Verkehrsspirale Klima- und Verkehrspolitik sind leider wenig konsequent. Darum landet man, wie in einer Spirale, oft da, wo man schon mal war ...

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Verkehrsspirale Klima- und Verkehrspolitik sind leider wenig konsequent. Darum landet man, wie in einer Spirale, oft da, wo man schon mal war ...
Nummer 131       Verkehrsspirale
September 2021   Klima- und Verkehrspolitik sind leider wenig konsequent.
                 Darum landet man, wie in einer Spirale, oft da, wo man
                 schon mal war – oder zumindest fast. Nötig wäre ein
                 radikaleres umdenKen.                         Seiten 3 – 5, 11
Verkehrsspirale Klima- und Verkehrspolitik sind leider wenig konsequent. Darum landet man, wie in einer Spirale, oft da, wo man schon mal war ...
Thema umverkehRen
Editorial umverkehRen
                   Dezember
                      September
                            20202021

Teufelskreise und Verkehrsspiralen

umverkehR wurde 1992 als Trägerverein der Verkehrshalbierungs-Initiative gegründet. Diese wollte
Teufelskreise im Strassenverkehr durchbrechen: «Wer Strassen baut, wird Verkehr ernten.»
Uns war klar, dass die Verkehrsprobleme nur durch eine Reduktion des Strassenverkehrs gelöst
werden können. Leider sahen das nur wenige gleich wie wir.
Heute haben wir immer noch Verkehrsachsen mitten durch Dörfer und Städte, weil offenbar immer
noch geglaubt wird, diese Schneisen seien Lebensadern (siehe auch Seite 6). Natürlich ist das
Gegenteil der Fall, es braucht dringend mehr Grün und mehr Raum
für Zufussgehende und Velofahrende (siehe Seite 11). Doch
bevor sich wirklich etwas ändern kann, müssen wir unsere
Wahrnehmung des Verkehrs einem Reality-Check unterziehen.
Ich würde sogar noch weitergehen als der Artikel auf Seite 6
und den Autoverkehr als Geschwür bezeichnen, das nahezu
unkontrolliert wächst. Zum Nachteil aller.
Daran ändert auch nichts Prinzipielles, wenn man das Geschwür
statt mit Benzin mit Batterien betreibt. Zwar würde die
CO2-Bilanz besser, aber man müsste auch bei einer
kompletten Elektrifizierung der Autoflotte die Hälfte des
Strassenverkehrs anderweitig loswerden (siehe Seite 4).
Für UmverkehRte der frühen Stunde ist sonnenklar, was
das bedeutet: Der Verkehr muss halbiert werden!
(Wir haben das ja schon immer gesagt …!) Somit wären
wir in der Verkehrsspirale eine Runde weiter. Und
wer weiss, vielleicht lancieren wir ja, sobald die Zeit
reif ist, die Verkehrshalbierungsinitiative nochmals
und versuchen ein weiteres Mal, aus der Verkehrsspirale
auszubrechen.

Viel Spass bei diesem umverkehRen

Hanspeter Kunz
Vizepräsident umverkehR

Impressum                umverkehRen ist das Mitteilungsorgan des Vereins umverkehR

Auflage 4500 Exemplare Herausgeberin umverkehR, Kalkbreitestrasse 2, Postfach, 8036 Zürich, Postkonto 80-67097-2, Tel. 044 242 72 76, info@umverkehr.ch,
www.umverkehr.ch Newsletter Anmelden auf www.umverkehr.ch Redaktion Vorstand umverkehR Beiträge Hanspeter Kunz, Philippe Koch, Hanspeter Guggenbühl,
Hugo Caviola, Christian Harb, Silas Hobi (sh), Andrea von Maltitz und Daniel Costantino Titelbild Pablo Silva Layout typisch.ch Korrektorat Irène Fasel
Druck Jordi AG, Belp Papier RePrint Recyclingpapier Abonnementspreis Mitgliedschaftspresse, erscheint 4- bis 5-mal im Jahr, Einzelheft 3.50 CHF
Nächste Ausgabe November 2021
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Thema
Standpunkt                                                                                                                                             3

Die Politik auf die Strasse bringen
Wem gehört die Strasse? Rechtlich gesehen, gehören die meisten Strassen der öffentlichen Hand, also uns
allen. Der juristische Blick gibt allerdings ein verzerrtes Bild der Realität wieder. Die alltägliche Nutzung der
Strasse zeigt sehr deutlich, wem die Strasse eigentlich gehört: dem Auto. Autos nehmen den meisten Platz
ein und dominieren das Strassenbild und das Leben im öffentlichen Raum. Philippe Koch

