VERGESELLSCHAFTUNG SENKT DIE MIETE - Kurzstudie zu den sozialen Effekten einer möglichen Vergesellschaftung von Wohnungen in Berlin

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VERGESELLSCHAFTUNG SENKT DIE MIETE - Kurzstudie zu den sozialen Effekten einer möglichen Vergesellschaftung von Wohnungen in Berlin
Matthias Bernt und Andrej Holm

VERGESELLSCHAFTUNG
SENKT DIE MIETE
Kurzstudie zu den sozialen Effekten einer möglichen
Vergesellschaftung von Wohnungen in Berlin
VERGESELLSCHAFTUNG SENKT DIE MIETE - Kurzstudie zu den sozialen Effekten einer möglichen Vergesellschaftung von Wohnungen in Berlin
MATTHIAS BERNT arbeitet als Seniorwissenschaftler und als kommissarischer Leiter des
Forschungsschwerpunkts «Politik und Planung» am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS)
in Erkner sowie als Privatdozent am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin.
Sein besonderes Forschungsinteresse gilt der politischen Steuerung von Stadtentwicklungsprozessen.

ANDREJ HOLM ist Sozialwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine Forschungs­
schwerpunkte sind Gentrification und Wohnungspolitik. Er engagiert sich darüber hinaus in Berlin für
das Recht auf Wohnen und ist in zahlreichen stadtpolitischen Initiativen aktiv.

Die Autoren bedanken sich bei VALENTIN REGNAULT für die Erstellung der Karten.

IMPRESSUM
ONLINE-Studie 1/2023, korrigierte Fassung
wird herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung
V. i. S. d. P.: Alrun Kaune-Nüßlein
Straße der Pariser Kommune 8A · 10243 Berlin · www.rosalux.de
ISSN 2749-3156 · Redaktionsschluss: Dezember 2022
Redaktion: Armin Kuhn
Lektorat: Text-Arbeit, Berlin
Layout/Satz: MediaService GmbH Druck und Kommunikation

Diese Publikation ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Sie wird kostenlos abgegeben und darf nicht zu Wahlkampfzwecken verwendet werden.
VERGESELLSCHAFTUNG SENKT DIE MIETE - Kurzstudie zu den sozialen Effekten einer möglichen Vergesellschaftung von Wohnungen in Berlin
INHALT
Vorwort                                                  4

Zusammenfassung                                          5

Einleitung                                               5

1 Wohnungskonzerne in Berlin: Bestand und Mieten          7
Geschäftsmodelle der Finanzia­lisierung                   7
Umfang der Bestände in Berlin                             8
Vermietungs- und Bewirtschaftungsstrategien               8

2 Vergesellschaftung senkt Mieten                        11

3 Vergesellschaftung hilft Wohnungssuchenden             13

4 Vergesellschaftung arbeitet der Segregation entgegen   14

5 Fazit                                                  18

Literatur                                                19

Anhang 1                                                 21
Quellen und Methoden                                     21

Anhang 2                                                 22
Daten                                                    22
VORWORT
Die Forderung, die Wohnungen privater Großver-             Wohnungsgesellschaften bewirtschaftet würden –
mieter zu vergesellschaften, hat die Fantasie einer        bei besserer Instandhaltung und mehr günstigen
ganzen Stadt beflügelt. Nicht zuletzt die Aussicht,        Wohnungsangeboten für Menschen mit wenig Ein-
finanzmarktorientierte Spekulanten aus der Stadt           kommen. Außerdem würde eine Vergesellschaftung
zu drängen, hat diese Begeisterung entfacht. Noch          Wohnungen vor allem in den Stadtteilen zurückge-
wichtiger war allerdings die damit verbundene Hoff-        winnen, die besonders von Gentrifizierung gezeich-
nung, sich endlich wieder eine Wohnung oder einen          net oder bedroht sind. Genau das wäre auf andere
Umzug in Berlin leisten zu können, weil Vergesell-         Weise, etwa durch Neubau, gar nicht zu erreichen.
schaftung für niedrigere Mieten in der Stadt sorgt.        Nachdem die vom Berliner Senat eingesetzte «Exper-
Doch kann eine Vergesellschaftung dieses Verspre-          tenkommission» kürzlich einen Zwischenbericht zu
chen halten?                                               ihren Beratungen vorgelegt hat, geht die Diskussion
Vergesellschaftungsgegner*innen widersprechen              um die Umsetzung des Volksentscheids «Deutsche
dem heftig: Die Mieten seien bei Konzernen wie Deut-       Wohnen & Co. enteignen» auf die Zielgerade. Mehr
sche Wohnen oder Vonovia noch vergleichsweise              als eine Million Berliner*innen hat dafür gestimmt.
niedrig. Sie weiter zu senken, würde Investitionen in      Die Kommission hat die Vergesellschaftung, von eini-
bestehende oder neue Wohnungen verhindern. Das             gen juristischen Detailfragen abgesehen, für grund-
sei letztlich wohnungswirtschaftlich verantwortungs-       sätzlich möglich erklärt. Jetzt ist die Politik am Zug.
los. Diese Haltung ist auch in der Politik weit verbrei-   In einer oft ideologisch und hochemotional geführten
tet. So stellt nicht nur Bausenator Andreas Geisel         Debatte zeigt die vorliegende Studie faktenreich und
(SPD) immer wieder die wohnungspolitische «Sinn-           überzeugend: Eine Vergesellschaftung kann vielleicht
haftigkeit» einer Vergesellschaftung infrage.              nicht alle wohnungspolitischen Probleme der Stadt
Die vorliegende Studie liefert eine klare Antwort: Eine    lösen, aber sie kann die soziale Wohnungsversorgung
Vergesellschaftung kann die Mieten senken, ohne            erheblich verbessern – weit mehr, als es andere Mittel
wohnungswirtschaftlich ins Risiko zu gehen. Für über       vermögen.
200.000 Haushalte bei den sechs größten privaten
Wohnungsunternehmen der Stadt könnten die Mie-             Berlin, im Dezember 2022
ten um durchschnittlich 16 Prozent sinken, wenn die        Armin Kuhn, Referent für Wohnungs- und Mietenpo-
Wohnungen nach dem Vorbild der landeseigenen               litik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung

4
ZUSAMMENFASSUNG
In Berlin hat sich eine Mehrheit der Wähler*innen         –	Eine Vergesellschaftung von Wohnungen würde
dafür ausgesprochen, die Bestände großer Woh-                es ermöglichen, mehr Wohnungssuchenden mit
nungskonzerne, die in der Stadt mehr als 3.000               geringen oder mittleren Einkommen, die über
Wohnungen besitzen, zu vergesellschaften. Von                einen Wohnberechtigungsschein (WBS) verfügen,
Geg­ner*in­nen des Vorhabens wird neben rechtli-             eine bezahlbare Wohnung anbieten zu können. Der
cher Zulässigkeit und finanzieller Tragbarkeit auch          Effekt wäre dabei deutlich größer als im angestreb-
die «Sinnhaftigkeit» einer Vergesellschaftung infrage        ten (aber bisher nur mit Abstrichen realisierten)
gestellt. Es wird behauptet, dass die Vergesellschaf-        Neubau von geförderten Wohnungen (sozialer Ver-
tung keinen positiven Effekt auf die «Entspannung»           sorgungseffekt).
des Wohnungsmarkts, also die Verfügbarkeit bezahl-        –	Eine Vergesellschaftung von Wohnungen kann der
barer Wohnungen, habe.                                       sozialräumlichen Spaltung der Stadt entgegen-
Die vorliegende Studie widerlegt diese Behauptung.           wirken. Durch die Vergesellschaftung würde das
Sie zeigt:                                                   Angebot an bezahlbaren Wohnungen auch dort
–	Die Vergesellschaftung von Wohnungen könnte für           ausgeweitet werden, wo sie am meisten gebraucht
   mehr als 200.000 Berliner Haushalte mit einer Miet-       werden. Dadurch würden Gentrifizierungsprozesse
   minderung von im Durchschnitt monatlich 45 bis            verlangsamt und würde sozialräumlichen Spal-
   160 Euro (Absenkung um ca. 16 Prozent) einherge-          tungstendenzen entgegenwirkt (räumlicher Inte­
   hen. Alternativ könnten die Mieten eingefroren und        gra­tionseffekt).
   könnte so der Mietanstieg auf längere Frist deutlich
   abgebremst werden (Miethöheneffekt).

