Design Thinking - Kreativität als Methode
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Kollaboration Design Thinking – Kreativität als Methode Gute Ideen sind kein Zufall. Als neue kreative Methode zur Innovationsentwicklung gilt Design Thinking. Dieser Ansatz wird erfolgreich von Agenturen wie IDEO und Frog Design betrieben und findet zunehmend an Universi- tätsinstituten wie den D-Schools in Stanford und Potsdam Verbreitung. Design Thinking setzt auf interdisziplinäre Teams, Visualisierung und klar umrissene Schritte zur Ideenfindung – und bleibt dabei ganz flexibel. Alexander Grots | Margarete Pratschke E ine aus Designaktivität heraus entwickelte und zugleich betriebswirtschaftlich rele- vante, zielgerichtete Methode für Innovations- toren wie unterschiedliche Stakeholder oder Umsetzungsfähigkeit in den Problemlösungs- prozess einbezogen werden. Damit stellt die („Feasibility“), damit „Technical Factors“, und der Wirtschaftlichkeit („Viability“), also „Busi- ness Factors“, ansiedelt (Weiss 2002) (siehe Ab- prozesse mag für viele wie ein Widerspruch Methode des sogenannten „Design Thinking“ bildung 1). klingen. Werden mit „Design“ doch allzu oft al- (Kelley 2001; Brown 2008; Wylant 2008), die lein Stichworte wie Intuition, Inspiration oder sich aus Designprozessen gewonnene Erkennt- Kreativität verbunden und werden landläufig nis für die Zwecke der Innovationsentwicklung Voraussetzungen für Design Thinking unter Design lediglich ästhetische Gesichts- zu nutze macht, einen exzellenten Ansatz dar, punkte verstanden. Aber Design bzw. Prozesse sowohl Produkte als auch Services zu entwi- Die Herausforderungen der heutigen Märkte der Formfindung waren schon immer mehr als ckeln, die am Menschen und dessen Bedürfnis- sind zu komplex, um von dem einen ein- nur das „Verschönern“ eines Produktes am En- sen orientiert, eben human-centered, sind. samen Erfinder, der einen Abteilung oder gar de einer Produktentwicklung um seiner Ver- Design Thinking bezieht seine Stärke und Effi- nur dem einen Unternehmen gemeistert zu marktung willen. Vielmehr werden in Design- zienz aber auch daraus, dass es Innovation in der werden. Das ist der Grund, warum kollabo- prozessen Probleme gelöst und durch kreative Schnittmenge aus den gleichberechtigten Ele- rative Ansätze wie Open Innovation, Open Techniken zielgerichtet Innovationen entwi- menten der Anziehungskraft („Desirability“), Source und auch Werkzeuge wie das Web 2.0 ckelt, bei denen betriebswirtschaftliche Fak- damit „Human Factors“, der Umsetzbarkeit so erfolgreich sind. 18 Marketing Review St. Gallen 2-2009
Design Thinking – Kreativität als Methode Abb. 1 Faktorenschnittmenge für Innovationslösungen im Design Thinking nen und eine gemeinsame Sprache zu finden, die sich jenseits der eigenen Fachsprache hungskra bewegt. zie ft An Um diese Offenheit im konkreten Arbei- ten, um Kommunikation und Kreativität des Teams zu fördern, ist die Gestalt der räum- lichen Umgebung für den Design Thinking- Prozess maßgeblich. Sowohl in der Ausbil- dung, wie etwa an den Universitäten in Stan- ford und Potsdam (www.stanford.edu/ group/dschool, www.hpi.uni-potsdam.de/d- school/) (siehe Abbildung 2), als auch in Un- chkeit ternehmen, wie z. B. in Procter & Gambles Um „Gym“ in West Chester, Ohio, zeichnet sich s ftli etzb die räumliche Umgebung durch eine ganz be- a ch ar ke stimmte Einrichtung