Väter klagen an: "Gebt uns unsere Kinder zurück!"
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Brennpunkte: Ägypten, Simonetta Sommaruga, Philip Roth Nummer 7 — 17. Februar 2011 – 79. Jahrgang Fr. 6.50 (inkl. MwSt.) – Euro 4.40 Väter klagen an: «Gebt uns unsere Kinder zurück!» Geschiedene Männer erzählen von der Ungerechtigkeit der Schweizer Justiz. Von Daniel Glaus Friedensprojekt sucht Krieg Warum die Verhandlungen mit der EU abzubrechen sind. Von Urs Paul Engeler Norwegens Frauenquoten Was bleibt vom angeblichen Erfolgsmodell? Von Carmen Gasser
«Munition im Scheidungskrieg» Wenn Ehe-Trennungen zum erbitterten Streit um die Kinder eskalieren, verlieren meistens die Väter. Sie fühlen sich von der Justiz und den Behörden krass benachteiligt. Hier erzählen fünf Männer vom alltäglichen Irrsinn im Scheidungskampf. Von Daniel Glaus und Sally Montana (Bilder) Der Missstand ist von ewiger Aktualität: Woh- nen die Kinder nach der Scheidung bei der Mutter, ist der Vater auf das Wohlwollen seiner Ex-Frau angewiesen. Unter Umständen sieht er seine Kinder jahrelang nicht mehr. Ohne dass er sich etwas hätte zuschulden kommen lassen. Selbst wenn er die Alimente pünktlich bezahlt, das gemeinsame Heim freiwillig ver- lassen hat und per Gerichtsbeschluss Anrecht darauf hätte, kann ihm die Frau das Besuchs- recht verweigern, ohne ernsthafte Sanktionen befürchten zu müssen. Eine Gesetzesreform hätte das ändern und beide Elternteile hätten das Sorgerecht erhal- ten sollen. Jahrelang hatten Männerorganisa- tionen dafür gekämpft. Dann trat Simonetta Sommaruga (SP) ihr Amt als Justizministerin an und stoppte die Reform. Sie will auch die Alimentenzahlun- gen neu regeln. Wer für den finanziellen Un- terhalt verantwortlich ist, meistens also der Mann, soll bis unters Existenzminimum ge- pfändet werden können. In den letzten Tagen haben Vätervereine Protestaktionen gestartet: Über eine Website kann man Sommaruga kostenlos einen Pflas- terstein per Post zukommen lassen. Er symbo- lisiere «die Steine, die Vätern und ihren Kin- dern im Weg liegen», sagte Initiant Oliver Hunziker. Bis Sommaruga zu Gesprächen be- reit ist, wollen Männer jeden Abend vor dem Bundeshaus eine Mahnwache halten. «Der Kampf um den Kontakt zu den eigenen Kindern ist teuer»: Markus Staub. «Wenn sie nicht will, steht alles still» Die Weltwoche hat mit fünf Vätern gesprochen, Markus Staub, 52, suchsrecht von zwei Wochenenden pro Monat die im Scheidungskampf unter die Räder ge- Ingenieur-Agronom ETH gerichtlich festgelegt. Aber das Urteil war nicht kommen sind. Sie erzählen auf den folgenden «Die Zwillinge waren siebenjährig, als meine das Papier wert, auf dem es geschrieben war. Seiten über ihren kafkaesk anmutenden Frau und ich uns vor zwölf Jahren trennten. Wenn meine Ex-Frau die Kinder nicht in den Kampf gegen Behörden, Sozialämter, Richter ‹Wenn es nach mir geht, siehst du die Kinder vereinbarten Zug setzte, stand ich am Freitag- und ihre früheren Partnerinnen. Es sind be- nie mehr›, prophezeite sie. Ihr war jedes Mittel rührende Schicksale. An ihrer Misere, sagen recht, um mich zu dämonisieren: In den Ge- «Alle vierzehn Tage stand viele, sei nicht in erster Linie die Ex-Frau, son- richtseingaben stellte sie mich als ‹gewalttäti- dern vor allem der Staat schuld: «Er ist unfä- gen› Waffennarren dar. Ich besitze zwar mein ich vergebens am Bahnhof hig, Abmachungen und Urteile durchzuset- Sturmgewehr noch und Souvenirs wie india- und