Mit dem Projekt «Brings uf d’Strass!» hat      Es reicht auch nicht, Strassen mit Mobiliar           der Infarkt wahrscheinlicher. Sollen Stras-
die Stadt Zürich für die Zeit der Sommer-      auszustatten. Strassen müssen völlig neu              sen in Zukunft die Lebensadern der Stadt
ferien Autos aus drei Quartierstrassen         gedacht werden, damit das Stadtleben                  werden, dann müssen sie Leben ermögli-
verbannt. Aus der Fritschistrasse wurde        in der zukünftigen Hitze erträglich bleibt.           chen und lebensfreudig werden. Mit den
gemäss Konzept des Tiefbauamts ein             Als öffentliche Räume müssen sie grüner,              Stadtklima-Initiativen versucht umverkehR,
«gemeinschaftlicher Vorgarten», aus der        zugänglicher und komfortabler werden. In              die Schritte in diese Richtung zu lenken.
Rotwandstrasse eine «nachbarschaftliche        den 1960er-Jahren hat man die Strassen                Aber das reicht nicht. Alle Stadtbewohne-
Verweiltribüne» und aus der Konradstrasse      als Arterien bezeichnet, durch die der                rinnen und Stadtbewohner müssen ihren
eine «lange Spielstrasse». Impressionen        Verkehr fliessen und womit man die Stadt               Anspruch auf die Strassen anmelden und
der letzten Wochen zeigen unterschiedlich      lebendig halten soll. Das Gegenteil war               gemeinsam verwirklichen. Wenn nicht
intensive und unterschiedlich vielfältige      der Fall. Die Arterien sind schnell ver-              jetzt, wann dann?!
Nutzungen der Strasse: Auf der Strasse         stopft und mit jeder neuen Strasse wurde
wurde gespielt, gequatscht, verweilt, ge-
trunken, Velo gefahren oder einfach gar
nichts gemacht. Das Projekt «Brings uf
d’Strass!» hat tatsächlich aus der Verkehrs-
fläche Strasse wieder einen öffentlichen
Raum gemacht, in dem Begegnungen und
gemeinsame Aktivitäten möglich wurden.
Dieses temporäre «place-making» ohne
Verwertungsdruck zeigt eindrücklich, dass
das Bedürfnis nach Freiräumen für All-
tagsnutzungen ohne Konsumzwang be-
steht. Alles paletti, also?

Jein. Das Projekt «Brings uf d’Strass!» ist,
man kann es nicht anders sagen, too little
und too late. Die fünfwöchige Sperrung für
den Autoverkehr von drei Quartierstrassen
in einer Stadt, die seit mehr als 20 Jahren
eine komfortable links-grüne politische
Mehrheit hat, kann man nicht als mutig oder
zukunftsweisend bezeichnen. Die kurze
Dauer verunmöglicht den wirkungsvollen
Einbezug der Bevölkerung und der Anwoh-
nenden. Der Parking Day und die Critical
Mass zeigen ja immer wieder eindrück-
lich, mit welcher Kreativität und mit wel-
chem Tatendrang die Stadtbewohnerin-
nen und Stadtbewohner in der Lage sind,
sich Strassenräume anzueignen und um-
zudeuten. «Brings uf d’Strass!» darf keine
Eintagsfliege bleiben. Es ist zu hoffen,
dass das Projekt nur ein erster zaghafter
Versuch ist, neue öffentliche Räume zu
schaffen, auf den noch viele mutigere und
offenere folgen werden.                                                                                     Kurz nach dem Aufbau – die Autos
                                                                                                            sind weg, das Spiel kann beginnen.
                                                                           Bilder: Markus Forte Fotografie
Verkehrsspirale Klima- und Verkehrspolitik sind leider wenig konsequent. Darum landet man, wie in einer Spirale, oft da, wo man schon mal war ...
4   Klimaschutz                      umverkehRen September 2021

    Das Problem ist das Auto,
    nicht sein Antrieb
    Die positiven Entwicklungen vorweg: Die Stromproduktion in Europa verursacht weniger CO2 als früher,
    weil ein wachsender Anteil an Elektrizität aus Wind- und Solarkraftwerken den Kohlestrom zurückdrängt.
    Der Anteil von Autos mit elektrischem Antrieb steigt. Batterien und Elektromotoren werden effizienter
    produziert und halten länger. «Netto null Treibhausgase» und Autos lassen sich nicht miteinander vereinbaren,
    selbst wenn alle nur noch «Ökostrom» tanken. Hanspeter Guggenbühl, dieser Beitrag ist bereits in der Internetzeitung
    www.infosperber.ch erschienen.

    In memoriam; Hanspeter wurde am 26. Mai         die Herstellung des Autos und die Infra-    drei ausgewählten Mittelklasse-Autos.
    2021 auf einer Velotour durch einen Motor-      struktur (Strassenbau etc.), ein Drittel    Auf der y-Achse zeigt die Grafik die Emis-
    radfahrer zu Tode gefahren.                     auf den Betrieb des Autos.                  sionen für die Autoherstellung. Je länger
                                                    Das Elektroauto verursacht damit etwas      das Auto lebt respektive, je weiter es
    Elektroautos verursachen weniger                mehr als halb so viel klimawirksame         fährt, desto grösser wird der Unterschied
    klimawirksame Gase                              Emissionen wie ein Auto der gleichen        zwischen Elektro- und fossilem Auto.
    Dies zeigen die neusten Studien des Paul        Fahrzeugklasse mit fossilem Verbren-
    Scherrer Instituts* und der Klimabilanz-        nungsmotor (40 bis 80 Tonnen CO2 -         Zur Grafik: Von der Produktion bis zur
    rechner des TCS. Die wichtigsten Er-            Äquivalent). Bei den fossilen Autos        Verschrottung nach 200 000 Fahrkilome-
    kenntnisse:                                     entfallen mehr als zwei Drittel auf den    tern verursacht der Audi-Diesel (rot) Treib-
      Ein Auto mit Elektroantrieb, das in der       Betrieb, somit insbesondere auf Ver-       hausgase im Umfang von 57,2 Tonnen
      Schweiz betrieben wird und in 15 Jahren       brennung von Benzin oder Diesel.           CO2 -Äquivalent, der Volvo-Hybrid (violett)
      200 000 Kilometer abspult, verursacht –       Bei diesen Daten handelt es sich um        43,9 Tonnen und der Tesla3-Elektro (grün)
      je nach Fahrzeugklasse – Treibhausgas-        Grössenordnungen. Die folgende Grafik,      31,3 Tonnen. Nach rund 26 000 Kilometer
      Emissionen in der Grössenordnung von          basierend auf TCS- und PSI-Daten, ver-     Fahrt sinken die Emissionen des Elektro-
      28 bis 42 Tonnen CO2 -Äquivalenten.           gleicht den Verlauf der CO2 - und der      autos allmählich unter jene des Hybrid-
      Davon entfallen rund zwei Drittel auf         übrigen Treibhausgas-Emissionen von        und Dieselautos.

