Untersuchung der Avifauna
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Untersuchung der Avifauna südwestlich der Ortslage von Wawern im Raum zwischen dem NSG „Wawerner Bruch“ und dem Staatsforst „Wawerner Hochwald“ Schwarzkehlchen zwischen Wawerner Bruch und Planungsgebiet Durchgeführt von: Büro für Naturschutz und Landschaftsökologie Dipl. Biol. Elke Rosleff Sörensen Schneidersberg 13 54311 Trierweiler Juli 2008
Avifaunistische Untersuchung des geplanten Bebauungsgebietes in Wawern Elke Rosleff Sörensen 2 I Fragestellung und Anlass der Untersuchung Südlich der Ortslage Wawern entlang der L 137 ist eine Wohn- / Mischbebauung mit ca. 30 Grundstücken geplant. Es sollte untersucht werden, ob dieses Bauvorhaben sich negativ auf die Avifauna des Untersuchungsgebietes und der umliegenden Biotope, insbesondere des benachbarten Naturschutzgebietes und FFH – Gebietes auswirken wird. II Methoden Avifaunistische Bestandsaufnahme in den frühen Morgenstunden bis zum späten Vormittag ab der 2. Aprilhälfte (Auftragserteilung am 17.04.08) bis Anfang Juli 2008 (insgesamt 6x 5 Std.). Verhören der Reviergesänge und Beobachtung mittels Fernglas. Verhören von bestimmten Arten mittels Klangattrappe. Zweimalige Begehung des Gebietes in den Abendstunden bis kurz vor Mitternacht (zur Erfassung der nachtaktiven Arten). Verhören mittels Klangattrappen. Revierkartierung der planungsrelevanten Arten: Kartierung der singenden Männchen pro Begehung und Eintragen in eine Karte – somit Ermittlung der Reviergröße. Vergleich mit Angaben aus früheren Beobachtungen ortskundiger Vogelbeobachter. III Untersuchte Fläche Das Untersuchungsgebiet wurde so ausgewählt, dass die funktionalen Zusammenhänge zwischen den angrenzenden Teillebensräumen und die jetzige Bedeutung des engeren Planungsgebietes (Gebiet 1) für die Avifauna erkennbar werden. Es reichte etwa 150 - 250 m zu allen Seiten um das geplante Bebauungsgebiet herum. Es tangierte damit neben dem geplanten Bebauungsgebiet selbst (1) die östlichen Teile des Naturschutzgebietes „Wawerner Bruch“ mit vorgelagerten mageren Flachland – Mähwiesen (2) und die westlichen Randflächen des Staatsforstes „Wawerner Hochwald“ (3). Die gesamte Fläche wurde bei jeder Begehung abgegangen und untersucht. Die Untersuchung mittels Klang- attrappe bei Nacht wurde von der kleinen Parkbucht im Osten des Bruches (Beginn des Weges durch das Bruch zw. Gebieten 1 u. 2) und vom Sportplatz aus gemacht. Abb. 1: Das Untersuchungsgebiet
Avifaunistische Untersuchung des geplanten Bebauungsgebietes in Wawern Elke Rosleff Sörensen 3 IV Ergebnisse Folgende Arten konnten bei den Begehungen festgestellt werden: Tab. 1: Liste und Status der im Untersuchungsgebiet von Mitte April bis Anfang Juli festgestellten Vogelarten Lfd. Deutsche Namen Wissenschaftl. 1 2 3 RL RL EU SP Nr. Namen D RP -V EC 1 Graureiher Ardea cinera NG 3 2 Stockente Anas NG pBV platyrhynchos 3 Rotmilan Milvus milvus NG NG pBV 3 x 2 4 Mäusebussard Buteo buteo NG NG pBV 5 Turmfalke Falco tinnunculus NG NG 3 6 Fasan Phasianus pBV colchicus 7 Teichhuhn Gallinula pBV V chloropus 8 Ringeltaube Columba NG NG pBV palumbus 9 Türkentaube Streptopelia NG decaocto 10 Kuckuck Cuculus canorus pBV pBV V 11 Schleiereule Tyto alba NG NG 3 3 12 Waldkauz Strix aluco NG NG 13 Mauersegler Apus apus NG NG 14 Wendehals Jynx torquilla