TOSCANA, JULI 2020 - Nyneve
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TOSCANA, JULI 2020 Im Juli sind wir vom See für vier Tage in die Toscana gefahren. Das letzte Mal bin ich 1984 in Florenz gewesen. Es war damals so voller Touristen, teuer und unfreundlich, dass ich seither nie mehr Lust hatte. In Zeiten von Corona – so dachten wir – sind zumindest die Touristen nicht da. Es war wunderbar! Die Stadt ist phantastisch, wenn nicht Horden von Fremden durch sie pflügen. Wenn die Kellner nicht völlig gestresst sind von den Menschenmassen, sondern Zeit haben und mit einem plaudern. Wenn man seinen Museumsbesuch nicht Monate vorher anmelden muss, sondern einfach ein Ticket kauft und in die Uffizien spaziert. Es war ein wenig wie früher, als ich als Teen mit meiner Mutter die Toscana bereist habe. In Florenz spielen am Abend die Bands, die ich aus dem italienischen Radio kenne, auf dem Ponte Vecchio und vor dem Dom. Weil sie nicht auftreten können, verkaufen sie ihre CDs auf der Strasse. Die Leute stehen im Kreis um sie herum, singen mit und tanzen. Die Stimmung war etwas ganz besonderes. Wir schlendern durch die Stadt, schauen uns die Kirchen und Palazzi an, essen zwei Mal am Tag ausgezeichnet und lassen uns einfach treiben. Capella Medici, Giardini Boboli, Baptisterium, alles ohne Anstehen oder Online-Buchung. 4,2 Mrd. Touristen besuchten diese Stadt noch letztes Jahr. Hauptsächlich Russen, Chinesen und Amerikaner. Jetzt hören wir einmal Holländisch und einmal Französisch. Mehr ausländische Besucher konnte ich nicht ausmachen. Irgendwie ist es pervers: Auf der einen Seite freuen sich die Italiener, ihre Städte wieder für sich zu
haben, auf der anderen Seite kann die Stadt nun ohne die vielen Touristen nicht mehr überleben. Als 16-jährige war ich mit meiner Mama auf Konfirmations-Kulturreise das erste Mal in Florenz, Das ist genau 40 Jahre her. Ich bin im Moment aber wieder genauso verzaubert von der Stadt, wie damals. Incantata! Nach zwei Nächten in Florenz sind wir weiter nach Siena gefahren. Auf dem Weg dahin fiel M ein, dass hier irgendwo der Ort Impruneta liegt, von wo die schönsten Terracotta-Töpfe kommen. Also verliessen wir die Schnellstrasse und fuhren durch die Hügel nach Impruneta, wo sich eine Brennerei an die nächste reiht. Die Erde hier eignet sich besonders gut für die Terracotta-Produktion. Wir besuchen eine Brennerei und lassen uns alles zeigen und erklären. Angeblich hat Brunelleschi hier die Ziegel für die Kuppel des Doms von Florenz geholt. Heute werden hauptsächlich Blumentöpfe und Gartendekorationen gebrannt. Die Sachen sind alle winterhart, werden sogar nach Kanada und Russland exportiert. Auch Siena war mehr oder weniger menschenleer, wir besichtigen den Palazzo Pubblico ohne anzustehen und ich freue mich, Guidoriccio da Fogliano wieder zu sehen. Schon als Teenager hat mich das Fresko von Simone Martini begeistert und es hat seine besondere Wirkung auf mich mit den Jahren nicht verloren. Von Siena fahren wir über San Giminiano, das nur noch aus Souvenirshops und kitschigen “Gallerien“ besteht, weiter nach Pisa. Wir waren mit den Kindern vor ca. 12 Jahren einmal auf dem Heimweg von San Vincenzo in Pisa. Man konnte den schiefen Turm vor lauter Menschen kaum sehen. Dieses Mal ist die Sicht ungestört. Es ist schon später Nachmittag und es sind nur noch ein paar italienische Besucher unterwegs. Nach einem Apperitivo in einer lebendigen Fussgängerzone fahren wir nach Lucca, wo wir übernachten wollen.
Lucca ist eine meiner Lieblingsstädte in der Toscana. Die intakte, mit Bäumen bewachsene Stadtmauer aus dem Mittelalter macht die Stadt zu einem Nest. Drinnen komme ich mir irgendwie behütet vor. Die Strassen sind wie immer belebt, trotz Corona. Wir essen auf dem Amphitheater- Platz, wo an den Wänden Geckos hinter Fliegen her flitzen und wir ein langes Gespräch mit dem Wirt über die ausbleibenden Touristen und die Folgen haben. Lucca hatte schon immer nicht die grossen Massen, sondern lebte im Sommer vom Musik-Festival, das in diesem Jahr natürlich abgesagt wurde. Auf dem Programm standen Paul McCartney, Cat Stevens, Celin Dion und Paolo Conte. Ohne diese und andere Gigs kommen auch die Menschen nicht nach Lucca und bringen die Restaurants und Hotels an den Rand des Ruins. Wir haben hier eine hübsche Wohnung gemietet (Appartamento Giulia), sehr zu empfehlen! Die Übergabe klappt perfekt, die Betten sind gut und wir könnten es hier noch eine Nacht aushalten. Am nächsten Morgen hat M einen Conf-Call und ich ziehe mit den Buben alleine durch die Stadt, auch vorbei an meiner Lieblingskirche San Michele in Foro mit dem Monsterengel auf dem Dach (s.oben). Die Kirche hat den Nachtrag “in Foro“ (auf dem Forum) weil sie tatsächlich auf dem ehemaligen römischen Markplatz steht. Wunderbare Romanik aus dem 12. Jahrhundert. Gegen Mittag fahren wir weiter, wieder Richtung Lago. Eigentlich möchte ich noch eine Nacht ans Meer, am liebsten nach Lerici (Ligurien), weil mir die bunten Häuser auf den Fotos so gut gefallen und ich nach den ganzen Bistecche fiorentine gerne noch etwas Fisch essen möchte. Die Autobahn durch Genua ist aber immer noch nicht offen und im Radio hören wir von endlosen Staus. Also beschliessen wir, über Mailand zurück zu fahren. Unser Weg führt uns der Küste entlang nordwärts, rechterhand erscheinen die weissen Steinbrüche von Carrara, die wie Schneefelder aussehen. Mein verfressener Gatte sieht auf dem SatNav Colonnata und hat sofort eine Assoziation von weissem Speck, in Marmorbecken gebeizt. Ab geht’s in die Berge, über enge Serpentinen in ein Tal hinein. Ab und zu kommen uns mit Marmorbrocken beladene
Lastwagen entgegen gebrettert und wir fragen uns, zitternd am Strassenrand wartend, ob die im Notfall überhaupt bremsen könnten bei dem Tempo und Gewicht. Wir kommen heil nach Colonnata und laufen durch das Dorf. Es hat etwas surreales, diese Kulisse aus weissen, zerklüfteten Felsen, es ist leicht nebelig und man hört die ganze Zeit über die Geräusche, die der riesige Steinbruch erzeugt. Ich komme mir vor wie in einem dystopischen Film, irgendwie ist es beklemmend. Bei der Erforschung der schmalen Gässlein stossen wir jedoch auf ein nettes Gartenlokal, wo es nur einen Piatto, nämlich Lardo di Colonnata, Essiggemüse und selber gebackenes Brot gibt. Köstlich! Nach dem Essen fahren wir zurück an den Lago. ©Nyneve 2020
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