Game of Crowns Ein VR-Filmprojekt auf der Waldburg
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Heimatbeilage der Tageszeitung „Der Westallgäuer“
Mai 2020 Publikation des Heimattags für den Landkreis Lindau (Bodensee) e.V. Im 99. Jahr
Mittendrin ist wie dabei
Game of Crowns
Ein VR-Filmprojekt auf der Waldburg
von Maximilian Haller und Bettina Deubel
Überführung der Reichsinsignien
vor 800 Jahren auf die Waldburg
In einer Zeit, in der wir jeden B-, C, oder
gar Z-Promi aus den Medien kennen, ist die
Frage der persönlichen Identifikation eher
zweitrangig. Aber zu einer Zeit – wir spre-
chen hier mal vom 13. Jahrhundert – als die
Malerei nur ungenau, und der Bekanntheits-
grad selbst des römisch-deutschen Kaisers
nicht gewährleistet war, musste es von Jeder-
mann zu verstehende Identifikationssymbole
geben. Und eines davon war, um sich als
Herrscher des Heiligen Römischen Reiches
Deutscher Nation auszuweisen, die Reichs-
krone. Hergestellt wohl in der 2. Hälfte des
10. Jahrhunderts am Nieder rhein und in
Gebrauch bis zur Abdankung des letzten rö-
mischen Kaisers Franz II. am 6. August 1806.
In ihrer prägnanten Achtecksform aus Gold,
verziert mit emaillierten Goldplatten und
unzähligen Perlen und Edelsteinen, trug sie
die Inschrift „per me reges regnant“ (durch
mich regieren die Könige) und hatte dadurch
– wie man heute sagen würde – einen ho- Die Waldburg ist eine der geschichtsträchtigsten Burgen Deutschlands.
hen Wiedererkennungswert. Und eine große
Symbolkraft. In Kombination mit weiteren Filmprojekt „Game of Crowns“
Reichsinsignien, der Lanze Christi, dem
Reichsapfel, dem Schwert, dem Krönungs- Also trat dieser den langen und beschwer- rüstung zu Fuß mit einer schweren Kiste
mantel und dem Zepter, bildeten sie die Le- lichen Weg über den Gotthardpass an, in mit dem wertvollen Kronschatz über 900
gitimationsausweise des Herrschers. Begleitung von etwa 400 Männern an. Kilometer über die Alpen zogen, dabei
Da es im Heiligen Römischen Reich aber kei- Um sich nun plastisch vorstellen zu kön- überfallen und schließlich in ihrer Heimat
ne feste Residenz gab, sondern eine Vielzahl nen, wie 400 Mann ohne gute Winteraus- euphorisch empfangen wurden, ist ein Film
von Pfalzen, musste der gesamte Kronschatz entstanden, mit dem der heutige Betrachter
unter hohen Schutzauflagen immer wieder die Ereignisse von vor 800 Jahren nach-
durch das Reich, von der Residenz zum Krö- empfinden kann.
nungsort, von dort nach Rom zur Salbung Der Pächter der Waldburg heute, Maximi-
zum Kaiser durch den Papst, und wieder lian Haller hatte die Idee, den Besucher in
zurück zur Residenz transportiert werden. einem 360-Grad-Film mit einer VR-Brille
Gute Verbündete waren bei diesen Unter- in die Geschehnisse jener Zeit eintauchen
nehmungen wichtig. zu lassen.
So erging es auch dem Stauferkaiser Fried- Das sagt sich so einfach. Aber wo gibt es heu-
rich II., der am 22. November 1220 in Rom te noch Schauplätze, die sich für historische
von Papst Honorius III. zum römisch-deut- Filmaufnahmen eignen? Max und sein Team
schen Kaiser gesalbt, wieder in seine Heimat haben sie gefunden. Und entstanden ist ein
zurückkehren wollte. Dazu befahl er seinem absolut sehenswerter Film, der zwar auf der
Truchsess, dem zuverlässigen Eberhard von Hauschronik des Hauses Waldburg (Voche-
Waldburg-Tanne, seine Reichsinsignien auf zer 1888) beruht, aber nicht die historische
dessen Burg, der Waldburg im Herzogtum „Wahrheit“ zeigen möchte. Haller geht es
Schwaben, in Sicherheit zu bringen und zu um die Menschen. Der Zuschauer soll in die
verwahren. Die Dreharbeiten beginnen. emotionale Geschichte eintauchen.