NG NG BV 2 3 3 pBV 15 Grünspecht Picus viridis NG NG pBV 3 2 16 Mittelspecht Dendrocopos NG BV V 3 x medius 17 Buntspecht Dendrocopos NG BV major 18 Kleinspecht Dendrocopos NG NG BV 3 minor 19 Mehlschwalbe Delichon urbica NG NG 3 20 Rauchschwalbe Hirundo rustica NG NG V 3 21 Bachstelze Motacilla alba NG 22 Zaunkönig Troglodytes NG BV BV troglodytes 23 Heckenbraunelle Prunella BV BV BV modularis 24 Rotkehlchen Erithacus BV BV BV rubecula 25 Nachtigall Luscinia BV megarhynchos 26 Gartenrotschwanz Phoenicurus BV V 2 phoenicurus 27 Hausrotschwanz Phoenicurus NG NG ochrurus
Avifaunistische Untersuchung des geplanten Bebauungsgebietes in Wawern Elke Rosleff Sörensen 4 28 Schwarzkehlchen Saxicola torquata BV NG 3 3 29 Amsel Turdus merula NG BV BV 30 WacholderdrosselTurdus pilaris NG NG pBV 31 Singdrossel Turdus NG NG BV philomelos 32 Misteldrossel Turdus viscivorus BV 33 Feldschwirl Locustella naevia BV 34 Sumpfrohrsänger Acrocephalus BV palustris 35 Gartengrasmücke Sylvia borin NG NG pBV 36 Klappergrasmücke Sylvia curruca pBV pBV pBV 37 Dorngrasmücke Sylvia communis BV BV V 38 Mönchsgrasmücke Sylvia atricapilla BV BV BV 39 Waldlaubsänger Phylloscopus BV 2 sibilatrix 40 Fitis Phylloscopus pBV pBV pBV trochilus 41 Zilpzalp Phylloscopus BV BV BV collybita 42 Sommergoldhähnchen Regulus BV ignicapillus 43 Sumpfmeise Parus palustris NG BV BV 3 44 Weidenmeise Parus montanus BV 45 Blaumeise Parus caeruleus BV BV BV 46 Kohlmeise Parus major BV BV BV 47 Tannenmeise Parus ater BV 48 Schwanzmeise Aegithalos NG pBV pBV caudatus 49 Kleiber Sitta europaea BV 50 Waldbaumläufer Certhia familiaris NG BV 51 Neuntöter Lanius collurio pBV BV V 3 x 3 52 Eichelhäher Garrulus BV glandarius 53 Elster Pica pica NG NG pBV 54 Rabenkrähe Corvus corone NG NG NG 55 Star Sturnus vulgaris BV NG BV 3 56 Feldsperling Passer montanus pBV pBV V 3 57 Haussperling Passer NG NG 3 domesticus 58 Buchfink Fringilla coelebs BV BV BV 59 Grünling Carduelis chloris pBV pBV BV 60 Stieglitz Carduelis pBV pBV carduelis 61 Gimpel Pyrrhula pyrrhula pBV pBV BV 62 Bluthänfling Carduelis NG NG V 2 cannabina 63 Goldammer Emberiza pBV pBV pBV citrinella
Avifaunistische Untersuchung des geplanten Bebauungsgebietes in Wawern Elke Rosleff Sörensen 5 Abk.: 1 = Geplantes Bebauungsgebiet 2 = Ostrand des „Wawerner Bruchs“ mit mageren Wiesen davor 3 = Westlicher Waldrand (250 m – Streifen) des Staatsforstes „Wawerner Hochwald“ Status: BV = Brutvogel pBV = potentieller BV NG = Nahrungsgast RL D = Art der „Roten Liste Deutschlands“ mit Gefährdungseinstufung (WITT et al. 1996) RL RP = Art der „Roten Liste Rheinland- Pfalz“ (BRAUN et al. 1992) V = Art der Vorwarnliste 3 = gefährdet 2 = stark gefährdet 1 = vom Aussterben bedroht 0 = ausgestorben EU-V = relevante Art der Vogelschutzrichtlinie Anhang 1 der Natura 2000 - Gebiete SPEC = Species of European Conservation Concern (Arten mit europaweiter Bedeutung). 1 = Europäische Art von globalem Naturschutzbelang 2 = Weltbestand oder Verbreitungsgebiet konzentriert auf Europa bei gleichzeitig ungünstigem Erhaltungszustand 3 = sonstige Art mit ungünstigem Erhaltungszustand V Auswertung der Ergebnisse Das nur knapp 1 qkm große Untersuchungsgebiet darf mit 63 Arten, die in nur gut 2 Monaten festgestellt wurden als außerordentlich artenreich gelten. Grund dafür ist das Anschneiden mehrerer Lebensräume (Grenzlinieneffekt). Es finden sich Arten des feuchten Offenlandes mit Gewässern, Arten des Halboffenlandes mit lockeren Gehölzen und Stauden, Arten der Wälder sowie der Ortschaften. Im Folgenden möchte ich auf die planungsrelevanten Arten genauer eingehen: Tab. 2: Liste der im Gebiet festgestellten planungsrelevanten Arten Deutsche Namen Wissenschaftl. 