       Klimabilanz
       Mittelklassewagen

       60                                                                                                                      57.2 t
                CO2-Ausstoss (t)
                                                                                                     el
       50                                                                                        Dies

                                                                                                                               43.9 t
                                                                                                          Hybrid
       40                   26 851 km                                                             Benzin-

                                                                                                   Elektroauto
       30                                                                                                                      31.3 t

       20

       10
                                                                                                          Fahrkilometer

            0                                                100 000                                               200 000

    Klimabilanz nach 200 000 Km: 1 Diesel = 2 E-Autos
                                                           Grafik: PSI/TCS
Verkehrsspirale Klima- und Verkehrspolitik sind leider wenig konsequent. Darum landet man, wie in einer Spirale, oft da, wo man schon mal war ...
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                                                                                                 verschiedener
                                                                                                 Verkehrsmittel:

                                                                                                 Verkehrs-            CO2 -Equivalent
                                                                                                 mittel            pro Pkm in Gramm
                                                                                                 Flugverkehr                      260 g
                                                                                                 Benzinauto                       220 g
                                                                                                 Dieselauto                       190 g
                                                                                                 Elektroauto                       89 g
                                                                                                 ÖV insgesamt                      25 g
                                                                                                 Elektrovelo                       14 g
                                                                                                 Velo                                8g
                                                                                                 Bahnen Schweiz                      7g
Halbierung der Treibhausgase                    sich auch in Zukunft kaum ändern. Denn
reicht nicht                                    der technische Fortschritt wird die Klima-       Bahn und Velo beeinflussen das
Es zeigt sich, dass die Halbierung der          bilanz von Elektroautos, die 2040 produ-         Klima zehnmal weniger stark als
Treibhausgase im Verkehr nicht reicht, um       ziert werden – und damit im Zieljahr 2050        Elektroautos.
die Klimaerwärmung wirksam zu bremsen.          immer noch herumfahren – gemäss PSI
Denn der globale Klimavertrag, den die          nur marginal verbessern: Bei Benzin- und
Regierungen 2015 in Paris beschlossen           Dieselautos, die 2040 hergestellt werden,
haben, verlangt, die Klimaerwärmung sei         sinken die Treibhausgasemissionen pro
auf weniger als zwei Grad, möglichst auf        Fahrkilometer um 30 bis 34 Prozent, bei         Fazit
1,5 Grad zu begrenzen. Um dieses Ziel           Elektroautos nur noch um 17 Prozent; dies       Wer mit Velo oder Bahn unterwegs ist,
zu erreichen, muss der weltweite Aus-           im Vergleich zu den im Ausgangsjahr 2018        verursacht ebenfalls Treibhausgase. Aber
stoss von Treibhausgasen bis spätestens         hergestellten Fahrzeugen.                       die erzeugte Menge ist dabei mehr als
2050 netto auf null gesenkt werden, so-             Wenn die Schweiz somit ihre Klima-          zehn Mal kleiner als beim Elektroauto und
mit nach Abzug des CO2 , das sich mittels       ziele 2050 erreichen will, muss sie nicht       sogar zwanzig Mal geringer als beim Ben-
Aufforstung, Abscheidung, an Kaminen            den Antrieb wechseln, sondern das Auto          ziner. Darum ist es klimapolitisch falsch,
oder Filterung aus der Atmosphäre ab-           als Ganzes ersetzen. Aber – wodurch?            wenn die öffentliche Hand Elektroautos
scheiden lässt.                                                                                 mit Förderbeiträgen subventioniert. Wollen
                                                Klimabilanz von Bahn und Velo                   wir den Klimawandel wirksam begrenzen,
«Netto null» heisst null CO2                    Antworten liefert eine frühere Studie der       müssen wir das raumgreifende, überge-
im Verkehr                                      auf Ökobilanzen spezialisierten Schweizer       wichtige und übermotorisierte Auto als
Aus dieser Erkenntnis heraus haben sich         Firma Treeze. Diese entwickelte 2016 ein        Mittel im Personenverkehr generell durch
viele Staaten – darunter auch die Schweiz –     sogenanntes «Mobitool». Damit lassen            eine intelligente Kombination von Bahn,
verpflichtet, ihre Treibhausgas-Emissionen       sich die Umweltbelastung (gemessen in           Velo sowie weiteren leichtgewichtigen
2050 netto auf null zu senken. Gemäss der       Umweltbelastungspunkten) sowie die Treib-       Transportmitteln ersetzen.
Klimastrategie des Bundesrates müssen           hausgas-Emissionen aller gängigen Ver-
die Treibhausgase aus den Bereichen Hei-        kehrsmittel vergleichen (inkl. aller Emis-
zungen, Landverkehr sowie dem Gross-            sionen aus Produktion und Infrastruktur).
teil der Warenproduktion vollständig elimi-         Beim Vergleich der Treibhausgas-
niert werden. Bei «Netto» sollen nur noch       Emissionen von Personenwagen kamen
jene Treibhausgase übrig bleiben (und           die Treeze-Fachleute zu ähnlichen Re-
abgeschieden werden), die aus der Land-         sultaten wie die neueren Studien von PSI
wirtschaft, dem Flugverkehr sowie aus           und TCS. Im Unterschied zur PSI-Studie
Produktionsverfahren stammen, bei denen         ermittelte «Mobitool» aber auch die Treib-
keine anderen Eliminationstechniken ab-         hausgase, die öffentliche Verkehrsmittel
sehbar sind (etwa: Zementherstellung).          und Velos (mit und ohne elektrischen
     Mit dem Umstieg von Benzin- und Die-       Hilfsmotor) verursachen. Um die Emissio-
sel- auf Elektroautos lässt sich das klima-     nen vergleichen zu können, rechneten sie
politische Ziel «netto null» im Verkehr         alle Daten um in CO2 -Äquivalente (CO2 -
bestenfalls halbwegs erreichen. Das wird        Eq.) pro Person und Kilometer (Pkm).

