Die Bedeutung des Gesellschaftsspiels - Jung und Alt spielt e.V.
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46 Report Die Bedeutung des Gesellschaftsspiels Bild: Jan Ehlers / Deutsche Fernsehlotterie Wie Spielen Generationen verbindet petra fuchs „Der Mensch spielt nur, Glonnegger 1991-2000, S. 27). weitere Beispiele dafür, dass Ge- wo er in voller Bedeutung des Ein weiteres altes Brettspiel mit sellschaftsspiele seit Tausenden Worts Mensch ist, und er ist Namen Senet wurde in Ägyp- von Jahren Bestandteil unserer nur da ganz Mensch, wo er ten gefunden und ist über 3400 Kultur sind, lassen sich finden. spielt“ (Schiller 1793/94). Jahre alt (vgl. Kobbert und Tho- le 2010, S. 17). Das Spiel Senet Gesellschaftsspiele heute Schon Schiller stellte fest, dass fand man weiterhin, so wie auch das Spiel seit jeher einen Teil des das ägyptische Spiel Mehen, Doch welche Relevanz haben Ge- Menschseins ausmacht. Nicht als Malerei abgebildet auf einem sellschaftsspiele heute? Diese Fra- nur das Spiel im Allgemeinen, Grab, das auf das Jahr 2700 vor ge drängt sich auf, wenn bewertet sondern auch das Gesellschafts- Christus datiert wird (vgl. Schäd- werden will, ob Gesellschaftsspie- spiel im Speziellen blickt auf eine ler et al. op. 2007, S. 21–22). le als Medium der Sozialen Arbeit lange Historie zurück: Die ältes- So zieht sich die Geschichte des fungieren können. Schließlich kann ten archäologischen Funde von Brettspiels durch die Jahrhun- dies nur gelingen, wenn Gesell- Gesellschaftsspielen lassen sich derte, von Backgammon, das be- schaftsspiele kein Randphänomen auf ca. 2500 vor Christus da- reits die Römer spielten (a.a.O., darstellen und durch sie ein breiter tieren. Das Königliche Spiel von S. 31) über Schach, das sich bis Zugang zu Klient*innen der Sozia- Ur (ein Spiel mit Würfeln und auf das 7. Jahrhundert vor Chris- len Arbeit möglich ist. Figuren), welches man im heuti- tus zurückverfolgen lässt (a.a.O., gen Irak entdeckte, kann als das S. 66) bis hin zu Spielkarten, die Eine Studie aus dem Jahr 2017 zum wahrscheinlich älteste Brettspiel am Ende des Mittelalters entwi- Thema Gesellschaftsspiele unter- der Welt bezeichnet werden (vgl. ckelt wurden (a.a.O., S. 73). Viele suchte die Spielgewohnheiten von
Praxis 47 Deutschen beim Spielen von Ge- 162.000 Menschen die Fachmesse nen mit sich bringen und darüber, sellschaftsspielen. Das Ergebnis besuchten, stiegen die Besucher- inwiefern das Spiel für das soziale der repräsentativen Umfrage zeigt, zahlen jährlich stetig an: 2016 auf Verhalten und Zusammenleben von dass 29% der Deutschen häufig 174.000 Besucher*innen, 2017 auf Jüngeren förderlich ist. Gerade der (mindestens 2-3x im Monat) Ge- 182.000 Besucher*innen, 2018 auf Bereich des Spiels bei Kindern und sellschaftsspiele spielen. Gelegent- 190.000 Besucher*innen und 2019 Jugendlichen ist intensiv erforscht. lich (mindestens mehrmals im Jahr) auf 209.000 Besucher*innen (vgl. spielen sogar weitere 33% der Friedhelm Merz Verlag GmbH & Co Veröffentlichungen über die Ver- Bevölkerung. Diese Studie belegt KG 2018 + 2019). Ähnliche Erfolge knüpfung der Generationen und somit, dass 62% der Bevölkerung erzielte auch das Projekt „Stadt- darüber, ob Austausch und Kon- mindestens gelegentlich Gesell- Land-Spielt!