EINLEITUNG
Am 26. September 2021 sprachen sich die Berliner          ist und tatsächlich zu einer Entspannung des Woh-
Wähler*innen mit 59,1 Prozent der gültigen Stim-          nungsmarktes beitragen kann.
men für die Vergesellschaftung großer Wohnungs-           Wie groß diese Vorteile sind, hängt von der Ausge-
konzerne aus. «Möglichkeiten und Wege» einer Ver-         staltung der Vergesellschaftung ab: zu welchem Preis
gesellschaftung werden aktuell in einer vom Senat         entschädigt wird, wie die Wohnungen nach der Ver-
von Berlin eingesetzten Expert*innenkommission            gesellschaftung verwaltet werden, zu welchen Bedin-
diskutiert. Dabei hat sich die Debatte stark in Rich-     gungen sie vergeben und welche Mieten für sie ver-
tung rechtliche Machbarkeit und Kostenschätzung           langt werden. All diese Fragen sind bisher noch offen.
bewegt. Gleichzeitig wird von Gegner*innen der Ver-       Viele Varianten sind hier denkbar und letztlich sind all
gesellschaftung weiterhin bestritten, dass diese die      diese Festlegungen von politischen Entscheidungen
soziale Wohnraumversorgung in der Stadt verbessern        abhängig. Wir gehen aber davon aus, dass eine Ver-
könnte. So hat sich Bausenator Andreas Geisel (SPD)       gesellschaftung nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie
in der rbb-Abendschau vom 15. Dezember 2022 klar          eine dem Ziel entsprechende gemeinwirtschaftliche
gegen das Vorhaben positioniert. Die «Frage der           Bewirtschaftung der übernommenen Wohnungen
Sinnhaftigkeit» stelle sich nach wie vor, denn das für    einschließt. Die Bedingungen, zu denen die Berliner
die Entschädigung der zu vergesellschafteten Woh-         landeseigenen Wohnungsunternehmen vermieten,
nungskonzerne aufzubringende Geld «würde nicht            stellen dabei gewissermaßen eine Mindestschwelle
mehr für Neubau, klimagerechte Sanierung oder             dar, unterhalb derer der Griff zum Mittel einer Verge-
Mietenstabilisierung« zur Verfügung stehen. Darü-         sellschaftung nur schwer zu begründen wäre. Die lan-
ber hinaus sei auch «die Frage, ob es tatsächlich zur     deseigenen Unternehmen sind daher in dieser Studie
Entspannung des Wohnungsmarktes beiträgt, […]             die Vergleichsgröße, an der die möglichen Effekte
offen».                                                   einer Vergesellschaftung großer profitorientierter
Die vorliegende Kurzstudie erörtert vor diesem Hin-       Wohnungskonzerne gemessen werden.
tergrund die sozialen Effekte einer möglichen Verge-      Im Detail sind unterschiedliche Übergangsmodelle
sellschaftung großer Wohnungskonzerne in Berlin.          denkbar, die in dieser Kurzstudie mit Blick auf die
Sie zeigt, dass eine Vergesellschaftung für Berliner      Miethöhenentwicklung in zwei grundlegenden Vari-
Mieter*innen und Wohnungssuchende von Vorteil             anten vorgestellt werden. Wir bezeichnen diese Vari-

                                                                                                                5
anten als Mietsenkungs- und Mietenstoppmodell.                        schaftung zu den Bedingungen, zu denen die lan-
Gemeinsam ist beiden Modellen eine Bewirtschaf-                       deseigenen Wohnungsunternehmen ihre Bestände
tung nach den Vorgaben, die derzeit auch für die lan-                 verwalten, würde also die Miete senken, die Wohnsi-
deseigenen Wohnungsunternehmen gelten. Falls die                      tuation verbessern und mehr bezahlbare Wohnungen
Vergesellschaftung zu anderen Organisationsformen                     dort verfügbar machen, wo sie am meisten gebraucht
führt, wie sie etwa die Initiative «Deutsche Wohnen                   werden.
& Co enteignen» vorschlägt, müsste die Berechnung                     Diese Vorteile einer Vergesellschaftung beleuchten
entsprechend angepasst werden.                                        wir in der vorliegenden Studie mit Bezug auf drei
Ausgehend von den derzeitigen Regeln, denen die                       Punkte im Detail:
landeseigenen Wohnungsunternehmen folgen, las-                        1.	Wir analysieren den Mieteneffekt einer Vergesell-
sen sich die Vorteile einer Vergesellschaftung für die                   schaftung und zeigen, dass die Miete für mehr als
Berliner Mieter*innen recht genau beziffern. Denn                        200.000 Haushalte signifikant gesenkt werden
die Vermietungs- und Bewirtschaftungspraxis der                          könnte.
landeseigenen Wohnungsunternehmen wird seit                           2.	Wir untersuchen soziale Versorgungseffekte der
geraumer Zeit durch die Kooperationsvereinbarung                         Vergesellschaftung und zeigen, dass mehr Woh-
«Leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale                            nungssuchende, die mit einem Wohnberechti-
Wohnraumversorgung» mit dem Land Berlin gesteu-                          gungsschein (WBS) Anspruch auf eine Sozial-
ert, die detaillierte Vorgaben über Miethöhen, Woh-                      wohnung haben, auch tatsächlich eine bezahlbare
nungsvergabe, Neubau und Mieterbeteiligung bein-                         Wohnung erhalten könnten.
haltet.1 Darüber hinaus liegen in Form der von der                    3.	Wir beleuchten die Konsequenzen einer Vergesell-
«Wohnraumversorgung Berlin» erarbeiteten Berichte                        schaftung für die soziale Segregation und zeigen,
sehr genaue Darstellungen der Vermietungs- und                           dass eine Enteignung großer Wohnungskonzerne
Bewirtschaftungspolitik der landeseigenen Woh-                           der sozialräumlichen Spaltung der Stadt entgegen-
nungsunternehmen vor. Dabei wird deutlich, dass die                      wirken könnte.
landeseigenen Wohnungsunternehmen durch Zufüh-                        Insgesamt könnte eine Vergesellschaftung also die
rungen von Grundstücken und die Bereitstellung von                    Umsetzung des in der Verfassung von Berlin fest-
zweckgebundenen Fördermitteln vom Land Berlin                         gehaltenen Auftrags an die öffentliche Hand, «die
unterstützt werden, um durch Neubau, Aufkauf und                      Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohn-
energetische Sanierung zu einer Entspannung auf                       raum, insbesondere für Menschen mit geringem Ein-
dem Berliner Wohnungsmarkt beizutragen. Gleich-                       kommen» (§28[1], Verfassung von Berlin) zu fördern,
zeitig erwirtschaften die Unternehmen seit Jahren                     durchaus erleichtern. Eine Vergesellschaftung macht
kontinuierlich Gewinne im dreistelligen Millionenbe-                  also Sinn.
reich. Die in der Kooperationsvereinbarung festgeleg-                 Um diese Einschätzung zu unterlegen, gehen wir wie
ten Miethöhen ermöglichen also eine solide Bewirt-                    folgt vor: Im ersten Abschnitt werfen wir einen Blick
schaftung des Wohnungsbestands.                                       auf die in Berlin tätigen großen Wohnungsunterneh-
Vergleicht man auf dieser Grundlage die Praxis der                    men und auf ihre Vermietungs- und Bewirtschaf-
landeseigenen Wohnungsunternehmen mit der Ver-                        tungsstrategien. Im zweiten Kapitel berechnen wir
mietungs- und Bewirtschaftungstätigkeit der gro-                      den Mieteneffekt einer Vergesellschaftung sowohl für
ßen profitorientierten Wohnungsunternehmen mit                        Bestandsmieter*innen als auch für Neumieter*innen
mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin, die von einer                     und Wohnungssuchende. Darauf aufbauend beleuch-
Vergesellschaftung betroffen wären, sind große                        ten wir die Mengeneffekte, die eine Vergesellschaf-
Unterschiede unübersehbar. Die Wohnungskon-                           tung für die Versorgung von Haushalten mit Wohn-
zerne vermieten teurer, sie geben weniger Geld für                    berechtigungsschein hätte. Wir schließen mit einer
die Instandhaltung aus und sie haben mehr Woh-                        Betrachtung der sozialräumlichen Implikationen einer
nungsbestände in hochpreisigen Lagen. Eine Bewirt-                    Vergesellschaftung sowie mit einem kurzen Fazit.