* «Das Magazin des Paul Scherrer Instituts», SCHWERPUNKTTHEMA MOBILITÄT VON MORGEN, ab S. 16.
Verkehrsspirale Klima- und Verkehrspolitik sind leider wenig konsequent. Darum landet man, wie in einer Spirale, oft da, wo man schon mal war ...
6   Sprache und Autoverkehr                                     umverkehRen September 2021

                                                                                                        Wassermetaphern
                                                                                                        veranschaulichen Verkehr

    Die Sprache legt                                                                                   Redeweisen                  Metaphorische

    Denkfahrbahnen aus                                                                                 über Wasser                 Redeweisen
                                                                                                                                   über Verkehr
                                                                                                       Wasser fliesst,              Verkehr fliesst,
    Die Wortschöpfung «umverkehR» macht auf einen Blick klar: Der Ver-                                 stockt, strömt,             strömt, schwillt
    kehr soll verändert werden. Das Wort «Stehzeug» (Hermann Knoflacher)                                schwillt an,                an, rauscht,
                                                                                                       rauscht, tost.              tost.
    deckt auf, dass Fahrzeuge die meiste Zeit stehen. Dass sie dabei teuren
                                                                                                       Man kann Wasser             Man kann
    öffentlichen Raum beanspruchen, wird deutlich, wenn man Parkplätze
                                                                                                       stauen, umleiten,           Verkehr stauen,
    «Auto-Lagerplätze» nennt, wie der Verkehrsforscher Dirk Schneidemesser                             kanalisieren,               umleiten, kana-
    vorschlägt. Die Beispiele zeigen, dass Wörter auch Sichtweisen und                                 drosseln.                   lisieren drosseln.
    damit Haltungen und Interessen mit sich führen. Hugo Caviola                                       Wasser fliesst               Verkehr fliesst
                                                                                                       durch Leitungen             über Um-
    Das Forschungsprojekt «Sprachkompass              gase erzeugt. Wenn Verkehr ein Fluss ist,        und Röhren.                 leitungen und
    Mobilität» der Uni Bern vertieft Fragen           trägt er AutomobilistInnen als anonyme                                       durch die
    dieser Art (www.sprachkompass.ch). Es             Tropfen mit. Deren Verantwortung wird                                        Gotthardröhre.
    untersucht, welche Ausdrucksformen um-            unsichtbar. Gravierende Folgen hat die           Wasser bildet               Im Schwerver-
    weltbelastende Mobilität fördern können           Flussmetapher für die Verkehrspolitik. Sie       Tropfen.                    kehr am Gott-
    und welche neue Wege aufzeigen. Eine              legt nahe, Flaschenhälse zu erweitern,                                       hard existiert
    Rolle spielen dabei Metaphern, die hinter-        Abflüsse und eine zweite Gotthardröhre                                        ein Tropfenzähl-
    gründig unser Denken anleiten. Haben Sie          zu bauen, um Staus zu vermeiden und den                                      system.
    sich schon einmal gefragt, warum wir einen        Verkehr am Fliessen zu halten.                   Man kann z.B.               Man kann Fahr-
    Satz wie «Der Verkehr sickert in die Wohn-                                                         Fische aus dem              zeuge aus dem
    quartiere ein» verstehen? Es ist, weil wir        Was liesse sich dieser Verführungs-              Wasser ziehen.              Verkehr ziehen.
    Verkehr als Flüssigkeit sehen.                    kraft der Sprache entgegenhalten?
                                                                                                       Gewässer                    Im Verkehrsfluss
                                                      Andere Metaphern vielleicht? Die Maschi-
                                                                                                       können Inseln               existieren Ver-
    Der Fluss ist eine Metapher für den Ver-          nenmetapher würde betonen, dass Ver-
                                                                                                       enthalten.                  kehrsinseln.
    kehr. Dies beeinflusst unser Denken über           kehr ein Menschenwerk und keine Natur-
                                                                                                       Wasser gibt es in           Verkehr bildet
    den Verkehr: Wenn Verkehr ein Fluss ist,          kraft ist. Der Verkehr staut sich dann nicht,
                                                                                                       der Form von Eis            Blechlawinen.
    dann ist er eine Naturkraft, die nicht zu         sondern er klemmt, er rauscht nicht, son-
                                                                                                       und Schnee.
    hinterfragen ist. Dass er von uns verur-          dern dröhnt, fliesst nicht, sondern läuft
    sacht ist, wird unsichtbar. Flüsse folgen         etc. Wenn die Maschine Schaden anrich-           Wasser bildet               Ampeln schaffen
    der Schwerkraft – nicht aber der Ver-             tet, kann man sie drosseln, umbauen – ja         Wellen.                     grüne Wellen.
    kehrsfluss! Die Metapher verdeckt, dass            sogar ausser Betrieb nehmen. Wäre dies
    Verkehr Treibstoffe verschlingt und Ab-           also eine Alternative?
                                                                                                        Blutmetaphern

