Gesunder Korper TroTZ TATToos - picosure
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SSeerrvviiccee Gesunder Korper TROTZ TATToos D r. Hoffmann, sind Tattoos gesund- heitsschädlich? Zunächst muss man sagen, dass Tat- toos heute, gerade für uns Hautärzte, eine völlige Normalität darstellen. Wir lässt. Man kann also zunächst einmal festhalten, dass wissen aus eigenen Studien, die die Ruhr-Universität Herr Froböse keine wissenschaftliche Argumentation Bochum zusammen mit den Tattooverbänden durch- vorhält, sondern emotional unwissenschaftlich argu- geführt hat, dass in den Altersgruppen ab dem 16. mentiert. Lebensjahr mindestens zehn Prozent aller Menschen in Deutschland tätowiert sind*. Dabei finden sich in Der Sportmediziner mutmaßt über Tattoos, »die der Literatur keine guten, wissenschaftlich signifikant Transpiration, das Schwitzen, die Thermoregulation haltbaren – epidemiologischen – Nachweise dafür, dass muss darunter leiden, geht gar nicht anders«. Was Tattoos tatsächlich generell gesundheitsschädlich sind. sagt der Dermatologe dazu? Das, was wir sicher wissen, ist, dass gerade auf »Rot« Sowohl aus eigenen durchgeführten mikroskopischen bisweilen – genauer gesagt: sehr selten – Unverträglich- Studien als auch aus anderen teils elektronen-optischen keitsreaktionen auftreten können. Untersuchungen kann ich sagen, dass es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Schweißsekretion Ein Mediziner für Bewegungstherapie aus Köln, beziehungsweise die Schweißdrüsen signifikant beein- Dr. Ingo Froböse, ist vor einigen Wochen im ARD- trächtigt werden. Die eingebrachten Tattoopartikel Morgenmagazin als medizinischer Tattooexperte legen sich entweder rein zwischen die Collagenbündel mit der Aussage aufgetreten, man vergifte die Haut der Haut oder aber sammeln sich – das ist die häu- mit Tattoos. figere Situation – intrazellulär insbesondere um die Immer wieder werden wir von selbsternannten Exper- Gefäße in der tiefen Lederhaut. Dass Schweißdrüsen ten beglückt. Froböse sagt, dass für Leistungssportler beeinträchtigt würden, ist weder wissenschaftlich gesi- Tattoos erstmal gefährlich seien. Dieser Mann ist Wis- chert noch konnte es bislang von uns beobachtet wer- senschaftler, sagt er. Dann muss er für eine derartige den. Woher Herr Froböse seine Weisheit hat, ist mir Behauptung in irgendeiner Weise einen evidenten daher schleierhaft. wissenschaftlichen Beleg vorlegen. Ein solcher ist mir nicht bekannt. Auf Anschreiben hierzu hat er nicht Wenn es für eine Beeinträchtigung des reagiert. Wenn er, so zitiere ich wörtlich, über Tattoos Schwitzfunktion durch Tattoos keine Belege gibt – sagt, »sie sind völlig unsinnig« und »ich weiß gar nicht, wäre es denn theoretisch denkbar? was das soll«, dann lässt das wenig auf eine objektiv- Das Schwitzen erfolgt durch die nervale Anregung wissenschaftliche Haltung schließen, sondern vielmehr der Schweißdrüse, die in unterschiedlicher Dichte auf einen geistigen Bias, der etwas Muff unter dem in der Haut liegt. Wir können nicht sicher davon Talar des interviewten Hochschullehrers vermuten ausgehen, dass eine Zerstörung der Schweißdrüsen 96 tm. januar 2018
service Tätowierte vergiften ihren Körper mit Farbe, schwitzen weniger und büßen an Leistungsfähigkeit ein: Seitdem vor Wochen ein Sportmediziner mit diesen Horror- Aussagen als Experte im ARD- Morgenmagazin aufgetreten ist, verbreiten zahlreiche Medien all das völlig unkritisch weiter. Im Interview mit dem TätowierMagazin stellt Dermatologe Dr. med. Klaus Hoffmann jetzt klar: Die Behauptungen sind unwissenschaftlich und ohne Grundlage. Interview: Boris »Bobs« Glattha ar Fotos: Luca Cassarà (Modelfotos) Und Katholisches Klinikum Bochum Und Redaktion (Screenshot) januar 2018 tm. 97