“, welches einmal im takt gefördert werden können, im schaftsspiele spielen (vgl. Splen- Jahr an einem gemeinsamen Wo- Speziellen durch das Spielen von did Research GmbH 2017, S. 5). chenende Vereine und Institutio- Gesellschaftsspielen, sind jedoch In einer weiteren Studie fallen die nen dazu aufruft, vor Ort ein Spie- wenig vorhanden. Lediglich eine Zahlen niedriger aus: Hier spielen leevent durchzuführen. Während Studie tritt im deutschsprachigen zwar auch 33% der Bevölkerung 2017 bereits 115 verschiedene Raum in Erscheinung, die sich die- mindestens einmal pro Monat Ge- Veranstaltungsorte mit 15.400 ser Verbindung widmet: Die Leite- sellschafts- und Kartenspiele, aber Besucher*innen gezählt wurden, rin des Projektes Dr. Sonja Ehret nur zusätzliche 9% häufiger (vgl. erhöhte sich die Zahl 2018 mit 143 untersuchte in teilnehmenden, un- Stiftung für Zukunftsfragen 2018, Standorten/ 17.000 Besucher*in- strukturierten sowie teilstandardi- S. 73). 2015 zeigte sich ein ähnli- nen sowie 2019 mit 192 Stand- sierten Beobachtungen, inwiefern ches Bild: Die Ergebnisse von Ipsos orten/ ca. 18700 Besucher*innen das gemeinsame Spiel und die Ent- Observer/ Ipsos Connect ergeben, deutlich (vgl. planetlan GmbH Bild: Michael Berndt / Gute Stube e.V. wicklung von Bindungen zusam- dass fast jeder zweite Deutsche 2018a+b+2019). menhängen. Ein halbes Jahr lang (47%) gelegentlich Gesellschafts- trafen sich Kinder und Senior*in- spiele spielt und dies somit noch Diese Entwicklungen zeigen, dass Generationenbeziehun- nen zum gemeinsamen Spiel von immer die beliebteste Spielart Gesellschaftsspiele heute wie da- Gesellschaftsspielen. Die Beobach- gen zu fördern, sollte trotz Digitalisierung darstellt (vgl. mals eine hohe Relevanz besit- tungen der Studie „Echo der Ge- Marktforschung - Das Portal für zen. Daher bleibt zu hoffen, dass Aufgabe der nerationen“ zeigen, dass zwischen Markt-, Medien- und Meinungs- der aktuell gestellte Antrag des „intergenerativen“ Jung und Alt Bindungen entstehen forschung 2015). Deutschen Spielearchivs Nürn- können, die nicht nur Kompetenzen berg und des Bayerischen Spiele- Sozialen Arbeit sein. entstehen lassen, sondern auch das Auch die Spielebranche bestä- Archivs Haar e.V., „Spielen in Fami- Verständnis zwischen den Genera- tigt die Beliebtheit von Gesell- lie und Gesellschaft“ bei der UNES- tionen verbessern können (vgl. Eh- schaftsspielen in Deutschland. CO auf Aufnahme in die Liste des ret 2016). Der Deutsche Verband der Spiel- Immateriellen Kulturerbes (Deut- warenindustrie spricht von einem sches Spielearchiv Nürnberg u.a. Weitere Studien sucht man verge- wirtschaftlichen Wachstum der 2018, S. 7) genehmigt wird und das bens. Hier scheint es Nachholbe- Spielebranche von je 10% in 2015 Gesellschaftsspiel als anerkanntes darf zu geben, betrachtet man die und 2016 (vgl. Günther 2018), so- Kulturgut auch offiziell Würdigung derzeitige gesellschaftliche Ent- wie 8% in 2019 (vgl. Spieleverlage erfährt. wicklung: Im Rahmen des demo- e.V 2019). Gesellschaftsspiele und grafischen Wandels stehen immer Puzzles stellen 60% der Käufe in- mehr ältere immer weniger jün- nerhalb des Spielwarenmarktes dar Gesellschaftsspiele geren Menschen gegenüber und (vgl. Günther 2018). Ebenso teilt in der pädagogischen es scheint nötig, außerfamiliäre der Friedrich Merz Verlag, Ver- Arbeit Generationenbeziehungen zu er- anstalter der größten Brettspiel- möglichen. Dies ist eine Forderung, messe der Welt, in seiner Presse- Es ist somit nicht verwunderlich, die auch im Gutachten des Bun- mitteilung dieses Bild: Die Aus- dass Gesellschaftsspiele ihren fes- des gestellt wird (BMFSFJ 2012, S. stellerflächen der Internationalen ten Platz in der pädagogischen Ar- 26). Generationenbeziehungen zu Spieletage SPIEL sind im Oktober beit, sei es in Schulen, Kindergär- fördern, sollte Aufgabe der „inter- 2018 auf 80.000 qm (im Vorjahr ten oder bei der Sprachförderung generativen“ Sozialen Arbeit sein. 72.000 qm) vergrößert worden, finden. Es gibt wissenschaftliche Gemessen an der Bedeutung des um die 1400 Spieleneuheiten (im Publikationen darüber, inwiefern Gesellschaftsspiels stellt sich daher Vorjahr 1200 Neuheiten) präsen- Gesellschaftsspiele Vorteile für die Frage, ob das Gesellschaftsspiel tieren zu können. Auch Besucher- die Entwicklung von Fertigkeiten als Medium der Sozialen Arbeit bei rekorde konnte der Veranstalter und Fähigkeiten von Kindern und der Erfüllung dieser Aufgabe be- benennen: Während im Jahr 2015 Jugendlichen und auch Senior*in- Bild: Michael Berndt / Gute Stube e.V. hilflich sein kann. FORUM sozial 2/2020
48 Report Eine Studie zum Gesellschaftsspiel somit ein geeig- Thema „generatio- netes Medium für die Soziale Ar- nenübergreifendes beit darstellt. Spielen von Gesell- Die untersuchten Ziel- schaftsspielen“ gruppen haben Erfah- Um dies genauer zu untersuchen, wurde im Herbst 2018 im Rahmen rung im Spielen der Bachelorarbeit „Gesellschafts- spiele als Medium der Sozialen Ar- Die gesamte Untersuchungsgrup- beit – wie Spielen Generationen pe bestand aus 68,11% weibli- verbindet“ eine quantitative Studie chen und 31,40% Teilnehmer*in- mittels strukturiertem Online-Fra- nen. Dieser hohe Anteil weiblicher gebogen durchgeführt, bei der Teilnehmer*innen lässt sich durch 1433 gesellschaftsspielende Perso- die Teil-Zielgruppe der befragten nen zwischen 16 und 85 Jahren zu Sozialtätigen erklären, da von den ihren Erfahrungen im Spiel befragt 501 befragten, im sozialen Bereich wurden (Fuchs P. 2018). Befragt Tätigen 447 Personen (89,22%) wurde dabei die Zielgruppe der ge- weiblich waren. Der überwiegende sellschaftsspielenden Menschen im Anteil der Befragten war zwischen Allgemeinen sowie die der gesell- 18 und 64 Jahre alt. Am Stärksten schaftsspielenden, im sozialen Be- vertreten war die Altersgruppe der reich tätigen Menschen im Spezi- 28- bis 49-Jährigen mit 923 der ellen. Obwohl sich die Arbeit damit Befragten (64,41%). beschäftigt, Gesellschaftsspiele als Da nur gesellschaftsspielende Medium der Sozialen Arbeit zu be- Menschen befragt wurden, war zu werten, wurden jedoch nicht nur erwarten, dass der überwiegen- Sozialpädagog*innen und Sozialar- de Teil mindestens 1x im Monat beiter*innen befragt, sondern alle (30,70%), 1x die Woche (40,61%) Berufsgruppen, die sich im sozia- oder fast täglich (18,35%) Gesell- len Bereich engagieren aufgrund schaftsspiele spielt. Auffällig ist, Bild: Michael Berndt / Gute Stube e.V. zu erwartender Überschneidungen, dass die Gruppe der sozialtätigen bzw. Berührungspunkten bei der Gesellschaftsspieler*innen doppelt Untersucht wurde zudem, wie häu- Klientel. Der Fragebogen wurde so häufig täglich spielt (29,14%) fig die Befragten mit anderen Ge- den Zielgruppen auf der Website wie die Gruppe der nicht im so- nerationen spielen und wie gerne. SoScisurvey zur Verfügung gestellt zialen Bereich Tätigen (12,55%). Während 60% angaben, oft bis und u.a. über Facebookgruppen für sehr oft mit anderen Altersgruppen Gesellschaftsspieler*innen sowie 95% der im sozialen Be- zu spielen, gab es nur bei 13% der Gruppen für Tätige aus sozialen reich tätigen Gesellschafts- Befragten keine Berührungspunk- Berufen verbreitet. Während bei spieler*innen spielt im te. Dies macht deutlich, dass der der Gesamt-Zielgruppe der Gesell- überwiegende Anteil der Befragten schaftsspieler*innen der Fokus auf beruflichen Kontext viele Berührungspunkte beim Spiel der Abfrage