Väter klagen an: "Gebt uns unsere Kinder zurück!"

Die Seite wird erstellt Alexander Auer
 
WEITER LESEN
Väter klagen an: "Gebt uns unsere Kinder zurück!"
Brennpunkte: Ägypten, Simonetta Sommaruga, Philip Roth
Nummer 7 — 17. Februar 2011 – 79. Jahrgang
Fr. 6.50 (inkl. MwSt.) – Euro 4.40

Väter klagen an: «Gebt uns
unsere Kinder zurück!»
Geschiedene Männer erzählen von der Ungerechtigkeit der Schweizer Justiz.
Von Daniel Glaus

Friedensprojekt sucht Krieg
 Warum die Verhandlungen mit der EU abzubrechen sind. Von Urs Paul Engeler

            Norwegens Frauenquoten
                                  Was bleibt vom angeblichen Erfolgsmodell? Von Carmen Gasser
Väter klagen an: "Gebt uns unsere Kinder zurück!"
«Munition im Scheidungskrieg»
Wenn Ehe-Trennungen zum erbitterten Streit um die Kinder eskalieren, verlieren meistens die Väter.
Sie fühlen sich von der Justiz und den Behörden krass benachteiligt. Hier erzählen fünf Männer vom
alltäglichen Irrsinn im Scheidungskampf. Von Daniel Glaus und Sally Montana (Bilder)

Der Missstand ist von ewiger Aktualität: Woh-
nen die Kinder nach der Scheidung bei der
Mutter, ist der Vater auf das Wohlwollen seiner
Ex-Frau angewiesen. Unter Umständen sieht
er seine Kinder jahrelang nicht mehr. Ohne
dass er sich etwas hätte zuschulden kommen
lassen. Selbst wenn er die Alimente pünktlich
bezahlt, das gemeinsame Heim freiwillig ver-
lassen hat und per Gerichtsbeschluss Anrecht
darauf hätte, kann ihm die Frau das Besuchs-
recht verweigern, ohne ernsthafte Sanktionen
befürchten zu müssen.
   Eine Gesetzesreform hätte das ändern und
beide Elternteile hätten das Sorgerecht erhal-
ten sollen. Jahrelang hatten Männerorganisa-
tionen dafür gekämpft.
   Dann trat Simonetta Sommaruga (SP) ihr
Amt als Justizministerin an und stoppte die
Reform. Sie will auch die Alimentenzahlun-
gen neu regeln. Wer für den finanziellen Un-
terhalt verantwortlich ist, meistens also der
Mann, soll bis unters Existenzminimum ge-
pfändet werden können.
   In den letzten Tagen haben Vätervereine
Protestaktionen gestartet: Über eine Website
kann man Sommaruga kostenlos einen Pflas-
terstein per Post zukommen lassen. Er symbo-
lisiere «die Steine, die Vätern und ihren Kin-
dern im Weg liegen», sagte Initiant Oliver
Hunziker. Bis Sommaruga zu Gesprächen be-
reit ist, wollen Männer jeden Abend vor dem
Bundeshaus eine Mahnwache halten.
                                                     «Der Kampf um den Kontakt zu den eigenen Kindern ist teuer»: Markus Staub.
«Wenn sie nicht will, steht alles still»
Die Weltwoche hat mit fünf Vätern gesprochen,        Markus Staub, 52,                                  suchsrecht von zwei Wochenenden pro Monat
die im Scheidungskampf unter die Räder ge-           Ingenieur-Agronom ETH                              gerichtlich festgelegt. Aber das Urteil war nicht
kommen sind. Sie erzählen auf den folgenden          «Die Zwillinge waren siebenjährig, als meine       das Papier wert, auf dem es geschrieben war.
Seiten über ihren kafkaesk anmutenden                Frau und ich uns vor zwölf Jahren trennten.        Wenn meine Ex-Frau die Kinder nicht in den
Kampf gegen Behörden, Sozialämter, Richter           ‹Wenn es nach mir geht, siehst du die Kinder       vereinbarten Zug setzte, stand ich am Freitag-
und ihre früheren Partnerinnen. Es sind be-          nie mehr›, prophezeite sie. Ihr war jedes Mittel
rührende Schicksale. An ihrer Misere, sagen          recht, um mich zu dämonisieren: In den Ge-         «Alle vierzehn Tage stand
viele, sei nicht in erster Linie die Ex-Frau, son-   richtseingaben stellte sie mich als ‹gewalttäti-
dern vor allem der Staat schuld: «Er ist unfä-       gen› Waffennarren dar. Ich besitze zwar mein
                                                                                                        ich vergebens am Bahnhof
hig, Abmachungen und Urteile durchzuset-             Sturmgewehr noch und Souvenirs wie india-          und wartete auf meine Kinder.»
zen», lautet der Tenor. Die Fälle belegen eine       nischen Pfeil und Bogen. Aber die Beschuldi-
Schlagseite der Justiz nach dem Muster:              gungen waren offensichtlich haltlos, deshalb       abend alleine am Bahnhof und hatte Angst,
«Wenn die Frau nicht will, steht alles still.»       hat sie mich auch nie angezeigt.                   meinen Kindern könnte etwas zuge stossen
   In langen Gesprächen haben die Männer               Der Kampf um den Kontakt zu den eigenen          sein. Bis ich jeweils am Montag oder nach den
 ihre Erlebnisse mit Justiz und Ämtern erläu-        Kindern ist teuer. Ich wohnte acht Jahre lang      Ferien in der Schule anrief und erfuhr, dass sie
tert. Sie haben ihre Aktenordner geöffnet. Da-       in einer Dachbodenwohnung, bei teilweise           mit den Kindern weggefahren war.
bei ging es nicht darum, zu klären, wer schuld       dreizehn Grad im Winter; meine Frau kaufte           Nachholen durfte ich die vereitelten Be-
am Bruch der Ehe war. Sondern um die Frage:          sich ein Haus und machte Ferien in Übersee.        suchstage nie, sie verfallen einfach. Ich habe
Wie erleben Väter die Staatsgewalt, wenn die           Die finanziellen Einbussen hätte ich noch         sie zwar angezeigt wegen ‹mehrfachen Unge-
Trennung in einen Scheidungskrieg um Sor-            verkraftet. Aber nicht, dass ich meine Kinder      horsams gegen eine amtliche Verfügung›.
gerecht, Obhut und Alimente ausartet?                nicht mehr sehen durfte! Es wurde zwar ein Be-     Doch die Bussen von einigen hundert Franken