wartete auf meine Kinder.» zen», lautet der Tenor. Die Fälle belegen eine nischen Pfeil und Bogen. Aber die Beschuldi- Schlagseite der Justiz nach dem Muster: gungen waren offensichtlich haltlos, deshalb abend alleine am Bahnhof und hatte Angst, «Wenn die Frau nicht will, steht alles still.» hat sie mich auch nie angezeigt. meinen Kindern könnte etwas zuge stossen In langen Gesprächen haben die Männer Der Kampf um den Kontakt zu den eigenen sein. Bis ich jeweils am Montag oder nach den ihre Erlebnisse mit Justiz und Ämtern erläu- Kindern ist teuer. Ich wohnte acht Jahre lang Ferien in der Schule anrief und erfuhr, dass sie tert. Sie haben ihre Aktenordner geöffnet. Da- in einer Dachbodenwohnung, bei teilweise mit den Kindern weggefahren war. bei ging es nicht darum, zu klären, wer schuld dreizehn Grad im Winter; meine Frau kaufte Nachholen durfte ich die vereitelten Be- am Bruch der Ehe war. Sondern um die Frage: sich ein Haus und machte Ferien in Übersee. suchstage nie, sie verfallen einfach. Ich habe Wie erleben Väter die Staatsgewalt, wenn die Die finanziellen Einbussen hätte ich noch sie zwar angezeigt wegen ‹mehrfachen Unge- Trennung in einen Scheidungskrieg um Sor- verkraftet. Aber nicht, dass ich meine Kinder horsams gegen eine amtliche Verfügung›. gerecht, Obhut und Alimente ausartet? nicht mehr sehen durfte! Es wurde zwar ein Be- Doch die Bussen von einigen hundert Franken 26 Weltwoche Nr. 7.11
hat sie erfolgreich angefochten. Ich weiss geben und ich alles gebucht hatte. Im umge- rekurrieren. Jetzt steht da, ich wolle ‹sehr wohl nicht, ob sie jemals nur eine davon bezahlt hat. kehrten Fall würde man das Entführung nen- Kontakt›, meine Frau lehne das aber ab. In den amtlichen Papieren fand ich eine entlar- nen – doch meine Anzeige wurde nicht einmal Schon kurz nach der Trennung vor knapp vende Bleistiftnotiz eines Beamten: ‹Dieses entgegengenommen, weil das Ober- und das fünf Jahren begannen die Versuche, den Kin- Kindergestürm ist nicht von öff. Interesse.› Bundesgericht dieses Verhalten stützen. Der dern den Vater wegzunehmen: Um den Ehe- Das Einzige, was ich wollte, war, unsere Kin- Fall liegt jetzt beim Europäischen Gerichtshof streit zu ‹deeskalieren›, sollte ich für einige der zweimal 48 Stunden im Monat zu sehen. In für Menschenrechte in Strassburg. Zeit den Kontakt mit den Kindern aussetzen, den ersten Jahren nach der Trennung gewährte Kurz darauf hat sie meine Verbindung zu Da- riet mir der Sozialdienst. Ich befolgte das. sie mir die Besuchswochenenden nach Lust niel ganz gekappt. Sein Beistand sagt, er könne Einige Monate später warfen mir dieselben und Laune. Meist nach langem Stürmen von mir nichts machen. Und vom Gericht heisst es, man Damen vor, ich kümmerte mich nicht um die und dem Kinder-Beistand. Dieser kündigte könne nicht ein Kind von der Polizei abholen Kinder! Die Rektorinnen von Daniels Schule nach zwei Jahren, weil meine Frau alle Weisun- lassen. Das wäre eine zu grosse Belastung. Aber drohten mir sogar, sie würden die Mutter zu gen und Vermittlungsversuche ignorierte. dass mein Sohn plötzlich keinen Vater mehr einer Anzeige gegen mich ‹motivieren›, wenn 2004 kamen die Kinder das letzte Mal regu- hat, soll für ihn keine Belastung sein? ich nochmals aufs Schulgelände käme. Dabei lär zu mir. Dann unterbrach meine ehemalige hatte mich sein Lehrer eingeladen, um Schul- Frau die Verbindung ganz: keine Besuche, kei- «Die Behörden müssen begreifen, probleme