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Am dritten Drehtag wurde die Ankunft
des Kronschatzes auf der Waldburg aufge-
nommen. Etwa 200 Komparsen fanden sich
ein und wurden mit historischen Kostümen
ausstaffiert. Ein Team vom SWR begleitete
das Geschehen für einen Bericht. So waren
gleich zwei Filmteams für die letzten Meter
der Krone auf dem Weg zur Burg anwe-
send. Schließlich spielte noch eine kleinere
Gruppe von Schauspielern die Aufbewah-
rung der Reichsinsignien in der Kapelle.
2019 war nun Drehschluss. Vor 800 Jahren
dagegen wurden die wertvollen Insignien
dann über 23 Jahre lang von Mönchen mit
gregorianischen Chorälen besungen und gut
bewacht.
Initiator, Ideengeber und zuständig für die
Bewirtung: Max und Andrea Haller
Das Team bei winterlichem Wetter am Hochgrat. Mönche bewachten 23 Jahre lang die Reichsinsignien.
„Geschichte und Geschichten“
An nur drei Drehtagen im November 2019 periert. Vor 800 Jahren konnten die Ritter der nach Mittelalter aussieht. Bei einem Ein Besuch der Waldburg hat aber noch Georg III., Truchsess von Waldburg-Zeil, Originalgetreue Nachbildung der Reichs-
traf sich der Initiator Max Haller mit seinen sich das Wetter auch nicht aussuchen. Beim 360 Grad Film dagegen muss es rundherum mehr zu bieten, als den Film mit der VR- bekannt als „Bauernjörg“. insignien. Die Originale liegen in der
Komparsen um dieses Vorhaben umzuset- Einstieg in die Bahn im kompletten Kostüm passen. Lassen Sie sich überraschen, wie das Brille. Eine unterhaltsame Museumsfüh- Wiener Schatzkammer.
zen. hieß es dann: „Lanzen in den Skiständer“. gelöst wurde. Nur so viel sei verraten: Der rung unter dem Motto „Geschichte und
Das vermeintlich schlechte Wetter erwies Drehort Wangen wurde nicht zuletzt wegen Geschichten“ beleuchtet vier bedeutende seinem erbarmungslosen Auftreten die auf- Washington. Sie gehört zum Weltdokumen-
Der erste Drehtag begann im Dachstuhl
sich dann aber doch als ein großes Glück. seiner engen Gassen gewählt. Und wegen Alleinstellungsmerkmale der Burg. Dabei ständischen Bauern nieder. tenerbe. Eine vor der Abgabe erstellte Re-
der Waldburg mit der Übergabe des Kron-
schaulustiger Passanten wurde eine Szene ist die Burganlage selbst als eine der ge- Auf der Weltkarte von Martin Waldseemül- produktion ist auf der Waldburg ausgestellt.
schatzes von Kaiser Friedrich II. an seinen Die Sicht war so schlecht, dass bereits nach
dann auch nochmal gedreht. schichtsträchtigsten Burgen Deutschlands ler wird Amerika das erste Mal urkundlich Vom höchsten Punkt Oberschwabens aus,
Truchsess Eberhard von Tanne Waldburg. wenigen Metern die Bergstation nicht mehr
und gleichzeitig eines der größten privat der Altane oder auch Belvedere auf dem
Am zweiten Drehtag wurde die Überque- zu sehen war. So war auch diese Szene Nächste Station Karsee. Kein guter Film erwähnt. 1507 fertigte der Mönch und Kar-
geführten Museen schon an sich sehenswert. Dach der Waldburg, wurde 1818 das Kö-
rung der Alpen in Angriff genommen. Als schnell im Kasten, und die nächste Station, ohne Action. Aus dramaturgischen Grün- tograf Martin Waldseemüller diese Karte
Besonderheiten: an. Eine davon kam auf die Waldburg. nigreich Württemberg vermessen. Von der
Drehort bot sich der Hochgrat an. Das die Stadt Wangen wurde angefahren. Hier den sollte ein Überfall eingebaut werden.
