Texte und Literaturliste in Deutsch - Ausstellung 2021-2022 Unsere Zukunft auf der Erde Klimawandel und Wissenschaft

Die Seite wird erstellt Heinrich Dick
 
WEITER LESEN
Texte und Literaturliste in Deutsch - Ausstellung 2021-2022 Unsere Zukunft auf der Erde Klimawandel und Wissenschaft
Ausstellung 2021-2022

        Unsere Zukunft auf der Erde
        Klimawandel und Wissenschaft

        Texte und Literaturliste in Deutsch

Bibliothek Exakte Wissenschaften
Sidlerstrasse 5
3012 Bern
Inhalt
 Texte und Literaturliste in Deutsch ............................................................................................. 1
 1.     Vitrine: Die Kritik von drei Wissenschaftlerinnen zur Klimadebatte ..................................... 1
 Donna Haraway: Unruhig bleiben............................................................................................... 2
 Isabelle Stengers: The intrusion of Gaia ...................................................................................... 3
 Naomi Oreskes: Why trust science? ........................................................................................... 4
 2.     Vitrine: Die aktuelle Debatte .............................................................................................. 5
 Die Anthropozän Hypothese?..................................................................................................... 6
 Beispiele von Anthropogenischen Auswirkungen ....................................................................... 6
 Kapitalozän ................................................................................................................................ 8
 Chthuluzän................................................................................................................................. 8
 3.     Vitrine: Unsere Zukunft auf der Erde - Die Visionen ............................................................ 9
 Slow Science ............................................................................................................................ 10
 Interdisziplinarität.................................................................................................................... 10
 Macht Verwandte, nicht Babys................................................................................................. 11
 Sympoiesis ............................................................................................................................... 11
 Tentakuläres Denken ............................................................................................................... 12
 Indigene Völker ........................................................................................................................ 13
 Literaturliste ............................................................................................................................ 14
1. Vitrine: Die Kritik von drei
   Wissenschaftlerinnen zur Klimadebatte

                    1
Donna Haraway
                               Unruhig bleiben

  Wir alle auf Terra leben in unruhigen Zeiten, in aufgewirbelten
Zeiten, in trüben und verstörenden Zeiten. Die Aufgabe besteht nun
darin, reagieren zu können, und zwar gemeinsam und in unserer je
unbescheidenen Art... Es ist unsere Aufgabe, Unruhe zu stiften, zu
    wirkungsvollen Reaktionen auf zerstörerische Ereignisse
     aufzurütteln, aber auch die aufgewühlten Gewässer zu
 beruhigen, ruhige Orte wieder aufzubauen (Donna Haraway).

Die Sonderstellung des Menschen und deren auf Zweckmässigkeit
ausgerichteten Individualismus der klassischen politischen Wirtschaft
ist in den Wissenschaften aller Disziplinen undenkbar geworden. Neue
Wege zu denken und auf die Umweltkrise zu reagieren sind
notwendig um auf unserem beschädigten Planeten zu überleben und
voranzukommen zu können.

Technologischer und wissenschaftlicher Optimismus genügen nicht,
um die aktuelle Krise, mit der die Menschheit konfrontiert ist, zu
überwinden. Eine lebenswertere Zukunft kann nur geschaffen
werden, indem alles, was die Menschen und andere Wesen verbindet,
beachtet wird und indem man sich von alternativen Energien, Sicht-
und Lebensweisen inspirieren lässt.

                                  2
Isabelle Stengers
                               The intrusion of Gaia

Auf Gaia aufmerksam zu machen dient dazu, den Wissenschaftlern
zu ermöglichen, sich einer neuen Bedrohung zu widersetzen, welche
  eine der schlimmsten Verwirrungen zwischen Wissenschaft und
Politik verursachen könnte. Die Bedrohung besteht darin, dass die
 Politik der Wissenschaft die Verantwortung zuschiebt, wie auf die
         aktuelle Lage zu reagieren ist (Isabelle Stengers).

Gaia ist eine beängstigende und zerstörerische Kraft, die sich in unser
Leben und unser Denken einschleicht und unser Überleben auf der
Erde bedroht. Wir stehen im Moment am Rand zum sechsten grossen
Massensterben, weshalb unsere Reaktion dementsprechend ausfallen
sollte.

Dieses Einschleichen zeigt auf, dass es nicht mehr möglich ist, die
Zerstörung der Biosphäre der Erde und das, was diese tatsächlich
ankündigt zu ignorieren: das Ende des Fortschritts als führender
Mythos der heutigen Gesellschaft.

