitung wird eine echte Remission immer unwa- Kriterien einer guten hrscheinlicher. Dann liegt das Ziel ei- Stottertherapie Indikationen für eine Therapie ner erfolgreichen Therapie in einem gu- Im Sinne der ICF-Nomenklatur sollte ne- ten Umgang mit dem Stottern und der Wie oben beschrieben, erschwert die hohe ben der Anzahl und der Qualität der hör- Etablierung einer Sprechtechnik. Aktuell Rate an Spontanremissionen die Einschät- baren Stotterereignisse auch festgestellt kann keine Therapiemethode für sich in zung, ob eine Heilung werden, ob Begleitsymptomatik oder Be- Anspruch nehmen, jedes stotternde Kind › durch eine Therapie, einträchtigungen in der Kommunikation zu heilen. Es gibt Hinweise darauf, dass › zufällig gleichzeitig während oder im Selbstbild als kompetenter Spre- auch die Remissionswahrscheinlichkeit einer Therapie oder cher vorliegen. Eine Therapie ist indiziert, genetisch determiniert ist (Kraft, 2015). › trotz einer unwirksamen Therapie wenn durch die Störung Beeinträchtigun- Heilungsversprechen gelten daher als stattgefunden hat. Oliver Bloodstein und gen in der Partizipation am Alltagsleben unseriös (Sandrieser und Schneider, 2015; Nan Bernstein Ratner (2008, S. 338-343; bestehen. Dies kann z. B. bedeuten, dass Neumann et al., 2016, S. 2010). für eine detaillierte Diskussion siehe Neu- Kinder gefürchtete Wörter vermeiden Bereits vor einer Therapie müssen mann et al., 2016, S. 98ff) formulierten oder in bestimmten Situationen lieber Eltern darüber informiert werden, dass 12 Kriterien, anhand derer, eine gute und nicht sprechen – aus Angst zu Stottern. eine Heilung nicht versprochen werden nachgewiesen wirksame Stottertherapie Die Kunst liegt darin, bei vorliegenden Be- kann. Um die Therapieziele besprechen gemessen werden kann. Dazu gehört zum einträchtigungen schnell zu reagieren und zu können hat es sich bewährt, die Eltern Beispiel, dass die Wirksamkeitsnachweise auch bei jungen Kindern Therapie anzu- (und ggf. das Kind) zu befragen, was ihre an einer ausreichend großen Gruppe un- bieten, um zu verhindern, dass aus der Stö- Anliegen sind. Viele Eltern sorgen sich, ter Messung objektiv erfassbarer Kriteri- rung eine Behinderung entsteht. Anderer- dass ihr Kind im Kindergarten oder in en auch in alltagsnahen Situationen erfasst seits gilt es abzuwägen, welche Kinder von der Schule gehänselt wird und aufgrund wurden; dass die Stabilität der Ergebnis- einer Therapie profitieren, da auch eine einer auffälligen Begleitsymptomatik se erneut frühestens 12 Monaten nach der kindgerechte, spielerische Therapie für die zum Außenseiter wird und Nachteile in letzten therapeutischen Intervention nach- Familie mit Aufwand verbunden ist (regel- der Entwicklung hat. Wie schon in der gewiesen wird und dass neben der Reduk- mäßige Termine, häusliches Üben, ggf. fi- Diagnostik und Erstberatung ist es auch tion des Stotterns auch Ängste, Vermeide- nanzieller Aufwand) und Kinder durch ein hier wichtig, die Kernsymptomatik ge- verhalten und das Selbstbild berücksichtigt Therapienagebot verdeutlicht wird, dass sie trennt von der Begleitsymptomatik zu und positiv beeinflusst werden. Für die nicht der Norm entsprechen. Zur aktuellen betrachten: Stotternde werden nicht durch Therapie mit Kindern gilt zusätzlich, dass Studienlage besteht das Dilemma, dass wir kurze und unangestrengte Kernsymptome die positiven Effekte flüssigen Sprechens Prädiktoren kennen, die eine Remission von anderen Kindern gemieden oder aus- nicht dadurch erzielt werden dürfen, dass wahrscheinlicher machen (für einen Über- gelacht, sondern durch sozial auffällige das linguistische Niveau des Sprechens ge- blick siehe Lattermann, 2011), dass aber Begleitsymptome oder Änderungen im senkt wird. für ein bestimmtes Kind keine zuverlässi- (Sprech-)Verhalten, die aus der emotio- ge Vorhersage möglich ist, ob eine Remis- nalen Belastung entstehen können (z. B. Empfohlene sion eintreten wird. Die Eltern2 sollen nach Abbruch des Blickkontakts im Symptom, Therapiemethoden Sprechängste oder Zeichen von Scham). 