meines Sohnes zu besprechen. Die ne Briefe, keine Telefonate, absolut nichts! dass die Paare in emotionalen Rektorinnen stritten die Drohung später na- Ein Jahr lang stand ich alle vierzehn Tage türlich ab, ich kann nichts beweisen. vergebens am Bahnhof Aarau und wartete auf Extremsituationen sind.» Ähnlich einseitig waren die Behörden bei meine Kinder. In einer Gerichtseingabe schrieb meiner Tochter. Jahrelang wurde sie von der meine Frau, es sei nicht glaubhaft, dass je- Nur ein Beispiel, wie die Wohngemeinde mei- Mutter geschlagen, das ist amtlich dokumen- mand so was mache. Darauf liess ich mir meine ner Frau mit mir umgeht: Im Gemeinderats- tiert, ich habe eine Gefährdungsmeldung ge- Warterei jeweils am Schalter bestätigen. protokoll steht, es bestehe ‹weder von Daniel macht. Doch passiert ist nichts. Bis sie mit Nach sechs Jahren mit andauernden Verfah- noch von seinem Vater das Bedürfnis nach ge- fünfzehn selber zu mir zog. Kurz vor ihrem 18. ren stellte das Bezirksgericht schliesslich fest, genseitigem Kontakt›. Das ist eine blanke Geburtstag erhielt ich dann das Sorgerecht. dass das Besuchsrecht durchgesetzt werden Lüge. Die Vormundschaftsbehörde hat völlig Es kann doch nicht sein, dass ein Vater keine soll, falls nötig, mit Hilfe der Polizei. unkritisch die Position meiner Ex-Frau über- Beziehung mehr zu seinen Kindern haben darf, Am 27.Oktober 2006 holten Beamte in Zivil nommen und diese als Fakt dem Gemeinderat weil diese als Munition im Scheidungskrieg die Kinder in der Schule ab. Es war längst zu vorgelegt. Das nenne ich Behördengewalt! Ich eingesetzt werden und die Behörden das auch spät. Aber ich wollte einfach noch einmal mit musste beim Bezirksamt gegen das Protokoll noch unterstützen!» Fortsetzung Seite 28 ihnen sprechen. Meine ehemalige Frau hatte ihnen jahrelang eingeimpft, der Papi wolle das Mami ins Gefängnis bringen. Heute sind die Zwillinge volljährig und verlangen vor Ge- richt, dass ich mehr bezahle für sie. Weiteren Kontakt wünschen sie nicht.» Robert A., 56, Ingenieur, und Tochter Julia*, 19, Coiffeuse «Meinen Sohn Daniel* habe ich seit über zwei Jahren nicht gesehen. Obwohl ich per Ge- richtsbeschluss das Besuchsrecht für zwei Wo- chenenden im Monat und das Ferienrecht für vier Wochen hätte. Auch meine Tochter Julia, die heute alleine lebt, hat keinen Kontakt mehr zu ihrem vier Jahre jüngeren Bruder. Meine Ex-Frau hält ihn von uns fern. Wenn ich vor der Türe stehe, um ihn fürs Wochenende abzuholen, öffnet sie nicht. Wir vermissen ihn sehr und wissen nicht, wie es ihm geht. Ich will nicht meine Ex-Frau oder die Frauen allgemein angreifen. Mir geht es darum, dass die Behörden ihr Verhalten ändern müssen. Wenn es zum Streit kommt, gibt es immer nachvollziehbare Argumente beider Seiten. Aber die Behörden müssen endlich begreifen, dass Paare in Trennung in emotionalen Ex- tremsituationen sind, und müssen sich des- halb unparteiisch dazwischenstellen – zum Wohle der Kinder! Doch auch bei mir wurde klar die Ex-Frau bessergestellt. Sie konnte mei- nen Sohn an Weihnachten in die Ferien mit- nehmen, ohne mich zu informieren. Obwohl das Gericht explizit mir die Erlaubnis dazu ge- «Die Position meiner Ex-Frau wurde unkritisch übernommen»: Robert A. mit seiner Tochter Julia. Weltwoche Nr. 7.11 27
