VCÖ-Studie: Autobahnausbau ist kein Wirtschaftsmotor mehr
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MOBILITÄT MIT ZUKUNFT factsheet VCÖ-Studie: Autobahnausbau ist kein Wirtschaftsmotor mehr Die beste wirtschaftliche Entwicklung verzeichnen jene EU-Länder, die den geringsten Güterverkehr haben. Auch in Österreich ist viel Verkehr kein Ausduck für eine florierende Wirtschaft. Das Transportaufkommen mit den neuen EU-Mit- VCÖ: Generalverkehrsplan ändern! gliedsstaaten wird sich im Straßenverkehr bis zum Aufgrund des hohen Ausbaugrades des Straßennetzes Jahr 2015 verdreifachen. Der Schienenanteil im Gü- kurbelt der Bau neuer Autobahnen in Österreich die terverkehr zwischen Österreich und den Beitrittslän- Wirtschaft nicht mehr an. Sehr wohl bringt die Ver- dern wird so von 80 Prozent im Jahr 2002 auf rund besserung des Regionalbahnnetzes vor allem in den 55 Prozent bis zum Jahr 2015 zurückgehen. Öster- Regionen wirtschaftliche Impulse. Unternehmen reich reagiert auf diese Prognosen vor allem mit dem und Betriebe ab einer gewissen Größe sollten Gleis- Neubau von hochrangigen Straßen. Die Folgen: anschlüsse haben. So kann auch der Güterverkehr Den Regionen wird zu Gunsten der Ballungszentren stärker auf die Schiene gebracht werden. Die VCÖ- Wirtschaftskraft entzogen, in Österreich entsteht Studie zeigt, der Generalverkehrsplan Österreichs ist mehr Verkehr ohne zusätzlichen Nutzen. dringend auf seine Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. .
02 factsheet Schiene vor Straße verbessern! In der EU sind Verkehrsinfrastrukturen bereits so damit Wirtschaftskraft aus der Region an. Beispiels- gut ausgebaut, dass sie in der Bewertung von Wirt- weise hat die Wirtschaftskraft des Lungau in Salz- schaftsstandorten keine Rolle mehr spielen. Zwi- burg nach dem Autobahnbau im Vergleich zum schen dem Ausbaugrad der Verkehrs- Salzburger Landesdurchschnitt um 9,4 Prozent ab- infrastruktur und der Wirtschaftsleis- genommen. Bessere Straßen erleichtern zwar das tung in der EU ist kein Zusammen- Pendeln, aber der Anteil der Erwerbstätigen aus hang festzustellen. Es zeigt sich aber, peripheren Regionen, die in die Zentralräume ein- dass jene Staaten, die in den letzten pendeln müssen, um Arbeit zu finden, steigt mit Jahren eine überdurchschnittlich gute dem Ausbaugrad der Verkehrsinfrastruktur. Wirtschaftsentwicklung haben, weni- ger Verkehr aufweisen. Dazu zählen Städte verlieren, Speckgürtel wachsen Irland, Portugal oder Luxemburg. In den Ballungsräumen selbst ist ein immer stärke- Österreich ist hier kein Vorbild: Der rer Trend zum Kaufkraftabfluss von der Kernstadt in Lkw-Verkehr wächst seit dem Jahr die Umlandbezirke feststellbar. Während die Bevöl- 2000 um durchschnittlich fünf Pro- kerungszahlen in Österreichs Großstädten bei etwa zent im Jahr, die Wirtschaft hingegen 2,4 Millionen stagnieren, stiegen die der Umlandbe- Lkw-Verkehr: Die Wirtschaftsentwicklung nur um 1,77 Prozent. Bereits vor den zahlreichen zirke von 900.000 im Jahr 1950 auf 1,3 Millionen zeigt: Straßenbau und Straßenneubauten hat Österreich schon jetzt das Menschen im Jahr 2002. Gleichzeitig gingen Ar- Lkw-Verkehr sind nicht zweitdichteste Autobahnnetz in der