                                  3
Naomi Oreskes
                           Why trust science?

Zu anerkennen, dass Nebenprodukte der industriellen Zivilisation
    die globale Umwelt unwiederbringlich geschädigt haben,
bedeutet die Tatsache von Marktversagen zu akzeptieren und die
 Grenzen des marktwirtschaftlichen Kapitalismus zu erkennen …
  die Wissenschaft begann aufzuzeigen, dass gewisse Arten von
Freiheiten nicht nachhaltig sind - wie z.B. die Freiheit [die Umwelt]
                zu verschmutzen (Naomi Oreskes).

Der Klimawandel ist wissenschaftlich klar bewiesen. Trotzdem
investieren die Fossile Brennstoffindustrie und die Unterstützer des
freien Marktes bemerkenswerte Summen, um die Klimawissenschaft
in Frage zu stellen und die Klimawissenschaftler in Verruf zu bringen.

Die Lösung zum Klimawandel beinhaltet anzuerkennen, dass die
globale Erwärmung und die Verschlechterung der Umweltsituation
auf Marktversagen zurückzuführen sind und dass Lösungen bewusste
Massnahmen erfordern, um die komplette Fossile Brennstoffindustrie
zu erneuerbaren und nachhaltigen Alternativen zu transferieren.

                                  4
2. Vitrine: Die aktuelle Debatte

               5
Die Anthropozän Hypothese?
Die Anthropozän Hypothese zeigt eine neue, vom Menschen dominierte,
geologische Epoche auf: Die Menschheit hat atmosphärische, geologische,
hydrologische, biosphärische und andere Erdsystemprozesse geändert, mit
dem Risiko eines irreversiblen Systemwechsels. Diese Hypothese hat eine
Debatte quer durch alle Disziplinen ausgelöst, von den Natur- bis zu den
Sozial- und Humanwissenschaften.

Beispiele von anthropozänischen Auswirkungen

•      Die Konzentration von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre ist derzeit
etwa bei 412 Teilen von einer Million (ppm) und erhöht sich um mehr als je
in Millionen von Jahren, hauptsächlich aufgrund des Einsatzes von fossilem
Brennstoff.

•     Ozeane absorbieren Kohlenstoffdioxid, was dazu führt, dass sie
vermehrt sauer werden. Dies bedroht den Lebensraum aller aquatischer
Spezies, im Speziellen auch Korallen und viele Arten von Plankton.

•     Der Anstieg des Meeresspiegels, hauptsächlich aufgrund des globalen
Klimawandels (Erwärmung der Ozeane, Schmelze des Festlandeises,
Gletschersterben), beschleunigt sich im einundzwanzigsten Jahrhundert
laufend mit Zuwachssteigerungen bis zu ca. 120 cm.

•     Über 90% des globalen Fischbestandes ist vollständig oder übermässig
ausgebeutet und grosse Raubfischbestände haben sich um ca. 90%
reduziert.

•      Synthetische Chemikalien und Abfall von menschlichen industriellen
Aktivitäten durchsetzen das terrestrische und aquatische System und deren
Organismen mit Plastik, landwirtschaftlichem Abfluss, Schadstoffen in der
Luft etc.

                                     6
•     Der Mensch ist verantwortlich für mehr Verlust des Lebensraums und
Schäden des Ökosystems als irgendwelche andere planetarischen Kräfte;
dies aufgrund von beispielsweise Abholzung, Verschüttung von
Feuchtgebieten und Umstellung zu Monokulturen in der Landwirtschaft.

•     Wirbeltierbestände – Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien, und
Fische – sind in den letzten 40 Jahren durchschnittlich um mehr als die
Hälfte reduziert worden.
(Quelle: R. Sandler, Environmental Ethics, Theory in Practice, Oxford
University Press, 2017)

Naomi Oreskes ist Mitglied der Anthropocene Working Group
AWG (Subcommission on Quaternary Stratigraphy (SQS), 2009)
einer interdisziplinären Forschungsgruppe, die sich dem Studium
und der Anerkennung der Anthropozän als eine geologische
Zeiteinheit widmet.

             Das Anthropozän Konzept bricht mit einer der grundsätzlichen
             intellektuellen Grenzen der Moderne, indem es die
             Menschheitsgeschichte, Naturkunde, die Erde und die
             Humanwissenschaften zusammen verflicht.