1 2 3 RL RL EU SP Namen D RP -V EC Graureiher Ardea cinera NG 3 Rotmilan Milvus milvus NG NG pBV 3 x 2 Turmfalke Falco tinnunculus NG NG 3 Teichhuhn Gallinula pBV V chloropus Kuckuck Cuculus canorus pBV pBV V Schleiereule Tyto alba NG NG 3 3 Wendehals Jynx torquilla NG NG BV 2 3 3 pBV
Avifaunistische Untersuchung des geplanten Bebauungsgebietes in Wawern Elke Rosleff Sörensen 6 Grünspecht Picus viridis NG NG pBV 3 2 Mittelspecht Dendrocopos NG BV V 3 x medius Kleinspecht Dendrocopos NG NG BV 3 minor Mehlschwalbe Delichon urbica NG NG 3 Rauchschwalbe Hirundo rustica NG NG V 3 Gartenrotschwanz Phoenicurus BV V 2 phoenicurus Schwarzkehlchen Saxicola torquata BV NG 3 3 Dorngrasmücke Sylvia communis BV BV V Waldlaubsänger Phylloscopus BV 2 sibilatrix Sumpfmeise Parus palustris NG BV BV 3 Neuntöter Lanius collurio pBV BV V 3 x 3 Star Sturnus vulgaris BV NG BV 3 Feldsperling Passer montanus pBV pBV V 3 Haussperling Passer NG NG 3 domesticus Bluthänfling Carduelis NG NG V 2 cannabina Rote Listen und andere Einstufungskategorien: 2 der festgestellten Arten sind bundesweit gefährdet (Schwarzkehlchen) bzw. stark gefährdet (Wendehals), 9 weitere Arten sind bundesweit auf der Vorwarnliste, was bedeutet, dass sie bereits deutlich in ihrem Bestand zurückgehen, aber noch nicht gefährdet sind. Betrachtet man es unter etwas regionalerem Fokus so gelten in Rheinland – Pfalz 9 Arten der Liste als gefährdet: Graureiher, Rotmilan, Schleiereule, Wendehals, Grün-, Mittel- und Kleinspecht, Schwarzkehlchen und Neuntöter. Die Rote Liste von Rheinland- Pfalz ist von 1992, also bereits 16 Jahre alt! Der Graureiher hat sich seitdem im Bestand wieder erholt, ebenso der Grünspecht, der hier im Südwesten nicht selten ist. Für die anderen dürfte die Gefährdung noch bestehen oder sich sogar verschärft haben. Der Wendehals beispielsweise ist in den letzten 20 Jahren deutlich seltener geworden. Aber auch die anderen gefährdeten Spechtarten kommen nur regional vor oder sind nirgends mehr häufig. Schwarzkehlchen sind ebenfalls eine große Besonderheit und werden nur noch selten beobachtet. Ihr Vorkommen konzentriert sich dabei überwiegend auf klimatisch günstige Regionen. Laut Literaturangaben ist es seit Jahrzehnten in mehreren Paaren im Wawerner Bruch ansässig. Der Neuntöter ist der einzige Würger, der in unserer Kulturlandschaft noch gelegentlich beobachtet werden kann, aber nur in extensiv genutzten und locker mit Gehölzen durchsetzten Gebieten. Die Untersuchung per nächtlicher Klangattrappe konnte keinen Nachweis des Steinkauzes erbringen, für den die Biotope potentiell geeignet wären. Im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie sind 3 Arten der hier festgestellten Vogelarten aufgeführt: Rotmilan, Mittelspecht und Neuntöter. Ihnen fällt aus EU- rechtlicher Sicht eine besondere Rolle zu. Für diese Arten schreibt das Gesetz vor, besondere Schutzmassnahmen für ihre Lebensräume zu ergreifen, um ihr Überleben zu sichern!