26                                                                                                                                     Weltwoche Nr. 7.11
Väter klagen an: "Gebt uns unsere Kinder zurück!"
hat sie erfolgreich angefochten. Ich weiss          geben und ich alles gebucht hatte. Im umge-       rekurrieren. Jetzt steht da, ich wolle ‹sehr wohl
nicht, ob sie jemals nur eine davon bezahlt hat.    kehrten Fall würde man das Entführung nen-        Kontakt›, meine Frau lehne das aber ab.
In den amtlichen Papieren fand ich eine entlar-     nen – doch meine Anzeige wurde nicht einmal         Schon kurz nach der Trennung vor knapp
vende Bleistiftnotiz eines Beamten: ‹Dieses         entgegengenommen, weil das Ober- und das          fünf Jahren begannen die Versuche, den Kin-
Kindergestürm ist nicht von öff. Interesse.›        Bundesgericht dieses Verhalten stützen. Der       dern den Vater wegzunehmen: Um den Ehe-
  Das Einzige, was ich wollte, war, unsere Kin-     Fall liegt jetzt beim Europäischen Gerichtshof    streit zu ‹deeskalieren›, sollte ich für einige
der zweimal 48 Stunden im Monat zu sehen. In        für Menschenrechte in Strassburg.                 Zeit den Kontakt mit den Kindern aussetzen,
den ersten Jahren nach der Trennung gewährte          Kurz darauf hat sie meine Verbindung zu Da-     riet mir der Sozialdienst. Ich befolgte das.
sie mir die Besuchswochenenden nach Lust            niel ganz gekappt. Sein Beistand sagt, er könne   Einige Monate später warfen mir dieselben
und Laune. Meist nach langem Stürmen von mir        nichts machen. Und vom Gericht heisst es, man     Damen vor, ich kümmerte mich nicht um die
und dem Kinder-Beistand. Dieser kündigte            könne nicht ein Kind von der Polizei abholen      Kinder! Die Rektorinnen von Daniels Schule
nach zwei Jahren, weil meine Frau alle Weisun-      lassen. Das wäre eine zu grosse Belastung. Aber   drohten mir sogar, sie würden die Mutter zu
gen und Vermittlungsversuche ignorierte.            dass mein Sohn plötzlich keinen Vater mehr        einer Anzeige gegen mich ‹motivieren›, wenn
  2004 kamen die Kinder das letzte Mal regu-        hat, soll für ihn keine Belastung sein?           ich nochmals aufs Schulgelände käme. Dabei
lär zu mir. Dann unterbrach meine ehemalige                                                           hatte mich sein Lehrer eingeladen, um Schul-
Frau die Verbindung ganz: keine Besuche, kei-       «Die Behörden müssen begreifen,                   probleme meines Sohnes zu besprechen. Die
ne Briefe, keine Telefonate, absolut nichts!        dass die Paare in emotionalen                     Rektorinnen stritten die Drohung später na-
  Ein Jahr lang stand ich alle vierzehn Tage                                                          türlich ab, ich kann nichts beweisen.
vergebens am Bahnhof Aarau und wartete auf
                                                    Extremsituationen sind.»                            Ähnlich einseitig waren die Behörden bei
meine Kinder. In einer Gerichtseingabe schrieb                                                        meiner Tochter. Jahrelang wurde sie von der
meine Frau, es sei nicht glaubhaft, dass je-        Nur ein Beispiel, wie die Wohngemeinde mei-       Mutter geschlagen, das ist amtlich dokumen-
mand so was mache. Darauf liess ich mir meine       ner Frau mit mir umgeht: Im Gemeinderats-         tiert, ich habe eine Gefährdungsmeldung ge-
Warterei jeweils am Schalter bestätigen.            protokoll steht, es bestehe ‹weder von Daniel     macht. Doch passiert ist nichts. Bis sie mit
  Nach sechs Jahren mit andauernden Verfah-         noch von seinem Vater das Bedürfnis nach ge-      fünfzehn selber zu mir zog. Kurz vor ihrem 18.
ren stellte das Bezirksgericht schliesslich fest,   genseitigem Kontakt›. Das ist eine blanke         Geburtstag erhielt ich dann das Sorgerecht.
dass das Besuchsrecht durchgesetzt werden            Lüge. Die Vormundschaftsbehörde hat völlig         Es kann doch nicht sein, dass ein Vater keine
soll, falls nötig, mit Hilfe der Polizei.           unkritisch die Position meiner Ex-Frau über-      Beziehung mehr zu seinen Kindern haben darf,
  Am 27.€Oktober 2006 holten Beamte in Zivil        nommen und diese als Fakt dem Gemeinderat         weil diese als Munition im Scheidungskrieg
die Kinder in der Schule ab. Es war längst zu       vorgelegt. Das nenne ich Behördengewalt! Ich      eingesetzt werden und die Behörden das auch
spät. Aber ich wollte einfach noch einmal mit       musste beim Bezirksamt gegen das Protokoll        noch unterstützen!»            Fortsetzung Seite 28
ihnen sprechen. Meine ehemalige Frau hatte
ihnen jahrelang eingeimpft, der Papi wolle das
Mami ins Gefängnis bringen. Heute sind die
Zwillinge volljährig und verlangen vor Ge-
richt, dass ich mehr bezahle für sie. Weiteren
Kontakt wünschen sie nicht.»