                                      7
Kapitalozän
Die Kapitalozän These argumentiert, dass die beispiellose Geschwindigkeit
und das Ausmass des Klimawandels hauptsächlich auf die Ausdehnung der
kapitalistischen Weltwirtschaft zurückzuführen sind. Die Erzählung einer
gesamten Spezies, der Anthropos, verantwortlich für die globale Erwärmung
und die Umweltprobleme, berücksichtigt nicht die unterschiedlichen und
uneinheitlichen Eigenschaften der weltweiten Umweltprobleme: nicht alle
sind gleich verantwortlich für die Klimakatastrophe und auch die
Folgeschäden sind ungleich verteilt.

        Chthuluzän
Das Chthuluzän, abgeleitet vom griechischen Wort Chthonios,
(erdverbunden), ist Haraways alternative Darstellung und radikales Konzept
der Welt. Als Antwort auf die anthropozänen Diskussionen über ökologische
Themen schlägt sie eine andere Erzählung vor, eine, die neue Perspektiven
und eine Vielzahl anderer, nicht-menschlicher Wesen mit einbezieht. Das
Chthuluzän besteht aus fortlaufenden, artenübergreifenden Geschichten
und Möglichkeiten von zukünftigem Miteinander-Leben mit anderen
lebenden und nicht lebenden Wesen und untereinander verwobenen,
hierarchiefreien, symbiotischen Lebensweisen.

     Anders als in den dominanten Dramen des Anthropozäns und des
    Kapitalozäns sind menschliche Wesen im Chthuluzän nicht die einzig
 entscheidenden AkteurInnen, während alle anderen nur reagieren können.
  Die Ordnung wird umgestrickt: Menschliche Wesen sind mit und von der
Erde, um die biotischen und abiotischen Kräfte der Erde erzählen die zentrale
                       Geschichte (Donna Haraway).

                                      8
3. Vitrine: Unsere Zukunft auf der
   Erde - Die Visionen

                9
Slow Science

    Slow Science ist Gegenstand kollektiven Lernens durch die Erprobung
       von Zusammentreffen mit widersprüchlichen Meinungen über
             Themen kollektiven Interesses (Isabelle Stengers).

Der wissenschaftliche Fortschritt allein wird nicht alle gesellschaftlichen
Probleme lösen. Wissenschaft sollte sich offen und ehrlich mit der
Öffentlichkeit auseinsetzen und sich darüber klar sein, welche Art von Wissen
umgesetzt werden kann.

Wissenschaftliche und technische Themen sollten kontextualisiert werden,
um den breiten menschlichen Bedürfnissen, sozialen Interessen und
Entscheidungen für die gemeinsame Zukunft zu begegnen.

               Interdisziplinarität

Über die Menschheit als reinen geologischen Faktor zu denken, führt dazu,
dass die Geologie und die anderen Naturwissenschaften ihre Fachbereiche
überdenken müssen, indem sie die disziplinären Grenzen auflösen und eine
Interaktion und Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaften anstreben.

                                     10
Der Begriff Anthropozän erlaubt interdisziplinäre Auseinandersetzungen
zwischen Natur- und Humanwissenschaftlern: diese Kommunikation ist
essenziell um zu erkennen, was zurzeit auf unserem Planeten geschieht und
weitreichende und ganzheitliche Lösungen zu finden.

Die Auswirkungen der wichtigsten Probleme unserer Zeit – Klimawandel, die
Rechte der indigenen Völker, Ressourcenabbau, industrielle Landwirtschaft
etc. – überschneiden die Grenzen der verschiedenen wissenschaftlichen
Disziplinen.

                 Macht Verwandte, nicht Babys

Sich Verwandt machen mit anderen Menschen und Nicht-Menschen meint,
einen Teil der Erde für lokale Gemeinschaften, indigene Volksgruppen und
gefährdete Arten, zurückzufordern, um die Biodiversität und das Ökosystem
zu erhalten. Sich Verwandt machen ist der Weg, Gerechtigkeit für die
Umwelt und die Artenvielfalt zu erreichen.

                            Sympoiesis
Sympoiesis, im Gegensatz zu Autopoiesis, bezeichnet «mitmachen», weil
nichts sich selbst erschaffen kann. Wir können als Individuen nur durch
wechselseitige, sich gegenseitig fördernde, symbiotische Beziehungen mit
allen lebenden Organismen, überleben.

                                    11
Tentakuläres Denken

            Wir sind nicht Einzelwesen, sondern Glieder in einem
         komplexen Artenvielfalt-Netzwerk verflochtener Wege der
                                 Existenz.

        Wir alle leben auf der Erde, wodurch wir verbunden sind und
         uns deshalb auch dementsprechend verhalten sollten. Wir
        müssen aufhören zu denken, dass der Mensch das Einzige ist,
                 was die Erde beeinflusst (Donna Haraway).