von allgemeinen Er- Auch der Rahmen, in dem gespielt mit anderen Generationen hat und fahrungen im Spielen von Gesell- wird, unterscheidet sich: Sozialtä- somit als Expert*innen betrachtet schaftsspielen mit verschiedenen tige spielen mehr im beruflichen werden kann. Generationen betrachtet wurde, Kontext (473 von 501 Befragten) Sozialtätige spielen Im sozialen Bereich Tätige gaben war bei der Zielgruppe der im so- als zu Hause (454 Personen). Ge- zudem an, meist mit Kindern bis 13 mehr im beruflichen zialen Bereich Tätigen gebündeltes sellschaftsspieler*innen, die nicht Jahren Gesellschaftsspiele zu spie- Expertenwissen zu erwarten, um im Sozialen Bereich tätig sind, Kontext als zu Hause. len. Die Gruppen der Jugendlichen, den Einsatz des Gesellschaftsspiels spielen meist zu Hause und kaum jungen Erwachsenen und Erwach- als Medium für die Soziale Arbeit im beruflichen Kontext (142 Perso- senen von 28 bis 48 Jahren waren bewerten zu können. nen). Hier kann vermutet werden, in etwa gleichwertig verteilt. Mit Ziel der Studie war es zu klären, dass Sozialtätige Gesellschafts- Erwachsenen zwischen 50 bis 64 inwiefern durch das generationen- spiele beruflich öfter einsetzen, Jahren, welche 81 Mal genannt übergreifende Spielen von Gesell- da diese mit und für Menschen ar- wurden und SeniorInnen ab 65 schaftsspielen der Austausch und beiten und Gesellschaftsspiele als Jahren, mit 97 Nennungen, wird am das Verständnis zwischen den Ge- Medium bereits bekannt und ak- seltensten gespielt. Am häufigsten nerationen gefördert wird und das zeptiert sind. wird somit im beruflichen Kontext
Praxis 49 Spielen Sie gerne aus eigenem Wunsch heraus Der in der Hypothese genannte mit anderen Generationen? ‚Austausch‘ findet sich in Kom- munikation (352x), gemeinsamem Lernen (347x), Erfahrungs- und Wissensaustausch (330x), Kennen- lernen (169x) und gegenseitigem Helfen (95x) wieder. Somit lässt sich ableiten, dass das Spielen auch den Austausch zwischen Generati- onen fördert. mit Kindern gespielt und seltener Vorteile betrachtet werden, soll an Ähnlich bewertet werden kann, mit Senior*innen. Inwiefern dies an dieser Stelle auf Verständnis, Aus- inwiefern das Spielen einer Ver- der Akzeptanz des Gesellschafts- tausch und Vereinsamung einge- einsamung Älterer entgegenwirkt. spiels unter SeniorInnen liegen gangen werden: 191 Personen ga- Laut 334 der Befragten entsteht könnte oder an dem Tätigkeitsbe- ben an, dass das Spielen zwischen durch das Spielen ein gemeinsames reich der Sozialtätigen, kann nicht verschiedenen Generationen das Erleben. 180 der Befragten konkre- gesagt werden. Verständnis füreinander fördert tisieren dies und meinen, dass ein Schließlich wurde gefragt, ob und es ermöglicht, Perspektiv- Gemeinschaftsgefühl entsteht und aus eigenem Wunsch heraus mit wechsel vorzunehmen. Aber auch man Gemeinsamkeiten entdeckt. anderen Generationen gespielt Zusammenhalt/Rücksichtnahme Auch, dass Spielen der Vereinsa- wird. Dabei waren sich 76,90% ei- (116 Nennungen) sowie Respekt/ mung entgegenwirkt, wurde immer nig, gerne bis sehr gerne mit ande- Wertschätzung/Toleranz (105 Nen- wieder explizit benannt. Diese Er- ren Generationen zu spielen. nungen) lassen sich im Bereich gebnisse, sowie die Nennung von ‚Verständnis‘ verorten. Somit lässt 127 der Befragten, dass das Spielen Das Spielen von Gesell- sich ableiten, dass das Verständnis Generationen verbindet, bestäti- schaftsspielen fördert zwischen den Generationen durch gen somit, dass Gesellschaftsspiele Verständnis und Austausch das gemeinsame Spiel gefördert