Robert A., 56, Ingenieur, und
Tochter Julia*, 19, Coiffeuse
«Meinen Sohn Daniel* habe ich seit über zwei
Jahren nicht gesehen. Obwohl ich per Ge-
richtsbeschluss das Besuchsrecht für zwei Wo-
chenenden im Monat und das Ferienrecht für
vier Wochen hätte. Auch meine Tochter Julia,
die heute alleine lebt, hat keinen Kontakt
mehr zu ihrem vier Jahre jüngeren Bruder.
Meine Ex-Frau hält ihn von uns fern. Wenn ich
vor der Türe stehe, um ihn fürs Wochenende
abzuholen, öffnet sie nicht. Wir vermissen ihn
sehr und wissen nicht, wie es ihm geht.
  Ich will nicht meine Ex-Frau oder die Frauen
allgemein angreifen. Mir geht es darum, dass
die Behörden ihr Verhalten ändern müssen.
Wenn es zum Streit kommt, gibt es immer
nachvollziehbare Argumente beider Seiten.
Aber die Behörden müssen endlich begreifen,
dass Paare in Trennung in emotionalen Ex-
tremsituationen sind, und müssen sich des-
halb unparteiisch dazwischenstellen – zum
Wohle der Kinder! Doch auch bei mir wurde
klar die Ex-Frau bessergestellt. Sie konnte mei-
nen Sohn an Weihnachten in die Ferien mit-
nehmen, ohne mich zu informieren. Obwohl
das Gericht explizit mir die Erlaubnis dazu ge-     «Die Position meiner Ex-Frau wurde unkritisch übernommen»: Robert A. mit seiner Tochter Julia.

