Verantwortung und Verantwortlichkeit in der Psychotherapie
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Phänomenal Zeitschrift für Gestalttheoretische Psychotherapie 35 Verantwortung und Verantwortlichkeit in der Psychotherapie Doris Beneder, Kottingbrunn Das Wort Verantwortung bedeu- tische Beruf verlangt die ständige Zusammenfassung tet zunächst einmal antworten, Auseinandersetzung mit ethischen jemandem auf etwas antworten. Fragen, um das Bewusstsein für In diesem Beitrag setzt sich die Autorin Es stammt aus dem Mittelhoch- die mit der Aufgabe verbundene auf dem Hintergrund einer kritisch-rea- listischen Position mit dem Begriff der deutschen mit der ursprünglichen Verantwortung zu schärfen und Verantwortung in der Psychotherapie Bedeutung „sich als Angeklagter zu fördern. Aus gutem Grund wird auseinander. Dabei versteht sie Verant- vor Gericht verteidigen“. Bereits der Selbsterfahrung und Selbstre- wortung als eine bestimmte Haltung die Begriffsdefinition verweist auf flexion in der Therapieausbildung gegenüber sich selbst, dem Mitmen- ein potenzielles Spannungsfeld deshalb in den meisten Methoden schen und der Aufgabe. Abgerundet zwischen persönlich erlebter Be- zentrale Bedeutung zugeschrieben. wird der Kurzbeitrag zu Gedanken über Verantwortung als Sorge um die Insti- reitschaft zur Übernahme von Ver- tution Psychotherapie und einige damit antwortung und der gesetzlichen Max Wertheimer veranschaulicht verbundene berufspolitische Aspekte. Norm. Für Psychotherapeutinnen in seinen Aufsätzen über „Wahr- sind im Arbeitskontext das Psycho- heit, Ethik, Demokratie und Frei- wahrgenommenen Sachlage, die therapiegesetz und Ethikrichtlinien heit“ (vgl. Wertheimer 1991) die die eigene Person miteinschließt, von Relevanz. Im Psychotherapie- gestalttheoretische Herangehens- ausgehen. In der so verstandenen gesetz ist die eigene Fähigkeit und weise an Wertefragen, wie sie Fähigkeit des Menschen zur Sach- Bereitschaft zur Verantwortung sich uns als PsychotherapeutInnen lichkeit sieht Wertheimer auch das für eine Berufsausübung „nach ständig stellen. Der Mensch wird wichtigste Kennzeichen des freien bestem Wissen und Gewissen und stets in seiner Bezogenheit auf die Menschen. Freiheit ist sowohl dem aktuellen Stand der Wissen- Umwelt verstanden (relationales „eine Bedingung im sozialen Feld“ schaft“ (vgl. Kierein et.al. 1991) als Menschenbild), wobei diese keine als auch “eine Gestaltqualität der Forderung zentral verankert – an- „neutrale“ Welt darstellt. Vielmehr Einstellung, des Verhaltens, des gesprochen ist damit zentral die ist es eine, in der es spürbare (an- Denkens und des Handelns eines persönliche Bereitschaft zur ver- ziehende oder abstoßende) Kräfte Menschen“ (Wertheimer 1991, antwortlichen Berufsausübung. „In gibt, sodass die geforderte Verant- 118). Die unterschiedlichen Bedin- der Ausübung ihres Berufes wird wortlichkeit grundsätzlich aus der gungen im sozialen Feld bestim- von Psychotherapeutinnen und Struktur der Situation erkennbar ist. men „äußere Freiheit“, während Psychotherapeuten ein besonders Man muss jedoch bereit (und fähig) man Freiheit als Gestaltqualität verantwortungsvoller Umgang mit sein (Sachlichkeit), diese Forderun- der Einstellung