                                                                                                       Redeweisen                  Metaphorische
                                                                                                       über Blut                   Redeweisen
                                                                                                                                   über Verkehr
                                                                                                       Blut fliesst durch           Es gibt
                                                                                                       Adern.                      Verkehrsadern.
                                                                                                       Kommt der                   Kommt der
                                                                                                       Kreislauf zum               Verkehr zum
                                                                                                       Erliegen,                   Erliegen,
                                                                                                       droht ein Herz-             droht ein Ver-
                                                                                                       infarkt.                    kehrsinfarkt.

                                                                                                      An einer Tagung in Bern werden am 19. November
                                                                                                      2021 praktische Anwendungen der Sprachreflexion
    Gotthardröhre mit Verkehrsfluss                                                                    diskutiert – s. Agenda auf der hinteren Umschlagseite.
                                        Bild: Julia Weiss
Verkehrsspirale Klima- und Verkehrspolitik sind leider wenig konsequent. Darum landet man, wie in einer Spirale, oft da, wo man schon mal war ...
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Aus der actif-trafiC Geschäftsstelle                                                                                                                7

Engagierter Ruhestand nach
18 Jahren umverkehR
Die erste Pensionierung bei umverkehR! Andrea von Maltitz, seit 2003 zuständig für die Koordination in der
Romandie und einige Jahre auch Vorstandsmitglied bei umverkehR, trat Ende Juli in den Ruhestand.
Während 18 Jahren reiste sie oft von Genf nach Zürich, übersetzte Texte und setzte sich unermüdlich für
die Anliegen von actif-trafiC ein. Christian Harb, Co-Präsident von umverkehR, führte mit Andrea das folgende Gespräch.

Du warst bei umverkehR 18 Jahre                Studie hat einiges bewirkt. Die Wieder-            der Freudentaumel: Es hat geklappt! Die
für die Romandie zuständig.                    holung des Tests 2006 und 2012 ergab               Initiative wurde angenommen – wenn auch
Was hat sich in diesen fast zwei Jahr-         eine deutliche Verbesserung bei den                knapp.
zehnten verändert?                             Schwachpunkten, die wir kritisiert hatten.
Die zwei Geschäftsstellen von umverkehR/            Die Bewertung der FussgängerInnen-            Was sollte umverkehR in der Zukunft
actif-trafiC haben sich mit den zunehmen-       infrastrukturen in 11 Städten war eine Pre-        noch angehen?
den Aufgaben auf 400 Stellenprozente           miere und führte später zur wissenschaft-          Die Kernstädte bilden nur einen kleineren
vergrössert und professionalisiert. Heute      lich unterstützten Studie «GEHsund –               Teil der Schweiz. Man denke nur an die
bearbeiten wir viel mehr «Spezialthemen»       Städtevergleich des Fussverkehrs». Da-             Abstimmung über das CO2 -Gesetz. Wir
wie im Moment z.B. die Nachtzuglinien und      durch können die Städte selbstständig die          müssen unsere Ideen auch in die Agglo-
das Projekt GEHsund. Zudem setzen wir          Schwachpunkte ihrer Fusswege eruieren.             meration bringen, etwa nach Dietikon bei
den Fokus auf die grossen Kernstädte: vor           Die Petition zum Erhalt der Nachtzug-         Zürich. Zudem sollten wir uns verstärkt
10 Jahren mit den Städte-Initiativen und       linien war ein echter Renner. Die Leute            dem Thema Raumplanung widmen, denn
nun mit den Stadtklima-Initiativen. Unsere     standen an, um sie zu unterschreiben. Spä-         vieles wird auf der übergeordneten Pla-
Ideen werden in den städtischen Gebie-         ter entstand daraus die Kampagne «Zug              nungsebene entschieden. Ich persönlich
ten breiter unterstützt und wir haben hier     statt Flug» und eine stärkere Zusammen-            werde mich daher in Zukunft im Rahmen
mehr Erfolg.                                   arbeit mit den SBB, um die Nachtzuglinien          eines grenzüberschreitenden raumplane-
                                               zu retten.                                         rischen Forums als Freiwillige engagieren.
Was hat sich speziell in Genf
verändert?                                     Was war dein schönstes Erlebnis                    Dann bleibst du ja auch im Ruhestand
Die städtischen und kantonalen Verwal-         bei umverkehR?                                     weiterhin aktiv – dazu alles Gute
tungen setzen heute viel mehr auf den          Die Abstimmung über die Städte-Initiative          und für dein tolles Engagement bei
Austausch mit den Umweltorganisationen.        in Genf war 2011 eine Zitterpartie bis zur         umverkehR ein riesiges Dankeschön!
Diese Diskussionen sind allerdings zeit-       Auszählung der letzten Stimmen. Und dann
aufwendig und verlangen von uns ein brei-
tes Fachwissen in den Bereichen öffentli-
cher Verkehr und Fuss- und Veloverkehr.