EU. beitsplätze in den Kernbereichen verloren. Während die Lösung, sondern zu- beispielsweise die durch Autobahnen erschlossenen nehmend ein Problem für die Wirtschaft. Hochrangige Straßen benachteiligen Regionen Umlandbezirke Wiens bis zu 45 Prozent Arbeits- Der Zeitaufwand für Fahrten zwischen einer länd- plätze dazu gewonnen haben, war im Kern Wiens lichen Region und dem jeweils nächstgelegenen ein Rückgang zu verzeichnen. Zentralraum ist seit den 1950er Jahren um etwa zwei Drittel gesunken. Bevölkerung, Wirtschafts- Mehr Verkehr: kraft und Arbeitsplätze haben aber nicht die länd- Allein durch den Bau der Rückgang: Nordautobahn (A5) nimmt lichen Regionen, sondern die Zentralräume gewon- Die Wirtschaftskraft im der Verkehr an der Stadt- nen. Wenn der wirtschaftlich attraktivere Zentral- Lungau hat nach dem Auto- grenze Wiens bis zum raum näher rückt, zieht er Investitionskapital und bahnbau im Vergleich zum Jahr 2015 um mehr als Landesdurchschnitt um 16.000 Kfz pro Tag zu. 9,4 Prozent abgenommen. Nordautobahn bringt Keine Trendwende Wien zusätzliche Verkehrsbelastung durch Autobahnbau im Lungau Stadtgrenze Wien Staatsgrenze Österreich–Tschechien 60.000 Beschäftigtenzahl am Arbeitsort relativ zur 120 Beschäftigtenzahl des Landes Salzburg 51.900 Salzburg Zentralraum 50.000 Salzburg (Bundesland) (Index: 1960 = 100) Fahrzeuge pro Tag 40.000 35.500 100 Land Salzburg ohne Zentralraum 30.000 19.800 18.100 20.000 80 13.800 10.000 Autobahn- 5.500 eröffnung Lungau im Lungau 0 60 1998 2015 2015 1961 1971 1981 1991 ohne Nordautobahn mit Nordautobahn Quelle: PGO 2002, VCÖ Grafik: VCÖ 2003 Quelle: Statistik Austria, VCÖ 2003 Grafik: VCÖ 2003
03 VCÖ: Staatsausgaben für Straße und Schiene effizienter einsetzen Mehr Abgasbelastung: Die Belastung der Men- Insgesamt betragen die Kosten des Verkehrs in schen entlang der Haupt- Österreich mit 58 Milliarden Euro pro Jahr bereits verkehrsrouten hat das mehr als ein Viertel des Bruttoinlandproduktes. Maß des gesundheitlich Dass beim Bau von neuer Infrastruktur mittelfristig Erträglichen schon über- schritten. Mit dem enor- Arbeitsplätze geschaffen werden, ist ein Mythos. Die men Wachstum des Lkw- kurzfristige Wirkung kann strukturelle Mängel Verkehrs steigt auch die nicht zudecken. Während der Betriebsphase von Schadstoffbelastung. Be- sonders gefährlich sind Autobahnen kann nur mit etwa zwei Dauerarbeits- die krebserregenden Ruß- plätzen je Autobahnkilometer gerechnet werden. In partikel in den Diesel- volkswirtschaftlich unrentable Infrastrukturen inves- abgasen! tiertes Steuergeld fehlt aber bei volkswirtschaftlich nützlicheren Investitionen in Forschung, Industrie, ermöglichen die Anbindung vieler lokaler Betriebe Gewerbe sowie Dienstleistungssektor. Der Nutzen an das hochrangige Schienennetz. Vergleichsdaten von Investitionen in Forschung und Entwicklung zeigen, dass bei der Bahn auf die Erschließung von wäre sogar ein mehrfacher, denn eine wissensbasier- Standorten abseits der Hauptstrecken viel zu wenig te Wirtschaft ist weniger transportintensiv, verur- Mittel verwendet werden. Regionalbahnen der Klas- sacht weniger Güterverkehr und entspricht der Zu- se C („Nebenbahnen“) verursachen nur 5,2 