als „innere Freiheit“ der eigenen Person, mit der psy- gen wahrzunehmen und entspre- bezeichnen kann. Die unterschied- chotherapeutischen Aufgabe so- chend zu handeln (Gefordertheit lichen Entwicklungs- und Lebens- wie mit jenen Menschen gefordert, der Lage). In der Gestalttheoreti- bedingungen der Menschen wirken mit denen sie durch die Psycho- schen Psychotherapie (GTP) wird sich fördernd oder hemmend auf therapie in eine besondere Bezie- deshalb die Stärkung der Fähigkeit, ihre Bereitschaft und Fähigkeit zu hung eintreten. Darüber hinaus ist diese situativen Forderungen zu freiem, sachlichem Verhalten aus. mit der Ausübung der Psychothe- erkennen und angemessen darauf Die grundsätzliche Fähigkeit „in rapie - nämlich auf wissenschaftli- zu reagieren, als zentrale Entwick- schöpferischer Freiheit den Anfor- cher Grundlage zur Erhaltung und lungsaufgabe in der Psychothera- derungen und Möglichkeiten des Wiederherstellung der Gesundheit pieausbildung verstanden. Unter Lebens zu begegnen“ (Walter 1985, oder zur Reifung und Entwicklung Gefordertheiten versteht Wert- 136) ist jedem Menschen inhärent. leidender Menschen beizutragen – heimer für Menschen spürbare, ihr In den Worten Wertheimers: „Die auch eine besondere gesellschaft- Denken und Handeln in eine be- Fähigkeit und die Tendenz zu ver- liche Verantwortung verbunden.“ stimmte Richtung weisende Kräfte, stehen, Einsicht zu erlangen; ein (Berufskodex 2012, 3: Hervorhe- die nicht vom anschaulichen Ich, Gespür für Wahrheit, Gerechtig- bungen DB). Der psychotherapeu- sondern von einer in der Umwelt keit, für Gut und Böse, für Ehrlich-
36 1/2021 Originalarbeiten aus Theorie und Praxis keit [...]“ (Wertheimer 1991, 35) ge- kritisch-realistischen Position leitet serung der eigenverantwortlichen hört zu den tieferen Schichten der sich eine Haltung der Achtung und Lebensführung beizutragen und Ich-Bedürfnisse des Menschen. des Respekts für die phänomenale die Selbstermächtigung zu stärken. Klientinnen stellen sich selbst oft die Frage, ob sie für ein bestimm- tes Symptom oder eine körperliche Erkrankung verantwortlich bzw., wie diese zumeist sagen, „schuld“ sind. Gerade bei sgn. psychoso- matischen Beschwerden, wo kein organischer Befund vorliegt, erle- ben Klientinnen diese Frage sehr belastend. Hier gilt es feinfühlig und achtsam die Klientinnen dabei zu begleiten, die tatsächlichen Ge- fordertheiten im Lebensraum zu erkunden, damit sie entsprechend differenziert ihre Verantwortlich- keit wahrnehmen und umsetzen © Shane (Unsplash) lernen. Wenn Veränderungen aus- bleiben, wie z.B. das Beibehalten Auf dem Hintergrund dieses Men- Welt der anderen ab und sie ver- ungesunder Verhaltensweisen, schenbildes werde ich nun die Be- deutlicht, wofür und wem gegen- liegt dies nicht ausschließlich am deutung von Verantwortung in der über man in der therapeutischen „mangelnden Wollen“ der Person, therapeutischen Beziehung und Situation verantwortlich sein kann sondern an einer vielfältigen „Ge- der gesetzlich und institutionell (oder auch nicht). mengelage“, die es zunächst ein- verankerten Psychotherapie einge- mal zu verstehen gilt, bevor man hender erörtern. Selbstwahrnehmung und Selbst- „die Verantwortung übernehmen“ reflexion, sowie