Und was ist gleich geblieben in
diesen 18 Jahren?
Ganz sicher ist der Wunsch nach einer
Reduktion des Autoverkehrs immer noch
unsere Hauptantriebsfeder. Auf der Ge-
schäftsstelle herrscht nach wie vor grosse
Begeisterung und viel Idealismus. Die
Unterschriften für die Stadtklima-Initiative
in Genf wurden in Rekordzeit gesammelt,
nicht zuletzt dank zahlreichen Freiwilligen,
die immer noch unersetzbar sind.

Welches waren die Glanzlichter?
Eines war der ÖV-Test, der aus Sicht der
Benutzenden und nicht der Verkehrsbe-
triebe durchgeführt wurde. 2003 war das
ein Türöffner bei den Verwaltungen. Die                                                                 Andrea von Maltitz in ihrem Element
                                                                                    Bild: actif-trafiC
Verkehrsspirale Klima- und Verkehrspolitik sind leider wenig konsequent. Darum landet man, wie in einer Spirale, oft da, wo man schon mal war ...
R
R
8   Thema
    pl@net         umverkehRen
                   umverkehRen Dezember
                               September2020
                                         2021

R      Tiefsinn
       sh. Es muss nicht immer Millionen

                                                              R
       kosten. Ein bisschen Farbe, ein paar
       Campingtische und schon werden
       triste Strassenkreuzungen zu vitalen
       Oasen. Ob die Autoreifen gleich von
       den parkierten Fahrzeugen aus dem
       Quartier stammen, wissen wir nicht.
       Was wir aber mit Sicherheit sagen

R RR
       können – in Barcelona geht bezüglich
       Verkehrsvermeidung und neuen Fuss-
       gängerzonen gerade mächtig die Post
       ab. Nachahmen lohnt sich.

         Bild: Platz in Barcelona – Ajuntament de Barcelona

                                                                                                R
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   RR                        R                                    Spiess
                                                                  umdrehen
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                                                                  sh. Trottoir? Nie gehört. Ist das die leicht
                                                                  erhöhte Fläche neben der Strasse, wo
                                                                  man immer wunderbar das Auto hinstel-

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                                                                  len kann? Scheint so! Als Gegenmittel
                                                                  können wir nur den PARK(ing) Day
                                                                  empfehlen. Es fühlt sich ganz wunder-
                                                                  bar an, wenn man wenigstens einmal im
                                                                  Jahr den Spiess umdrehen und sich ge-
                                                                  mütlich auf Parkplätzen vergnügen kann.
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Verkehrsspirale Klima- und Verkehrspolitik sind leider wenig konsequent. Darum landet man, wie in einer Spirale, oft da, wo man schon mal war ...
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                         Ferien auf dem Parkplatz

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                         sh. Ferien auf dem Campingplatz waren diesen Sommer coronabedingt ja besonders en vogue.
                         Dabei dürfte einigen aufgefallen sein, dass der Traum vom Zelt in der wilden Natur auf den meisten

R
                         Zeltplätzen nicht erfüllt wird. Vielmehr macht man Ferien auf einem Parkplatz. Nicht selten halten
                         sich Camper auf kleinen Flächen zwischen ihren Autos oder Wohnmobilen auf. Anstatt einer traum-
                         haften Aussicht auf eine unberührte Landschaft endet der Blick meistens an der nächsten Autotür.
                         Offenbar sehnen sich einige aber dermassen nach Ferien im Auto, dass sie sich sogar ein Zelt im

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                         Autolook anschaffen.

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 Tiefgang

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 sh. Der Gang in den Untergrund ist häufig der letzte Weg gegen Unterdrückung. Auf einem solchen
 Tiefgang befindet sich der Autoverkehr momentan weltweit. Von New York bis Singapur tyrannisieren
 Verkehrsplaner und Städtebauer die armen Vierräder und verbannen sie aus dem öffentlichen Leben.
 Dem Verlierer der modernen Zivilisation – dem Autoverkehr – droht der Absturz in die dunkle Unter-
 welt. Ein Licht am Ende des Tunnels ist nicht ersichtlich. Wir freuen uns über den wiedergewonnenen
 Platz und nutzen ihn vielfältig.
Verkehrsspirale Klima- und Verkehrspolitik sind leider wenig konsequent. Darum landet man, wie in einer Spirale, oft da, wo man schon mal war ...
10   Klimaschutz                   umverkehRen September 2021

     Lausanne und Genf setzen auf
     Klimaneutralität
     Der im August erschienene Bericht des Weltklimarats warnt vor den verheerenden Folgen des Klimawandels.
     Weltweit sind viele Städte entschlossen, das Schlimmste zu verhindern – durch Klimapläne. Was können und
     sollen solche Pläne in Lausanne und Genf bewirken? Andrea von Maltitz