1   Siehe www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/wohnraum/wohnungsbaugesellschaften/de/kooperationsvereinbarung.shtml.

6
1 WOHNUNGSKONZERNE IN BERLIN: BESTAND UND MIETEN
GESCHÄFTSMODELLE                                           Im Ergebnis dieser spekulativen Bewertungspraxis
DER FINANZIA­LISIERUNG                                     wird die Preisentwicklung auf dem Immobilien-
                                                           markt insgesamt nach oben getrieben.
In den letzten zwei Jahrzehnten sind finanzmarktori-    – Effizienzsteigerungen: Durch Standardisierung,
entierte und zum Teil international agierende Unter-       Automatisierung und Digitalisierung versuchen die
nehmen zu wichtigen Playern auf den städtischen            Unternehmen Kosten zu reduzieren. In der Regel
Wohnungsmärkten geworden. Möglich gemacht                  geht das zulasten des Service. Börsennotierte Woh-
durch Verkäufe von kommunalen, genossenschaft-             nungsunternehmen sind so häufig wegen unterlas-
lichen und Werkswohnungen haben börsennotierte             sener Reparaturen, mangelnder Erreichbarkeit und
Unternehmen in den letzten zwei Jahrzehnten auch in        fehlerhafter Abrechnungen in die Presse gekom-
fast allen größeren Städten Deutschlands umfangrei-        men.
che Wohnungsbestände aufgekauft und sind zu einer       – I nsourcing: Einige Unternehmen haben woh-
strukturbestimmenden Größe geworden.                       nungsbezogene Dienstleistungen in ihre Konzerne
In den frühen 2000er-Jahren waren die Geschäftsmo-         hinein verlagert und lassen diese vermehrt von
delle von Private-Equity-Firmen, Real Estate Invest­       eigenen Tochtergesellschaften ausführen. Das
ment Trusts (REITs) und Immobilienfonds dabei              geht einerseits mit Lohndumping einher, wenn die
häufig noch durch «opportunistische» (günstige             Unternehmen sich nicht an branchenübliche Tarif-
Gelegenheiten nutzende) Strategien gekennzeich-            verträge halten, andererseits werden hierdurch
net. Charakteristisch waren damals schnelle Weiter-        hohe Zusatzgewinne möglich gemacht (vgl. Unger
verkäufe, Outsourcing, mangelhafte Instandhaltung          2018).
und eine auf Niedrigeinkommen und Transferleis-         – M odernisierung: Die Unternehmen betreiben
tungsempfänger*innen zielende Mietgestaltung.              Modernisierung als ein Investment, das gleichzei-
Dieses Geschäftsmodell hat sich mit dem Einstieg           tig den Bilanzwert des Wohnungsportfolios erhöht
börsennotierter Unternehmen sukzessive geändert.           und die Mieteinnahmen steigert. Dabei legen die
Im Mittelpunkt stehen heute eine Wertsteigerung            Unternehmen den Schwerpunkt auf Maßnahmen,
des erworbenen Immobilienportfolios, die hohe Divi-        deren Kosten über Modernisierungsumlagen auf
dendenzahlungen für die Aktieninhaber der Unter-           die Mieter*innen abgewälzt werden können, wäh-
nehmen möglich macht. Wissenschaftler*innen                rend die Ausgaben für Instandsetzung und Instand-
sprechen deshalb heute auch von einer «Finanzialisie-      haltung niedriggehalten werden.
rung 2.0» des Wohnungswesens (Wijburg et al. 2018;      – M aximale Ausschöpfung von Mieterhöhungs­
Gabor/Kohl 2022).                                          spielräumen: Um ihren Bilanzwert zu steigern,
Typisch sind dabei folgende Praktiken, die allerdings      nutzen die Unternehmen Spielräume zur Mieter-
in sehr unterschiedlichen «Mischverhältnissen» von         höhung maximal aus. Neben modernisierungsbe-
den einzelnen Unternehmen angewandt werden:                dingten Mieterhöhungen werden vor allem bei Neu-
– B ewertungsgewinne: Durch eine bilanzielle              vermietungen und Mieterhöhungen im Bestand
   Höherbewertung der Wohnungsbestände in den              regelmäßig Mietpreise mindestens am oberen
   jährlichen Geschäftsberichten wird der potenzielle      Rand des legal Möglichen verlangt. Im Geschäfts-
   Marktwert der Unternehmen erhöht. Gleichzeitig          bericht eines Unternehmens wird diese Praxis als
   werden damit auch erhöhte Sicherheiten für die          «Geschäftsmodell (der) Wertschöpfung durch Mie-
   Aufnahme von Fremdkapital geschaffen. Das wei-          terhöhungen» bezeichnet (Adler Group 2022: 92).
   tere Wachstum des Unternehmens wird dadurch          Zusammenfassend kann man feststellen, dass die
   im Wesentlichen aus sich selbst finanziert, indem    finanzorientierten Wohnungsunternehmen zwar im
   die bilanzbezogenen Wertsteigerungen als Sicher-     Detail unterschiedliche Geschäftsmodelle verfolgen –
   heit für neue Kredite anerkannt werden. Ein Bei-     alle Modelle gehen aber zulasten der Mieter*innen.
   spiel hierfür ist das Unternehmen Vonovia, bei dem   Ausgerichtet ist die Geschäftstätigkeit vor allem an
   die bilanzierten Werte des Immobilienbestands        den Renditeerwartungen der Finanzmärkte und den
   seit Börsengang 2013 bis 2021 um das 9,5-Fache       Interessen von Aktienbesitzer*innen, nicht an der
   gestiegen sind, obwohl der Wohnungsbestand nur       langfristigen Bestandsbewirtschaftung und an dem
   um das 3,5-Fache wuchs (vgl. Zimmermann 2022).       Ziel preiswerter Mieten.