ein sachlicher und Veränderungen umsetzen Verantwortung in der Umgang mit Kritik sind Kernstück kann. So gibt es Klientinnen (und therapeutischen Beziehung jeder Therapieausbildung, um sich Therapeutinnen), die dazu neigen, selbst tiefer kennen zu lernen und sich rasch für alles verantwortlich Aus kritisch-realistischer Sicht ist schließlich (in der therapeutischen zu fühlen und solche, die jegliche nicht von einer therapeutischen Situation) von sich absehen zu Verantwortung zurückweisen und Beziehung auszugehen, sondern können, um der Gefordertheit der die „Schuld beim Anderen oder bei von einer therapeutischen Bezie- Lage zu folgen. Wie unterschiedlich den Umständen“ suchen. Ein Blick hung zwischen Therapeutin und die Anliegen der Klientinnen auch in die Ratgeberliteratur zeigt, dass Klientin im Lebensraum der Thera- sind, letztlich besteht die Aufgabe (neoliberale) Gedanken der Selbst- peutin und einer therapeutischen der Psychotherapeutin darin, die optimierung immer mehr um sich Beziehung zwischen Therapeutin Klientin dabei zu unterstützen, ihre greifen und in die Psychotherapie und Klientin im Lebensraum der Lebensprobleme zu bewältigen, hineinwirken. Um dynamische Klä- Klientin. ihre Entwicklung zu fördern und ihr rungsprozesse anzustoßen, braucht in angemessener Form beizuste- es Therapeutinnen, die auch um Verantwortung für die hen (vgl. Stemberger 2018). die nicht-psychologischen mate- Haltung zu sich selbst riellen und gesellschaftlichen Le- Aufgabe der Klientin ist es, ihre bensbedingungen ihrer KlientInnen Therapeutin und Klientin sind auf persönlichen Wahrnehmungs- und wissen, wie z.B. die psychischen jeweils unterschiedliche Art und Handlungsmöglichkeit (mit Unter- Folgen von Arbeitslosigkeit oder Weise dafür verantwortlich, wie sie stützung der Therapeutin) kennen- Armut oder Reichtum, und diese mit ihren Wahrnehmungen (Gefüh- zulernen, sowie im gelungenen Fall nicht mit Ergebnissen psychischer len, Gedanken etc.) und der Bezie- diese zu erweitern und zu differen- Dynamiken verwechseln. Erst die hung zueinander umgehen. Aus der zieren, um damit zu einer Verbes- dynamische Analyse der jeweili-
Phänomenal Zeitschrift für Gestalttheoretische Psychotherapie 37 gen Bedingungskonstellationen raus unsachliche „Sonderrechte“ ten, sondern auch mit kritischen, und eine sachliche Haltung ermög- abzuleiten. vielleicht sogar negativ getönten lichen die Übernahme von Verant- Beziehungsdynamiken angemes- wortung. Um dieser Verantwortlichkeit gut sen umzugehen (vgl. Kästl 2007, nachkommen zu können, trägt Fuchs 2020), damit es zu keiner Selbstverantwortung schließt im- die Therapeutin auch die Verant- schädlichen Wechselwirkung zwi- mer eine Mitverantwortung für die wortung, mit sich selbst angemes- schen den Dynamiken der Thera- Gemeinschaften, in denen die Per- sen fürsorglich umzugehen. Dazu peutin und denen der Patientin son lebt, ein. Das Wissen und der gehört die Sorge um das eigene kommt (vgl. Stemberger 2016, achtsame Umgang mit den eigenen Wohlbefinden genauso, wie die 2017). Vielmehr trägt die Thera- Bedürfnissen, Gefühlen, Motiven Wertschätzung gegenüber der peutin – auf Grund ihrer fachlichen und Handlungen unterstützt ein therapeutischen Aufgabe. Auf