Avifaunistische Untersuchung des geplanten Bebauungsgebietes in Wawern Elke Rosleff Sörensen 7 Ebenfalls aus europäischer Sicht hat der European Conservation Concern eine Liste von Vögeln erstellt, für die Europa eine besondere Funktion hat, beispielsweise weil hier ein Großteil der Weltpopulation dieser Art brütet oder die Hauptzug- oder Überwinterungsgebiete liegen. Es sind also Arten, für die Europa eine besondere Verantwortung trägt und die meist einen ungünstigen Erhaltungszustand aufweisen. 15 Arten gehören dieser Gruppe an. Was bedeuten diese Listen nun in der Praxis? Betrachten wir zunächst nur das engere Planungsgebiet (Gebiet 1): Folgende Arten wurden hier bei mehreren Begehungen mit Revierverhalten beobachtet, was als Brut gezählt wird bzw. es wurde ein direkter Brutnachweis erbracht: Gartenrotschwanz, Schwarzkehlchen, Dorngrasmücke und Star. Für sie waren die alten Obstbäume (Gartenrotschwanz und Star) der Brutplatz bzw. das Singterritorium. Das Schwarzkehlchen fütterte seine Jungen in einer brach liegenden Wiese mit vielen Disteln und andern höheren Stauden im unteren Bereich des Planungsgebietes. Die Dorngrasmücke brütete in 2 Paaren in den einzelnen Gehölzen auf der Fläche. Abb. 2: Alte Obstbaumwiese Lebensraum von Gartenrotschwanz, Star und Nahrungsraum vieler Spechtarten. Dazu kamen die potentiellen Brutvögel: der Wendehals wurde bei jeder Begehung mit Territorialverhalten festgestellt, kann also als Brutvogel gewertet werden. Jedoch erstreckte sich sein Aktionsradius über das ganze Untersuchungsgebiet und der Brutplatz konnte nicht festgestellt werden. Potentiell kommt den Höhlen der Obstbäume im Planungsgebiet und der Eichen des Waldrandes (Gebiet 3), für die er sich anfangs sichtlich interessiert hatte, die aber schon andere Untermieter (Star und Buntspecht) hatten, eine wichtige Bedeutung bei der Nistplatzwahl zu. Der Neuntöter brütet gerne in Gehölzen des Grünlandes, war in diesem Jahr im Planungsgebiet wahrscheinlich jedoch nur Nahrungsgast. Futtertragende Altvögel sah ich jedoch am Ostrand des Bruches (Gebiet 2), was unmittelbar an das Planungsgebiet reicht. Da mindestens 2 Männchen Territorialverhalten zeigten, ist zu vermuten, dass dort gleich 2 Bruten in etwa 200 m Abstand stattfanden. Auch für den Feldsperling wären die Gehölze des Planungsgebietes ein idealer Brutplatz. In diesem Jahr konnte jedoch kein Nest gefunden werden.
