Veränderung von Innen - I HANDS-ON // Nachhaltigkeit - Pineroot
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! HANDS-ON // Nachhaltigkeit Pineroot Filmproduktion aus Berlin setzt auf Nachhaltigkeit Veränderung von Innen Kleine Schritte sind nicht so ihr Ding. Zum Thema Nachhaltigkeit und Ressourcen- schonung beim Filmemachen fragten sich zwei Filmemacher aus Berlin: „Warum nicht gleich die ganze Produktionsfirma darauf aufbauen?“ Gesagt, getan. Im November 2020 gründeten Kameramann Johannes Kaczmarczyk und Regisseur Vanouch Balian die Firma Pineroot. Zusammen mit Junior-Producerin Rebecca Brandmeier verrieten sie uns, worauf es ankommt. Text: Timo Landsiedel Virus hin oder her, die Klimakrise ist immer noch allge- tival. Seit Ende des Studiums arbeitet er freiberuflich als genwärtig. Leben und Arbeiten nachhaltiger aufzustellen Kameramann. Hier störte ihn in der Branche zum Beispiel sollte daher Priorität werden. Dass das auch in der Film- der teilweise unkollegiale Umgang mit Menschen: „Mich branche hervorragend geht, sieht man an vielen kleinen reizte schon früh der Gedanke, etwas aufzubauen, wo Entwicklungen der letzten Jahre. Solargeneratoren, Las- man das bewusst anders gestaltet. tenräder zum Transport von Equipment und auch der Kaczmarczyk und Balian lernten einander bei einem Wer- Grüne Drehpass der FFHSH Film Commission gehören befilmprojekt kennen. Hier merkten beide, dass sie sehr dazu. Für Filmproduktionen sind das alles Impulse von gut zusammenarbeiten können und die gleichen Werte tei- außen. Die Veränderung muss aber von innen kommen, len. „Das heißt vor allem, wie wir arbeiten und wie wir wenn auch sie nachhaltig sein soll. Das ist die Meinung mit anderen Menschen umgehen“, so Balian. Der Regis- von Vanouch Balian und Johannes Kaczmarczyk. Die Filme- seur studierte zunächst Film- sowie Literaturwissenschaft macher aus Berlin gründeten im November 2020 das Un- und Kunstgeschichte, dann Zeitbasierte Medien an der ternehmen Pineroot. Hochschule Mainz mit Schwerpunkt Drehbuch und Regie. 2010 kam er nach Berlin, machte einen Aufbaukurs Dreh- BEWUSST ANDERS GESTALTEN buch an der Skript Akademie und sammelte Erfahrung in Kaczmarczyk hatte schon länger die Idee, eine Filmpro- zahlreichen Positionen am Set. In den letzten Jahren war duktionsfirma zu gründen, die sich ganz der Nachhaltig- er vor allem als Regisseur für Image- und Werbefilme tätig. keit verschreiben würde. Balian fand die Idee gut und Rebecca Brandmeier kam beinahe zufällig zu Pineroot. beide begannen, pro bono Projekte für gemeinnützige Aktuell studiert sie noch „Nachhaltige Ernährungssys- Verbände umzusetzen, bei denen sie diese Produktionsart teme“ in Schweden, hatte zuvor jedoch bereits ein Mar- ausprobieren konnten. Kaczmarczyk hatte schon früh ketingstudium mit Fokus auf Nachhaltigkeit absolviert. Im erste Kameraberührungen. Bereits während des Zivil- Sommer 2020 lernte sie Balian und Kaczmarczyk bei diensts bei der Drogenhilfe Köln dokumentierte er das einem Praktikum bei der Deutschen Umwelthilfe kennen, Leben der Bewohnerinnen und Bewohner mit der Kamera. ein Kunde der beiden Filmemacher. Die beiden holten sie Im Abschluss studierte er von 2008 bis 2014 Audiovisuelle im Anschluss als Junior-Producerin für ein Projekt im Sep- Medien und Kamera an der Beuth Hochschule für Technik tember dazu – sie blieb zum Aufbau der Firma. in Berlin. Das eher etwas breiter angelegte Studium wollte er noch vertiefen. So besuchte er von 2014 bis WERTE 2016 die Hamburg Media School und schloss mit dem „Nachhaltigkeit und Umweltschutz waren für mich immer Master ab. Sein Abschlussfilm „We take you“ schaffte es schon Themen, die sich durch mein ganzes Leben zogen“, 2017 in den Studentenwettbewerb des Camerimage-Fes- so Initiator Kaczmarczyk. „Ich hatte das Gefühl, dass es 40 FILM & TV KAMERA 3.2021