deutlich dazu beitragen können, der werden kann. Vereinsamung entgegenzuwirken. zwischen den Generationen und kann der Vereinsamung älterer Menschen entge- genwirken Das Spielen mit anderen Generati- onen wurde von 70% der befragten Teilnehmer als vorteilhaft bewer- tet. Als Vorteile wurden unter an- derem genannt, dass das gemein- same Spiel zwischen Menschen verschiedenen Alters die Kommu- nikation und das Erleben gemein- samer Zeit fördert und Spaß macht. Aber auch das gemeinsame Lernen sowie der Austausch von Erfahrung und Wissen wurde als Vorteil des generationenübergreifenden Spie- lens genannt. Diese Frage war als offene Frage formuliert, um neue Erkenntnisse zuzulassen und Bereiche mit ein- beziehen zu können, die bei einer Vorab-Kategorisierung nicht be- dacht worden wären. Die Ergeb- nisse wurden in Kategorien zusam- mengefasst, Mehrfachnennungen waren möglich. Neben der Förderung kognitiver und sozialer Fähigkeiten, die als FORUM sozial 2/2020
50 Report Betrachtet man dies im Zuge des kann somit laut der Professionel- Generationenwandels, kann be- len durch den Einsatz von Gesell- hauptet werden, dass das Gesell- schaftsspielen dem Generationen- schaftsspiel einen bedeutenden, wandel gerecht werden und Gene- wenn nicht gar unterschätzten, rationenbeziehungen verbessern. Platz in unserer Gesellschaft ein- nimmt. Menschen von Jung bis Alt können durch das gemeinsame Geeignete Spiele für Spielen zueinander finden und sich den Einsatz als Medium austauschen. Dies zeigen auch die in der intergenerativen Antworten der nochmals konkret Sozialen Arbeit gestellten Frage, ob das Spielen von Bild: Michael Berndt / Gute Stube e.V. Gesellschaftsspielen zwischen ver- Doch welche Spiele sind geeignet, schiedenen Generationen dazu bei- um verschiedene Generationen an trägt, dass das Verständnis anderen tentiale, sondern auch auf die Le- Auffällig ist, dass einen Spieletisch zu bringen? Über Generationen gegenüber wächst. benswirklichkeit der SpielerInnen 700 Spiele wurden bei der freien der überwiegende Teil Dies wurde eindeutig bejaht, denn angemessen eingehen zu können Antwortmöglichkeit genannt. Alt- 84,36% gaben „ja sehr“ oder „ja (vgl. Melzer 2013, S. 34f) und so- der Spiele älter als bekannte Spiele wie Mensch ärge- etwas“ an. Nur 7,53 % meinten, mit die in der Studie genannten 20 Jahre ist. re Dich nicht, Uno, Monopoly und dass das Spielen „weniger“ oder Nachteile zu verringern. Je nach- Siedler stehen hoch im Kurs. Doch nicht zum Verständnis beiträgt. dem, in welchem Bereich man sich auch moderne Spiele wurden nicht bewegt, kann daher nicht einfach selten gelistet. Azul, Quixx, Dixit, Herausforderungen nur ein Spiel auf den Tisch gestellt Dog und Codenames landeten da- beim Spielen zwischen und losgespielt werden. Die vor- bei auf den ersten Plätzen unter herige Auseinandersetzung mit den Spielen, die nicht älter als 10 den Generationen dem Gesellschaftsspiel als Me- Jahre sind. Um Gesellschaftsspiele als Medi- dium scheint notwendig, um den um der Sozialen Arbeit bewerten Einsatz in der Sozialen Arbeit be- zu können, wurde auf mögliche gründen zu können und positive Nachteile beim Einsatz von Spie- Entwicklungen damit anzuregen – len zwischen Generationen einge- sei es durch Analysen (Melzer hat gangen. Benannt wurde dabei, dass dafür z. B. Tools entwickelt) oder unterschiedliche Interessen und die Zuhilfenahme von Ergebnissen Bedürfnisse in Einklang gebraucht auf Spieleplattformen im Internet. werden müssen, differierende Aus- dauer und Geduld bei Spieler*innen Sozialtätige sehen