Avifaunistische Untersuchung des geplanten Bebauungsgebietes in Wawern Elke Rosleff Sörensen 8 Um eine bessere Vorstellung von der Besiedlung der planungsrelevanten Arten zu bekommen wurden die festgestellten Reviere und Beobachtungen der planungsrelevanten Vögel auf einer Karte notiert. Jeder beobachtete Vogel (bzw. Vogelpaar) wurde mit einem Buchstabenkürzel versehen (siehe Legende), dennoch nur einmal pro Begehung. War diese Vogelart bei der nächsten Begehung wieder in der Nähe feststellbar, wurde er wieder eingetragen. So ließen sich nach einigen Begehungen bei einigen Arten Reviere abgrenzen. (Grüne Kreise). Obwohl der Wendehals an 3 Orten rufend festgestellt wurde, ist nur von einem Brutpaar auszugehen, da er bei jeder Begehung nur einmal festgestellt wurde. Sein Revier ist so groß oder größer wie das Untersuchungsgebiet. Beim Mittelspecht könnten es auch 2 Paare gewesen sein. (Mehrere Tiere riefen aus dem gleichen Revier). Quelle Luftbild: Google Earth Abb. 3: Karte der Beobachtungen und Reviere von planungsrelevanten Vogelarten Die an das Planungsgebiet angrenzenden Biotope sind ebenfalls für die Vogelwelt sehr bedeutsam. Das Bruch ist Lebensraum vieler selten gewordener Vogelarten. Die bereits erwähnten Vogelarten Neuntöter, Schwarzkehlchen und Wendehals nutzten auch diesen Biotop zur Nahrungssuche oder Jungenaufzucht. Hinzu kommen Teichhuhn und Stockente, die sich auf den kleinen offenen Wasserflächen (meist die südlich des NSG gelegenen)
Avifaunistische Untersuchung des geplanten Bebauungsgebietes in Wawern Elke Rosleff Sörensen 9 aufhielten. Das Bruch ist auch Nahrungsgebiet des Rotmilans, von dem ca. 60 % der Weltpopulation in Mitteleuropa brüten. Deshalb haben wir auch eine besondere Verantwortung für diese Vogelart. Eine genauere Untersuchung dieses Lebensraumes als es im Rahmen dieser Untersuchung möglich war, hätte sicher noch weitere Vogelarten erbracht. Abb. 4: Blick aus dem Planungsgebiet in das unmittelbar benachbarte Wawerner Bruch . Auch der Waldrand oberhalb des Planungsgebietes ist bedeutsam: Hier stehen zahlreiche alte Eichen, in denen Stare, Bunt- und Mittelspecht brüten. Die Bäume weisen zahlreiche Nisthöhlen in ihren Stämmen auf. Der Wald ist artenreich und sehr vogelreich. Abb. 5: Alte Eichen als Brutplatz von Mittelspecht, Buntspecht und Star.
Avifaunistische Untersuchung des geplanten Bebauungsgebietes in Wawern Elke Rosleff Sörensen 10 Funktionale Zusammenhänge zwischen den Biotopen Die Karte der kartierten Reviere (Abb. 2) macht schon deutlich, dass sich die Funktionen der einzelnen Lebensräume für die Avifauna durchdringen. Die Vielfältigkeit der Biotopausstattung einerseits und der Grenzlinieneffekt andererseits erlaubt eine große Artenvielfalt an Vögeln. Offenbar sind diese Biotope auch sehr nahrungsreich. Die (Halb-) Offenlandbiotope Bruch und Planungsgebiet sind zurzeit brach oder kaum genutzt. Es finden sich viele nahrungsreiche Kleinbiotope, wie Hochstauden, Feuchtgebiete, altes Totholz und höhlenreiche Bäume. Letzteres gilt auch für den angrenzenden Wald. Viele Vögel fliegen pausenlos zwischen Brut- und Nahrungsgebiet hin und her, wobei auch das Planungsgebiet genutzt wird. Ökologische Bedeutung des engeren Plangebietes Das zu bebauende Planungsgebiet erfüllt aus avifaunistischer Sicht zurzeit folgende Biotopfunktionen: Es ist Brutgebiet und Nahrungsgebiet des seltenen Schwarz- kehlchens. Hier hat vor allem die hochstaudenreiche Brachwiese im unteren Teil der Fläche eine wichtige Bedeutung. Diese Vogelart nutzt jedoch auch die auf der anderen Straßen- seite gelegene ruderalisierte Fläche am Beginn des Weges in das Bruch zum Nahrungs- erwerb. Abb. 6: Brachliegende Wiese mit Hochstauden im Planungsgebiet: hier wurden gerade flügge gewordene Schwarzkehlchen von ihren Eltern gefüttert. Das Planungsgebiet ist ebenso Brutgebiet von 2 Dorngrasmückenpaaren, einer Art, die bundesweit auf der Vorwarnliste steht. Die alten Obstbäume sind Brutgebiet von Star und Gartenrotschwanz. Diese sind höhlenreich und offenbar auch reich an Insekten, denn alle beobachteten Spechtarten waren hier zumindest kurzfristig Nahrungsgast. Die hohe Zahl an Spechtarten (5, darunter 3 seltenere), zeigt, dass es sich hier noch um einen Lebensraum handelt, der andernorts sehr selten geworden ist. Dabei kommt vor allem den alten Obstbäumen und der Brachwiese unterhalb