aus: flexible Möbel, viel s rt it Wi Platz an den Wänden, das nötige Werkzeug Quelle: gravity und Material, um Rechercheeindrücke und neue Ideen zu visualisieren, sowie geeignete Rückzugsorte, in denen Ideen ihre erste Form Auch beim Design Thinking geht es um Die Menschen, die dieses Team bilden, gegeben werden kann. Kollaboration. Die unabdingbare Basis eines müssen dabei bestimmte Eigenschaften besit- jeden Design-Thinking-Prozesses bildet ein zen: das sogenannte T-Profil (Leonard-Bar- Team, das sich aus verschiedenen Diszipli- ton 1995). Dabei steht der vertikale Balken Der Prozess des Design Thinking nen, Abteilungen und Hierarchieebenen zu- für die Tiefe des fachspezifischen und ana sammensetzt und neben internen auch exter- lytischen Wissens, das der Einzelne aus seiner Bei aller kreativen Offenheit, die sich im De- ne Mitglieder umfassen kann. Durch die Disziplin mit in das Projekt bringt. Der hori- sign Thinking einstellen soll, stehen im Zen- Durchmischung der Disziplinen liegt die zontale Balken bezeichnet die weitere, ent- trum der Methode klar umrissene Schritte, Stärke solcher Teams nicht nur in der Verviel- scheidende Eigenschaft: die eigene Neugier, die idealtypisch aufeinander folgen (siehe Ab- fältigung der jeweiligen inhaltlichen und me- die Offenheit gegenüber anderen Disziplinen, bildung 3). thodischen Besonderheiten, sondern auch in anderen Menschen, gegenüber der Welt und den verschiedenen Blickwinkeln und Erfah- die Fähigkeit, das eigene Wissen mit dem der rungen, die jedes Mitglied einbringt. anderen zu vernetzen, es übertragen zu kön- 1. Verstehen Am Beginn des gesamten Innovationspro- Abb. 2 Design-Thinking-Umgebung zesses steht das Verstehen der Problemstel- lung und des damit verbundenen Problem- felds, das alle Bedingungen und Einflussfak- toren umfasst. Um dieses Feld durch Recherche in seiner Gänze zu erfassen, bildet die eingehende Planung der Rechercheaktivi- täten eine zentrale und zeitaufwändige Maß- nahme im gesamten Design-Thinking-Pro- zess. Denn das Ziel der Recherche-Phase, die sowohl den Schritt des „Verstehens“ wie den des darauf folgenden „Beobachtens“ umfasst, ist, das Team auf einen gemeinsamen „Exper- ten-Stand“ zu bringen. Vielfach besteht das Ergebnis der Recher- chephase darin, dass die Problemstellung selbst hinterfragt und verschoben oder fokus- siert werden muss und etwa eine tiefer liegen- de Frage zu adressieren ist. Umso wichtiger Quelle: School of Design Thinking, Hasso-Plattner-Institut Potsdam ist daher die Unvoreingenommenheit und Marketing Review St. Gallen 2-2009 19
Kollaboration Abb. 3 Prozess des Design Thinking mit Iterationsschleifen verbalen Verdichtung durch die individuellen Erzählungen des Erlebten auch eine visuelle Synthese bzw. implizite Deutung durch die Art der Anordnung der Informationen (Fotos und Notizen) an den Wänden. Dies wird im zweiten Schritt der Synthe- se ausgebaut, in dem es explizit darum geht, zusammenzufassen und Muster in den ge- sammelten Informationen zu entdecken und herauszuarbeiten, um Gemeinsamkeiten, Oberthemen oder Schlagwörter zu finden, Quelle: gravity die die Aussagen gruppieren und Abstrakti- onen zulassen. Offenheit gegenüber dem „Problem“ und die rekt neben dem Problemfokus, in dessen Hin- Das Werkzeug, um diese Filterung der In- eingehende Vorbereitung und Durchführung tergrund oder Umfeld zu finden. Gerade