ein Kompetenz – die Verantwortung vollständigeres Erfassen der eige- ausgewogenes Verhältnis von Be- dafür, die jeweiligen Verhaltens- nen psychologischen Situation und ruf, Freizeit und privaten Kontak- und Erlebensweisen der Klientin ermöglicht darüber die Übernahme ten zu achten, sind Beispiele für aus der Struktur und Dynamik ihrer von Verantwortung sich selbst ge- ein selbstfürsorgliches Verhalten phänomenalen Welt zu verstehen, genüber. Übungen und Interventio- von Psychotherapeutinnen, das sowie zur ständigen Klärung und nen, die das unmittelbar anschau- notwendig ist, um der Aufgabe Wiederherstellung der Vertrauens- liche Erleben fördern, tragen dazu gerecht werden zu können. Sich beziehung beizutragen. Den offe- bei, Umstrukturierungsprozesse in selbst zu achten bedeutet auch, nen Austausch über die jeweilige der phänomenalen Welt der Klien- sich darüber klar zu werden, wie phänomenale Welt zu suchen und tin zu unterstützen, damit diese zu man auf andere wirken kann (the- dabei die „KlientInnen selbst spre- einem besser lebbaren Gleichge- rapeutischer Stil) und wie man die chen zu lassen“ (Phänomenologie wichtszustand finden kann. Hilfe persönlichen Stärken fördern und treiben), kann als therapeutische annehmen stellt bereits ein aktives entwickeln kann. Grundhaltung beschrieben wer- Sich-Einlassen, Öffnen, Etwas-Wol- den: interessiert, empathisch und len und auch Durchhalten dar (vgl. Verantwortung für die respektvoll gegenüber dem Erle- Stemberger 2019). Die Patientin ist Haltung zum anderen ben und der Welt der anderen. Die in der Psychotherapie weder eine Aufgabe und Verantwortung der passiv „Erleidende“ noch eine (aus- „Aufgabe und Verantwortung Psychotherapeutin besteht daher schließlich) „informiert Entschei- der Psychotherapeutin ist es, die darin, vor allem solche Rahmen- dende“, sondern eine den Prozess psychotherapeutische Beziehung bedingungen herzustellen, die die aktiv Mitgestaltende und Mit- förderlich zu gestalten und den therapeutische Situation zu einem wirkende. Diese Aufgaben wahr- Rahmen zu schaffen, in dem das Ort schöpferischer Freiheit (vgl. nehmen zu lernen ist bereits Teil sachliche Arbeiten mit der Pa- Metzger 1962) werden lassen, da- des therapeutischen Prozesses. Es tientin stattfinden kann” (Agstner, mit die Klientin im gelungenen Fall kann durch bestimmte Rahmen- Lindorfer, Sternek 2013, 50). Auch eine angemessenere Ich-Welt Be- bedingungen (z.B. Psychotherapie wenn die Therapeutin in ihrer phä- ziehung entwickeln kann. im Zwangskontext) auch erschwert nomenalen Welt die therapeuti- sein. Je deutlicher die Klientin ihre sche Beziehung als eine zwischen Die therapeutische Situation Verantwortlichkeiten wahrnehmen einer offenen und zugewandten trägt immer ein gewisses Maß an kann, desto größer werden ihre Therapeutin und einer dafür emp- Asymmetrie in sich, mit welcher Freiheitsgrade in der Gestaltung fänglichen Klientin erlebt, kann in die Therapeutin sorgsam und ver- ihres Lebens. Behindernde Gesell- der phänomenalen Welt der Klien- antwortungsvoll umgehen muss. schafts- und Lebensbedingungen tin die Beziehung als eine zwischen Klientinnen wenden sich in einer (wie z.B. die unterschiedlichen sozi- einer von oben herab