Originalgetreue Nachbildungen der Reichs- Waldseemüller nannte den neu entdeckten damals angebrachten Arbeitsplattform aus
Material und die Teilnehmer konnten mit wurde die Szene gedreht, wie die Gruppe Er ist nicht historisch überliefert, zu jener
insignien des Heiligen Römischen Reiches Kontinent „Amerika“ nach dem italie- hat man einen phantastischen Rundblick
der Bahn auf den Gipfel gebracht werden. auf dem Weg zur Waldburg ist. Im Film wird Zeit aber durchaus möglich. Und Haupt-
Deutscher Nation. Vor 800 Jahren wurden nischen Entdecker und Kartograf Amerigo über das ganze Umland vom Bodensee über
Bereits am Parkplatz stand das Team im man sehen, dass das Problem der parkenden motivation für dieses Projekt war ja das die Alpen bis hin zum französischen Mont-
Schneeregen. Auf den ersten Blick sehr Autos und modernen Elemente geschickt Erleben. Der Karsee bot sich an, weil dort die Reichkleinodien von 1220-1243 sicher Vespucci. Als Waldseemüller seinen Fehler
auf der Waldburg verwahrt. Dies war unter Blanc-Massiv oder dem Ulmer Münster. Das
ärgerlich. Die Kameras wurden in Plastik- gelöst wurde. Bei einem normalen Film wenige Schilder die mittelalterliche Illusi- bemerkte, war der Name Amerika schon
Stauferkaiser Friedrich II (Frederico Se- natürlich nur bei klarer Sicht.
folien verpackt und mit Wärmekissen tem- genügt es, sich einen Ausschnitt zu wählen, on stören. verbreitet. Spanien reklamierte für Chri-
cundo). Prägend für unsere Region und ganz stoph Columbus 1492 und alle Karten wur- Sonderausstellung
Süddeutschland. den vernichtet. 1901 wurde eine Karte im
„Templum Europae“
Hausburg des Georg III., Truchsess von Archiv von Schloss Wolfegg in Oberschwa-
Waldburg-Zeil (1488–1531), besser bekannt ben wiederentdeckt. Im Jahr 2007 wurde sie Der Künstler Manfred Scharpf stellt auf
als „Bauernjörg“. Er war Heerführer in den offiziell den USA übergeben. Das Original Schloss Waldburg aus. Die Ausstellung mit
Bauernkriegen (1924–1926), und schlug mit hängt heute in der Kongressbibliothek von dem Titel „Templum Europae“ ist vom 21.
Einige Szene wurden in Wangen gedreht. „Überfall“ am Karsee.
Weltkarte von Martin Waldseemüller Templum Europae
Das Kamerateam in der Kapelle. Filmbesprechung im Rittersaal. Blick vom Dach der Waldburg.
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Mai bis zum 28. Juni 2020 zu den Museums
öffnungszeiten sehen. Danach bleibt dieses Vorübergehende Öffnungszeiten
Werk als Dauerleihgabe dem Museum auf auf der Waldburg:
der Waldburg erhalten.