                                                                                                           7
UMFANG DER BESTÄNDE IN BERLIN                                 über deren genauen Umfang nur wenig bekannt ist.
                                                              Trautvetter und Bonczyk (2019) schätzen den Umfang
Der Umfang der von institutionellen Investoren in             der zu vergesellschaftenden Bestände bei einer Ein-
Berlin verwalteten Bestände ist beträchtlich – seine          beziehung dieser Unternehmen auf rund 250.000
genaue Größe ist bislang aber unbekannt. Die ver-             Wohnungen. Angesichts dieser Größenordnungen
fügbaren Daten zu den Eigentümerstrukturen des                wird deutlich, dass große private gewinnorientierte
Berliner Wohnungsmarkts sind unzureichend und die             Wohnungsunternehmen auf dem Berliner Woh-
Berliner Landesregierung hat selbst der von ihr ein-          nungsmarkt inzwischen ein Gewicht haben, das mit
gesetzten Expert*innenkommission bislang keinen               demjenigen der landeseigenen Wohnungsunterneh-
Zugang zu Grundbuchdaten gewährt. Die Diskussion              men durchaus vergleichbar ist. Gleichzeitig waren
über die Vergesellschaftung großer Wohnungsunter-             in den letzten Jahren Konzentrationsprozesse zu
nehmen basiert daher bislang auf Schätzdaten.                 beobachten, bei denen Unternehmen fusionieren,
Die detaillierteste Untersuchung zum Umfang der               Bestände weiterverkaufen oder in spezialisierte Sub-
von einer Vergesellschaftung betroffenen Bestände             unternehmen verlagern. Das finanzorientierte Markt-
wurde bislang von Christoph Trautvetter (2020) vor-           segment ist in steter Bewegung.
gelegt. Sie zeigt, dass von den etwa zwei Millionen           In dieser Kurzstudie beschränken wir uns auf die
Wohnungen in Berlin mindestens 330.000 Wohnun-                Untersuchung der sechs Unternehmen mit den
gen von finanzmarkt- und börsenorientierten Unter-            größten Beständen in Berlin, zu denen Daten in
nehmen verwaltet werden. Die «großen Sechs»                   ausreichender Qualität und Tiefe vorliegen. Unter-
Adler/ADO, Grand City Properties, Heimstaden/Ake-             nehmen, die ebenfalls von einer Vergesellschaftung
lius, Vonovia, Deutsche Wohnen und Covivio besit-             betroffen werden, zu denen aber nur wenig Daten
zen zusammen rund 222.000 Wohnungen in Berlin.                vorliegen, werden dabei ausgeklammert. Die Studie
Die Anzahl der von ihnen verwalteten Wohnungen                trifft zurückhaltende Annahmen und die tatsächli-
ist allein in den letzten sechs Jahren um 15 Prozent          chen Effekte einer Vergesellschaftung werden eher
gestiegen. Hinzu kommen weitere Bestände in der               unterschätzt. Die nachfolgende Tabelle 1 gibt einen
Hand von Unternehmen wie TAG Immobilen AG, BGP                Überblick über den Umfang und die Entwicklung der
Investment, Pears Global Real Estate und anderen,             untersuchten Bestände für die Jahre 2016 bis 2021.

Tabelle 1: Umfang der Wohnungsbestände der sechs größten börsennotierten Unternehmen in Berlin

Unternehmen                 2016        2017         2018         2019        2020         2021     Anstieg seit 2016
Adler/ADO                   17.701      20.649       22.202       16.255      19.864       19.830         12 %
Grand City Properties        6.270          8.276     8.141        7.580        7.821       8.025         28 %
Heimstaden/Akelius          12.313      12.781       14.301       15.121      15.552       18.577         51 %
Vonovia                     32.454      38.664       41.943       42.241      43.171      45.838          41 %
Deutsche Wohnen            110.673     114.289      115.612      115.740     114.191     113.202           2%
Covivio                     13.421      15.771       17.155       15.813      15.843      16.711          25 %
gesamt                    192.832      210.430      219.354      212.750     216.442     222.183          15 %

Quelle: Geschäftsberichte der Unternehmen

VERMIETUNGS- UND BEWIRTSCHAFTUNGS-                            nisierungsmaßnahmen entfällt. Die Ausgaben für
STRATEGIEN                                                    Instandsetzung liegen im Mittel bei etwa der Hälfte
                                                              des Betrags, der von den landeseigenen Wohnungs-
Für eine Diskussion der Vermietungs- und Bewirt-              unternehmen für ihre Wohnungen aufgewendet
schaftungsstrategien der finanzorientierten Unter-            wird. Mieterbeschwerden und gelegentliche Berichte
nehmen ist es zunächst wichtig, festzustellen, dass           in den Medien über Heizungsausfälle, marode Bal-
die Bestände und Bewirtschaftungsstrategien der               kone und dreckige Treppenhäuser finden hier ihren
einzelnen Unternehmen erkennbare Unterschiede                 finanziellen Ausdruck. Spiegelbildlich ist der Anteil an
aufweisen.                                                    Modernisierungskosten bei finanzorientierten Unter-
Schaut man sich die Struktur der Aufwendungen der             nehmen wesentlich höher: Hier liegen alle Konzerne
Unternehmen an, wird nichtsdestotrotz deutlich, dass          bei einem Mehrfachen der Landesunternehmen.
der Löwenanteil der bestandsbezogenen Ausgaben                Besonders auffällig ist hier Heimstaden/Akelius, bei
bei allen Unternehmen auf mietenwirksame Moder-               denen hohe Modernisierungsstandards die Norm zu

8
sein scheinen (siehe Tabelle 9 in Anhang 2).2 Abbil-                        Abbildung 1: Bestandsbezogene Ausgaben im
dung 1 zeigt die Ausgaben für Modernisierung und                            Vergleich, 2016 bis 2021 (in Euro/m2 p. a.)
Instandsetzung der sechs großen Immobilienkon-
zernen im Vergleich zu den landeseigenen Woh-                                    45
nungsunternehmen. Dabei wird deutlich, dass alle                                 40
finanzorientierten Unternehmen weniger Geld für
                                                                                 35
Instandsetzung und deutlich mehr Geld für mietwirk-
                                                                                 30
same Modernisierung ausgeben.                                                                       31,66
                                                                                 25
Während die sechs großen Immobilienkonzerne im
                                                                                                                               6,53
Schnitt der letzten Jahre 10,93 Euro/m² pro Jahr für                             20

die Instandsetzung und Instandhaltung ausgaben,                                  15

setzten die landeseigenen Wohnungsunternehmen                                    10                                           18,54
im Mittel der letzten Jahre 18,54 Euro/m² pro Jahr ein,                           5                10,93
um ihre Bestände in Schuss zu halten. Umgekehrt                                   0
stellt sich das Verhältnis der Investitionen in Moder-                                            Konzerne                    LWU

nisierungsmaßnahmen dar, die auf die Mieten umge-                                               Ausgaben für Instandhaltung/Instandsetzung
legt werden können. Hier investierten die sechs größ-                                           Ausgaben für Modernisierung

ten Immobilienkonzerne mit Mittel der letzten Jahre
31,66 Euro/m² pro Jahr.                                                     Quelle: Geschäftsberichte der Unternehmen
Das Verhältnis von Instandsetzungsausgaben und
Modernisierungsinvestitionen zwischen den sechs
großen Immobilienkonzernen und den landeseige-                              schon hohen Ausgangswerts – zwischen 2016 und
nen Wohnungsunternehmen ist umgekehrt proporti-                             2021 im Mittel um 3,9 Prozent pro Jahr gestiegen
onal. Während bei den renditeorientierten Konzernen                         sind. Der Anstieg war damit höher als bei den lan-
74 Prozent ihrer Ausgaben in den Bestand auf Moder-                         deseigenen Wohnungsunternehmen und übertraf
nisierungsmaßnahmen entfallen, sind es bei den lan-                         zugleich den bei der ortsüblichen Vergleichsmiete.
deseigenen Wohnungsunternehmen nur 26 Prozent.                              Die Mietpreisdynamik der einzelnen Unternehmen
Umgekehrt ist das Verhältnis bei den Ausgaben für                           weist große Differenzen auf. Während die Mietpreise
die Instandsetzung. Für Maßnahmen, die nicht auf                            der Covivio-Bestände zwischen 2016 und 2021
die Miete umgelegt werden dürfen, geben die gro-                            durchschnittlich um lediglich 2,1 Prozent pro Jahr
ßen Immobilienkonzerne nur etwa ein Viertel ihrer                           stiegen, betrug die durchschnittliche jährliche Stei-
bestandsbezogenen Ausgaben aus – bei den öffent-                            gerungsrate in den Beständen von ADO/Adler Group
lichen Wohnungsunternehmen liegt dieser Anteil bei                          7,4 Prozent pro Jahr (siehe Tabelle 6 in Anhang 2).
drei Viertel der Gesamtausgaben.                                            Bei Heimstaden/Akelius liegt die durchschnittliche
Ähnliche Unterschiede lassen sich bei der Gestal-                           Miete im Bestand aktuell (2021) aufgrund aggressiver
tung der Mieten feststellen. Dabei halten Vonovia und                       «Rausmodernisierung» und Neuvermietung bereits
Deutsche Wohnen einen Großteil ihrer Wohnungen                              bei 9,36 Euro/m2 – das ist etwa ein Drittel mehr als die
in privatisierten Siedlungen des kommunalen und/                            ortsübliche Vergleichsmiete und fast die Hälfte mehr
oder sozialen Wohnungsbaus. Aufgrund der Lage,                              als die Miete bei den landeseigenen Wohnungsunter-
der Wohnungsqualität und der in diesen Gebieten                             nehmen.
vorherrschenden Einkommensstrukturen sind die                               Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Neuvermietun-
Mietsteigerungsmöglichkeiten in diesen Beständen                            gen. Auch hier liegen die Mieten der Wohnungskon-
stärker begrenzt. Entsprechend fällt der Anteil der                         zerne bei Abschluss neuer Mietverträge deutlich über
Modernisierungsaufwendungen an den Gesamtkos-                               der ortsüblichen Vergleichsmiete und den Mieten
ten hier geringer aus. Anders gestaltet sich die Lage                       der landeseigenen Wohnungsunternehmen. Die in
beispielsweise bei Heimstaden/Akelius, die eher über                        Berlin gültige Mietpreisbremse, die eigentlich teure
innerstädtische Altbaubestände verfügen und erheb-                          Neuvermietungen (auf maximal 10 Prozent über der
liche Mietsteigerungen.                                                     ortsüblichen Vergleichsmiete) begrenzen soll, scheint
Die Bewirtschaftungsstrategien der Unternehmen                              für die Unternehmen kaum eine Bedeutung zu haben.
spiegeln sich in den Miethöhen wider. Abbildung 2                           In allen Jahren lagen die Neuvertragsmieten deutlich
zeigt, dass die Bestandsmieten der sechs großen                             über den Orientierungswerten der Mietpreisbremse
Immobilienkonzerne in Berlin – trotz eines bereits                          und über den Neuvertragsmieten der landeseige-