belehrenden Situation der Bedrängnis und Not alen und materiellen Lebensbedin- Therapeutin und einer sich unver- an uns und erwarten sich zurecht, gungen, die Zugehörigkeit zu einer standen und machtlos fühlenden dass sie fachlich kompetent und Minderheitsgruppe u.a.m.) müssen Klientin erlebt werden. Es liegt im menschlich zugewandt beglei- als soziale Tatsachen wahr- und Verantwortungsbereich der Thera- tet werden. Den Dynamiken und ernstgenommen werden, ohne da- peutin, nicht nur mit positiv getön- Wirkungen der unterschiedlichen
38 1/2021 Originalarbeiten aus Theorie und Praxis vorigen Jahrhunderts betrachten, können wir eine zunehmende In- tegration des Berufsstandes in das Gesundheitswesen beobachten, in dem eine Verlagerung der Ver- antwortung in Richtung Individu- um deutlich wird. Gesundheit wird zum „Konsumgut“ in einem sich ra- sant entwickelnden „Gesundheits- markt“ (z.B. die rasante Entwick- lung der Reha-Einrichtungen in den letzten 10 Jahren). Psychotherapie wird zur Lösung sozialer Probleme missbraucht (z.B. verpflichtende Psychotherapie beim Bezug des Re- habilitationsgeldes durch die Pensi- onsversicherungsanstalt), worüber der Zug des Ziels in Richtung Neu- ordnung des Lebens aus dem Fokus verloren werden kann. Selbstver- ständlich kann Psychotherapie in Zeiten gesellschaftlicher Umbruch- prozesse ebenso einen kreativen Ort der Selbstreflexion und Neu- orientierung darstellen, gleichzei- tig besteht die Gefahr, ihn – ohne Reflexion der gesellschaftlichen Bedingungen – in einen Raum der „Fitness für die Seele“ zu verwan- deln. Diesem Optimierungsdruck sind auch Psychotherapeutinnen ausgesetzt, wenn man an die zu- nehmenden nachgefragten Spezia- © Noah Buscher (Unsplash) lisierungen am Gesundheitsmarkt Machtfelder von Therapeutin und ren. Wir sollten uns also fragen, (z.B. ausgewiesen bei Psyonline Klientin nachzugehen, sollte des- inwieweit die aktuellen Rahmenbe- u.a.) denkt oder an den boomen- halb immer Teil der psychothera- dingungen (gesetzlichen Regelun- den Fortbildungsmarkt zu speziel- peutischen Situation sein, damit es gen und Richtlinien, Finanzierungs- len Techniken. zu keinen schädlichen Wechselwir- fragen, berufspolitische Vertretung kungen in der Beziehung zwischen u.v.m.) der Sache der Psychothe- Menschen in seelischer Not ha- Therapeutin und Patientin kommt. rapie ge-recht werden (oder eben ben das Recht auf eine sorgfältige auch nicht) und wer denn dafür Behandlung unter Wahrung der Verantwortung als Sorge um verantwortlich ist. Psychotherapie menschlichen Würde und Unver- die Institution Psychotherapie ist immer Teil des gesellschaftlichen sehrtheit der Person und ihres Feldes und der Funktion und Rolle, Rechts auf Selbstbestimmung. Wertheimer fragt in seinem Artikel die der Psychotherapie unter den Aus diesem zentralen Patienten- über Freiheit nicht nur nach dem gegenwärtigen gesellschaftlichen recht können sich nicht nur Berufs- Wesen des freien Menschen, son- Bedingungen zugewiesen wird. pflichten der Psychotherapeutin dern auch nach den Bedingungen, (z.B. Geheimnisschutz, Informa- Regeln und der Art der Einstellung Wenn wir die Veränderungen in der tions- und Fortbildungspflichten von Institutionen, die Freiheit er- Psychotherapie seit der Gesetz- etc.), sondern auch Pflichten des möglichen bzw. zu Unfreiheit füh- werdung in den 90-er Jahren des Gesetzgebers (z.B. Führen einer ak-