die- formationen zu ermöglichen, ist ein sogenann- der Recherche. ser weit ausgreifende, breite Blick hilft tes Framework. Es synthetisiert die erarbeitet- letztendlich, das wichtige Detail zu entdecken, en Informationen und gewonnenen Einsichten welches zur Lösung eines Problems beiträgt, und bringt sie in ein Relationsverhältnis, in- 2. Beobachten und somit die eigene Sicht zu schärfen. dem es sie übersichtlich und verständlich dar- Unerlässlich ist es, Entsprechend dem Human- bzw. User-Cen- die Erkenntnisse des tered-Design-Ansatz (Norman 1988) wird Verstehens und Beob- „Informationen und Inspirationen sind oft der wesentliche Teil der Recherche durch achtens zu „visualisie- direkt neben dem Problemfokus, in dessen qualitative Untersuchungen bei Menschen ren“. Die gesamte Re- Hintergrund oder Umfeld zu finden.“ durchgeführt. Bei ihnen muss es sich nicht cherchephase ist davon immer um aktuelle Kunden oder Konsu- geprägt, Material zu menten des Produktes oder Services han- sammeln, um die Informationen so gut wie stellt. Meist geschieht diese Zusammenschau deln, um die sich die Problemstellung dreht. möglich zu dokumentieren und allen Team- durch diagrammatische Übersichten wie bei- Vielmehr sind gerade Personen, die nicht im mitgliedern zugänglich zu machen: So entsteht spielsweise Mengen- oder Zwiebel-Diagram Fokus klassischer Marktforschung stehen, eine Masse sowohl an Bildmaterial, vor allem me, die Abhängigkeiten der einzelnen Elemen wertvolle Informationsgeber: Oftmals kön- Fotos, die bei den Beobachtungen der Men- te voneinander aufzeigen, oder sogenannte nen Menschen, die ein Produkt in einer ge- schen und ihres Umfeldes gemacht wurden, Journeys, die einzelne Schritte in einer Abfol- wissen Form extrem nutzen, indem sie es sowie Notizen und Skizzen, die den Inhalt der ge darstellen. Aber auch neue, der Aufgabe ent- entweder bewusst ablehnen oder es über den Gespräche festhalten. sprechendere visuelle Abstraktionsformen ursprünglich angedachten Zweck hinaus eines Frameworks können entstehen. nutzen, die größte Informations- und Inspi- Neben den synthetisierten Informationen, rationsquelle sein. 3. Synthese die im Framework auf übersichtliche Weise Das Beobachten besteht nicht ausschließlich aufgezeigt werden, drückt das Framework zu- darin, Menschen bei dem, was sie tun, zuzu- Bereits gegen Ende des Beobachtens beginnt gleich auch Spannungsverhältnisse innerhalb schauen. Vielmehr handelt es sich um eine die Synthese der gesammelten Informati- der erhobenen Daten und Erkenntnisse aus Kombination aus aufmerksamer Beobachtung onen. Hierfür werden die Daten und Eindrü- und zeigt somit mögliche Innovationsfelder und darauf aufbauenden Dialogen und Inter- cke, die Vielzahl an Einsichten und überra- auf. Dadurch übernimmt das Framework ne- aktionen (IDEO 2003). Dabei ist es bei allen schenden Ergebnissen mit dem Team geteilt. ben der Aufgabe des Werkzeugs auch die eines Beobachtungen entscheidend, die Aktivitäten In einem ersten Schritt werden alle Informa- Ergebnisses: Am Abschluss der Recherche bil- im Kontext, also vor Ort, durchzuführen und tionen visuell an die Wände des Projektraums det es in visuell verknappter Form das Ergeb- Menschen in ihrem jeweiligen Umfeld zu be- gebracht und den anderen Team-Mitgliedern nis ab, das alle bisher generierten Daten für die fragen. Denn die geforderte Empathie dafür, in narrativer