2   Das ist vor allem deshalb wichtig, weil hohe Modernisierungskosten auch hohe Mietsteigerungen ermöglichen. Bis 2018 konnten 11 Prozent der
    Modernisierungskosten auf die Jahresmiete umgelegt werden. Seither wurde dieser Betrag auf maximal acht Prozent bzw. 3 Euro/m2 innerhalb
    von sechs Jahren reduziert. In der Summe werden dadurch schnelle Mietsprünge möglich. Tabelle 10 in Anhang 2 zeigt die durchschnittlichen
    modernisierungsbedingten Mieterhöhungen für die unterschiedlichen hier betrachteten Unternehmen im Zeitverlauf.

                                                                                                                                                 9
Abbildung 2: Entwicklung der Bestandsmieten im Vergleich (Euro/m2, netto kalt)

  8,00

                                                                                                              7,63

     7,50

                                                                          7,22                  7,19

     7,00                                             6,93

                               6,66                                                                           6,79
                                                                                                6,76
                                                                          6,72
  6,50                                                6,56
            6,30
                               6,39
                                                                                                6,29          6,29
                                                                          6,22
             6,12                                     6,09
  6,00
                               5,91
            5,80

  5,50

  5,00
            2016               2017               2018                    2019                  2020          2021

                                              LWU             Konzerne gesamt            OVM

LWU = landeseigene Wohnungsunternehmen, OVM = ortsübliche Vergleichsmiete (Mietspiegelmiete)
Quelle: Geschäftsberichte der Unternehmen

Abbildung 3: Neuvertragsmieten im Vergleich (Euro/m2, netto kalt)

  9,50

                                                                                                              9,24
  9,00

                                                                                                8,83
                                                                          8,72
  8,50
                                                      8,42

  8,00
                               7,96

                                                                          7,43                                7,47
     7,50
                                                      7,43                                      7,44
                                                                          7,39                                7,25
                               7,09
             7,19                                     7,21
                                                                                                7,00
     7,00
                               7,03
             6,73

  6,50
            6,45

  6,00
            2016               2017               2018                    2019                  2020          2021

                                      LWU         Konzerne gesamt                OVM           OVM (+ 10 %)

Quelle: Geschäftsberichte der Unternehmen

10
nen Wohnungsunternehmen. Im Zeitverlauf wird der                     Man kann die Bewirtschaftungsstrategie der Woh-
Abstand sogar noch größer.                                           nungskonzerne in Berlin im Vergleich zu den landesei-
Auch bei den Neuvertragsmieten weisen die sechs                      genen Wohnungsunternehmen auf eine einfache For-
großen finanzorientierten Unternehmen eine enorme                    mel bringen: weniger Ausgaben für Instandhaltung,
Binnendifferenzierung auf. Während bei Vonovia mit                   dafür höhere Mieten im Bestand und bei Neuvermie-
Siedlungsbeständen des ehemals gemeinnützigen                        tungen. Der Unterschied zur Vermietungstätigkeit der
und öffentlichen Wohnungsbaus die Neuvertrags-                       landeseigenen Wohnungsunternehmen, die über die
mieten mit 8,08 Euro/m² nur knapp über den Orien-                    Kooperationsvereinbarung mit dem Senat von Berlin
tierungswerten der Mietpreisbremse liegen, über-                     zu einer Orientierung an leistbaren Mieten verpflich-
schreiten Heimstaden/Akelius und auch Grand City                     tet sind, ist augenfällig. Wie aus Abbildungen 1 bis 3
Properties mit größeren innerstädtischen Wohnungs-                   ersichtlich ist, vermieten diese ihre Wohnung günsti-
beständen sogar die Grenze von 10 Euro/m² zum Teil                   ger (sowohl im Bestand als auch bei der Neuvermie-
deutlich (siehe Tabelle 7 in Anhang 2).                              tung) und geben mehr Geld für die Instandhaltung
                                                                     aus. Ungleich größer ist auch ihr Beitrag zum Neubau.

2 VERGESELLSCHAFTUNG SENKT MIETEN
Geht man davon aus, dass die Mietgestaltung nach                     men gesenkt werden). Beide Modelle gehen zudem
Vergesellschaftung zu den Bedingungen erfolgen                       in der Vorausschau für die Jahre ab 2023 von einer
wird, die aktuell bereits für die landeseigenen Woh-                 Trendfortschreibung aus, das heißt, es wird ange-
nungsunternehmen gelten, sind erhebliche Mietsen-                    nommen, dass sowohl die Wohnungskonzerne als
kungspotenziale zu erkennen. Prinzipiell sind dabei                  auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen
zwei unterschiedliche Vorgehensweisen vorstellbar,                   ihre Mieten jeweils im Durchschnitt in der gleichen
die wir im Folgenden vorstellen wollen: das Mietsen-                 Geschwindigkeit erhöhen werden, wie sie dies in den
kungsmodell und das Mietenstoppmodell. Beide sind                    Jahren seit 2016 taten. Da die tatsächliche Entwick-
auch als Kombinationen oder Mischformen denkbar                      lung der Mieten in der Zukunft unbekannt ist, han-
(so könnten etwa die Mieten insgesamt eingefroren                    delt es sich um eine Modellrechnung, die auf durch-
und nur für Haushalte mit einem niedrigen Einkom-                    schnittlichen vergangenen Entwicklungen basiert.