Phänomenal Zeitschrift für Gestalttheoretische Psychotherapie 39 tuellen Berufsliste...), der Sozialver- besondere zeigt er auf, dass die tung sich selbst gegenüber geprägt sicherungen (z.B. entsprechende Tendenz, Patientenrechte aus den ist, statt einer negativ getönten, die Versorgung zu ermöglichen) und Berufspflichten abzuleiten, dazu sich bei erster Gelegenheit aufspal- anderer Gesundheitseinrichtungen beiträgt, den Schwerpunkt der tet (z.B. „ärztliche Psychotherapie“ (z.B. ausreichende Versorgung der Verantwortung für den Erfolg der in Form der PSY-Qualifikationen, Krankenhäuser mit Psychothera- psychotherapeutischen Behand- die Diskussion um klinisch-psycho- peutinnen) ableiten lassen. lungen auf die Dyade Psychothera- logische Behandlung etc.). Über peutin/ Patientin zu verlagern und vereintes Handeln und die Über- Stemberger (2011) verdeutlichte in darüber von der Verantwortung nahme aktiv tätiger Verantwor- seinem Beitrag, dass der Gesetzge- der demokratischen Einrichtungen, tung wäre die Berufsgruppe sicher ber bereits bei der Gesetzwerdung für gerechte und der Aufgabe ent- in der Lage, allmählich im Gesund- ein wesentliches Element ungere- sprechende Bedingungen in der heitssystem den ihr angemessenen gelt ließ, nämlich die Einrichtung Psychotherapie zu sorgen, ablenkt. Platz zu erhalten. Diesen Optimis- einer gesetzlichen Berufsvertre- Innerhalb des Gesundheitssystems mus schöpfe ich noch aus der Zeit tung. Dieses Versäumnis trifft nicht gehört die Berufsgruppe der Psy- vor der Gesetzwerdung, wo die nur die Psychotherapeutinnen, chotherapeutInnen immer noch zu unterschiedlichen Teilgruppen das sondern auch deren Patientinnen einer wenig einflussreichen Grup- Gemeinsame über das Trennende auch 30 Jahre nach Inkrafttreten pe. Dies sollte als soziale Tatsache stellten. Diesen Zug zum gemeinsa- des Psychotherapiegesetzes auf anerkannt werden, damit sich eine men Ziel wieder zu entdecken wäre vielfältige Art und Weise (z.B. Feh- starke Berufsgruppe entwickeln höchste Zeit. len eines Gesamtvertrages). Ins- kann, die von einer positiven Hal- Literatur: Agstner, Irene; Lindorfer, Bernadette & Kathari- Metzger, Wolfgang (1962): Schöpferische Frei- Stemberger, Gerhard (2018): Therapeutische na Sternek (2013): Sachlichkeit und Respekt, heit. Frankfurt am Main: Verlag Waldemar Beziehung und therapeutische Praxis in der Phänomenal, 5(1,2), 47–52. Kramer. Gestalttheoretischen Psychotherapie (Praxeo- Fuchs, Thomas (2020): Vom Miteinander, Ge- Stemberger, Gerhard (2011): Patientenrechte in logie I). Phänomenal, 10(2), 20–28. geneinander und Nebeneinander in der The- der Psychotherapie: Herausforderungen und Stemberger, Gerhard (2019): Therapeutische rapie. Anmerkungen zu Struktur und Dynamik Problemfelder. In: Kierein, M; Leitner, A. (Hg): Beziehung und therapeutische Praxis in der der therapeutischen Beziehung. Phänomenal, Psychotherapie und Recht. Wien: Facultas, Gestalttheoretischen Psychotherapie (Praxeo- 12(2), 17–26. 