Prozent kunft der Wirtschaft. Verbesserte Kosten-Nutzen- der jährlichen Streckenkosten. Schon deshalb wäre Zu wenig Schiene im Netz: Analysen sind für effizienteren Mitteleinsatz in der mit weiteren Einstellungen von Regionalbahnen Der hohe Anteil der Aus- Generalverkehrsplanung in Österreich dringend nö- nichts zu gewinnen. Andererseits gibt es einiges zu gaben für Bau- und Betrieb tig, damit nicht weiterhin viel Steuergeld wenig effi- verlieren. Von den Verladern, die mehr als 500 Gü- der Straßen, die der Erschließung der Fläche zient eingesetzt wird. terwagen pro Jahr auf das Schienennetz bringen, dienen, entspricht etwa dem liegen immerhin 20 Prozent an Regionalbahnen der ökonomischen Optimum. Wirtschaftsstandort Österreich profitiert von Klasse C. Der VCÖ empfiehlt, dass bei Widmun- Dagegen wird bei der Bahn nur ein Bruchteil der Mittel weniger Verkehr gen von Industrie- und Gewerbegebieten die Pflicht für die Anbindung der Stand- Neue Verkehrsinfrastrukturen werden oft damit zum Anschluss an das Schienennetz besteht. orte an das mittel- und hoch- gerechtfertigt, dass der Verkehr sonst künftig an rangige Netz ausgegeben. Österreich vorbeifahren und ein wirtschaftlicher Standortnachteil entstehen würde. Diese Befürch- tungen sind nicht gerechtfertigt. Wirtschaftlich Netzinvestitionen bei Schiene fehlen bringen neue Hochleistungsstraßen dem Standort Ausgewogenes Straßennetz – Ausgaben in Prozent des Infrastrukturaufwandes Österreich beim vorhandenen hohen Niveau der Autobahnen und 20,6 % Schnellstraßen Verkehrsinfrastruktur keine Vorteile. Im Gegenteil: Landesstraßen B Sie verursachen eine Verkehrszunahme, bringen (ehem. Bundesstraßen B) 20,4 % mittelfristig mehr Staus und verringern die Lebens- sonstige Landes- und qualität. Im deutschen Bundesland Thüringen hat Gemeindestraßen 59,0 % jene Region, die am weitesten von der Autobahn „Kopflastiges“ Schienennetz – Ausgaben in Prozent des Infrastrukturaufwandes entfernt ist, die höchste Wirtschaftskraft. Hauptstrecken (A-Netz) 81,4 % Stärkung regionaler Schienen bringt größten regionale Haupt- strecken (B-Netz) 13,4 % Nutzen Mit der Einstellung von Regionalbahnen ist kaum Nebenstrecken 5,2 % (C-Netz) etwas zu gewinnen, aber viel zu verlieren. Regional- Quelle: bmvit, ÖBB, VCÖ Grafik: VCÖ 2003 bahnen kommen der Wirtschaft zu Gute und
04 factsheet VCÖ: Prioritäten beim Generalverkehrsplan ändern! Wirtschaftsfaktor Verkehrsinfrastruktur Chance und Risiko für Regionen Die EU-Erweiterung macht Österreich schlagartig der Bahn von Gleisdorf in der Steiermark Richtung zum Binnenland innerhalb der EU. Diese veränder- Ungarn soll sogar erst nach dem Jahr 2021 erfolgen, ten Rahmenbedingungen machen Anpassungen bei während die Fürstenfelder Schnellstraße mehr als der regionalen Verkehrsinfrastruktur raschest nötig. zehn Jahre vorher fertig sein wird. Die derzeitige Prioritätenreihung der Maßnahmen Neue VCÖ-Studie – im Generalverkehrsplan steht aber im Widerspruch VCÖ: Reihung im Generalverkehrsplan ändern jetzt erhältlich! zum Leitsatz „Vorrang für die Schiene“. Der über- Die Chance, den zusätzlichen Verkehr auf die Schie- Der VCÖ hat das Argument „Infrastrukturausbau bringt wiegende Teil der