Service Im Morgenmagazin der ARD im August sprach der Sportmediziner Ingo Froböse (links) über Tattoos – und steht dafür nun heftig in der Kritik. Auf Anfrage des TätowierMagazins wollten weder Froböse noch die Redaktion des Morgenmagazins zu den Aussagen in der Sendung Stellung beziehen. Wir gehen, wie gesagt, davon aus, dass mindestens zehn Prozent der Menschen über sechzehn Jahren in Deutschland tätowiert sind. Sollte es in dieser Gruppe von Menschen erhöhte Krankheitsan- fälligkeiten geben, so würde dies bei Vorsorgeuntersuchungen oder epide- miologischen Studien auffallen. Das ist aber bislang nicht der Fall, einschlägige Reports dazu gibt es nicht. Stichwort »Tattoofarbe«. Froböse durch mechanische Schädigung, wie behauptet, es gebe »nicht klare, sie zum Beispiel bei einer Tätowierung eindeutige Richtlinien«. Allerdings ist erfolgt, überhaupt möglich ist. Die in Deutschland seit dem 1. Mai 2009 Schweißdrüsen selbst liegen sehr tief in die Tätowiermittelverordnung in Kraft, einem Bereich, der in aller Regel durch die zumindest regelt, welche Stoffe Tätowiernadeln schwer erreicht wird. verboten sind. Wie unbedenklich sind Es gibt auch keine gängige technische Farbpartikel unter der Haut? Möglichkeit, die Schweißdrüsen allein Es ist notwendig, Tätowiermittel besser durch eine mechanische Schädigung, zu kontrollieren. Es muss eine Positiv- wie sie beim Tätowieren stattfindet, zu liste der Inhaltsstoffe und am besten sogar reduzieren. Das Alma College in den USA Dr. med. Klaus einen Nachweis darüber geben, welche hat zu Beginn des Jahres eine Teststudie Hoffmann Stoffe eingebracht worden sind. Das wäre veröffentlicht. Vielleicht stützt sich Herr gut für jeden Tätowierten, die Tätowie- Dr. med. Klaus Hoffmann (56) Froböse darauf, aber wenn, dann muss rer und ihre Verbände sowie die Ärzte. ist Leitender Arzt und steht man die Publikation genau lesen. Die Damit würden dann unsinnige Diskus- der Abteilung für ästhetisch- Autoren sprechen davon, dass die Arbeit sionen aufhören. Die Amerikaner, bei operative Medizin und ein »Proof of Concept« ist. Geprüft wurde, denen Tattoos noch weiter verbreitet sind, kosmetische Dermatologie sowie ob an der Idee, man schädigt die Haut dem Zentrum für Lasermedizin haben überhaupt keine Regulierung, und man schwitzt anders oder weniger, (ZELM) des Landes NRW an der während wir immerhin die Tätowier- etwas dran ist. Mehr nicht. Die Studie Universitätshautklinik Bochum mittelverordnung haben. Warum ist das deckt keinesfalls weitergehende Aussagen. vor. Außerdem ist er für die so? Weil die amerikanischen Behörden Als Dermatologe, der dreißig Jahre ästhetisch-operative Medizin im Angst haben, in eine Co-Haftung genom- Patienten mit vermehrtem Schwitzen, also JosefCarrée Bochum zuständig. men zu werden, wenn ihnen ein Risiko Hyperhidrose, behandelt, kann ich sagen: Der Facharzt für Dermatologie hat bei einem Tattoomittel entgeht. Daraus So einfach ist es nicht, dass man bloß ein sich bereits vor vielen Jahren u. a. könnte man schließen, dass es also doch paar Mal mit der Nadel in die Haut sticht auf Tattoos und deren Entfernung ein Risiko geben könnte, das wäre aber und der Patient schwitzt weniger. Aus der per Laser spezialisiert, inzwischen rein spekulativ. Schluss- und letztend- Sicht der erkrankten Schwitzpatienten ist zählt das Bochumer Laserzentrum lich ist es so, dass chemische Stoffe, wel- das ein »Leider«, aus Sicht der Tätowierten zu den größten und modernsten che nun auch immer, die in den Körper ein »Gott sei