203–230. logie III). Phänomenal, 11(1), 42 –50. Galli, Giuseppe (2017): Der Mensch als Mit- Stemberger, Gerhard (2016): Machtfelder in der Walter, Hans Jürgen (1985): Gestalttheorie und mensch. Aufsätze zur Gestalttheorie in For- Psychotherapie. Teil 1 Kurt Lewins theoreti- Psychotherapie. Opladen: Westdeutscher schung, Anwendung und Dialog. Herausgege- sches Konzept der Machtfelder. Phänomenal, Verlag ben von Gerhard Stemberger. Wien: Krammer. 8(2), 19–32. Wertheimer, Max (1991): Zur Gestaltpsychologie Kierein, Michael; Pritz, Alfred & Gernot Sonneck Stemberger, Gerhard (2017): Machtfelder in menschlicher Werte. Aufsätze 1934–1940. He- (1991): Psychologengesetz. Psychotherapiege- der Psychotherapie. Teil 2. Phänomenal, 9(1), rausgegeben von Hans-Jürgen Walter. Opla- setz. Kurzkommentar. Wien: Orac-Verlag. 17–32. den: Westdeutscher Verlag. Giuseppe Galli Der Mensch als Mit-Mensch Aufsätze zur Gestalttheorie in Forschung, Anwendung und Dialog Herausgegeben und eingeleitet von Gerhard Stemberger Verlag Wolfgang Krammer / Wien 2017 / ISBN 978-3-901811-75-3 / 208 Seiten / € 25,– „Giuseppe Gallis konsequentes Streben nach einer angemessenen Berücksichtigung beider Pole, des Subjektpols ebenso wie des Objektpols, sowohl in der Forschung als auch in allen Bereichen des mitmenschlichen Lebens kommt im vorliegenden Sammelband in allen Arbeiten zum Tragen.“ – Gerhard Stemberger, Einleitung Bezug über die ÖAGP: info@oeagp.at
Gestalttheorie-Bibliothek für PsychotherapeutInnen Hellmuth Metz-Göckel (Hrsg.): Hellmuth Metz-Göckel (Hrsg.): Gestalttheorie aktuell. Gestalttheoretische Inspirationen. Handbuch zur Gestalttheorie Band 1. Handbuch zur Gestalttheorie Band 2. 314 Seiten. ISBN 978-3901811364. € 32,– 246 Seiten. ISBN 978-3901811593. € 32,– Wer glaubt, Gestalttheorie wäre nur noch eine Fußnote der Geschichte, wird Der zweite Band des Handbuchs führt den Einblick in die Aktualität der Gestalt- hier eines Besseren belehrt. 12 Beiträge zeigen den aktuellen Stand gestalt- theorie in 11 Beiträgen zu weiteren Anwendungsgebieten fort: Philosophie theoretischer Forschung und Anwendung in Systemtheorie, Kognitions- (Gestalttheorie und Phänomenologie), Psychotherapie, Psychologie sozialer wissenschaft, Entwicklungspsychologie, Denkpsychologie, Pädagogischer Tugenden, Sportpsychologie, Gestalttheorie in der Literatur (Musil), Kunster- Psychologie, Psychologischer Diagnostik, Sprachwissenschaft, Kunst, Musik- ziehung, Fotografie, Kunst der Tarnung, Tierpsychologie, Dual-Process-Theori- wissenschaft und Erziehungspsychologie. Abgerundet durch eine fächerüber- en in der sozialen Kognition. greifende Einführung in die Grundideen der Gestalttheorie und eine Geschich- te der Gestalttheorie in Italien. Gerhard Stemberger (Hrsg.): Giuseppe Galli: (Hrsg. und eingeleitet von G. Stemberger) Psychische Störungen im Der Mensch als Mit-Mensch: Aufsätze Ich-Welt-Verhältnis. Gestalttheorie und zur Gestalttheorie in Forschung, psychotherapeutische Krankheitslehre Anwendung und Dialog. 