2 it „Eltern“ sind die verantwortlichen M Der Abbau von Begleitsymptomen und In der Therapie von jugendlichen und er- Erziehungsberechtigten gemeint. Dies können die die Bearbeitung von ungünstigen psy- wachsenen Stotternden sind schon seit vie- leiblichen Eltern, aber auch Pflege- oder Adoptiveltern, Co-Eltern, die leiblichen Eltern mit neuen chischen Reaktionen auf das Stottern len Jahren zwei Therapiekonzepte bekannt, PartnerInnen etc. sein. sind damit ebenso wichtige Ziele in der die evaluiert sind und gleichberechtigt
HLAVNÍ TÉMA / MAIN TOPIC LISTY KLINICKÉ LOGOPEDIE 1/2021 28 nebeneinander stehen (Sandrieser and besteht darin, die Mutter anzuleiten, wird, kann hier als Methode der Schneider, 2015): das sind zum Einen flüssiges Sprechen und gestotterte Silben Desensibilisierung dienen. Damit Konzepte der Stottermodifikation, die da- zuverlässig unterscheiden zu können. soll die Tendenz, gegen das Stottern rauf abzielen, in ein Stotterereignis ein- Damit soll sie in dieser Übungssituation anzukämpfen abgebaut werden. zugreifen, den Kontrollverlust zu überwin- jede flüssig gesprochene Äußerung des Auch in diesem Konzept ist die den und die vom Stottern betroffene Silbe Kindes verlässlich und kontingent mit Anwesenheit eines Elternteils in der mit einer erlernten Sprechtechnik zu re- einer verbalen positiven Verstärkung wöchentlich stattfindenden Therapie alisieren. Der bekannteste Vertreter die- rückmelden. Wenn das Kind in diesen und kontinuierliches Üben notwendig. ser Methoden ist sicher Charles Van Ri- Übungen wenig stottert, wird das Falls Kinder durch die Therapie keine per; die von ihm favorisierte Sprechtechnik linguistische Niveau in den Übungen Remission erfahren, soll die Technik die Prolongation und die Anwendung der gesteigert. Parallel wird täglich von helfen, Stotterereignisse aufzulösen. Technik auf eine gestotterte Silbe wird den Eltern dokumentiert, wie der Als Nahziel wird der Abbau der Pull-Out genannt. Zum Anderen gibt es Schweregrad des Stotterns im Alltag Begleitsymptomatik beschrieben. Das Methoden der Sprech-Restrukturiereung, auf einer 10-stufigen Skala eingeschätzt Fernziel bei persistierendem Stottern ist das so genannte Fluency Shaping, bei dem wird. Wenn ein Kind in den ersten die Reduktion der Stottererereignisse, eine Sprechtechnik angewandt wird, die 15 bis 20 Stunden keine Tendenz zeigt, da die Kontrollüberzeugung das hilft, das Stotterereignis zu unterdrücken. dass die Stotterschwere im Alltag Arousal und damit einen der wichtigen Das Erste gut beschriebene Fluency Sha- abnimmt, gilt es als nicht-responsiv Triggerfaktoren des Stotterns ping Konzept war das GILCU-Programm und das Programm wird beendet. senkt. Parallel zur Etablierung der von Ryan (Nippold, 2011), heute ist das Bei einer Abnahme des Stotterns Symptomlösetechnik werden den Camperdown-Programm für die Therapie werden die täglichen Übungen bis auf Eltern und ab dem Vorschulalter von Jugendlichen (University of Technolo- Spontansprachebene gesteigert und auch dem Kind Informationen über gy Sidney, 2018) weit verbreitet. in einer