Weltwoche Nr. 7.11                                                                                                                                   27
Väter klagen an: "Gebt uns unsere Kinder zurück!"
Selbsthilfe

 «Er bezahlt, sie hat das Sagen»
 Oliver Hunziker ist Initiant des ersten Männerhauses. Er rät
 Scheidungsvätern, von Beginn weg Widerstand zu leisten.
 Herr Hunziker, weshalb fühlen sich viele         Mit der Aktion «Schick en Stei» wollen wir
 Scheidungsväter gegenüber ihren Ex-              die Reform wieder ins Rollen bringen.
 Frauen benachteiligt?                          Haben Richter und Jugendämter nicht
   Wenn ein Mann auszieht und Frau und          schon genug Spielraum, um sich neutral
   Kindern die Wohnung überlässt, hat sie       zwischen Mann und Frau zu stellen, da-
   damit faktisch das Sagen. Sie kann den       mit die Kinder mit beiden Elternteilen in
   Mann ab sofort von der Kindererziehung       Kontakt bleiben?
   ausschliessen. Ohne die Kooperation der        Den hätten sie theoretisch – aber sie nut-
   Mutter sehen die Väter ihre Kinder unter       zen ihn nur selten. Das Gesetz muss enger
   Umständen jahrelang nicht mehr. Und            formuliert werden, damit Gerichte und
   wir sprechen hier nicht etwa von Schläger-     Ämter gezwungen sind, die gemeinsame
   typen und Pädophilen, sondern von unbe-        Sorge und Obhut durchzusetzen.
   scholtenen Männern.                          Wieso braucht es diesen Zwang?
 Wie wollen Sie diesen Zustand ändern?            Es ist tragisch, aber noch immer gibt es die
   Im Zivilgesetzbuch muss das gemeinsame         Tendenz, dass die Mutter als der Teil des
   Sorgerecht der Regelfall werden. Bei Tren-     Paares gilt, der das Opfer sein muss. Und
   nung und Scheidung sollen sich die Eltern      dass sich die Frau naturgegeben besser um
   grundsätzlich zu gleichen Teilen finan-         die Kinder kümmern kann. Wissenschaft-
   ziell und erzieherisch um die Kinder küm-      lich ist das längst widerlegt: Häusliche
   mern. Auch die Obhut sollte möglichst          Gewalt gegen Kinder oder den Partner/ die
   gleichmässig aufgeteilt werden. Gemein-        Partnerin ist relativ gleichmässig auf Müt-
   sames Sorgerecht alleine bringt nichts.        ter und Väter verteilt. Und Väter können
   Wer die Obhut hat, kann dem anderen            genauso fürsorglich sein wie Mütter.
   Elternteil die Kinder vorenthalten, meis-    Was raten Sie Männern, die sich bei Ob-
   tens ohne dass der Staat einschreitet.       hut und Sorgerecht benachteiligt fühlen?              «Ich bin nur noch ein lieber Onkel»: Georgios
 Mehrheitlich hat die Mutter die Obhut.           Sich sofort kompetent beraten lassen. Und
   Ja, und oft bedeutet das: Er bezahlt, bis      sich nicht vertreiben lassen aus der Woh-           Georgios Skarlakidis, 45,
   nur das Existenzminimum bleibt, sie hat        nung, wenn es irgendwie geht. Ein Aus-              diplomierter Finanzplaner
   die Kinder und das Sagen. Die Gesetzes-        zug, «Kooperation zur Deeskalation», wie            «Im März vor vier Jahren musste ich unser
   reform versprach Besserung – bis Bundes-       es Sozialarbeiterinnen oder Polizisten              Haus auf richterliche Anweisung verlassen.
   rätin Simonetta Sommaruga die Übung            häufig raten, kann ihm vor Gericht als               Geschieden bin ich noch immer nicht, weil
   nach sieben Jahren kürzlich gestoppt hat.      Nachteil ausgelegt werden: «Er ist abge-            meine Frau das Verfahren hinauszögert. Nach
                                                  hauen», heisst es dann. Deshalb ist es              Bezahlung der Alimente für unsere drei Kin-