Tentakuläres Denken ist eine Erkenntnistheorie, welche die nichtlinearen,
verschlungenen, vielfältigen, vernetzten Arten des Denkens und Lebens
ergründet. Es erkennt die vielen Alltagsinteraktionen und verbindet
Individuen und Gesellschaften zu Netzwerken naher und ferner Anderer,
andere Leute und Mehr-als-Menschen Wesen eingerechnet.

                                     12
Indigene Völker
           Wir hatten dieses Abkommen mit unserem Land und mit
             unseren Tieren, dass wir einander beschützen und uns
          gegenseitig am Leben erhalten und für einander einstehen.
                 (Nanieezh Peter und Quannah Chasing Horse).

Über Jahrhunderte haben indigene Völker und lokale Gemeinschaften auf der
ganzen Welt einen grossen Anteil der Biodiversität bewahrt. Sie besitzen oder
pflegen 18 Prozent der Erdoberfläche. Diese Gebiete enthalten mehr als 24
Prozent des weltweiten Regenwald-Kohlenstoffs und bis zu 80 Prozent der
weltweiten Artenvielfalt. Die indigenen Völker sind wichtige Partner im
globalen Kampf zur Eindämmung des Klimawandels und dem Erhalt der
Biodiversität.

Erstes Bild: Nanieezh Peter und Quannah Chasing Horse, Alaska Federation of Natives 2019
Convention

Zweites Bild: Mantiqueira Auffortungsprojekt: Bepflanzung neuer Aufforstungsgebiete,
Extrema, Brazil

                                          13
Literaturliste
Bücher

Clarke, Bruce, Gaian Systems Lynn Margulis, Neocybernetics, and the End of the
Anthropocene, Minneapolis University of Minnesota Press, 2020

Grear, A., ‘Anthropocene, Capitalocene, Chthulucene’: Re-encountering Environmental
Law and its ‘Subject’ with Haraway and New Materialism, in Environmental Law and
Governance for the Anthropocene, Louis J Kotzé (ed), Hart Publishing 2017

Haraway, Donna, Staying with the Trouble : Making Kin in the Chthulucene, Duke
University Press 2017 (DE: Unruhig Bleiben, Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän,
Campus Verlag, 2018)

Moore, Jason W., Anthropocene or Capitalocene? Nature, History and the Crisis of
Capitalism, PM Press/Kairos, 2016

Oreskes, Naomi, Why trust science? Princenton University Press, 2019

Oreskes, Naomi, Conway, Erik M., Merchants of Doubt, How a Handful of Scientists
Obscured the Truth on Issues from Tobacco Smoke to Global Warming, 2010

Renn, Jürgen, The Evolution of Knowledge: Rethinking Science for the Anthropocene,
Princeton Princeton University Press, 2020

Sandler, R., Environmental Ethics, Theory in Practice, Oxford University Press, 2017

Stengers, Isabelle, Another Science is Possible: A Manifesto for Slow Science, Cambridge,
UK Polity Press 2018

Stengers, Isabelle, In Catastrophic Times: Resisting the Coming Barbarism, London, Open
Humanities Press 2015

Swanson, Heather, Tsing, Anna Lowenhaupt, et all (eds.), Arts of Living on a Damaged
Planet. Ghosts of the Anthropocene. Monsters of the Anthropocene, Minneapolis London,
University of Minnesota Press 2017

Artikel

Barnosky, A., Matzke, N., Tomiya, S. et al., Has the Earth’s Sixth Mass Extinction Already
Arrived? Nature 471, 51–57, 2011

Crutzen PJ, Stoermer EF., The «Anthropocene», IGBP Newsletter, 41, 17-18, 2000 May

Crutzen, P., Geology of Mankind, Nature 415, 23, 2002

                                             14
Malm A, Hornborg A., The geology of Mankind? A Critique of the Anthropocene Narrative,
The Anthropocene Review, 1(1), 62-69, 2014

Oreskes, Naomi, The Scientific Consensus on Climate Change, Science, 306 (5702), 1686,
2004

Naomi Oreskes on the science of climate change and COVID-19 and those who deny it,
McGill Reporter, 15.09, 2021

Oldfield F, Barnosky AD, Dearing J, et al., The Anthropocene Review: Its significance,
implications and the rationale for a new transdisciplinary journal, The Anthropocene
Review, 1(1):3-7, 2014

Steffen W, Broadgate W, Deutsch L, Gaffney O, Ludwig C. , The Trajectory of the
Anthropocene: The Great Acceleration, The Anthropocene Review, 2(1), 81-9, 2015

                                            15
Sie können auch lesen