zweiten Therapiephase die die Entstehung und die möglichen In der Leitlinie Stottern wurden für die verbale positive Verstärkung in vorher Verläufe des Stotterns vermittelt. Empfehlungen nur Therapiemethoden be- abgesprochenen Alltagssituationen Dadurch soll die Resilienz des rücksichtigt, die entsprechend den Stan- von der Mutter angewandt. Das Ziel Kindes gegenüber unwirksamen dards der Leitlinienkommission die der Therapie ist Symptomfreiheit, auch und schädlichen Ratschlägen aus notwendigen Gütekriterien erfüllten (Neu- nach Beendigung der Therapie und dem der Umgebung erhöht werden. Den mann et al., 2016, S. 10), z. B. einen Re-Test Aussetzen der positiven Verstärkung. möglichen Einschränkungen an der frühestens 12 Monate nach Therapie-Ende, › Die zweite Therapiemethode, die durch Partizipation im Alltagsleben soll um die Stabilität der Effekte zu überprüfen eine deutlich geringere Studienlage eine dadurch vorgebeugt oder bereits oder die beschriebene Erfassung von ob- entsprechend schwächere Empfehlung vorhandene Einschränkungen jektivierbaren Parametern wie die Anzahl bekommen hat, ist das Programm KIDS, rückgängig gemacht werden. der gestotterten Silben. „Kinder dürfen Stottern“ (Sandrieser › PCI wurde in London am Michael Für die Altersgruppe der 2 bis 7jährigen und Schneider, 2001 bis 2015), einer Palin Centre for Stammering Children Kinder, mit denen sich Logopädinnen am Adaptation der Stottermodifikation. von Kelman und Nicholas (2008, häufigsten konfrontiert sehen, ergaben Die Kinder lernen am Modell und ab 2014) veröffentlicht. Da die Datenlage sich drei Methoden, die mit unterschied- dem Vorschulalter durch strukturierte ebenfalls nicht so umfangreich ist lich starken Empfehlungen ausgestattet Übungen, Stotterereignisse, die mit wie für die Lidcombe Therapie, hat es wurden: Begleitsymptomen wie Tonuserhöhung, ebenfalls eine schwache Empfehlung › Das Lidcombe-Programm (Onslow et Mitbewegungen oder vegetativen bekommen. Es handelt sich um al., 2003) mit den meisten verfügbaren Symptomen angereichert sind, mit ein indirektes Verfahren, bei dem Studien – zumeist aus Australien und einer Sprechtechnik aufzulösen und nach einer Interaktionsanalyse von den USA – das die höchste Evidenz weiter zu sprechen. Dabei spielt die jedem Elternteil mit ihrem Kind aufweist. Es handelt sich um eine Technik des Pseudostotterns eine ressourcenorientiert gearbeitet wird. verhaltenstherapeutische Intervention wichtige Rolle. Bei diesem absichtlichen, In einem strukturierten Programm unter Einbeziehung eines Elternteils unangestrengten und lockeren erhalten die Eltern die Aufgabe, eine (im Folgenden „Mutter“ genannt), die „Stottern“ handelt es sich sowohl um kommunikative Eigenschaft, die Ihnen als Co-Therapeutin angeleitet wird. Die eine artikulationsmotorische Übung in der analysierten Situation leicht wöchentlichen Therapiestunden werden (damit das Kind lernt, die Kontrolle gefallen ist, in Übungssituationen genutzt, die Übungen einzuführen. über das Sprechen wieder zu erlangen), vermehrt einzusetzen. In umfangreichen In strukturierten täglichen Übungen als auch um eine paradoxe Intervention. Protokollbögen, reflektiert jedes werden in der ersten Phase von der Die logopädisch vorgestellten Kinder Elternteil den Erfolg der Bemühungen, Mutter Spiele angeboten, bei denen haben oft ungünstige Coping-Strategien die Reaktionen und die möglichen das linguistische Niveau kontrolliert etabliert, die aus dem Versuch Effekte auf die Stottersymptomatik. wird und zu Beginn sehr niedrig ist, resultieren, das