Selbsthilfe «Er bezahlt, sie hat das Sagen» Oliver Hunziker ist Initiant des ersten Männerhauses. Er rät Scheidungsvätern, von Beginn weg Widerstand zu leisten. Herr Hunziker, weshalb fühlen sich viele Mit der Aktion «Schick en Stei» wollen wir Scheidungsväter gegenüber ihren Ex- die Reform wieder ins Rollen bringen. Frauen benachteiligt? Haben Richter und Jugendämter nicht Wenn ein Mann auszieht und Frau und schon genug Spielraum, um sich neutral Kindern die Wohnung überlässt, hat sie zwischen Mann und Frau zu stellen, da- damit faktisch das Sagen. Sie kann den mit die Kinder mit beiden Elternteilen in Mann ab sofort von der Kindererziehung Kontakt bleiben? ausschliessen. Ohne die Kooperation der Den hätten sie theoretisch – aber sie nut- Mutter sehen die Väter ihre Kinder unter zen ihn nur selten. Das Gesetz muss enger Umständen jahrelang nicht mehr. Und formuliert werden, damit Gerichte und wir sprechen hier nicht etwa von Schläger- Ämter gezwungen sind, die gemeinsame typen und Pädophilen, sondern von unbe- Sorge und Obhut durchzusetzen. scholtenen Männern. Wieso braucht es diesen Zwang? Wie wollen Sie diesen Zustand ändern? Es ist tragisch, aber noch immer gibt es die Im Zivilgesetzbuch muss das gemeinsame Tendenz, dass die Mutter als der Teil des Sorgerecht der Regelfall werden. Bei Tren- Paares gilt, der das Opfer sein muss. Und nung und Scheidung sollen sich die Eltern dass sich die Frau naturgegeben besser um grundsätzlich zu gleichen Teilen finan- die Kinder kümmern kann. Wissenschaft- ziell und erzieherisch um die Kinder küm- lich ist das längst widerlegt: Häusliche mern. Auch die Obhut sollte möglichst Gewalt gegen Kinder oder den Partner/ die gleichmässig aufgeteilt werden. Gemein- Partnerin ist relativ gleichmässig auf Müt- sames Sorgerecht alleine bringt nichts. ter und Väter verteilt. Und Väter können Wer die Obhut hat, kann dem anderen genauso fürsorglich sein wie Mütter. Elternteil die Kinder vorenthalten, meis- Was raten Sie Männern, die sich bei Ob- tens ohne dass der Staat einschreitet. hut und Sorgerecht benachteiligt fühlen? «Ich bin nur noch ein lieber Onkel»: Georgios Mehrheitlich hat die Mutter die Obhut. Sich sofort kompetent beraten lassen. Und Ja, und oft bedeutet das: Er bezahlt, bis sich nicht vertreiben lassen aus der Woh- Georgios Skarlakidis, 45, nur das Existenzminimum bleibt, sie hat nung, wenn es irgendwie geht. Ein Aus- diplomierter Finanzplaner die Kinder und das Sagen. Die Gesetzes- zug, «Kooperation zur Deeskalation», wie «Im März vor vier Jahren musste ich unser reform versprach Besserung – bis Bundes- es Sozialarbeiterinnen oder Polizisten Haus auf richterliche Anweisung verlassen. rätin Simonetta Sommaruga die Übung häufig raten, kann ihm vor Gericht als Geschieden bin ich noch immer nicht, weil nach sieben Jahren kürzlich gestoppt hat. Nachteil ausgelegt werden: «Er ist abge- meine Frau das Verfahren hinauszögert. Nach hauen», heisst es dann. Deshalb ist es Bezahlung der Alimente für unsere drei Kin- wichtig, Ratschläge, Versprechen oder der bleiben mir weniger als 3400 Franken im Weisungen von Beamten nur schriftlich Monat zum Leben – am Anfang waren es sogar zu akzeptieren. nur 2400. Die Pensionskasse und die Dritte Welche Männer sind besonders gefähr- Säule werden geteilt – das ist auch richtig. det, über den Tisch gezogen zu werden? Weil ich die Kinder im Alter von 9 bis 15 Jah- Ganz besonders jene, die eigentlich alles ren kaum sehe, bin ich nicht mehr ihr Papi, nur richtig und anständig machen wollen bei noch ein lieber Onkel – das ist nicht richtig. einer Trennung. Sie getrauen sich nicht, Und das kam so: Mit