                                                  wichtig, Ratschläge, Versprechen oder               der bleiben mir weniger als 3400 Franken im
                                                  Weisungen von Beamten nur schriftlich               Monat zum Leben – am Anfang waren es sogar
                                                  zu akzeptieren.                                     nur 2400. Die Pensionskasse und die Dritte
                                                Welche Männer sind besonders gefähr-                  Säule werden geteilt – das ist auch richtig.
                                                det, über den Tisch gezogen zu werden?                  Weil ich die Kinder im Alter von 9 bis 15 Jah-
                                                  Ganz besonders jene, die eigentlich alles           ren kaum sehe, bin ich nicht mehr ihr Papi, nur
                                                  richtig und anständig machen wollen bei             noch ein lieber Onkel – das ist nicht richtig.
                                                  einer Trennung. Sie getrauen sich nicht,              Und das kam so: Mit Argumenten wie ‹sexu-
                                                  sich zu wehren, weil sie Angst haben, die           elle Nötigung›, ‹Entfremdung› und ‹geistige
                                                  Kinder ganz zu verlieren. Dann ist es zu            Weiterentwicklung› wollte sich meine Frau
                                                  spät, und sie finden sich in ruinösen und            trennen. Der Richter ging nicht darauf ein.
                                                  nervtötenden Gerichtsverfahren wieder.              Dann zeigte sie mich an. Ich hätte die Kinder
                                                  Am meisten leiden aber ohnehin die Kin-             geschlagen. Dabei war sie es, die unsere mittle-
                                                  der – es ist traumatisch, wenn sie in einem         re Tochter am Arm aus dem Zimmer zerrte, als
                                                  jahrelangen Scheidungskrieg hin und her             diese bei mir Zuflucht suchte. Ich machte eine
                                                  gerissen werden.                                    Gegenanzeige, die Kinder sagten zu meinen
                                                                                                      Gunsten aus. Trotzdem musste ich ausziehen.
                                                Oliver Hunziker ist Präsident des Vereins
                                                «Verantwortungsvoll erziehende Väter und Mütter»      Beide Verfahren wegen Tätlichkeiten wurden
                                                (VeV) sowie Initiant des Väterhauses «Zwüschehalt»    eingestellt. Doch die Fakten waren geschaffen:
                                                in Aarau. Mit der Aktion «Schick en Stei» und         Ich war der Bösewicht.
                                                 Mahnwachen protestieren der VeV und weitere
                                                Vereine gegen die Sorgerechtsreform von Bundesrätin     Seit der Trennung bestimmt nur noch mei-
 «Am meisten leiden die Kinder»: Hunziker.       Simonetta Sommaruga (SP).                            ne Ex, trotz gemeinsamem Sorgerecht. Ich
                                                                                                      muss meinen Lohn bis aufs Existenzmini-

28                                                                                                                                   Weltwoche Nr. 7.11
Väter klagen an: "Gebt uns unsere Kinder zurück!"
Skarlakidis.                                         «Ich werde wie ein Schwerverbrecher behandelt»: Urs Brechbühl.

