Viel investiert, wenig umgesetzt - Ostseebad Nienhagen
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Ostsee-Zeitung, 07.Oktober 2021, S.12 Viel investiert, wenig umgesetzt Mehr als 500 000 Euro hat das Ostseebad Nienhagen in den vergangenen Jahren für Pläne und Konzepte ausgegeben / Nur ein Bruchteil der Projekte wurde bislang realisiert Von Lennart Plottke Wolfgang Lange (BIG) Uwe Kahl (CDU), Gemeindevertreter Bürgermeister Nienhagen Nienhagen FOTOS: Sabine Hügelland Nienhagen. Ausbau des Europäischen Radwanderweges E 9, Wasserwanderrastplatz am Strand, Strandversorgung, Mehrzweckhalle, Kita-Anbau: Diese Großprojekte sollen im Ostseebad Nienhagen seit Jahren oder gar Jahrzehnten umgesetzt werden. In den meisten dieser prominenten Fällen ist die Gemeinde bislang allerdings nicht über eine Planung hinausgekommen – der Wasserwanderrastplatz, die Mehrzweckhalle und zuletzt auch der Kita-Anbau wurden nach vielen Sitzungen, Debatten und gescheiterten Neuanfängen sogar ganz von der Prioritätenliste gestrichen. Was neben dem Imageverlust für die Entscheidungsträger erschwerend hinzukommt: Das Ostseebad hat bei diesen gescheiterten Vorhaben bislang mehr als 500 000 Euro Planungskosten verbrannt. „Mir wird schwindelig, wie wir in unserer Gemeinde mit Geld umgehen“, sagt etwa Gemeindevertreter und BIG-Sprecher Wolfgang Lange. „Dabei gibt es genug zu tun – aber Projekte wie mögliche Themenstrände, eine Erweiterung des Freizeitzentrums oder eine Verbesserung des Friedhofes werden immer wieder weggeräumt. In den vergangenen anderthalb Jahren ist hier nicht viel passiert.“ Kita-Anbau Der lange geplante Anbau an die Kita „Waldgeister“ in Nienhagen ist vom Tisch – jetzt soll im Ostseebad eine Planung nach dem tatsächlichen Platzbedarf erfolgen und ein adäquates Grundstück für einen kompletten Neubau beschafft werden. Um den aktuellen Bedarf vor allem an Krippenplätzen zu decken, könnten sogenannte Module auf dem Kita-Gelände aufgebaut werden. Sie sollen „zeitnah“ für eine vorübergehende Erweiterung der Räumlichkeiten sorgen. Auf diese Vorgehensweise hatten sich in der vergangenen Woche die Gemeindevertreter nach hitziger Debatte mit einer knappen Stimmenmehrheit von CDU und SPD geeinigt. Der eigentlich im Hauptausschuss mehrheitlich vorbereitete Kompromiss, wonach das Anbauprojekt doch noch fortgeführt werden sollte, wurde kurzerhand über den Haufen geworfen. Auch, weil die Gemeinde „vom Amt nicht immer richtig beraten wurde“, macht Bürgermeister Uwe Kahl (CDU) deutlich. „Vielleicht lag es aber auch an unserem eine Woche zuvor gestellten Antrag, die Ereignisse unabhängig prüfen und klären zu lassen und rechtliche Schritte einzuleiten“, mutmaßt Wolfgang Lange. Sieben von zwölf Gemeindevertretern hatten diesem Antrag zugestimmt – insbesondere soll hier die Rolle des Bauamtes Bad Doberan-Land, des Bürgermeisters sowie des Geschäftsführers der Planungsfirma geprüft werden. „Das war wohl taktisch unklug“, so Lange. „Denn wenn die Gemeinde den Anbau jetzt doch nicht in Angriff nimmt, ist ja auch niemand mehr