Dank«. Für richtig halte der Welt. Hoffmann selbst ist eingebracht werden, dort natürlichem ich stattdessen, dass die physiologisch übrigens nicht tätowiert, aus Stress ausgesetzt sind und sich verändern notwendige Thermoregulation durch seinem medizinischen Interesse können – manchmal in ungewünschter Schwitzen, die ja für Sportler relevant ist, an Tattoos heraus hat er aber Weise. Das Leben an sich ist halt gefähr- durch Tattoos nicht signifikant betroffen die Tattoo-Tagung Bochum lich. ist. Zumindest nach allem, was wir heute initiiert, die Mediziner und wissen. Fachleute aus der Tattoobranche Welche »natürlichen Stressfaktoren« zusammenbringt. Der Arzt meint: sind denkbar? Welchen gesundheitlichen So können alle voneinander Der einfachste »Stress« ist die Langzeitrisiken setzen sich Tätowierte lernen. Sonneneinstrahlung. Unstrittig ist: denn überhaupt aus? www.hautteam.de Setzt man bestimmte Tätowiermittel 98 tm. januar 2018
service »wenn Tätowierte Häufiger Hautkrebs bekämen, Müsste das beim screening auffallen. Aber: Ist das der Fall? Soweit bislang bekannt, nein! « Verminderte Leistungsfähigkeit durch Tattoos? Eden Von Hell gewann trotz ihrer üppigen Hautkunst 2015 die MMA-Weltmeisterschaft der Amateure in Las Vegas. Und auch Hautarzt Hoffmann sagt: In der Wissenschaft gibt es keine Hinweise darauf, dass Tattoos das Schwitzen signifikant beeinträchtigen und dadurch zu einer Leistungsschwäche führen. januar 2018 tm. 99
Service Eden von Hell Eden Von Hell (29) ist professionelle MMA-Kämpferin aus Rom. Mixed Martial Arts verbindet Techniken verschiedener Kampfsportarten und gilt als extrem hart. Über ihre Tattoos sagt die gelernte Piercerin und heutige Studentin der Sportwissenschaft: »Einige erzählen Geschichten aus meinem Leben. Andere sorgen einfach dafür, dass mein Körper besser aussieht.« Zu Vorurteilen gegenüber Tätowierten hat sie eine klare Haltung: »Wir sind für unsere Entscheidungen verantwortlich. Wenn du wegen deiner Tattoos ein hartes Leben hast, ist es Zeit, dein Leben zu ändern. Wahrscheinlich bist du dann nämlich einfach von Idioten umgeben.« der Sonneneinstrahlung »Man darf nicht alle so weit als möglich – aus, entstehen Stoffe, die für so ziemlich alles Risiken ignorieren, man gut und objektiv aufklärt. Nichts ist ohne ein verantwortlich gemacht darf sie aber auch nicht Restrisiko! Angst zu werden können, was man zum Lebensinhalt machen« machen, hilft hier jedenfalls sich nicht wünscht – wie überhaupt nicht. bei einem Stück Fleisch, das zu lange auf dem Grill gelegen hat. Dies geht von dem direkten Stichwort Bestrahlung: Wie gefährlich ist Lasern? Zellschaden bis hin zu Spaltprodukten, die Krebs erregen Es überrascht mich nicht, dass Bundesinstitute die Abspaltung könnten. Es ist aber nie gezeigt worden, dass das tatsächlich besonders schädlicher Stoffe feststellen, wenn sie mit Lasern, passiert. Geht man die Sache von einer anderen Seite her an und die eher ins Museum als in die tägliche Routine gehören, unter schaut auf das Hautkrebsscreening, so müsste es auffallen, wenn unglaublicher Hitze Tattoomittel verbrennen. Es überrascht Tätowierte tatsächlich häufiger Hautkrebs bekämen. Ist das der aber, dass diese Studien mit solch alten Gerätschaften – Nano- Fall? Soweit bislang bekannt, nein! Wir können in diesem Punkt sekundenlasern – und eben nicht mit modernsten Geräten – also festhalten, dass das Aufnehmen chemischer Stoffe in den Pikosekundenlasern – durchgeführt werden. Mit modernen Körper, erst recht dann, wenn sie in der Haut verfügbar und Geräten »zerkochen« wir Tätowiermittel nicht mehr, sondern den Umwelteinflüssen ausgesetzt sind, nicht