Abbildung 4: Mietentwicklung in vergesellschafteten Beständen (Mietsenkungsmodell)

  9,00

  8,50

  8,00
                                                     7,63
  7,50

  7,00

  6,50
          6,30
                                                            6,39
  6,00
          5,80

  5,50

  5,00
            2016   2017   2018     2019       2020   2021   2022   2023   2024   2025      2026     2027      2028        2029   2030

                                 Konzerne              LWU            OVM               Vergesellschaftung (LWU-Modell)

Quelle: Geschäftsberichte der Unternehmen und Trendfortschreibung

                                                                                                                                        11
Im ersten Modell (Mietsenkungsmodell) würden die                              Offensichtlich würde dieser Mietsprung nach unten
überhöhten Mieten für alle vergesellschafteten Woh-                           zu einer deutlichen Entlastung der Mieter*innen in
nungen auf das Niveau der landeseigenen Wohnungs-                             den vergesellschafteten Beständen führen. Basierend
unternehmen abgesenkt werden und von da aus nur                               auf Daten aus den Geschäftsberichten der Unterneh-
langsam weiter steigen. Dies wäre mit einer Mieten-                           men können folgende durchschnittliche Entlastun-
reduzierung von einem durchschnittlichen Niveau von                           gen errechnet werden:
7,63 Euro/m2 auf 6,39 Euro/m2 verbunden.3

Tabelle 2: Mietentlastungseffekt nach Vergesellschaftung

                                Wohnungs­             durchschnittl. durchschnittl.                                                            Entlastung
                                                                                              Absenkung               Differenz 
Unternehmen                      bestand in            Wohnungs­ Bestandsmiete                                                               pro Wohnung/
                                                                                              je m² auf …                je m²
                                Berlin (2021)          größe in m²    je m² (2021)                                                               Monat
Adler/ADO                           19.830                  69             8,71 EUR            6,39 EUR                2,32 EUR               159,88 EUR
Grand City Properties                8.025                  72             8,70 EUR            6,39 EUR                2,31 EUR               166,11 EUR
Heimstaden/Akelius                  18.577                  64             9,36 EUR            6,39 EUR                2,97 EUR               189,87 EUR
Vonovia                             45.838                  64             7,10 EUR            6,39 EUR                0,71 EUR                45,26 EUR
Deutsche Wohnen                    113.202                  59             7,15 EUR            6,39 EUR                0,76 EUR                44,67 EUR
Covivio                             16.711                  68             8,20 EUR            6,39 EUR                1,91 EUR               122,89 EUR
Gesamt                             222.183                  63             7,63 EUR            6,39 EUR                1,24 EUR                78,02 EUR

Abbildung 5: Mietentwicklung in vergesellschafteten Beständen (Mietenstoppmodell)

    9,00

    8,50

    8,00
                                                            7,63                                                                                 7,68
     7,50
                                                                                                                                                  7,28

     7,00

    6,50
             6,30
                                                             6,29
    6,00
             5,80

    5,50

    5,00
                2016    2017     2018     2019       2020   2021    2022   2023     2024     2025      2026     2027      2028        2029     2030

                                        Konzerne              LWU              OVM                  Vergesellschaftung (OVM-Modell)

Quelle: Geschäftsberichte der Unternehmen und Trendfortschreibung

3    Der Aufwand für die administrative Umsetzung der Mietabsenkung wird an dieser Stelle nicht diskutiert. Er ist vom gewählten Mietgestaltungsmodell
     abhängig und bedürfte bei einer Umsetzung aber einer besonderen Betrachtung.

12
Im gewichteten Durchschnitt beträgt der Entlas-                            ausgesetzt – langfristig günstig hält. Zudem sollen
tungseffekt pro Haushalt 936,20 Euro im Jahr. Das                          sich die Wiedervermietungsmieten in dem Mieten-
entspricht einer durchschnittlichen Mietsenkung von                        stoppmodell an den ortsüblichen Vergleichsmieten
ca. 16 Prozent der Nettokaltmiete.                                         orientieren, sodass die Mieten durch die Fluktuation
Im zweiten Modell (Mietenstoppmodell) würden                               langfristig und schrittweise sinken würden.
unmittelbar keine Mietabsenkungen vorgenommen                              In allen Varianten würden die über 220.000 Haus-
werden.4 Die Mieten von Haushalten, die bereits                            halte, die in von den Wohnungskonzernen verwalte-
jetzt eine höhere Miete zahlen, würden so lange ein-                       ten Beständen wohnen, zumindest mittelfristig deut-
gefroren, bis die Mieten das Niveau der landeseige-                        lich entlastet. Die Entlastung würde zudem dauerhaft
nen Wohnungsunternehmen erreicht haben. Wann                               wirken und würde – da die nach der Vergesellschaf-
dies genau der Fall sein wird, hängt von den zukünf-                       tung verlangten Mieten in zukünftige Mietspiegel
tigen Vorgaben des Landes Berlin in der Kooperati-                         eingehen würden – auch über die vergesellschafte-
onsvereinbarung ab. Auch hier kommt es zu einem                            ten Wohnungen hinaus einen mietpreisdämpfenden
langfristig preisdämpfenden Effekt, der sich mit der                       Effekt auf den Gesamtmarkt haben. Es ist nur schwer
Zeitdauer verstärkt und die vergesellschafteten Woh-                       vorstellbar, dass ein ähnlicher Größeneffekt auf mitt-
nungen – eine Steigerung der allgemeinen ortsübli-                         lere Frist durch eine Ausweitung des Neubaugesche-
chen Vergleichsmiete von 2,3 Prozent pro Jahr vor-                         hens erreichbar wäre.

3 VERGESELLSCHAFTUNG HILFT WOHNUNGSSUCHENDEN
Eine Vergesellschaftung käme allerdings nicht nur                          Wohnungen jährlich an WBS-Berechtigte (bis WBS
Bestandsmieter*innen zugute, sondern würde auch                            180 Bundeseinkommensgrenze) zu vergeben. Von
eine bessere Versorgung von Wohnungssuchenden                              den sechs hier untersuchten großen Immobilien-
mit leistbarem Wohnraum ermöglichen.                                       konzernen sind nur die knapp 160.000 Wohnungen
In Berlin hatten im Jahr 2021 rund 969.000 Haushalte                       von Vonovia (inklusive der Bestände der Deutschen
einen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein                           Wohnen) Teil der Vereinbarung. Ob und in welchen
(WBS 1805), der zum Bezug einer Sozialwohnung                              Größenordnungen die Vereinbarung umgesetzt wird,
berechtigt. 45.608 Wohnungssuchende waren 2021                             ist nicht bekannt, weil eine entsprechende Kontrolle
im Besitz eines WBS, konnten aber keine WBS-fähige                         durch das Land Berlin nicht erfolgt und die Unter-
Wohnung finden. Für Mai 2022 wurde die Zahl der                            nehmen zu diesem Sachverhalt nicht berichten (vgl.
Haushalte mit einem Wohnberechtigungsschein mit                            Drucksache 19/14022). Geht man aber davon aus,
49.834 angegeben (Drucksache 19/12259: 3 u. 5). In                         dass sich Vonovia an die Verabredungen hält und
den letzten Jahren wurden pro Jahr jeweils zwischen                        diese vollständig umsetzt, könnten – bei einer ange-
40.000 und 45.000 neue WBS-Anträge bewilligt. Für                          nommenen Fluktuationsrate von 5 Prozent (das ent-
die weiteren Überlegungen gehen wir von einem aku-                         spricht in etwa der durchschnittlichen Fluktuation
ten Versorgungsbedarf von 50.000 WBS-Inhaber*in-                           in den Beständen der untersuchten Unternehmen
nen pro Jahr aus.                                                          seit 2016; ungefähres Mittel der letzten fünf Jahre) –
Durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen                                zusätzlich 2.836 Wohnungssuchende mit einem
wurden in den letzten Jahren (2016 bis 2021) im                            WBS mit einer Wohnung versorgt werden. Auch
Schnitt 9.349 Wohnungen für die Versorgung von                             dann blieben noch fast drei von vier WBS-Inhaber*in-
WBS-Inhaber*innen bereitgestellt (siehe Wohnraum-                          nen unversorgt.
versorgung Berlin AöR 2018, 2019, 2020a, 2021a,                            Welchen Effekt hätte eine Vergesellschaftung von
2022). Das ist etwa ein Fünftel der auf der Warteliste                     222.000 Wohnungen der hier untersuchten großen
Stehenden. Zusätzlich haben sich die im «Bündnis                           Immobilienunternehmen auf die Versorgung mit leist-
Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen in Ber-                              baren Wohnungen?
lin» vertretenen Wohnungsunternehmen mit mehr als                          Setzt man voraus, dass die Vergabe frei werdender
3.000 Wohnungen im Bestand verpflichtet, 30 Pro-                           Wohnungen auch in den vergesellschafteten Bestän-
zent der bei der Wiedervermietung frei werdenden                           den entsprechend der Quoten erfolgt, die für die lan-

4   Für diese Vorgehensweise sprächen unter anderem verteilungspolitische Erwägungen, da angesichts der hohen Ausgangsmieten in Teilen der zu
    vergesellschaftenden Bestände auch Haushalte in den Genuss einer Mietabsenkung kämen, die sich durchaus höhere Mieten leisten können.
5   Beim WBS 180 handelt es sich um einen erweiterten Wohnberechtigungsschein. WBS 180 heißt: Das Einkommen darf 80 Prozent über dem Wert
    liegen, der in § 9 Absatz 2 Wohnraumförderungsgesetz festgelegt ist.