Stotterereignis mit In der folgenden Stunde erhält jedes z. B. Ein-Wort-Äußerungen wie bei Kraft und Anstrengung zu überwinden. Elternteil aufgrund der Auswertung der Memory oder Lotto. Damit soll erreicht Das Pseudostottern, dass zuerst Beobachtungsbögen eine neue Aufgabe. werden, dass es in der Übung viele spielerisch in der Therapie und dann Die Therapie beginnt mit wöchentlichen flüssige Äußerungen des Kindes gibt. in steigenden Schwierigkeitsgrad bis Sitzungen und die Intervalle zwischen Die therapeutische Herausforderung zur Spontansprachebene eingesetzt den Terminen vergrößern sich.
HLAVNÍ TÉMA / MAIN TOPIC LISTY KLINICKÉ LOGOPEDIE 1/2021 29 Dieser Therapieansatz wird höchstens Eine Stottersymptomatik sollte nicht dazu ist normalverteilt und es gibt keine 6 Monate angeboten. Falls es bis dann führen, dass ein Kind in seiner Entwick- charakteristischen Verhaltensweisen keine Hinweise auf eine deutliche lung beeinträchtigt wird. Über den kon- oder Temperamente, in denen sich Reduktion des Stotterns oder eine kreten therapeutischen Auftrag hinaus alle stotternden Kinder von ihren Tendenz zur Remission gibt, wird zu sollten Logopädinnen in diesem Bereich nichtstotternden Peers unterscheiden. einem direkten Programm gewechselt. ihr Wissen und ihre Erfahrung nutzen, um › Mehrsprachigkeit ist kein Eltern, aber auch Pädagoginnen zu Multi- Risikofaktor für Stottern. Therapien, von denen plikatorinnen zu machen: nach wie vor gilt › Stotternde Kinder wissen, dass sich Stottern als vorurteilsbehaftet und Attri- in ihrem Sprechen etwas verändert abgeraten wird butionseffekte können dazu führen, dass hat. Es ist daher nicht sinnvoll, das Die Leitlinie Stottern (Neumann et al, Stotternde die ihnen zugeschriebenen Ei- Thema Stottern in ihrer Gegenwart 2016) gibt auch negative Empfehlungen genschaften wie psychische Labilität, Ner- nicht zu verbalisieren oder zu ab, d. h. sie rät explizit davon ab, Metho- vosität, ungeeignet für Sprecherberufe, bagatellisieren. Wenn sie behutsam den anzuwenden, deren Effekte entweder Kontaktscheu etc., deshalb irgendwann in- und angemessen angesprochen werden, nicht nachweisbar sind oder schnell wieder ternalisieren und sich entsprechend verhal- können sie Trost und Schutz finden. nachlassen oder die zu viele unerwünsch- ten. Der Welttag des Stotterns am 22. Okto- › Komorbiditäten (z. B. spezifische te Nebenwirkungen haben. Dazu gehören ber ist jedes Jahr eine gute Gelegenheit, um Sprachentwicklungsstörungen, Konzepte, bei denen rhythmisiertes Spre- in den Medien auf die Situation stottern- Angststörungen) müssen ggf. chen, Entspannungs- oder Atemtechniken der Menschen aufmerksam zu machen. abgeklärt und zusätzlich zum Stottern als einziger oder wichtigster Bestandteil Wünschenswert wäre neben der Arbeit der therapiert werden. Beispielsweise der Therapie eingesetzt werden. Außer- Selbsthilfegruppen das Engagement von gilt die Erhöhung des linguistischen dem wird von medikamentösen Thera- prominenten Stotternden, die ihren Ein- Niveaus als Triggerfaktor für pien abgeraten und von Therapiekonzep- fluss geltend machen um zu zeigen, dass Stotterereignisse. Verbesserungen in ten, die nicht angeben können, was ihre es sich um eine Störung des Sprechablaufs sprachsystematischen Bereichen können spezifischen Wirkungsweisen sind. Für handelt und nicht die Folge ungünstigen sich daher positiv auf die Anzahl psychotherapeutische Verfahren wie psy- Erziehungsverhaltens oder Überforderung der Stotterereignisse auswirken. choanalytische oder tiefenpsychologisch (Der amtierende US-amerikanische