unbedingt gesund zerspalten sie eher und lassen sie dann im Wesentlichen den sein muss. Daraus darf man aber nicht schließen, dass dies Makrophagen (Fresszellen; Anm. d. Red.) anheimfallen. Natür- automatisch gefährlich ist. Statistiken sind hier sehr geduldig. lich werden bei der Spaltung von Tattoostoffen auch Partikel in Man könnte auch sagen, dass unsere Überlebenschancen sinken, den Körper abgeschwemmt. wenn wir weniger in die Sonne gehen und dadurch unter Vitamin-D-Mangel leiden. Denn ein solcher Mangel begünstigt Dazu ein weiteres Froböse-Zitat: »Man hat ja immer bestimmte Krebsarten und auch eine schnellere Metastasierung. den Eindruck, die Tinte bleibt dort, wo man sie Dann also wäre vielleicht UV-Mangel das eigentliche Risiko der möglicherweise injiziert. Ist aber nicht so. Ganz viel von Tätowierten, wenn sie ihre Kunstwerke vor der Sonne schützen der Tinte fließt letztendlich in den Körper hinein.« Was wollen. Aber: Wissen wir das? Nein, wir wissen es nicht. Soll den Tätowierprozess angeht, sind sowohl die Begriffe ich als Dermatologe den tätowierten Menschen also empfehlen, »injizieren« als auch »Tinte« falsch – was aber stimmt mehr in die Sonne zu gehen? Nein, auch das werde ich nicht am Kern der Aussage, dass also Pigmente in den Körper tun, weil ich die Leute dann ja in die »Hautkrebsfalle« schicken abgeführt werden? würde. Hier reicht es vielleicht, wenn man die Menschen – Dies geschieht sowohl beim Tätowieren selbst als auch über den 100 tm. januar 2018
service Auch hier wieder ein Zitat von Froböse aus dem Morgenmagazin: »Wenn man sich zum Beispiel nur mal die Lymphknoten anschaut, sind die in der Nähe des Tattoos richtig grün und blau.« Erstens stimmt das nicht immer und man muss sich fra- gen, von welcher Relevanz die immer so hoch diskutierte Risikofrage zum Abschwemmen von Tattoomaterial in die Lymphknoten ist. Hier sollen allerdings keine Risiken klein- geredet werden. Noch mal, man muss wissen, dass das unnö- tige Zuführen von Chemikalien von potenziell physikalisch oder chemisch aktiven Produkten in den Körper immer ein Risiko darstellen kann. Die Frage stellt sich nur, ob, wenn man sich über derartige Risiken permanent Gedanken macht, das Leben noch Spaß macht. Ich glaube nicht. Man darf nicht alle Risiken ignorieren, man darf sie aber auch nicht zu einem Lebensinhalt machen. Das Foto zeigt Dr. Hoffmann mit neuesten Pikosekunden- lasern, mit dem Farbpigmente von Tätowierungen nicht mehr »zerkocht«, sondern photoakustisch »zerbrochen« werden Den meisten Behauptungen, die über Tattoos im Morgenmagazin aufgestellt wurden, treten Sie entgegen. normalen Zeitverlauf hinweg und erst recht, wenn man ein Tat- Gab es im ablaufenden Jahr eine echte wissenschaftliche too mit dem Laser für ein Cover-up verändern oder ganz ent- Erkenntnis zu Tattoos, die Ihnen gefallen hat? fernen möchte. Dass hieraus besondere Risiken durch die Ver- Meine Lieblingspublikation war, und dies stellt meine jung- teilung von Kleinstpartikeln im Nanometerbereich entstehen, fräuliche Reinhäutigkeit in Frage, dass tätowierte Menschen ist nicht bewiesen. Unsinn ist es, dass man hierdurch histologi- häufiger und besseren Sex haben. Zumindest gibt es wissen- sche Diagnosen in Lymphknoten unmöglich macht. Natürlich schaftliche Studien, aus denen man dies schließen kann. kann man mit Spezialfärbungen, insbesondere mit immunhis- tologischen Methoden, eine Unterscheidung zwischen Tattoo- *Stirn, 2006: 8,5 Prozent; Hoffmann, 2015: 9,1 Prozent; pigment und Krebszellen machen. IFD Allensbach, 2014: 13 Prozent januar 2018 tm. 101
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