     2021 veröffentlichten die Stadt Lausanne       die Stadtbewohnenden erreichen, denn         stimmten Achsen vorsieht. Zwar verfügt
     und der Kanton Genf ehrgeizige Klima-          innerhalb des Tarifverbunds Mobilis dürfte   die Waadtländer Hauptstadt über eine
     pläne. Bei beiden geht es darum, den           es sonst starken Widerstand gegen diese      grosse Autonomie im Verkehrsbereich,
     Ausstoss an klimaschädlichen Gasen bis         Massnahme geben.                             doch bleibt abzuwarten, wie der Kanton
     2030/40 drastisch zu verringern. Das be-                                                    und die umliegenden Gemeinden auf die-
     trifft v.a. den motorisierten Individualver-   Viel guter Wille, aber einige                sen noch zu erarbeitenden Verkehrsplan
     kehr, der in Lausanne bis 2030 halbiert        Unbekannte in Lausanne                       reagieren werden.
     werden soll. Erste Schritte wurden bereits     Bei der neuen Politik kommt den Stadt-
     während der Pandemie unternommen: So           behörden entgegen, dass heute bereits        Der Genfer Klimaplan und
     wurden fast 700 Parkplätze aufgehoben,         46 % der Haushalte über kein Auto verfü-     die Grenzen der Freiwilligkeit
     rund 7,5 Kilometer Veloweg geschaffen          gen – Tendenz steigend. Statt nach brei-     Der neue Klimaplan des Kantons geht von
     und etliche Strassen umgestaltet. Der um-      ten Autoschnellstrassen und vielen Park-     einer Senkung der Treibhausgase um 60 %
     weltfreundlichere öffentliche Verkehr soll     plätzen sehnen sich viele Menschen nach      bis 2030 aus. Oder anders ausgedrückt:
     bis zum Jahr 2030 um mehr als 40 % zu-         sicheren Velowegen, breiteren Trottoirs,     Statt heute 11 Tonnen CO2 soll jeder
     nehmen – dank um 50 % verbilligte Abonne-      um dort spazieren zu können, und Plätzen,    Genfer im Jahr 2030 nur noch 3,5 Tonnen
     ments für Kinder, Jugendliche, Sozialhilfe-    die zum Flanieren und Verweilen einladen.    ausstossen. Um den ökologischen Wandel
     bezügerInnen und Ältere, und dank ver-         Der Transitverkehr soll aus der Stadt ver-   innerhalb der nächsten 10 Jahre zu errei-
     bessertem Takt. Wahrscheinlich wird die        bannt werden. Dies dank eines neuen          chen, will der Kanton 6 Milliarden Franken
     Stadt Lausanne die Verbilligung in einem       Verkehrsplans, der Geschwindigkeitsbe-       investieren.
     ersten Schritt nur mittels Subventionen für    grenzungen und Beschränkung auf be-               Der Bereich der terrestrischen Mobi-
                                                                                                 lität ist in Genf für mehr als einen Viertel
                                                                                                 des CO2 -Ausstosses verantwortlich. Dank
                                                                                                 der Förderung des Velo- und Fussverkehrs
                                                                                                 und des Ausbaus des ÖV soll der Auto-
                                                                                                 verkehr um 40% abnehmen. Weitere Ver-
                                                                                                 billigungen des ÖV oder der Rückbau oder
                                                                                                 zumindest die Rückstellung von Strassen-
                                                                                                 ausbauten sind nicht vorgesehen. Die
                                                                                                 Frage stellt sich, ob eine Reduktion des
                                                                                                 Autoverkehrs, die nur auf Freiwilligkeit
                                                                                                 beruht, realistisch ist.
                                                                                                      Der Kanton will, dass 2030 der Fahr-
                                                                                                 zeugpark zu 40 % aus Elektrofahrzeugen
                                                                                                 besteht. Für den Ausbau der Elektrolade-
                                                                                                 stationen sollen v.a. die Gebäudebesitzer
                                                                                                 sorgen. Der Ersatz von privaten Diesel-
                                                                                                 oder Benziner Fahrzeugen durch elektri-
                                                                                                 sche oder mit Wasserstoff angetriebene
                                                                                                 löst das Problem des Platzbedarfs auf
                                                                                                 den Strassen aber nicht.
                                                                                                      Der Flughafen wurde übrigens erst auf
                                                                                                 Druck des Nachhaltigkeitsrats in den Plan
                                                                                                 einbezogen, allerdings nur mit dem Ziel
                                                                                                 einer Abnahme von weniger als 7 %.
                                                                                                 Das Fazit: Hehre Ziele, aber leider kaum
     In Genf wurden über 8000 Unterschriften gesammelt.                                          griffige Massnahmen.
                                                               Bild: Thibault Schneeberger
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Stadtklima-Initiativen                                                                                                                              11

Meilenstein für die Stadtklima-Initiativen
Die benötigten Unterschriften der Stadtklima-Initiativen von umverkehR in Basel, Zürich, Winterthur und Genf
sind beisammen. Nun können wir die Abstimmungskampagnen vorbereiten. Daniel Costantino und Andrea von Maltitz