Gesell- bestehen können sowie dass die schaftsspiele als geeignetes Fähigkeiten der Spieler*innen zu- Medium der Sozialen Arbeit, sammenpassen müssen. um den Austausch und die Dies verdeutlicht, dass beim Ein- satz von Gesellschaftsspielen in Kommunikation zwischen der Sozialen Arbeit auch auf et- Generationen zu fördern waige Herausforderungen geach- tet werden sollte. Melzer schreibt Die Studie liefert weitere interes- von der Notwendigkeit, eine Vor- sante Ergebnisse für die Soziale Ar- auswahl der Spiele zu treffen, An- beit: Es wurden Personen befragt, regungen zu geben und während die beruflich oder ehrenamtlich im des Spiels Freude am Spiel und sozialen Bereich tätig sind. Ziel war Kreativität zu zeigen. Vor allem es, zu betrachten, inwiefern Gesell- aber muss der gemeinsame Nen- schaftsspiele innerhalb der Sozia- ner zwischen allen Spieler*innen len Arbeit als Medium ihren Platz im Spiel gefunden werden, damit finden können. Die Antwort der Auffällig ist, dass der überwiegen- keiner unter- oder überfordert ist. Befragten war eindeutig: 88% der de Teil der Spiele älter als 20 Jahre Hierfür scheint es nötig, eine breite Sozialtätigen gaben an, dass das ist. Nur drei der genannten Spiele Palette an verschiedensten Spielen Gesellschaftsspiel ein geeignetes, sind nicht älter als 10 Jahre alt. In zu kennen, um der Forderung Mel- wenn nicht gar ideales Medium ist, einer der vorhergehenden Fragen zers nachzukommen, beim Einsatz um den Kontakt zwischen Genera- wurde als Vorteil genannt, dass von Spielen nicht nur auf Lernpo- tionen zu fördern. Soziale Arbeit ältere Spieler*innen den Jüngeren
Praxis 51 klassische Spiele beibringen und nander verbunden werden, kann sam Spielespaß erleben, auch das die Jüngeren den Älteren moder- Azul als generationenverbindendes Material wird gründlich getestet. ne Spiele. Angesichts dessen, dass Spiel betrachtet werden. Denn Spiele können nur dann ge- es beim gemeinsamen Spiel dar- Ähnlich ist dies bei Qwixx der nerationenübergreifend eingesetzt um geht, sich in die jeweils ande- Fall. Das Würfelspiel ist schnell und werden, wenn Spielfiguren nicht re Generation hineinzuversetzen, einfach erklärt und dürfte vor al- ständig umfallen, Texte auf Karten wurden daher die für jüngere Spie- lem Bingo-Fans gefallen. Durch das gut zu lesen oder Farben zu unter- ler*innen bedeutsamen neueren moderne Spielprinzip mit der Redu- scheiden sind. Welche Spiele der Spiele (nicht älter als zehn Jahre) zierung aufs Wesentliche können gemeinnützige Verein ausgezeich- gesondert aufgelistet). Denn will altersgemischte Gruppen mitein- net hat, kann hier nachgelesen man Gesellschaftsspiele als Medi- ander spielen. werden: www.jungundaltspielt.de um der Sozialen Arbeit betrachten, Auch Dixit wird nicht ohne so scheint es notwendig den Be- Grund als generationentaugliches Fazit dürfnissen älterer, aber eben auch Spiel benannt. Dixit ist ein Rate- jüngerer Generationen gerecht zu spiel mit wundervoll illustrierten Die Ergebnisse zeigen, dass das werden. Karten, dass die Fantasie beflügelt. Spielen von Gesellschaftsspielen das Verständnis und den Austausch zwischen den Generationen fördert und der Vereinsamung älterer Men- schen entgegenwirken kann. Dass Sozialtätige Gesellschaftsspiele als geeignetes Medium der Sozialen Arbeit betrachten, konnte mit sta- tistischer Signifikanz in Bezug zur Zielgruppe bestätigt werden. Nicht außer Acht gelassen werden dürfen jedoch etwaige Hürden beim gene- rationengemischten Spiel. Diese wurden von den Spieler*innen klar benannt. Gerade unterschiedliche