mum abgeben. Einen Anwalt konnte ich mir             Urs Brechbühl, 40,                                sieren, da unser Scheidungsverfahren und
nicht leisten – sie erhielt eine Anwältin gratis     Internet-Supporter                                 eine Vaterschaftsklage hängig waren. Ich solle
vom Staat. Die Kinder durfte ich noch jedes          «Am 23. März wird mein Sohn vier Jahre alt.       mich ans Gericht wenden. Dort sagte man mir,
zweite Wochenende sehen. Manchmal, je nach           Ich habe ihn noch nie gesehen. Im Sommer          das Sozialamt sei zuständig. Monatelang ging
Gemütslage meiner Frau, am Mittwochnach-             2006, als meine Frau hochschwanger war,           dieses Pingpong-Spiel weiter.
mittag. Dabei sagten die Kinder vor Gericht,         trennten wir uns. Erst ein halbes Jahr zuvor         Als ich als Vater bestätigt wurde, sollte eine
bei der Familienberatung und bei Psycholo-           hatten wir geheiratet. Meine Frau war fürch-      Beiständin die Besuche ermöglichen. Doch
gen, sie wollten die Hälfte der Zeit bei mir sein.   terlich eifersüchtig, hatte regelrechte Atta-     meine Ex-Frau weigerte sich. Mir schien, dass
  Meine Frau sabotierte das Besuchsrecht im-         cken, schrie mich mitten im Coop oder in einer    die Beiständin nicht sonderlich hartnäckig
mer wieder, da ging ich zur Polizei und vor Ge-      Bar an. Auch am Abend nach der Arbeit hatte       versuchte, das Besuchsrecht durchzusetzen.
richt. Die sagten mir, sie könnten nichts tun.       ich nie meine Ruhe. Sie ohrfeigte und schubste    Natürlich habe ich mich beschwert, aber ihre
  Nach etwa zwei Jahren verlor ich die Nerven.       mich. Ich schlug die Trennung vor, um die         Vorgesetzten stützen die Frau.
Ich war ruiniert und krankgeschrieben wegen          Situation zu beruhigen. Sie wollte sofort die        Letztes Jahr erst beschloss das Gericht unsere
Burnouts. Ich stellte die Zahlungen ein und          Scheidung und drohte mir, sie würde mich          Scheidung. Demnach habe ich gar kein Recht
haute ins Ausland ab. Ich war derart am Ende,        ruinieren und mir das Kind vorenthalten. Sie      mehr auf Besuche meines Kindes. Ich werde
dass ich Mord- und Suizidgedanken hatte. Als         hatte auf der ganzen Linie Erfolg.                wie ein Schwerverbrecher behandelt!
es mir etwas besserging, kam ich zurück.                Nachdem wir die gemeinsame Wohnung                Heute wohne ich in einer Einzimmerwoh-
Schliesslich wollte ich meine Kinder sehen.          aufgelöst hatten, zog ich zu meinen Eltern        nung, die die Gemeinde bezahlt. Ich lebe von
Die ausgebliebenen Unterhaltsbeiträge von            und sie vermutlich zu ihrer Schwester. Die        960 Franken Sozialhilfe. Dieser Scheidungs-
über 40€000 Franken habe ich abgestottert.           Trennung, die Drohungen und dass ich mei-         kampf hat den Steuerzahler schon 240 000
  Mit Hilfe einer Beiständin wollten meine           nen Sohn nicht sehen durfte, haben mich völ-      Franken gekostet, das habe ich ausgerechnet.
Kinder und ich kürzlich das Besuchsrecht auf         lig fertiggemacht. Ich konnte nicht mehr ar-      Auch die Sozialarbeiterin der Gemeinde unter-
jeden Mittwochnachmittag ausweiten. Die              beiten und wurde krankgeschrieben.                stützt mich nicht darin, mein Kind sehen zu
Mutter ist dagegen. Wenn sie nicht will, sind           Als das Kind zur Welt kam, hatten wir theo-    können. Nun will meine Ex-Frau meinem Sohn
wir und der ganze Staatsapparat machtlos.            retisch das gemeinsame Sorgerecht. Faktisch       noch meinen Familiennamen streichen. Dage-
  Die Höhe ist: Meine Noch-Ehefrau ist               lag es bei ihr, denn sie verweigerte jeden Kon-   gen rekurriere ich, aber ich habe kein Geld für
schwanger. Nun muss ich eine Vaterschaftskla-        takt, ich konnte weder beim Vornamen noch         ein langes Gerichtsverfahren. Was mir bleibt,
ge einreichen. Sonst bezahle ich noch für das        bei sonst etwas mitreden. Das Sozialamt der       ist, Aufsichtsbeschwerden und Anträge an die
Kind des Mannes, der in mein Haus einzog – es        Wohngemeinde meiner Frau schrieb mir, sie         Behörden zu schreiben. Zeit dafür habe ich ja
aber nicht lange aushielt.»                          könnten keinen Kontakt zum Kind organi-           bis an mein Lebensende.» Fortsetzung Seite 30