Form („Storytelling“) vorgestellt folgenden Schritte aufbereitet und kommuni- was bestimmte Produkte oder Services für (siehe Abbildung 4). Dabei geht es weniger zierbar macht. Menschen bedeuten, kann nur aufgebracht um reine Berichte des Erlebten, sondern um werden, wenn man Menschen in ihrem Alltag die Verknüpfung mit dem gemeinsamen Ge- begleitet, quasi „mit ihnen mitläuft“. Dabei gilt samtbild des Teams, das sich im Dialog, durch 4. Ideengenerierung es, den Blick zu weiten und nicht allein auf das Fragen und erste Interpretationen, ergibt. Da- eigentliche Kernproblem zur richten. Informa- mit entstehen nicht nur ein gemeinsamer In der nun anschließenden Phase werden tionen und Inspirationen sind vielmehr oft di- Wissensstand des Teams, sondern neben der Ideen für die aus dem Framework hergeleite- 20 Marketing Review St. Gallen 2-2009
Design Thinking – Kreativität als Methode ten möglichen Felder für Innovationen gene- können „Prototypen“ viele verschiedene sie zu kommunizieren und damit mehr über riert. Die klassische Variante, um im Design- Formen annehmen: Vom sehr rudimen- die Idee selbst zu lernen? Thinking-Prozess Ideen zu erzeugen, ist das tären, aber deshalb ganz und gar nicht trivi- Entscheidend dabei ist, den jeweiligen Pro- Brainstorming. Dabei werden vor der Brain- alen „Storytelling“, über Papier- und Papp- totypen nicht nur als Mittel zur Validierung storming-Session konkrete Fragestellungen modelle, Rollenspiele bis hin zu voll funkti- von Ideen zu verstehen, sondern zuallererst aus den potenziellen Innovationsfeldern ab- onsfähigen Ausarbeitungen, die allerdings als weiteren Ideengeber. Eine rein wörtlich geleitet und formuliert. Diese Fragen schaffen erst nach mehrfachen Testphasen entstehen gefasste oder aufgeschriebene Idee vermag die Brücke zwischen den weit gefassten Feld- können. Die Prototypen dienen dazu, be- dies nicht im selben Maße zu leisten. Da- ern aus dem Framework und den möglichst stimmte Fragen zu beantworten, mithilfe de- durch, dass der Idee eine Form gegeben wird, konkreten Ideen, die im Brainstorming ent- rer das Team die Idee weiterentwickeln entstehen im entwerfenden Umgang mit die- stehen sollen. Dabei gilt als Faustregel, dass kann: Worauf muss sich die Idee konzentrie- ser konkreten Form neue, weitere Ideen und die Ideen, die entstehen, immer nur so gut ren, um diese am klarsten darzustellen? Sind Modifikationen der eigentlichen Idee. Mit je- sein können, wie die Fragen, die adressiert mehrere Ideen in einem Ideenkonzept ver- der weiteren Iteration eines Prototyps vergrö- werden. bunden und muss jede einzeln als Prototyp ßert sich somit dessen Aussagekraft. Eine Die besondere Stärke der Variante des dargestellt werden? Wie kann die Idee in ei- schnelle Abfolge dieser Prototypen hilft zu- Brainstormings im Design Thinking liegt ne angemessene Form gebracht werden, um dem dabei, früh zu erkennen, welche Pfade darin, dass auch hier insbesondere Wert auf Visualisierungen und bildliche Formgebung gelegt wird. Denn durch kleine Skizzen Abb. 4 Visualisierung in einem Design-Thinking-Projektraum drückt sich jede Idee nicht nur klarer aus, sondern kann sich in jeder Zeichnung oder Skizze ein gesamtes Ideenkonzept ausdrü- cken und kann auf einen Blick zusammenge- fasst werden. Darüber hinaus machen die Skizzen in der sehr schnellen Arbeitsweise des Brainstormings die Ergebnisse