Interessen und Fähigkeiten wurden als Herausforderung gesehen und müssen daher beim Methoden- einsatz einbezogen werden. Das Gesellschaftsspiel ist somit kein Medium, das spontan und ohne Mit 80 Nennungen steht ‚Azul‘, ein Gerade aufgrund des hohen Kom- Spiel aus dem Jahr 2017 auf Platz munikationspotentials scheint es eins. Darauf folgen Qwixx mit 59 geeignet, um miteinander in Kon- und Dixit mit 49 Nennungen. takt zu treten. Azul ist ein Spiel vom Pegasus Qwixx sowie weitere von den Verlag, dass sich so großer Beliebt- Befragten genannten Spiele wurde heit erfreut, da es Spieler*innen übrigens mit dem Generationen- mit unterschiedlichen Ansprüchen spiel-Siegel ausgezeichnet. Dies ist an Spiele erreicht. Die Spielabläu- ein Qualitätssiegel, dass der Verein fe sind sehr familienfreundlich, „Spielecafé der Generationen – aufgrund der taktischen Elemen- Jung und Alt spielt e.V.“ an Spiele te werden aber auch Menschen vergibt, die ideal für das generati- begeistert, die gerne grübeln. Das onenübergreifende Spiel geeignet haptische Material ist zudem sehr sind. Dabei wird nicht nur darauf ansprechend und zieht Spieler*in- geachtet, dass die Spieler*innen nen schnell in den Bann. Gerade, da den Anforderungen gleicherma- neue und alte Spielelemente mitei- ßen gerecht werden sowie gemein- Bild: Jan Ehlers / Deutsche Fernsehlotterie FORUM sozial 2/2020
52 Report Vorbereitung im sozialen Bereich Literatur eingesetzt werden sollte, will man BMFSJ (2012): „Generationenbeziehungen – Heraus- Melzer M. (2013): „Entwicklung einer kompetenz- den Einsatz nicht der Beliebigkeit forderungen und Potenziale. Gutachten des Wissen- geleiteten Spielanalyse zur Auswahl und Bewer- überlassen. Es bedarf einer guten schaftlichen Beirats für Familienfragen beim Bundes- tung von Brettspielen“, Masterarbeit, vorgelegt für Vorbereitung sowie Begleitung der ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. die Prüfung zum Master of Arts, Fachbereich Sozi- Spielsituationen. Die Kunst liegt si- Kurzfassung“ https://bit.ly/378eXbD [22.05.2020] aleArbeit.Medien.Kultur der Hochschule Merseburg, cherlich in der passenden Auswahl Deutsches Spielearchiv Nürnberg & Bayerisches https://core.ac.uk /download/pdf/51448672.pdf [zuge- von Spielen, die verschiedenen Spiele-Archiv Haar e.V. (2018): „Bewerbung zur griffen: 22.05.2020] Altersstufen gleichzeitig gerecht Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis des Imma- planetlan GmbH (2018a): „Fakten „Stadt-Land- werden, um einen generationen- teriellen Kulturerbes. Nürnberg“, Haar Spielt!“, Event zur Förderung des Kulturguts Spiel“, Bo- übergreifenden Einsatz zu ermögli- Ehret S. (2016): „Echo der Generationen. Eine in- chum, https://bit.ly/2Ul2c8c [zugegriffen: 22.05.2020] chen. Hierbei sollte auf den gemein- tergenerationelle Studie“, Alterswissenschaft, Band 2, Berlin: LIT planetlan GmbH (2018b): „Ein weiteres „Stadt-Land- samen Nenner geachtet werden. Spiel!“ endet erfolgreich. Ganz Deutschland, Österreich Friedhelm Merz Verlag GmbH & Co KG. (2018): und erstmalig auch die Schweiz spielte, würfelte und Wenn die genannten Herausforde- „Essen - Schlussbericht der 36. Internationalen Spieltage SPIEL ‚18 mit COMIC ACTION“, Essen, knobelte nun zum sechsten Mal ein ganzes Wochen- rungen mit einbezogen werden, lie- https://www.spiel-messe.com/de/presse/ ende lang im Rahmen des Non-Profit Projektes“, Bo- gen die Vorteile des Gesellschafts- chum, http://stadt-land-spielt.de/de/presse.htm [zuge- pressemitteilungen/ [zugegriffen: 22.05.2020] spiels für die Soziale Arbeit klar auf griffen: 22.05.2020] der Hand. Das Gesellschaftsspiel Friedhelm Merz Verlag GmbH & Co KG. (2019): „Essen - Schlussbericht der 37. Internationalen Spielta- planetlan GmbH (2019): „Auch im „verflixten“ sieb- stellt einen Medieneinsatz dar, der ge SPIEL ‚19“, Essen, https://www.spiel-messe.com/de/ ten Jahr endeten die Tage des Gesellschaftsspiels im viele Klient*innen erreichen kann, presse/pressemitteilungen/ [zugegriffen: 22.05.2020] Rahmen von „Stadt-Land-Spielt!