Weltwoche Nr. 7.11                                                                                                                                  29
Väter klagen an: "Gebt uns unsere Kinder zurück!"
Michael Handel, 37,                                von einer ‹durch den Staat sanktionierten Kin-    Kinderanwalt kämpft nun dafür, dass ich auch
                                                   desmisshandlung›. Trotzdem musste Luca bei        das alleinige Sorgerecht erhalte. Das tönt nach
Lüftungszeichner
                                                   meiner Ex-Frau bleiben.                           Happy End — ist es aber nicht: In diesem Streit
«Als meine Ex-Frau meinen kleinen Sohn ent-          Der kantonale Kinder- und Jugendpsych-          war Luca ein Faustpfand, weil die Behörden
führte, war ich gerade beim Arzt. Luca* spielte    iatrische Dienst hielt fest, Luca habe bei mir    nicht auf ihn hörten. Richter, Beiständinnen
im Sandkasten, eine Nachbarin passte auf ihn       ‹eine deutliche positive Entwicklung gezeigt›.    und Sozialarbeiter haben ihm seine Kindheit
auf. Meine Ex fuhr vor und zerrte ihn ins Auto.    Und meine ‹allgemeine Erziehungsfähigkeit›        gestohlen.»
Luca muss fürchterlich geschrien haben. Da         könne ‹in keiner Weise bestritten› werden. Die
war er 5-jährig.                                   ‹Entführungsaktion der Mutter› hingegen be-       «Amtliche Pseudobeweise»
   Ich hatte meiner Ex-Frau zuvor während          deute eine ‹Traumatisierung›.                     Wie viele andere betroffene Väter engagiert
eineinhalb Monaten das Besuchsrecht ver-                                                             sich auch Michael Handel in Vereinen gegen
weigert — sie hatte ihn mehrfach tätlich ange-     «Richter, Beiständinnen und                       die «behördliche Männerdiskriminierung».
griffen. Ich möchte nicht ins Detail gehen, das                                                      Zusammengeschlossen sind die über ein Dut-
                                                   Sozialarbeiter haben Luca seine
reisst sonst alte Wunden auf. Augenzeugen                                                            zend Organisationen in der «Vereinigung für
 haben die Tätlichkeiten jedenfalls schriftlich    Kindheit gestohlen.»                              gemeinsame Elternschaft» Gecobi. Die Väter
bestätigt, später auch die Beiständin. Doch die                                                      veranstalten Treffen zur Selbsthilfe, betreiben
Vormundschaftsbehörde meinte, jede Mutter          Doch auch mehrfache Aussagen von Luca vor         Beratungsstellen und das schweizweit einzige
raste gelegentlich aus, und sie verharmlosten      Gericht, er wolle bei mir wohnen, halfen nicht.   Männerhaus in Aarau.
auch andere Taten. Ich bestand auf einer fach-     Er musste bei meiner Ex-Frau leben. Wieder           Ihre Anliegen wollen sie auch auf politischer
lichen Begleitperson für die Zeit, in der Luca     kam es zu Gewalt. Doch ich hatte alle juristi-    Ebene durchsetzen. Der Gecobi-Präsident
bei seiner Mutter sein sollte. Das Bezirksge-      schen Möglichkeiten ausgeschöpft und konn-         Oliver Hunziker hat die Stein-Lawine und die
richt lehnte ab. Da stellte ich mich quer, liess   te nichts mehr für ihn tun. Ich war total ge-     Mahnwache gegen Sommarugas «Reform-
meine Ex-Frau nicht mehr zu Luca.                  knüttelt und resignierte.                         Verzögerung» organisiert. «Es muss endlich
   Doch anstatt das Kind vor seiner gewalttä-         Einige Monate nach seinem zwölften Ge-         der Grundsatz gelten, dass die Eltern die Sorge
tigen Mutter zu schützen, hat das Gericht die      burtstag ist Luca dann von seiner Mutter ge-      um die Kinder gemeinsam tragen», sagt
Entführung im Nachhinein belohnt: Es ent-          flüchtet und zu mir gekommen. Das war an            Hunziker. So könnten Streitereien um Erzie-
zog mir die alleinige Obhut und sprach sie          einem Freitagabend vor gut einem Jahr.           hungsgewalt und Besuchsrechte künftig ver-
meiner Ex-Frau zu. Die Begründung war, dass           Ein Bundesgerichtsurteil in einem anderen      mieden werden (siehe Interview auf Seite 28).
ich ihr das Besuchsrecht verweigert hatte! Der     Fall schützt Luca. Demnach sind Kinder in der        Selbst wenn die Männerorganisationen
Kinderschutzbund intervenierte und sprach          Frage der Obhut ab zwölf urteilsfähig. Ein        Sommaruga umstimmen können, bleibt die
                                                                                                     tägliche Praxis in Gerichten und Ämtern. Es
                                                                                                     sind nicht einfach notorische Querulanten mit