kommu- nizier- und abrufbar. Und erste Entschei- dungen darüber, welche Ideen in einem nächsten Schritt weiter bearbeitet werden, sind auf der Basis von knappen Visualisie- rungen besser und schneller zu treffen. Nach der Brainstorming-Session, die eine Masse an Ideen hervorgebracht haben sollte, werden die Ergebnisse strukturiert. Dafür werden die idealerweise auf Post-It-Notes festgehaltenen Ideen sortiert und gruppiert, um ähnliche Ideen oder Ideen, die aufeinan- der aufbauen, zusammenzufassen. Schließlich werden aus dieser gefilterten Übersicht die vielversprechendsten Ideen unter den Gesichtspunkten von Anzie- hungskraft, Umsetzbarkeit und Wirtschaft- lichkeit ausgewählt. Auch hier gilt jedoch vorrangig die Maxime der Human-Cen- teredness, womit bei der Design-Thinking- Methode der „Anziehungskraft“ ein hö- heres Gewicht als den übrigen Innovations- faktoren zukommt. 5. Prototyping Beim Design Thinking geht es um das schnelle und iterative Prototyping. Dabei Quelle: gravity Marketing Review St. Gallen 2-2009 21
Kollaboration nicht weiter zu verfolgen bzw. welche die er- soluten Ergebnisoffenheit und somit auch des „Design“ allein zu kurz greift und einige folgversprechenden sind. Die Idee selbst wird von einer Kultur der Fehler: Denn jeder Fehl- Möglichkeiten beschneidet, die für die Me- durch diese Iterationsschritte, die sich in der schlag ist, wenn er früh erkannt wird, ein Ge- thode von Nutzen sein könnten. Denn es sind gemeinsamen Formfindung des Teams aus- winn für das Fortschreiten des Innovations- weniger Prinzipien des „Design“-Thinking als drücken, immer weiter verfeinert und verbes- prozesses. Schließlich können hohe Entwick- grundsätzlich die des „Visual Thinking“, des sert. lungskosten gespart werden, wenn ein anschaulichen Denkens (Arnheim 1969), die falscher Weg früh erkannt wird. Die sehr le- sich durch den gesamten Prozess ziehen. bendige, da schnell durchgeführte, iterative Hierin drückt sich aus, dass sich im Sehvor- 6. Tests Art des Design-Thinking-Prozesses bringt al- gang selbst kognitive Prozesse abspielen und so auch konkreten finanziellen Nutzen mit charakteristisch in die visuelle Form, in jedes Mit dem Prototyping einhergehend erfolgen sich. Tests und Feedbackschleifen. Hierfür ist eine Ingesamt ist der Pro- konkrete Form, mag sie in ihrem Ausarbei- zess also davon gekenn- „Jeder Fehlschlag ist, wenn er früh erkannt tungsgrad noch so rudimentär sein, unerläss- zeichnet, dass die einzel- wird, ein Gewinn für das Fortschreiten des lich. In den Gesprächen mit Menschen über nen Prozess-Schritte we- Innovationsprozesses.“ etwas Konkretes fällt es den Befragten leich- niger idealtypisch strikt ter, dieses Konkrete weiter zu präzisieren aufeinanderfolgen, son- oder aber Alternativen und Varianten vorzu- dern auch ineinandergreifen können. Dabei Bild, einschreiben. Die Wahrnehmung ver- schlagen. Darüber hinaus macht die Reakti- entsteht immer wieder ein Wechselspiel aus fährt nicht passiv, sondern Sehen ist Denken – on der Befragten sehr deutlich, ob etwas nicht neutralem Beobachten und Interpretation und in jeder visuellen Form stecken nicht nur verfolgt werden sollte und warum. Schließ- des Gesehenen, Hypothesen und Experi- Wissen, sondern auch Problemlösungen. Und lich geht es im Sinne des Human-Centered- menten im Prototyping. dies macht Visualisierungsformen im Innovati Design auch bei diesen