Präsi- › Die Schwere des Stotterns muss orientierte gesprächspsychotherapeutische dent J. Biden spricht offen über sein Stot- nicht mit dem Grad der subjektiven Konzepte und Hypnose gibt es ebenfalls tern und die negativen Erfahrungen, die er Belastung korrelieren. keine Wirkungsnachweise. Sogenannte Al- damit machen musste.). › Aktuell ist es nicht möglich, für ternative Heilmethoden wie Homöopathie ein spezifisches Kind eine sichere oder Bachblüten werden abgelehnt, ob- Ausblick Prognose zu machen, ob es eine wohl sie häufig mit dem Hinweis angebo- Wünschenswert wäre die Vermittlung von Remission haben wird. ten würden, sie könnten ja nicht schaden. Therapiekonzepten für stotternde Kin- › Der Schweregrad des Stotterns Da in der Zeit ihrer unwirksamen Anwen- der schon in der Grundausbildung von ist kein prädiktiver Faktor für die dung aber keine Therapie angeboten wird, Logopädinnen. Auch Pädagoginnen im Wahrscheinlichkeit einer Remission. die Evidenzen aufweist, kann die verstrei- Elementar- und Primarbereich sollten › Stotternden Kinder sollte alles chende Zeit als negativer Effekt bezeichnet über ausreichende Grundlagen verfügen, zugetraut werden, was nichtstotternde werden. um besorgte Eltern schnell und umfassend Kinder auch können. Mitleids- Generell gilt, dass Konzepte, die eine zu beraten. Folgende Fakten sollten allen und Schonungsreaktionen Schuldzuweisung hinsichtlich der Ent- Erwachsenen, die mit Kindern arbeiten, können zu einem ungünstigem stehung des Stotterns vornehmen oder bekannt sein: Selbstbild und Einschränkungen welche die Betroffenen alleine für den Er- › Stottern ist genetisch bedingt. Eltern in der Entwicklung führen. folg oder Misserfolg der Therapie verant- sind nicht Schuld am Stottern ihrer › Wenn ein stotterndes Kind in die wortlich machen oder die keine Rückfall- Kinder aber sie können bei guter Schule kommt, ist es die Verantwortung Prophylaxe anbieten, abzulehnen sind. Beratung durch ihr eigenes Verhalten der Erwachsenen (Eltern und (Neumann et al, 2016, S. 110f) sehr dazu beitragen, dass ihr Kind Lehrerinnen), das Thema vorzubereiten weniger unter seinem Stottern leidet. und das Kind zu unterstützen. Diskussion › Einschneidende Erlebnisse zum › Nicht alle stotternden Kinder haben Logopädinnen verfügen über alle Voraus- Zeitpunkt des Stotterbeginns (Geburt eine Remission. Therapieangebote setzungen, um stotternde Kinder und ihre eines Geschwisterkindes, Trennung sollten daher das Szenario eines Familien gut zu betreuen. Notwendig sind der Eltern, Todesfall in der Familie, persistierenden Stotterns ansprechen dafür spezifische Kenntnisse über die Ent- Umzug, Krankenhausaufenthalt etc.) und das Kind darauf vorbereiten. stehung des Stotterns und mögliche Ver- sind nicht die Ursache des Stottern, Therapieforschung ist weiterhin dringend läufe. Die Therapeutin muss sich Fachwis- sie können höchstens als auslösenden notwendig. Insbesondere sollte geklärt sen über das angebotene Therapiekonzept Faktor bezeichnet werden. werden, ob Therapienagebote in Abhän- aneignen und ihr Wissen nutzen, um An- › Die Gruppe der stotternden gigkeit des Therapiesettings oder in Ab- gebote zu machen, mit denen die stot- Kinder unterscheidet sich lediglich hängigkeit des Kulturkreises unterschied- ternden Kinder mehr Sprechflüssigkeit er- hinsichtlich der Kernsymptome lich erfolgreich sind. langen können und sie und ihre Familien des Stotterns von der Gruppe der wieder zu mehr Lebensqualität finden. nichtstotternden Kinder. Intelligenz
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