Avifaunistische Untersuchung des geplanten Bebauungsgebietes in Wawern Elke Rosleff Sörensen 11 eine hohe Biotopfunktion zu. Jedoch könnte das Planungsgebiet allein mit seiner jetzigen Biotopausstattung niemals diese hohe Anzahl an Vogelarten aufweisen, wenn es nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu den beiden sehr hochwertigen Biotopen Wawerner Bruch und Wawerner Staatswald liegen würde. Die Lage zwischen diesen Biotopen gibt dem Gebiet auch als Trittsteinbiotop seine Bedeutung für die Vogelwelt. Eine Bebauung an dieser Stelle hätte zur Folge, dass der Wald und das Bruch voneinander getrennt würden. Ob die beobachteten Flüge zwischen Nahrungs- und Brutbiotop auch über ein Neubaugebiet stattfinden würden, darf zumindest für die selteneren Arten angezweifelt werden. Es ist zu befürchten, dass gerade Wendehals, Mittelspecht und Dorngrasmücke weiter zurückgedrängt werden. VI Bewertung des geplanten Eingriffes: Die geplante Bebauung ist aus avifaunistischer Sicht als mittelschwerer Eingriff zu werten, da die beiden hochwertigen Biotoptypen „Wawerner Bruch“ und „Wawerner Hochwald“ voneinander isoliert würden. Das Planungsgebiet stellt zurzeit ein Verbindungselement zwischen diesen beiden Biotoptypen dar. Intensive Beobachtungen zeigten, dass viele Vögel die Fläche als Flugkorridor nutzen (vor allem Stare, Spechte und Kleinvögel, s.o.). Hinzu kommt die direkte Biotopfunktion der alten Obstbäume und der Extensivwiesen. Diese Biotopfunktionen sind nur schwer ausgleichbar, da mit der Bebauung der Riegel zwischen Wald und Bruch geschlossen würde. Eine leichte Abmilderung der Wirkung könnte erzielt werden, wenn in unmittelbarer Nähe (am besten zwischen Wald und Bruch) alte, höhlenreiche Obstbäume entwickelt werden könnten, was jedoch Jahrzehnte braucht und zudem ruderalisierte, magere Offenlandsflächen geschaffen werden könnten, was recht schnell umsetzbar wäre. Von der Lage her würden sich nur die mageren Wiesen am Ostrand des Bruches dafür anbieten, die aber bereits jetzt diese Biotopfunktionen zum großen Teil erfüllen und deshalb kaum aufgewertet werden könnten. Ein Wegfall des Planungsgebietes als Biotop würde damit faktisch eine Verkleinerung des Biotops bedeuten und wäre also in der ökologisch notwendigen Kürze der Zeit nicht durch die Schaffung eines gleichwertigen Biotoptyps auszugleichen, zumindest nicht, was die Obstbäume betrifft. Diese sind jedoch in der Altersphase und müssten dringend ergänzt / ersetzt werden, wenn sie in 30 Jahren auch noch ihre Biotopfunktion erfüllen sollten. Von daher wären langfristig ohnehin Maßnahmen zur Erhaltung notwendig. Der Eingriff wäre weniger schwer, wenn die alten Obstbäume so lange wie möglich stehen bleiben könnten und dennoch in der Nachbarschaft neue gepflanzt würden, die deren Funktion in 2 Jahrzehnten übernehmen könnten. Dennoch wäre die Verbindung vom Wald zum Bruch durch einen „Gebäuderiegel“ getrennt (s. o.). Nach Möglichkeit sollte dauerhaft ein Trittstein aus alten Bäumen (zunächst die alten Obstbäume) und Brachflächen erhalten bleiben bzw. entwickelt werden. Ausgleichsmöglichkeiten: Eine bessere Pflege der Magerwiesen zwischen Ortschaft und Bruch (etwas stärkere extensive Beweidung) und Pflanzung von Streuobstbeständen, die die Funktion der jetzigen übernehmen könnten, könnte die Wirkung des Eingriffs mildern. Völlig ausgleichbar ist er aus avifaunistischer Sicht nicht.
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