Argumenten wie ‹sexu- sich zu wehren, weil sie Angst haben, die elle Nötigung›, ‹Entfremdung› und ‹geistige Kinder ganz zu verlieren. Dann ist es zu Weiterentwicklung› wollte sich meine Frau spät, und sie finden sich in ruinösen und trennen. Der Richter ging nicht darauf ein. nervtötenden Gerichtsverfahren wieder. Dann zeigte sie mich an. Ich hätte die Kinder Am meisten leiden aber ohnehin die Kin- geschlagen. Dabei war sie es, die unsere mittle- der – es ist traumatisch, wenn sie in einem re Tochter am Arm aus dem Zimmer zerrte, als jahrelangen Scheidungskrieg hin und her diese bei mir Zuflucht suchte. Ich machte eine gerissen werden. Gegenanzeige, die Kinder sagten zu meinen Gunsten aus. Trotzdem musste ich ausziehen. Oliver Hunziker ist Präsident des Vereins «Verantwortungsvoll erziehende Väter und Mütter» Beide Verfahren wegen Tätlichkeiten wurden (VeV) sowie Initiant des Väterhauses «Zwüschehalt» eingestellt. Doch die Fakten waren geschaffen: in Aarau. Mit der Aktion «Schick en Stei» und Ich war der Bösewicht. Mahnwachen protestieren der VeV und weitere Vereine gegen die Sorgerechtsreform von Bundesrätin Seit der Trennung bestimmt nur noch mei- «Am meisten leiden die Kinder»: Hunziker. Simonetta Sommaruga (SP). ne Ex, trotz gemeinsamem Sorgerecht. Ich muss meinen Lohn bis aufs Existenzmini- 28 Weltwoche Nr. 7.11
Skarlakidis. «Ich werde wie ein Schwerverbrecher behandelt»: Urs Brechbühl. mum abgeben. Einen Anwalt konnte ich mir Urs Brechbühl, 40, sieren, da unser Scheidungsverfahren und nicht leisten – sie erhielt eine Anwältin gratis Internet-Supporter eine Vaterschaftsklage hängig waren. Ich solle vom Staat. Die Kinder durfte ich noch jedes «Am 23. März wird mein Sohn vier Jahre alt. mich ans Gericht wenden. Dort sagte man mir, zweite Wochenende sehen. Manchmal, je nach Ich habe ihn noch nie gesehen. Im Sommer das Sozialamt sei zuständig. Monatelang ging Gemütslage meiner Frau, am Mittwochnach- 2006, als meine Frau hochschwanger war, dieses Pingpong-Spiel weiter. mittag. Dabei sagten die Kinder vor Gericht, trennten wir uns. Erst ein halbes Jahr zuvor Als ich als Vater bestätigt wurde, sollte eine bei der Familienberatung und bei Psycholo- hatten wir geheiratet. Meine Frau war fürch- Beiständin die Besuche ermöglichen. Doch gen, sie wollten die Hälfte der Zeit bei mir sein. terlich eifersüchtig, hatte regelrechte Atta- meine Ex-Frau weigerte sich. Mir schien, dass Meine Frau sabotierte das Besuchsrecht im- cken, schrie mich mitten im Coop oder in einer die Beiständin nicht sonderlich hartnäckig mer wieder, da ging ich zur Polizei und vor Ge- Bar an. Auch am Abend nach der Arbeit hatte versuchte, das Besuchsrecht durchzusetzen. richt. Die sagten mir, sie könnten nichts tun. ich nie meine Ruhe. Sie ohrfeigte und schubste Natürlich habe ich mich beschwert, aber ihre Nach etwa zwei Jahren verlor ich die Nerven. mich. Ich schlug die Trennung vor, um die Vorgesetzten stützen die Frau. Ich war ruiniert und krankgeschrieben wegen Situation zu beruhigen. Sie wollte sofort die Letztes Jahr erst beschloss das Gericht unsere Burnouts. Ich stellte die Zahlungen ein und Scheidung und drohte mir, sie würde mich Scheidung. Demnach habe ich gar kein Recht haute ins Ausland ab. Ich war derart am Ende, ruinieren und mir das Kind vorenthalten. Sie mehr auf Besuche meines Kindes. Ich werde dass ich Mord- und Suizidgedanken hatte. Als hatte auf der ganzen Linie Erfolg. wie ein Schwerverbrecher