                                                                                                                                                13
deseigenen Wohnungsunternehmen gelten, wür-                                 Abbildung 6: Versorgungspotenziale einer
den nach einer Vergesellschaftung 63 Prozent aller                          Vergesellschaftung
                                                                             20.000            für Mieter*innen mit WBS
Neuvermietungen an WBS-Inhaber*innen erfolgen.
Bei einer unterstellten Fluktuation von 5 Prozent pro                         18.000
Jahr beträfe das jährlich 6.999 Wohnungen. Gegen-
                                                                                                                                     16.348
über dem Bündnis würde nach einer Vergesellschaf-                             16.000
tung im Bestand demnach 4.613 Wohnungen mehr
für WBS-Empfänger*innen pro Jahr bereitstehen.                                14.000
Das Versorgungspotenzial würde also auf 16.348                                                                                           6.999
Wohnungen steigen (ohne Zuwachs durch Neubau).                                12.000                              11.735
Damit wäre zwar immer noch der größere Teil von
                                                                                                                  2.386
WBS-Inhaber*innen unversorgt – aber die Warte-                                10.000           9.349
schlange würde immerhin deutlich verkürzt.
Der durch eine Vergesellschaftung erreichbare Ver-                             8.000
sorgungseffekt für Haushalte mit WBS-Berechtigung
entspräche nahezu dem der von Teilen des Senats                                6.000
priorisierten Neubauförderung. Hier sollten eigentlich
                                                                                               9.349              9.349                  9.349
5.000 leistbare Wohnungen pro Jahr entstehen, von                              4.000
denen ein Großteil durch die landeseigenen Woh-
nungsunternehmen bereitgestellt werden soll. Die                               2.000
Zahl der tatsächlich gebauten Wohnungen liegt weit
darunter. Hinzu kommt, dass der Effekt von Dauer                                   0
wäre, denn bei einem erhöhten Grundbestand an                                                 Versorgungspotential status quo (LWU)
leistbaren Wohnungen würden jedes Jahr Wohnun-                                                Bündnis (30 % WBS-Vermietung)
gen frei, die an WBS-Inhaber*innen vermietet werden                                           Vergesellschaftung (63 % WBS-Vermietung)
könnten. Der kumulierte «Versorgungseffekt» beträgt
in einer Modellrechnung bis 2030 fast 150.000 Woh-                          Quelle: Geschäftsberichte der Unternehmen
nungen.6 Er übersteigt damit rechnerisch sogar die
Zahl der WBS-berechtigten Haushalte.

4 VERGESELLSCHAFTUNG ARBEITET DER SEGREGATION
ENTGEGEN
Seit etwa zehn Jahren unternimmt Berlin erhebliche                          Zehntel der geförderten Wohnungen. Da kommunale
Anstrengungen, um den Mangel an bezahlbaren                                 und geförderte Wohnungen überproportional mit
Wohnungen durch eine Kommunalisierung von Woh-                              einkommensschwachen Haushalten belegt werden,
nungsbeständen und durch Neubau zu beheben. Ein                             reproduziert dieser Trend die auch im privaten Woh-
bislang nur wenig diskutiertes Problem besteht dabei                        nungsmarkt zu beobachtende sozialräumliche Spal-
in der räumlichen Verteilung der neu geschaffenen                           tung der Stadt.
leistbaren Wohnungen. Denn sowohl der Bestand an                            Mit einer Vergesellschaftung der betrachteten Woh-
kommunalen Wohnungen als auch der Neubau kon-                               nungsunternehmen würde diesen Tendenzen ent-
zentrieren sich an der Peripherie der Stadt, mit deut-                      gegengewirkt. Tabelle 3 vergleicht den aktuellen
lichen Schwerpunkten in den Großwohnsiedlungen                              Bestand an landeseigenen Wohnungen in den Bezir-
im Osten. Der bisherige Neubau trägt eher dazu bei,                         ken mit den Neubauzahlen für geförderte Wohnun-
diese Ungleichverteilung zu verfestigen. Der Bezirk                         gen und dem hypothetischen Anstieg der landesei-
Steglitz-Zehlendorf hat so nur etwas mehr als ein                           genen Bestände bei einer Vergesellschaftung in den
Zehntel der Summe an landeseigenen Wohnungen                                Berliner Bezirken.
des Bezirkes Lichtenberg – und er baut auch nur ein

6    Unterstellt wird dabei, dass der Bestand an WBS-berechtigten Haushalten durch den Bezug einer frei werdenden Wohnung sukzessive abgebaut wird.
     Es handelt sich also um ein statisches Modell, das zukünftige Zuzüge und veränderte Einkommensverhältnisse nicht berücksichtigt

14
Tabelle 3: Verteilung von kooperationsrelevanten landeseigenen Beständen, gefördertem Neubau und
enteignungsrelevanten Beständen nach Bezirken7

                                           Bestand an             geförderter Neubau               enteignungs­
                                                                                                                   Anstieg auf (Bestand
Bezirke                                landeseigenen WE                  WE                   relevante Bestände,
                                                                                                                    LWU 2021 =100)
                                             (2020)                  (2014–2021)                       WE*
Charlottenburg-Wilmersdorf                    15.555                          277                      19.881                        228
Friedrichshain-Kreuzberg                      24.331                          795                       9.748                        140
Lichtenberg                                   57.771                        3.313                      15.784                        127
Marzahn-Hellersdorf                           40.722                        3.265                      12.875                        132
Mitte                                         28.636                          931                      21.801                        176
Neukölln                                      21.332                          700                      19.357                        191
Pankow                                        35.514                        1.033                      16.085                        145
Reinickendorf                                 26.308                          522                      21.305                        181
Spandau                                       21.702                        1.372                      32.244                        249
Steglitz-Zehlendorf                            6.133                          328                      16.645                        371
Tempelhof-Schöneberg                          23.156                        1.079                      13.319                        158
Treptow-Köpenick                              31.755                        2.465                      10.449                        133
Gesamt                                       332.915                       16.080                     209.493                        163
*Umfasst nur die etwa 209.000 Wohnungen der Unternehmen, die kartografisch einem PLZ-Bezirk zugeordnet werden konnten.
Der tatsächlich zu erwartende Vergesellschaftungseffekt wird in dieser Darstellung unterschätzt.
Quellen: WVB 2021: 28, IBB 2022: 57; eigene Berechnungen