Investitionen für die Straße er- ne zu bringen, wird vertan, wenn zuerst die Straßen Arbeitsplätze und Wohlstand“ folgt schneller, erst danach soll der Großteil des und erst dann die Schienen ausgebaut werden. auf seine Richtigkeit untersucht. Schienenausbaus erfolgen. Mehr Verkehr ohne zusätzlichen Nutzen in Öster- Das Ergebnis: Angesichts der Der Bau der Nordautobahn mit im Generalver- reich ist die Folge. Eine Umreihung der Prioritäten Dichte des Autobahnnetzes kurbelt ein weiterer Ausbau die kehrsplan vorgesehenen Kosten von 349 Millionen des Generalverkehrsplans ist dringend nötig, um die Wirtschaft nicht an. Vor allem Euro wird noch vor dem Ausbau der Nordbahn Zunahme des Lkw-Verkehrs einbremsen zu können. die Regionen kommen im Richtung Polen fertiggestellt werden. Der Ausbau wahrsten Sinn des Wortes unter Quelle: VCÖ, Wirtschaftsfaktor Verkehrsinfrastruktur – die Räder. Die 48-seitige Chance und Risiko für Regionen, Wien 2003 Publikation „Wirtschaftsfaktor Verkehrsinfrastruktur – Chance und Risiko für Regionen“ VCÖ-vorschläge kann beim VCÖ zum Preis von 15 Euro bestellt werden. Tel. • Priorität des Generalverkehrsplans zugunsten der Bahn ändern (01) 893 26 97, vcoe@vcoe.at, Die Verbesserung der Schiene soll Vorrang bekommen. Neue Autobahnen www.vcoe.at und Schnellstraßen schaden den Regionen. Zudem wird dem Transit-Lkw der rote Teppich ausgerollt. DI Wolfgang Rauh, VCÖ-Forschungsinstitut: • Schienennetz verdichten „In Österreich ist der Bau von Autobahnen Die Regionalbahnen in Österreich sind zu modernisieren kein Wirtschaftsmotor mehr. Im Gegenteil, und auszubauen. Große Industrie- und Gewerbegebiete vielfach werden dadurch Regionen wirtschaft- sollten verpflichtend einen Gleisanschluss haben. lich ausgehungert. Anstatt unhinterfragt neue Autobahnen zu bauen, sollten die Projekte einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen • Wissensbasierte Branchen fördern werden. Es geht um Steuergelder. Und mit Damit ist eine bessere Wirtschaftsentwicklung Österreichs diesen sollte sorgsam umgegangen werden – zu erreichen. Zudem sind diese Sparten weniger transport- auch im Verkehrsbereich.“ intensiv. • Öffentlichen Verkehr grenzüberschreitend verbessern Eine gute flächige Erreichbarkeit im Öffentlichen Verkehr ist für die wirschaftliche Entwicklung zusammenwachsender Regionen wichtig. • Einsatz Österreichs für verbesserte EU-Wegekostenrichtlinie Der Lkw-Verkehr soll auch die Gesundheits- und Umweltkosten tragen, Einnahmen sollen nicht für Straßenbau zweckgebunden sein, es sollen alle Straßen nach Schweizer Vorbild bemautet wer- den dürfen und Mindestmauten in der EU eingeführt werden. Spenden an das VCÖ-Forschungsinstitut sind steuerlich absetzbar. Konto: PSK 7.540.714 Impressum: Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: VCÖ, Bräuhausgasse 7–9, 1050 Wien, T (01) 893 26 97, F (01) 893 24 31, E vcoe@vcoe.at, www.vcoe.at Layout: A BISS Z PRODUCTIONS, 1090 Wien, Nussdorferstraße 16; Fotos: bilderbox (S. 1), Keystone (S. 2), Simlinger Wolfgang (S. 3), VCÖ (S. 4) Mit finanzieller Unterstützung von bmvit, Land Oberösterreich, Land Niederösterreich, Stadt Wien
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