Tests oder Feedback- Obwohl dabei sicherlich schon vor dem ei- onsprozess des „Design Thinking“ so wertvoll. runden darum, das Wissen, die Erfahrung gentlichen Schritt der Ideengenerierung, et- Vom Erstellen von Fotografien in den Ob- und Intuition der Menschen mit aufzuneh- wa bei den Observationen, neue Ideen entste- servationen, dem spezifischen Anordnen des men, um neue Ideen entstehen zu lassen. hen können, ist es wichtig, sie vorerst unbe- gesamten visuellen Materials auf Tafeln oder wertet und neutral zu sammeln und Wänden zu Übersichtszwecken, dem dia- festzuhalten. Eine zu frühe Fixierung auf ei- grammatischen bildlichen Zusammenfassen Iteration und die Offenheit ne Idee setzt die Offenheit aufs Spiel, die die der Erkenntnisse in der Synthese bis zum vi- der Prozesslogik Teammitglieder benötigen, um den Prozess suellen Argumentieren durch Skizzen im voranzutreiben und möglichst viele Eindrü- Brainstorming oder der taktilen Forment- Das eigentlich Wertvolle am Design-Thin- cke zu sammeln, ehe die Synthese beginnt. All wicklung als Ideengeber beim Prototyping king-Prozess, das zugleich die besondere dies zu beherzigen, ist ein Weg, der Erfahrung (Tufte 1997; Pratschke 2008) – dies alles sind Herausforderung darstellt, ist, hin und wie- mit dem Prozess voraussetzt. Daher ist es un- nicht bloße „Illustrationen“, sondern Bild- der die Logik des sukzessiven Verlaufs von erlässlich, diesen Prozess zu trainieren, ehe formen, über die das Team erst in der Lage Projekten und seiner an Meilensteinen orien- sich ein intuitiver Umgang mit dem Design- ist, die einzelnen Vorstellungen in den Köp- tierten Prozess-Schritte fallen zu lassen. Denn Thinking-Prozess selbst einstellt. fen der Teammitglieder als gemeinsame Design Thinking gewinnt seine Wirkung wie Ideen zu artikulieren und fassbar zu machen. auch Effizienz durch den Prozess der Iterati- Es sind diese „Bilder“ bzw. visuellen Formen, on. Die Abfolge der Prozess-Schritte wird da- Anschauliches Denken die den Denkprozess des Teams und seine bei immer wieder durch Schleifen zu vorher- und Wissen in Bildern Innovationsfindungen vor allem zulassen. gehenden Phasen wiederholt. Damit zeigt sich hier nicht ein allein design- Spätestens beim Test der Prototypen wird Vielfach wird betont, dass Design Thinking spezifischer Wissensbildungsprozess (Cross klar, dass durch das Feedback potenzieller neben dem Rückgriff auf das Vorbild des De- 2006), sondern eine Kulturtechnik des Visu- Nutzer Überarbeitungen des Prototypen, so- signers auch vor allem auf „Common Sense“, ellen bzw. des Bildes, wie sie in Naturwissen- mit der Idee, geleistet werden müssen, viel- auf den Regeln des gesunden Menschenver- schaften und Technologie zum Tragen leicht sogar Grund für ein weiteres Brainstor- stands aufbaut (Kelley 2001; Brown 2008). kommt, um Wissen bildhaft entstehen zu las- ming gegeben wird oder erneute Recherche Dies hervorzuheben ist sicherlich richtig – sen bzw. überhaupt erst zu ermöglichen, wo notwendig ist – und somit Prozess-Schritte zu besonders im Bezug auf die sozialen Kompo- etwa die Masse der Daten, Zahlen oder wiederholen sind. Zum Prozess des Design nenten des kollaborativen Arbeitens und das Worte dies nicht mehr zulässt (Bredekamp/ Thinking gehört also eine Offenheit gegenü- am Menschen zentrierte Vorgehen. Werner/Bruhn 2002ff.; Boehm 2007). Bild- ber der Abfolge der Schritte und gegenüber Jedoch tritt eine weitere viel breitere Rele- liche Erkenntnis und anschauliches Denken der Möglichkeit, mit Prototypen scheitern zu vanz des zugrunde liegenden Prinzips des ge- bergen dabei immer eine Eigendynamik des können. Design Thinking lebt von einer ab- samten Prozesses hervor, der mit dem Begriff Bildhaften, die es gilt, für Innovationspro- 22 Marketing Review St. Gallen 2-2009