Deutlich wird dabei, dass der Anteil von landeseige-                         Vorkaufsrecht) und die landeseigenen Wohnungsbe-
nen – und damit preiswerten – Wohnungen beson-                               stände sind gerade in den Gentrifizierungsgebieten
ders stark in den Bezirken steigen würde, in denen                           oft nur von geringer Bedeutung.
er bis jetzt am kleinsten ist. In Charlottenburg-­Wil­                       Eine Vergesellschaftung würde die Interventions-
mers­dorf würde er sich gegenüber 2021 mehr als                              möglichkeiten der öffentlichen Hand vor diesem
verdoppeln, in Zehlendorf Steglitz sogar mehr als ver-                       Hintergrund erheblich erweitern. Der innerstädtische
dreifachen. Wesentlich geringer würde der Anstieg                            Bestand an landeseigenen Wohnungen würde von
in den Ostberliner «Plattenbaubezirken» Lichtenberg                          knapp 80.000 auf über 120.000 Wohnungen deutlich
und Marzahn-Hellersdorf ausfallen, die bislang den                           anwachsen. In einer Reihe von Gebieten mit unter-
Schwerpunkt sowohl des landeseigenen Wohnungs-                               durchschnittlicher Einkommensstruktur und signifi-
bestands als auch der geförderten Neubautätigkeit                            kantem Gentrifizierungsdruck würde sich die Anzahl
bilden.                                                                      der öffentlichen Wohnungen pro Postleitzahlgebiet
Eine noch detailliertere räumliche Betrachtung (vgl.                         mehr als verdoppeln. Dies trifft zum Beispiel auf
Karten 1 bis 4) untermauert diese Einschätzung. Ins-                         Teile von Moabit (Postleitzahlbezirke 10551, 10555,
besondere die Unternehmen Covivio, Adler Group                               10557), Kreuzberg (Postleitzahlbezirk 10999) und
und Heimstaden/Akelius haben ihre Bestände stark                             fast ganz Nordneukölln (Postleitzahlbezirke 12043,
in den innerstädtischen Gründerzeitvierteln kon-                             12045, 12049, 12053) zu. In vielen dieser Gebiete
zentriert. Fast die Hälfte der insgesamt etwa 55.000                         haben zudem diejenigen Unternehmen (Heimsta-
Wohnungen dieser Unternehmen liegt innerhalb                                 den/Akelius, Adler/ADO sowie Covivio) ein großes
des S-Bahn-Rings. Besonders oft befinden sich die                            Gewicht, die bislang durch besonders hohe Mieten
Bestände dabei in Gebieten, die von einem hohen                              aufgefallen sind. Auch aus dieser Perspektive wäre
Anteil von Haushalten mit geringen Einkommen                                 eine Vergesellschaftung durchaus sinnvoll, weil sie
geprägt und gleichzeitig von intensiven Gentrifizie-                         den Mietauftrieb in innerstädtischen Gentrifizie-
rungsprozessen betroffen sind. Aktuell kann die Lan-                         rungsgebieten deutlich entschleunigen bzw. sogar
despolitik der Verdrängung einkommensschwacher                               rückgängig machen könnte. Gerade in den dicht
Bewohner*innen in diesen Gebieten nur wenig ent-                             bebauten innerstädtischen Aufwertungsgebieten,
gegensetzen. Denn die in der Vergangenheit ange-                             in denen es nur wenige Optionen für die Fertigstel-
wandten regulatorischen Instrumente wurden durch                             lung von geförderten Neubauwohnungen gibt, ist
Bundesentscheidungen geschwächt (Stichwort:                                  eine Ausweitung der öffentlichen Bestände durch

7   Der Ankauf von etwa 10.500 Wohnungen von Vonovia/Deutsche Wohnen durch die landeseigenen Wohnungsunternehmen im Sommer 2021
    («Vonovia-Deal»), zu denen beispielsweise Bestände in Steglitz-Zehlendorf (Thermometersiedlung) und Neukölln (High-Deck-Siedlung) gehören, ist in
    dieser Statistik noch nicht berücksichtigt.

                                                                                                                                                  15
Vergesellschaftung deshalb ein besonders wirksa-   damit die aktuell durch die Verteilung der landeseige-
mes Instrument, um der Verdrängung entgegenzu-     nen Wohnungsbestände und des geförderten Neu-
wirken. Hierdurch könnten mehr leistbare Wohnun-   baus eher forcierte sozialräumliche Spaltung Berlins
gen in hochpreisigen Lagen angeboten werden und    zurückgedrängt werden.

Karte 1: Stadträumliche Bestandsverteilung der großen finanzialisierten Wohnungsunternehmen

16
Karte 2: Stadträumliche Bestandsverteilung der finanzialisierten Wohnungsunternehmen (gesamt)

Karte 3: Stadträumliche Bestandsverteilung der landeseigenen Wohnungsunternehmen

                                                                                                17
Karte 4: Stadträumliche Verteilung des öffentlichen Wohnungsbestands nach Vergesellschaftung

5 FAZIT
Diese Kurzstudie zeigt, dass eine Vergesellschaftung    tik – aber sie ist potenziell sehr wirksam. Aus der Sicht
der Bestände von privaten profitorientierten Immo-      einer sozialen Wohnraumversorgung sollte dieses
biliengesellschaften positive Auswirkungen in drei-     Instrument also genutzt werden. Die Förderung von
facher Hinsicht hat: Sie wirkt mindernd auf die Miet-   Neubau und die bessere Regulierung der Mieten wer-
höhen, sie ermöglicht eine schnellere Versorgung        den dadurch nicht unnötig – auf mittlere Frist sind die
einkommensschwacher Haushalte mit Wohnraum              in diesen beiden Bereichen zu erwartenden Effekte
und sie kann der sozialräumlichen Segregation in        aber kleiner als die Auswirkungen einer Vergesell-
Berlin entgegenwirken. Die Vergesellschaftung sollte    schaftung. Eine Vergesellschaftung erscheint daher
dabei nicht als silver bullet angesehen werden, mit     sowohl geeignet als auch erforderlich, um mehr leist-
der alle Probleme gelöst werden können. Sie ist nicht   baren Wohnraum zu schaffen. Die Politik ist gefor-
das einzige Instrument einer sozialen Wohnungspoli-     dert.

18
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2021, Metz.                                          Heimstaden (2021): Annual Report with
Deutsche Wohnen (2017): Geschäftsbericht 2016,       Sustainability Report 2020, Malmö.
Berlin.                                              Heimstaden (2022): Annual Report with
Deutsche Wohnen (2018): Geschäftsbericht 2017,       Sustainability Report 2021, Malmö.
Berlin.                                              Investitionsbank Berlin (2022): IBB
Deutsche Wohnen (2019): Geschäftsbericht 2018,       Wohnungsmarkbericht 2021, Berlin, unter: www.
Berlin.                                              ibb.de/media/dokumente/publikationen/berliner-
Deutsche Wohnen (2020): Geschäftsbericht 2019,       wohnungsmarkt/wohnungsmarktbericht/ibb-
Berlin.                                              wohnungsmarktbericht-2021.pdf.
Deutsche Wohnen (2021): Geschäftsbericht 2020,
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Immobilienmarkt, hrsg. von der Rosa-Luxemburg-          Wohnraumversorgung Berlin (AöR) (2021a):
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Studien_13-20_Wem_gehoert_die_Stadt_3.Aufl_             Kooperationsvereinbarung 2020. Berlin: WVB
Web.pdf.                                                Wohnraumversorgung Berlin (AöR) (2021b):
Unger, Knut (2018): Mieterhöhungsmaschinen:             Wirtschaftlich stabil – sozial orientiert. Bericht über
Zur Finanzialisierung und Industrialisierung der        die wirtschaftliche Lage der sechs landeseigenen
unternehmerischen Wohnungswirtschaft, in:               Berliner Wohnungsunternehmen im Jahr 2020,
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Vonovia (2020): Geschäftsbericht 2019, Bochum.          Zimmermann, Daniel (2022): Geschäftsmodelle
Vonovia (2021): Geschäftsbericht 2020, Bochum.          börsennotierter Wohnungskonzerne am
Vonovia (2022): Geschäftsbericht 2021, Bochum.          Beispiel von Vonovia. Expertenkommission
Wijburg, Gertjan/Aalbers, Manuel B./Heeg,               zum Volksentscheid «Vergesellschaftung
Susanne (2018): The Financialisation of Rental          großer Wohnungsunternehmen», Anhörung
Housing 2.0: Releasing Housing into the Privatised      vom 9. Dezember 2022: Bewirtschaftung
Mainstream of Capital Accumulation, in: Antipode        von Wohnimmobilien und Auswirkungen
50, S. 1098–1119.                                       einer Vergesellschaftung auf den Berliner
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