behandelt! es mir etwas besserging, kam ich zurück. Nachdem wir die gemeinsame Wohnung Heute wohne ich in einer Einzimmerwoh- Schliesslich wollte ich meine Kinder sehen. aufgelöst hatten, zog ich zu meinen Eltern nung, die die Gemeinde bezahlt. Ich lebe von Die ausgebliebenen Unterhaltsbeiträge von und sie vermutlich zu ihrer Schwester. Die 960 Franken Sozialhilfe. Dieser Scheidungs- über 40000 Franken habe ich abgestottert. Trennung, die Drohungen und dass ich mei- kampf hat den Steuerzahler schon 240 000 Mit Hilfe einer Beiständin wollten meine nen Sohn nicht sehen durfte, haben mich völ- Franken gekostet, das habe ich ausgerechnet. Kinder und ich kürzlich das Besuchsrecht auf lig fertiggemacht. Ich konnte nicht mehr ar- Auch die Sozialarbeiterin der Gemeinde unter- jeden Mittwochnachmittag ausweiten. Die beiten und wurde krankgeschrieben. stützt mich nicht darin, mein Kind sehen zu Mutter ist dagegen. Wenn sie nicht will, sind Als das Kind zur Welt kam, hatten wir theo- können. Nun will meine Ex-Frau meinem Sohn wir und der ganze Staatsapparat machtlos. retisch das gemeinsame Sorgerecht. Faktisch noch meinen Familiennamen streichen. Dage- Die Höhe ist: Meine Noch-Ehefrau ist lag es bei ihr, denn sie verweigerte jeden Kon- gen rekurriere ich, aber ich habe kein Geld für schwanger. Nun muss ich eine Vaterschaftskla- takt, ich konnte weder beim Vornamen noch ein langes Gerichtsverfahren. Was mir bleibt, ge einreichen. Sonst bezahle ich noch für das bei sonst etwas mitreden. Das Sozialamt der ist, Aufsichtsbeschwerden und Anträge an die Kind des Mannes, der in mein Haus einzog – es Wohngemeinde meiner Frau schrieb mir, sie Behörden zu schreiben. Zeit dafür habe ich ja aber nicht lange aushielt.» könnten keinen Kontakt zum Kind organi- bis an mein Lebensende.» Fortsetzung Seite 30 Weltwoche Nr. 7.11 29
Michael Handel, 37, von einer ‹durch den Staat sanktionierten Kin- Kinderanwalt kämpft nun dafür, dass ich auch desmisshandlung›. Trotzdem musste Luca bei das alleinige Sorgerecht erhalte. Das tönt nach Lüftungszeichner meiner Ex-Frau bleiben. Happy End — ist es aber nicht: In diesem Streit «Als meine Ex-Frau meinen kleinen Sohn ent- Der kantonale Kinder- und Jugendpsych- war Luca ein Faustpfand, weil die Behörden führte, war ich gerade beim Arzt. Luca* spielte iatrische Dienst hielt fest, Luca habe bei mir nicht auf ihn hörten. Richter, Beiständinnen im Sandkasten, eine Nachbarin passte auf ihn ‹eine deutliche positive Entwicklung gezeigt›. und Sozialarbeiter haben ihm seine Kindheit auf. Meine Ex fuhr vor und zerrte ihn ins Auto. Und meine ‹allgemeine Erziehungsfähigkeit› gestohlen.» Luca muss fürchterlich geschrien haben. Da könne ‹in keiner Weise bestritten› werden. Die war er 5-jährig. ‹Entführungsaktion der Mutter› hingegen be- «Amtliche Pseudobeweise» Ich hatte meiner Ex-Frau zuvor während deute eine ‹Traumatisierung›. Wie viele andere betroffene Väter engagiert eineinhalb Monaten das Besuchsrecht ver- sich auch Michael Handel in Vereinen gegen weigert — sie hatte ihn mehrfach tätlich ange- «Richter, Beiständinnen und die «behördliche Männerdiskriminierung». griffen. Ich möchte nicht ins Detail gehen, das Zusammengeschlossen sind die über ein Dut- Sozialarbeiter haben Luca seine reisst sonst alte Wunden auf. Augenzeugen zend Organisationen in der «Vereinigung für haben die Tätlichkeiten jedenfalls schriftlich Kindheit gestohlen.» gemeinsame Elternschaft» Gecobi. Die Väter bestätigt, später