Design Thinking – Kreativität als Methode zesse möglicherweise erst ernsthaft in den Bredekamp, H./ Werner, G./ Bruhn, M. (Hrsg.) and Quantities, Evidence and Narrative, Fokus zu nehmen. Die bildwissenschaftliche (2002): Bildwelten des Wissens. Kunsthisto- Cheshire. risches Jahrbuch für Bildkritik, Berlin. Weiss, L. (2002): Developing Tangible Interfaces, Untersuchung der visuellen Strategien in Na- Boehm, G. (2007): Wie Bilder Sinn erzeugen, Berlin. in: Design Management Journal, 13, 1, S. 33-38. turwissenschaft und Technologie (Bruhn/ Brown, T. (2008): Design Thinking, in: Harvard Wylant, B. (2008): Design Thinking and the Expe- Dünkel 2008; Bredekamp/Dünkel/Schneider Business Review, Juni, S. 84-92. rience of Innovation, in: Design Issues, 24, 2, Bruhn, M./ Dünkel, V. (2008): The Image as Cul- S. 3-14. 2008) geht dabei weit über die bisherigen tural Technology, in: Elkins, J. (Hrsg.): Visual Erkenntnisse aus dem Bereich des „Design Literacy, New York, S. 165-178. Research“ (Bayazit 2004; Michel 2007) hin- Cross, N. (2006): Designerly Ways of Knowing, aus und bildet ein reiches Reservoir an For- London. Autoren IDEO (2003): IDEO Method Cards: 51 Ways to schungsergebnissen, die die Methode des Inspire Design, Palo Alto. Design Thinking zur Methode anschaulichen Kelley, T. (2001): The Art of Innovation. Lessons Alexander Grots Denkens schlechthin werden lassen könnte – in Creativity from IDEO, America’s Leading Gründer und Geschäftsführer der Innova- und Innovationsfindung über diesen Weg Design Firm, New York. tionsagentur gravity, ehemaliger Geschäfts- Leonard-Barton, D. (1995): Wellsprings of Know- führer IDEO Deutschland noch effektiver gestalten könnte. ledge: Building and Sustaining the Sources of E-Mail: alex.grots@gravity-europe.com Innovation, Boston. Michel, R. (Hrsg.) (2007): Design Research Now. Essays and Selected Projects, London. Margarete Pratschke, M.A. Literatur Norman, D. (1988): The Design of Everyday Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Helm- Arnheim, R. (1969): Visual Thinking, Berkeley et al. Things, New York. holtz-Zentrum für Kulturtechnik der Hum- Bayazit, N. (2004): Investigating Design: A Re- Pratschke, M. (2008): Bild-Anordnung, in: Brede- boldt-Universität zu Berlin sowie Mitglied view of Forty Years of Design Research, in: kamp, H./ Dünkel, V./ Schneider, B. (Hrsg.): des Teaching-Teams der School of Design Design Issues, Bd. 20, Nr. 1, S. 16-29. Das Technische Bild. Kompendium zu einer Thinking des Hasso-Plattner-Instituts an Bredekamp, H./ Dünkel, V./ Schneider, B. (Hrsg.) Stilgeschichte technischer Bilder, Berlin, der Universität Potsdam (2008): Das Technische Bild. Kompendium zu S. 116-119. E-Mail: margarete.pratschke@hu-berlin.de einer Stilgeschichte technischer Bilder, Berlin. Tufte, E. R. (1997): Visual Explanations: Images RFOLGSVORAUSSETZUNGENDESNEUEN NLINE ANDELSMITESTRACTICES >]jjalÜ?]af]eYff ;]jÜf]m]ÜFfdaf]¥?Yf\]d
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