                                                                                                     Behörden-Aversion, wie die Erfahrungen der
                                                                                                     fünf Männer zeigen. Es ist offensichtlich, dass
                                                                                                     viele Richterinnen und Beamte die Väter und
                                                                                                     ihre Kinder auflaufen lassen. Wissenschaftlich
                                                                                                     belegt ist etwa, wie wenige Kinder in Schei-
                                                                                                     dungsverfahren selber zu Wort kommen: nur
                                                                                                     zehn Prozent, ergab eine Studie des Marie-
                                                                                                     Meierhofer-Instituts und der Universität Zü-
                                                                                                     rich. Dies, obwohl die Uno-Kinderrechtskon-
                                                                                                     vention und das Zivilgesetzbuch eine
                                                                                                     Anhörung vorschreiben.
                                                                                                        Wie einfach es sein kann, einen Mann via
                                                                                                     Justiz und Behörden entgegen grundlegender
                                                                                                     rechtsstaatlicher Prinzipien «zu entsorgen»,
                                                                                                     schildert eine Psychologin, die Gewaltopfer
                                                                                                     berät: «Eine Frau braucht nur in die Gratis-
                                                                                                     Rechtsberatung eines Gerichts zu gehen, wie
                                                                                                     sie in vielen Städten angeboten wird. Dort
                                                                                                     muss sie einem einfühlsamen Richter oder
                                                                                                      einer scharfen Staatsanwältin schluchzend er-
                                                                                                     zählen, was ihr der Typ Schlimmes angetan
                                                                                                     habe. Sofort bezahlt ihr der Staat per Kosten-
                                                                                                     gutsprache einen Anwalt. Der Auftritt in der
                                                                                                     Sprechstunde wird schriftlich bestätigt — da
                                                                                                     muss die Dame nicht einmal ins Frauenhaus
                                                                                                     gehen, wo kritische Fragen gestellt werden. An
                                                                                                     nur einem Nachmittag kann sie bequem erste
                                                                                                     amtliche Pseudobeweise erschaffen.»
                                                                                                        Wenn die Frau den Mann ausspielt, so das
                                                                                                     deprimierende Fazit, helfen ihr die Behörden.

«Jede Mutter raste gelegentlich aus, meinte die Vormundschaftsbehörde»: Michael Handel.              * Die Namen der erwähnten Kinder wurden geändert.

30                                                                                                                                    Weltwoche Nr. 7.11
Väter klagen an: "Gebt uns unsere Kinder zurück!" Väter klagen an: "Gebt uns unsere Kinder zurück!"
Sie können auch lesen