Foto: Pineroot Filmproduktion jetzt Zeit ist, das weiter voranzubringen.“ Diese Ziele fas- um. Der Plan sieht laut Vanouch Balian gar nicht so viel sen er und seine Mitstreiter in den Idealen ihres Unter- anders aus als andere Businesspläne. „Unsere Strategie nehmens zusammen. Sie streben an, für Kunden zu arbei- ist es, mit unserer Positionierung Kunden anzusprechen, ten, die ihre Werte teilen. Außerdem soll schon die Krea- die unsere Werte teilen und ihnen zu helfen ihre Bot- tion nachhaltig sein, was zum Beispiel bedeuten kann, schaft unter die Leute zu bringen“, so der Regisseur und bereits in der Konzeptionsphase gemeinsam mit dem Kun- Co-Gründer. Nachhaltiges Wirtschaften solle seiner Mei- den wirklich sinnvolle und dadurch nachhaltige Marke- nung nach ohnehin selbstverständlich für jeden Unter- ting-Maßnahmen zu erarbeiten. Darüber hinaus strebt na- nehmer sein, um für schlechte Zeiten etwas zurückzu - türlich auch die Produktion ein nachhaltiges Wirken und legen. Wie schnell die kommen können, sehe man an Wirtschaften an und es soll ein faires, transparentes Mit- 2020. Kleine Details unterscheiden sich dann aber einander mit Mitarbeitern, Freiberuflern und nicht zuletzt schon. „Wenn wir reinvestieren, dann sollte das immer auch Kunden geben. ,Grün‘ sein“, so Balian. „Es haben sehr viele Menschen gesagt, es sei utopisch, Doch es gibt auch ganz grundlegende Dinge, die man von mit der Positionierung auf Nachhaltigkeit Geld zu ver- Anfang an recht einfach anders machen kann. So liegt die dienen“, so Kaczmarczyk. „Je häufiger ich das gehört Webseite von Pineroot auf einem Webserver, der zu 100 habe, desto mehr dachte ich: ,Doch, das muss möglich Prozent mit Strom aus ökologischer Energiegewinnung sein!‘“ Es folgte ein erster Businessplan, Balian stieß stammt. Zudem steht der Server in Deutschland, fällt also hinzu und die beiden setzten zusammen erste Projekte unter die strengeren Datenschutz- und Sicherheitsgesetze IM NETZ Homepage der Pineroot Filmproduktion: https://www.pineroot.de Fotos: Pineroot Filmproduktion Der Name des Unternehmens „Pineroot“ deutet spielerisch auf die Naturverbundenheit des Han- delns der Filmemacher hin. Er setzt sich aus den englischen Begriffen für „Kiefer“ und „Wurzel“ zusammen, die den grünen, nachhaltigen Aspekt der Filmproduktion symbolisieren. Die Köpfe der Pineroot Filmproduktion: Johannes Kaczmarczyk, Rebecca Brandmeier und Vanouch Balian FILM & TV KAMERA 3.2021 41
! HANDS-ON // Nachhaltigkeit der EU. Das Geschäftskonto des Unternehmens ist bei der „Man muss es ausprobieren und Erfahrungen sammeln“, GLS-Bank angelegt, die als Genossenschaftsbank nachhal- so der DoP. „Oft ist es doch nicht so kompliziert, wie man tig wirtschaftet, nachhaltige Projekte unterstützt und kein denkt oder man findet heraus, wie man es beim nächsten klassisches Investmentbanking tätigt. „Es fängt mit den Mal einfacher hinkriegt.“ kleinen Dingen an“, sagt Kaczmarczyk. Dazu zählt auch, Beim Dreh selbst gibt es viele Dinge, die sich recht einfach dass das Büro in einer gut von allen Mitarbeitern mit Fahr- umsetzen lassen, so Vanouch Balian. „Ein großes Thema rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Umge- ist Müllvermeidung“, so Balian. „Es klingt selbstverständ- bung liegt. Wenn große Ausrüstung transportiert werden lich, ist es aber nicht. Zum Beispiel kann man Mehrweg- soll, wird Carsharing genutzt, in der Regel E-Autos. geschirr verwenden und Dispos digital versenden. Und was dann noch an Müll anfällt, sollte man trennen und ERFAHRUNGEN SAMMELN nicht alles zusammen in einen Müllsack werfen.“ Bio-Ca- Dass nachhaltiges Filmemachen sogar international funk- tering aus der Region ist auch eine Möglichkeit. „Einer tioniert, bewies Co-Gründer Kaczmarczyk Ende 2019. Zu meiner Wünsche ist, dass es mehr nachhaltige Strom - dem Zeitpunkt hatte der Kameramann ein Projekt ange- generatoren gibt“, so Kaczmarczyk. „Natürlich würde ich nommen, für das er in die Schweiz reisen musste. Für ge- immer den Feststrom vorziehen. Das ist aber im Wald wöhnlich ein Ziel, das schneller per Flugzeug erreicht wer- keine Option.