“ erfolgreich“, Bo- Fähigkeiten fördert und Generatio- chum, https://bit.ly/30uCL8n [zugegriffen: 22.05.2020] Fuchs P. (2018): „Spiele als Medium der Sozialen Ar- nen verbindet. beit – Wie Spielen Generationen verbindet. Eine the- Schädler U., Racine C. & Aminzadah S., (2007): Wie nun jeder Einzelne Gesell- oretisch empirische Betrachtung“, Bachelorarbeit, „Spiele der Menschheit. 5000 Jahre Kulturgeschich- schaftsspiele in seine praktische Hochschule Fulda te der Gesellschaftsspiele“, Veröffentlichungen des Arbeit einbinden kann, bedarf einer Glonnegger E. (1991-2000): „Klassische Gesell- Schweizerischen Spielmuseums, Wissenschaftliche Einzelfallbetrachtung und hängt Buchgesellschaft, Darmstadt schaftsspiele. Ursprung, Entwicklung, Geschichte“, In vom konkreten beruflichen Rah- Bauer G. G.: „Homo Ludens. Der spielende Mensch. Schiller F., (1793/94): „Über die ästhetische Erzie- men ab. Zudem kann von den Er- Internationale Beiträge des Institutes für Sozialfor- hung des Menschen. Prosa“ in: Schiller F.: „Friedrich gebnissen nicht darauf geschlossen schung und Spielpädagogik an der Hochschule „Mo- von Schillers sämtliche Werke 18“, Kapitel 16, Fünf- werden, dass auch der Großteil der zarteum“ Salzburg“, Band. 1, S. 25–28, Musikverlag zehnter Brief Klient*innen der Sozialen Arbeit Katzenbichler, München/Salzburg mit Gesellschaftsspielen zu er- Spieleverlage e.V. (2019): „Spieleumsatz weiter mit Günther W., M. (2018): „Familien lieben Brettspiele“, gutem Wachstum“, Nürnberg, reichen ist. Die Chance ist jedoch DVSI Deutscher Verband der Spielwarenindustrie e.V., ht tps://www.dv si.de/dv si-news/255 -f amilien- https://bit.ly/2YaQnmf [zugegriffen: 22.05.2020] hoch, wenn man sich auf die Stu- die der Stiftung und Ipsos stützt, lieben-brettspiele [zugegriffen: 22.05.2020] Splendid Research GmbH (2017): „Spieleland die besagen, dass ca. ein Drittel der Kobbert M. J. & Thole B. (2010): „Kulturgut Spiel“, Deutschland: Eine repräsentative Umfrage unter 1.024 Deutschen gerne spielt. Daedalus, Münster Deutschen zu Gesellschaftsspielen“, Hamburg n Marktforschung - Das Portal für Markt-, Medi- Stiftung für Zukunftsfragen (2018): „Freizeit-Mo- en- und Meinungsforschung (2015): „Freizeitver- nitor 2018“, British American Tobacco (Germany) Gm- halten: Klassische Brettspiele bleiben trotz Digitalisie- bH, Freizeitmonitor, http://www.freizeitmonitor.de/nc/ rung beliebt“, https://bit.ly/2zbe6Kv de/download/freizeitmonitor-2016/ [22.05.2020] Autorin Petra Fuchs, Sozialpädagogin B.A., zur Zeit im Master Studium Soziale Arbeit und Forschung an der HS Münster, an der sie auch als Lehrende tätig ist. Sie ist zudem Vorsitzende und Grün- derin des Vereins „Spielecafé der Ge- nerationen – Jung und Alt spielt e.V.“ in Pfarrkirchen. Der Verein betreibt eine generationenübergreifende Be- gegnungsstätte, bietet Senior*innen- und Jugendgruppen an und begleitet Spieleangebote in Schulen, Kitas, Pflegeheimen und mehr. Kontakt: Bild: Jan Ehlers / Deutsche Fernsehlotterie spielefuechsin.sozial@gmail.com
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