auch die Beiständin. Doch die veranstalten Treffen zur Selbsthilfe, betreiben Vormundschaftsbehörde meinte, jede Mutter Doch auch mehrfache Aussagen von Luca vor Beratungsstellen und das schweizweit einzige raste gelegentlich aus, und sie verharmlosten Gericht, er wolle bei mir wohnen, halfen nicht. Männerhaus in Aarau. auch andere Taten. Ich bestand auf einer fach- Er musste bei meiner Ex-Frau leben. Wieder Ihre Anliegen wollen sie auch auf politischer lichen Begleitperson für die Zeit, in der Luca kam es zu Gewalt. Doch ich hatte alle juristi- Ebene durchsetzen. Der Gecobi-Präsident bei seiner Mutter sein sollte. Das Bezirksge- schen Möglichkeiten ausgeschöpft und konn- Oliver Hunziker hat die Stein-Lawine und die richt lehnte ab. Da stellte ich mich quer, liess te nichts mehr für ihn tun. Ich war total ge- Mahnwache gegen Sommarugas «Reform- meine Ex-Frau nicht mehr zu Luca. knüttelt und resignierte. Verzögerung» organisiert. «Es muss endlich Doch anstatt das Kind vor seiner gewalttä- Einige Monate nach seinem zwölften Ge- der Grundsatz gelten, dass die Eltern die Sorge tigen Mutter zu schützen, hat das Gericht die burtstag ist Luca dann von seiner Mutter ge- um die Kinder gemeinsam tragen», sagt Entführung im Nachhinein belohnt: Es ent- flüchtet und zu mir gekommen. Das war an Hunziker. So könnten Streitereien um Erzie- zog mir die alleinige Obhut und sprach sie einem Freitagabend vor gut einem Jahr. hungsgewalt und Besuchsrechte künftig ver- meiner Ex-Frau zu. Die Begründung war, dass Ein Bundesgerichtsurteil in einem anderen mieden werden (siehe Interview auf Seite 28). ich ihr das Besuchsrecht verweigert hatte! Der Fall schützt Luca. Demnach sind Kinder in der Selbst wenn die Männerorganisationen Kinderschutzbund intervenierte und sprach Frage der Obhut ab zwölf urteilsfähig. Ein Sommaruga umstimmen können, bleibt die tägliche Praxis in Gerichten und Ämtern. Es sind nicht einfach notorische Querulanten mit Behörden-Aversion, wie die Erfahrungen der fünf Männer zeigen. Es ist offensichtlich, dass viele Richterinnen und Beamte die Väter und ihre Kinder auflaufen lassen. Wissenschaftlich belegt ist etwa, wie wenige Kinder in Schei- dungsverfahren selber zu Wort kommen: nur zehn Prozent, ergab eine Studie des Marie- Meierhofer-Instituts und der Universität Zü- rich. Dies, obwohl die Uno-Kinderrechtskon- vention und das Zivilgesetzbuch eine Anhörung vorschreiben. Wie einfach es sein kann, einen Mann via Justiz und Behörden entgegen grundlegender rechtsstaatlicher Prinzipien «zu entsorgen», schildert eine Psychologin, die Gewaltopfer berät: «Eine Frau braucht nur in die Gratis- Rechtsberatung eines Gerichts zu gehen, wie sie in vielen Städten angeboten wird. Dort muss sie einem einfühlsamen Richter oder einer scharfen Staatsanwältin schluchzend er- zählen, was ihr der Typ Schlimmes angetan habe. Sofort bezahlt ihr der Staat per Kosten- gutsprache einen Anwalt. Der Auftritt in der Sprechstunde wird schriftlich bestätigt — da muss die Dame nicht einmal ins Frauenhaus gehen, wo kritische Fragen gestellt werden. An nur einem Nachmittag kann sie bequem erste amtliche Pseudobeweise erschaffen.» Wenn die Frau den Mann ausspielt, so das deprimierende Fazit, helfen ihr die Behörden. «Jede Mutter raste gelegentlich aus, meinte die Vormundschaftsbehörde»: Michael Handel. * Die Namen der erwähnten Kinder wurden geändert. 30 Weltwoche Nr. 7.11
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