“ Auch Spiegelsysteme, wie K-Flect und den kann. Kaczmarczyk aber wollte zeigen, dass es auch CLRS können eine nachhaltige Möglichkeit sein, das Set- anders geht. Also besorgte er sich eine leichte Alu-Sack- licht ressourcenschonend zu erweitern. karre, packte seine Ausrüstung in Hartschalenkoffer, be- Das Unternehmen baut das eigene Handeln immer weiter festigte die Koffer mit Spanngurten an der Karre und trug aus und ist darüber im Austausch mit Kunden und Liefe- sein persönliches Gepäck in einem großen Reiserucksack ranten. Das ist besonders wichtig im Punkt Kundenakquise. auf dem Rücken. So reiste er mit der Deutschen Bahn von „Für uns ist es total wichtig, dass unsere Kunden auch un- Berlin nach Interlaken, immerhin über neun Stunden Fahr- sere Werte teilen“, sagt Rebecca Brandmeier. „Das versu- zeit. „Das hat verhindert, dass ich die Reise mit dem Auto chen wir im persönlichen Gespräch herauszufinden. Hier oder Flugzeug machen musste, zum einen, um aus Über- ist uns natürlich das Thema Nachhaltigkeit selbst, aber zeugung ökologischer unterwegs zu sein, zum anderen, auch der faire Umgang mit Menschen und eine transpa- weil ich viel lieber im Zug unterwegs bin und die Zeit nut- rente Kommunikation wichtig.“ zen kann, um zu arbeiten“, so Kaczmarczyk. Sicher war das nicht leicht, mit dem schweren Equipment durch die GREENWASHING DURCHSCHAUEN Züge zu rumpeln, stets darauf bedacht einen guten Platz Die beiden Unternehmer suchen vornehmlich nach Kunden, zu finden, den er auch überblicken konnte. die nachhaltige Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Foto: Pineroot Filmproduktion Foto: Pineroot Filmproduktion DoP Johannes Kaczmarczyk beim Dreh eines Imagefilms Regisseur Balian und Kameramann für ALBA-Recycling Kaczmarczyk bei Interviews für eine Kampagne für die Wechange eG 42 FILM & TV KAMERA 3.2021
Grafik: Pineroot Filmproduktion Für die Gründer ist es wichtig, ihre Werte klar zu formulieren. Ein heikler Aspekt bei der Akquise: „Es ist manchmal ein tun, faire Arbeitsbedingungen herzustellen. Nachhaltig- Problem, dass einige Firmen eine Art Greenwashing betrei- keit ist da noch nicht Priorität.“ ben“, so Brandmeier. Greenwashing bezeichnet den Vor- gang, ein eigentlich nicht nachhaltig agierendes Unterneh- MEHR NACHHALTIGE FILMTECHNIK men durch Marketing als vorbildlich darzustellen. Das Was ist denn die größte Herausforderung für Dreharbeiten geschieht zum Beispiel dadurch, dass man nachhaltige und Produktionsfirmen in Sachen Nachhaltigkeit? Kacz- Aspekte aufbläst und umweltschädliches Verhalten ver- marczyk sieht hier immer noch viel Nachholbedarf bei der schweigt. „Es ist für uns manchmal schwierig, so etwas im Filmtechnik. „Ich glaube, dass immer noch zu viel Film- Vorfeld einer Zusammenarbeit herauszufinden“, sagt technik nicht nachhaltig hergestellt wird“, so der Pineroot- Brandmeier. „Aber oft merken wir schon im Gespräch, ob Gründer. Es gebe durchaus Vorbilder, die zeigen, dass das da eine echte Strategie dahintersteckt, die auch in anderen funktionieren kann, wie das Fairphone oder die modularen Bereichen umgesetzt oder der vermeintlich nachhaltige Smartphones und geplanten Laptops des deutschen Un- Auftrag ohne unternehmensweite Folgen sein wird.“ ternehmens Shift. „Aber es wird auf Dauer nicht ausrei- In den letzten zwei Jahren beobachtet Kaczmarczyk eine chen nur zu sagen, okay, wir drehen jetzt auf LED.“ Auch Wende im Denken vieler. auch kleinerer Unternehmen. Die die Reichweite von E-Autos müsse sich deutlich verbes- starke mediale Aufmerksamkeit durch die Fridays-for-Fu- sern, um hier mehr Anreize für den Umstieg zu schaffen. ture-Demonstrationen ist auch dafür verantwortlich. Die Filmbranche sei nun mal eine reiseintensive Branche. Zudem gibt es natürlich Unternehmen, die klassisch im Als weitere große Herausforderung sieht Rebecca Brand- Nachhaltigkeitssektor unterwegs sind und sich freuen, meier die eigene Haltung als Filmschaffender. Sich von der dass es ein Medienunternehmen gibt, das so handelt wie Ellenbogenbranche mit Preiskampf in Richtung eines Ge- Pineroot. Solche Unternehmen sprechen die Gründer ak- meinschaftssinns und einem gemeinsamen Ziel, der Erhal- tuell gezielt an. tung der natürlichen Ressourcen zu entwickeln, wird den „Ich denke, dass der Umstieg auf nachhaltige Produktion persönlichen Einsatz jedes Einzelnen benötigen. „Wenn in der Image- und Werbefilmbranche schneller gehen man anfängt, seine eigene Haltung zu überdenken“, so wird, weil die Budgets höher sind und Innovationen Brandmeier, „und nicht mehr nur auf sich zu gucken, son- schneller umgesetzt werden“, so Vanouch Balian. „Die dern sich gegenseitig zu unterstützen und Netzwerke zu Filmbranche hat zum Beispiel noch viel zu sehr damit zu bilden, ist schon ein Anfang getan.“ ! [14201] FILM & TV KAMERA 3.2021 43
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