184 Seiten. ISBN 978-3901811098. € 25,– 197 Seiten. ISBN 978-3901811753. € 25,– Eine Einführung in die Krankheits- und Gesundheitslehre der Gestalt- In 24 Beiträgen führt Giuseppe Galli in die Grundgedanken der Gestalttheo- theorie und Gestalttheoretischen Psychotherapie. Mit klassischen Tex- rie und ihre praktische Bedeutung im Verständnis der Persönlichkeit und der ten zur klinischen Theorie von Max Wertheimer, Heinrich Schulte, Erwin zwischenmenschlichen Beziehungen im Alltagsleben und in psychotherapeuti- Levy, Abraham Luchins und anderen sowie einer Einordnung in aktuelle schen Zusammenhängen ein. Diskussionszusammenhänge. Giuseppe Galli (Hrsg.): Anna Arfelli Galli: Gestaltpsychologie und Person: Entwick- Gestaltpsychologie und Kinderforschung lungen der Gestaltpsychologie 148 Seiten. ISBN 978-3901811661. € 22,– 153 Seiten. ISBN 978-3901811432. € 25,– Anna Arfelli Galli stellt hier eine erstmalige Gesamtschau der Leitideen, Methodik und Ergebnisse der gestaltpsychologischen Forschungsarbeiten zur Kindesentwicklung vor. Sie stellt die Ein Sammelband zu den Grundlagen der gestalttheoretischen Persönlichkeits- Befunde grundlegender Studien aus den Jahren 1921-1975 in den Kontext heuti- psychologie. Die Person und ihr Ich – Die Person in Beziehung – Die handeln- ger Strömungen in der Kinderforschung und zeigt die Aktualität des besonderen de Person – Entstehung der Person (Entwicklungspsychologie) – Die Person im Zugangs der Gestaltpsychologie zu den Fragen menschlicher Entwicklung auch Dialog (Sprache und Kommunikation) – Zentrierung und Person. Mit Beiträgen über das Kindesalter hinaus. Die Wiederentdeckung der Kinderforschung für das von Giuseppe Galli, Anna Arfelli Galli, Andrzej Zuczkowski, Ilaria Riccioni, Ma- Verständnis grundlegender Prozesse in der Psychotherapie macht dieses Buch zu ria Armezzani. einem Standardwerk Gestalttheoretischer Psychotherapie. Paul Tholey: (Hrsg. und eingeleitet von G. Stemberger) Kurt Lewin: Gestalttheorie von Sport, Klartraum und Schriften zur angewandten Psychologie. Bewusstsein: Ausgewählte Arbeiten Aufsätze, Vorträge, Rezensionen. 284 Seiten. ISBN 978-3901811760. € 36,– 288 Seiten. ISBN 978-3-901811-46-3. € 28,– Paul Tholey, einer der namhaftesten Gestaltpsychologen und Pioniere der Be- Die gestaltpsychologische Feldtheorie Kurt Lewins und die empirischen Un- wusstseinsforschung unserer Zeit, behandelt in den 11 Beiträgen dieses Sam- tersuchungen, die ihr zugrunde liegen, gehören zum Kern der Gestalttheore- melbandes ein breites Spektrum von Fragen, die für die Psychotherapie von tischen Psychotherapie. Dieser Sammelband macht sie mit einer Vielzahl von grundlegender Bedeutung sind, auch wenn in vielen dieser Beiträge das Wort Arbeiten aus unterschiedlichen Anwendungsbereichen, von der Kinderpsycho- Psychotherapie gar nicht aufscheint. Für transpositionsfähige LeserInnen. logie über Autokratie und Demokratie bis zur Psychotherapie anschaulich und praxisnahe zugänglich. Dem Buch liegt eine DVD mit seinen berühmten Filmen zur Welt des Kindes bei. Wolfgang Metzger: Psychologie. Die Entwicklung ihrer Grundannahmen seit der Einführung des Experiments. Im Verlag Wolfgang Krammer erschienen 6. Aufl. 2001. 407 Seiten. ISBN 978-3-901811-07-9. € 45,– Nun direkt über die ÖAGP erhältlich: Für alle Fragen der psychotherapeutischen Praxis ist das Verständnis der in die- info@oeagp.at sem Klassiker der Gestaltpsychologie differenziert und forschungsbasiert be- arbeiteten Probleme grundlegend. 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