«Kennen Sie die Doppelinitiative für mehr      bereitung einer Vorkampagne. Nachdem                  Ende Juni rief eine Aktion von vier
Grünräume mit Bäumen gegen die Hitze           die Unterschriftensammlung so reibungs-           Studentinnen die Initiative sympathisch
in der Stadt und mehr Platz für Fussgän-       los abgeschlossen werden konnte, sind             in Erinnerung: eine Pflanzenspirale be-
gerinnen, Velofahrende und den öffentli-       wir zuversichtlich, dass die Stadtklima-          grünte – leider nur kurzzeitig – den kahlen
chen Verkehr?». Diese Frage wurde in den       Initiativen auch bei den Regierungen und          Platz de Plainpalais im Zentrum des mo-
vergangenen Monaten in vier der sechs          im Parlament auf Anklang stossen und              dernen Genf. Die Passantinnen und Pas-
Stadtklima-Initiativen-Städten oft gestellt.   angenommen werden. Dann steht einem               santen bestaunten das Ereignis – und un-
Und – in der Regel wurde die Frage mit         erfolgreichen Abstimmungskampf nichts             terschrieben.
einem «ich finde das super und unter-           mehr im Weg.
schreibe gerne» beantwortet. Auch unser                                                          Nicht nur gegen zu viel Hitze
Aufruf, Unterschriftenbögen bei uns zu         Genf setzt auf die Unterstützung                  Apropos Wetter: beim Schreiben dieses
bestellen, wurde erhört. So sind die Un-       der Zivilgesellschaft                             Artikels trommelt der Regen gegen die
terschriften in Windeseile zusammenge-         Das Sammeln der Unterschriften in Genf            Fensterscheiben, Flüsse und Seen drohen
kommen – lange vor dem Ende der Sam-           war ein richtiges Bravourstück, mussten           über die Ufer zu treten und die Menschen
melfrist. Die Stadtklima-Initiativen von       doch 5400 Unterschriften in nur vier              wehren sich so gut wie möglich gegen
umverkehR geniessen eine grosse Sym-           Monaten gesammelt werden. Der Sammel-             die Naturgewalt. Klimaerwärmung heisst
pathie. Doch warum nur in vier der sechs       beginn am 1. Mai bei strömendem Regen             nicht nur grössere Hitze, sondern auch
Städte? In St. Gallen wurden die Unter-        war nicht gerade erfolgversprechend, doch         mehr und intensivere Niederschläge, Ge-
schriften bereits im letzten November          bereits zwei Monate nach Sammelbeginn             witter, Hagel, Stürme. Mit der teilweisen
eingereicht. Nachdem der Stadtrat die          war klar, dass wir das Ziel erreichen wer-        Entsiegelung des Strassenraumes, wie sie
Initiativen abgelehnt und zwei Gegen-          den – trotz miserablem Wetter und Som-            die Initiativen verlangen, wird auch die so-
vorschläge vorgelegt hat, sind wir aktuell     mer ferien. Geklappt hat es dank einer            genannte «Schwammstadt» gefördert: der
im Austausch mit den Komiteemitglie-           sorgfältig geplanten Organisation der Ver-        entsiegelte Boden kann Wasser besser
dern und Vertretern des Parlaments. Der        sände unserer «Partnerorganisationen» Pro         aufnehmen und speichern. Wasser, das
Parlamentsentscheid fällt voraussichtlich      Velo, VCS, Pro Natura sowie der Grünen,           während Trockenperioden dringend be-
noch im September.                             der SP und der Grünliberalen. Tatkräftige         nötigt wird. Wir hoffen, dass die Städte
     In Bern hat sich die Lancierung ver-      Hilfe erhielten wir auch von einem halben         den Weitblick haben und die Chancen
zögert, sie wurde auf den nächsten Früh-       Dutzend Quartiervereinen. Alle erfüllten          dieser cleveren Initiativen nutzen. Für die
ling verschoben. Unsere Partnerin «Läbigi      ihre angekündigte Sammelquote (und                Menschen in den Städten bringen die Ini-
Stadt» ist derzeit in der Planung und Vor-     mehr).                                            tiativen definitiv mehr Lebensqualität.

                                                                                   Blumeninstallation auf der Plaine de Plainpalais in Genf.
                                                             Bilder: Pablo Silva
Fokus

                                 Verkehrssprache – verkehrte
                                 Sprache?
                                 Sprache ist mehr als ein Kommuni-
                                 kationsmittel. Sie leitet hinter-
                                 gründig auch unser Denken und
                                 Handeln an.
                                 Das Wort «Mobilität» ist eng mit
                                 der Vorstellung von Freiheit
                                 verbunden und blendet aus, dass
                                 man auch frei sein kann, ohne
                                 mobil zu sein. Wörter wie «Ver-
                                 kehrsflut» und «Verkehrsinsel»
                                 verraten, dass wir Verkehr als
                                 Fluss, als Naturphänomen wahr-
                                 nehmen. Dies hat Folgen …
                                 An einer Tagung am 19. November
                                 2021 in Bern werden Erkenntnisse
                                 aus der Linguistik mit Interes-
                                 sierten aus der Praxis diskutiert.
                                 Könnten neue Wörter neue Wege
                                 in der Verkehrspolitik aufzeigen?
                                 Weitere Informationen:
                                 https://diktum.ch/tagung-
                                 sprachkompass

                                 Agenda

                                 Fr 19. November 2021
                                 Verkehrssprache – verkehrte
                                 Sprache?
                                 Sprache ist mehr als ein Kommu-
                                 nikationsmittel (s. Fokus oben).
                                 Unitobler, Mittelstrasse 43,
                                 3012 Bern. Teilnahme kostenlos –
Wenn Verkehr ein Fluss ist,      Anmeldung obligatorisch:
                                 diktum.ch/tagung-sprachkompass
dann ist er eine Naturkraft,     Mo 29. November 2021
die nicht zu hinterfragen ist.   8.30 – 17.00 Uhr
                                 Mobilität neu denken:
Dass er von uns verursacht       Nationale Mobilitätskonferenz
                                 Veranstaltung des Bundesamtes

ist, wird unsichtbar. Flüsse     für Raumentwicklung ARE in Bern
                                 und digital (vor Ort: CHF 150.–,
                                 online: CHF 50.–).
folgen der Schwerkraft –         www.are.admin.ch/are/de/home/
                                 mobilitaet/strategie-und-planung/
nicht aber der Verkehrsfluss!    mobilitaet.html

Die Metapher verdeckt, dass
Verkehr Treibstoffe ver-
schlingt und Abgase erzeugt.
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