Das achtteilige Kunstwerk Templum Euro-
pae entstand im Jahr 2000 als ein Beitrag Auch wir haben durch die Corona-Pande-
zur europäischen Integration im slowa- mie Einschränkungen auf der Waldburg.
kischen Kremnica, der geographischen Mit- Diese Einschränkungen nutzen wir zu ei-
te Europas. Der Künstler nimmt nicht nur ner neuen, zusätzlichen Konzeption auf
Bezug auf die Mitte Europas, sondern auch der Waldburg. Das Museum und die NEUE
auf die Menschen, die Landschaften und Gastronomie auf der Waldburg öffnen zum
die Schätze des Kontinents. Das Motiv der 21. Mai 2020 die Tore. Der komplette Innen-
Reichskrone bildet die räumliche Form. hof der Waldburg ist weitläufig bestuhlt.
Acht rundbogige Tafeln welche die Seg- Unsere neue A-la-Carte-Gastronomie wird
mente der Reichskrone übernehmen bilden, ebenfalls geöffnet sein. Wir haben Vieles
in einem Achteck gestellt, einen kleinen neu erfunden. Genießen Sie eine Schloss-
Tempel europäischer Historie als eine bild- Pizza unsere neue SchloPi. Die Weine
hafte Erzählung bis in unsere Zeit hinein. „Fürst Wolfegg“ werden wir offen im Aus-
In diesem Werk wurden, wie in allen anderen schank haben. Wunderschöne Weine aus
Arbeiten des Künstlers, ausschließlich histo- den fürstlichen Weinlagen rund um Meers-
rische Pigmente und Maltechniken verwen- burg. Auch unser Burgshop ist neugestaltet
det. Die begabtesten Schüler der Kunstschule und bietet viele tolle Produkte rund um die Museumsführer Roland Ohneseit
Kremnica waren in den Prozess einbezogen. Waldburg an. Ideal um zu stöbern.
Das Templum Europae war schon Mittel-
punkt großer Ausstellungen des Künstlers.
Es wurde in Kremnica und Banska Bystri- 21. Mai bis 28. Juli 2020
ca/Slowakei gezeigt, im Berliner Flughafen
Tempelhof, im Europäischen Parlament in Burgführungen und Turmbesteigungen
Brüssel und in der Landesvertretung Ba- werden zu den Museumsöffnungzeiten an-
den-Württemberg in Brüssel, zuletzt 2017 geboten.
im Dommuseum Bamberg, wo es seine Bot- Bei Regen bleibt die Waldburg wochentags
schaft inmitten kaiserlicher und päpstlicher geschlossen.
Gewänder kundtat.
2020 jährt sich zum 800. mal das Jahr, an Gastronomie:
dem Kronschatz auf die Waldburg kam. Die-
Do-Sa 17.00–22.00 Uhr,
se Ausstellung von Manfred Scharpf passt
So 11.00–22.00 Uhr
wunderbar zum Jubiläum
Warme Küche von 17.00–21.00 Uhr,
sonntags durchgehend.
Museum:
Do-Sa 17.00–20.00 Uhr, So 11.00–18.00 Uhr
Weitere Öffnungen während der Sommer-
ferien werden nachgereicht.
Tagesaktuelle Änderungen entnehmen Sie Burgpächter Max und Andrea Haller
bitte der Homepage freuen sich auf Ihren Besuch.
www.schlosswaldburg.de
Als privat geführtes Museum muss die IMPRESSUM:
Waldburg ohne öffentliche Förderung aus- Die Westallgäuer Heimatblätter sind die
kommen. Die Finanzierung der Burg erfolgt Heimatbeilage der Tageszeitung „Der West
durch Veranstaltungen und durch Muse- allgäuer“, Weiler im Allgäu.
umsführungen gegen Eintrittsgeld. Redaktion: Redaktionsteam des Kreisheimat-
2019 haben wir einen Förderverein zur tags des Landkreises Lindau unter Leitung
Unterstützung von Schloss Waldburg ge- von Bettina Deubel und Gerd Zimmer.
Maximilian Haller gründet. Kontakt: E–Mail: w.heimatblatt@gmx.de
Tafeln, wie im Mittelalter. Mal elegant, mal rustikal. Fotos: Silke Monk von 4real-photography
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