schuld.“ Der finanzielle Schaden für das Ostseebad sei dennoch groß, machte Wolfgang Lange deutlich: „Die 250 000 Euro Planungskosten sind einfach weg – da bleiben uns ein paar leere Aktenordner, mehr nicht.“ Wasserwanderrastplatz Bootshafen am Strand: Große Projekte, die in Nienhagen nicht umgesetzt wurden. Entwurf: Haie Jann Krause/INROS Lackner SE Zu viele Auflagen, zu teuer – zu unrealistisch: Im Frühjahr 2019 waren die hochgesteckten Pläne für einen Wasserwanderrastplatz am Nienhäger Strand endgültig vom Tisch. Vor allem aus naturschutz- und umweltrechtlichen Gründen. Kosten für ein Gutachten zur Machbarkeit: 20 000 Euro. Gut drei Jahre wurde im Ostseebad über einen Wasserwanderrastplatz mit 80 Liegeplätzen sowie Bootsverleih und Surfschule diskutiert – viel mehr als jede Menge Studien und theoretische Pläne gab es aber nicht. Teil zwei des ambitionierten Projektes soll dennoch in die Tat umgesetzt werden. Für eine Strandverbreitung ist an der Nienhäger Küste der Bau von zwölf neuen Buhnen geplant. „Wir haben vom Wirtschaftsministerium die Zusage, dass dieses Vorhaben auch ohne Wasserwanderrastplatz förderfähig ist“, sagt Bürgermeister Uwe Kahl (CDU). Nach Langes Auffassung eine Feheinschätzung: „Das ist eine Krücke – ich glaube nicht, dass das was wird.“ Denn der Buhnenbau sei nur mit Fördermitteln möglich: „Die kommen aber garantiert nicht.“ Eine entsprechende Vorplanung sei aktuell dennoch in Planung – für rund 20 000 Euro. Strandversorgung Nicht umgesetzt: Strandversorgung mit Restaurant und Dachterrasse Entwurf: Scanhaus Marlow Zu Beginn dieses Jahres haben Nienhagens Gemeindevertreter nach jahrelangen Debatten dem Bau einer Strandversorgung an der Promenade zugestimmt. Nachdem Scanhaus-Chef Friedemann Kunz mit seinen Plänen eines Selbstbedienungsrestaurants inklusive Dachterrasse gescheitert war und sich im Frühjahr 2014 komplett vom Projekt zurückzog, war in der Gemeinde eine grundsätzliche Debatte über den Umgang mit dem Grundstück in Toplage entbrannt. „Hier hat die Gemeinde ganz groß geplant, weil man das ganz große Geld verdienen wollte“, meint Wolfgang Lange. „Warum investiert man an diesem Standort in eine Gaststätte? So wurden satte 106 000 Euro in den Sand gesetzt.“ Die
BIG habe immer gesagt, dass es eine deutlich kleinere Variante auch tun würde, so Lange: „Und genau das wird jetzt umgesetzt.“ In den kommenden Monaten entsteht an der Promenade ein Haus in Holzkonstruktion, das einen Imbiss und Kiosk, ein Büro für die Strandkorbgenossenschaft und auch öffentliche Toiletten beherbergt. Aktuell avisierte Kosten: rund 450 000 Euro. Dann soll auch die bisherige Containerlösung für öffentliche Toiletten verschwinden. „Übernächste Woche wird der Boden für die Arbeiten an der Sohle ausgehoben, parallel werden in der Holzfabrik die Wände gebaut“, blickt Bürgermeister Kahl voraus. „Im kommenden Frühjahr können wir die neue Strandversorgung eröffnen. Radwanderweg E 9 Soll schon seit Jahren erneuert werden: Der Radweg E9 in Nienhagen, hier Richtung Elmenhorst, FOTO: Sabine Hügelland Zu einer unendlichen Geschichte entwickeln sich auch Nienhagens Bemühungen, den europäischen Rad- und Wanderweg zu erneuern. Bereits 2004 hatte das Ostseebad erstmals Fördermittel für eine umfassende Sanierung beantragt. „Das ist jetzt unfassbare 17 Jahre her“, sagt Kahl. In der Folge waren weitere Anträge notwendig, weil sich die Förderbedingungen und mit Blick auf die Ministerien auch die Zuständigkeiten immer wieder geändert hatten. „70 000 Euro haben wir dafür in den vergangenen Jahren schon ausgegeben“, so Kahl. „Deshalb haben wir die Problematik selbst in die Hand genommen.“ So wurde etwa der besonders in Mitleidenschaft gezogene Abschnitt zwischen der Treppe am Technopark und der Ortsgrenze zu Elmenhorst erneuert, besonders löchrige Stellen im Gespensterwald wurden durch den Bauhof ausgebessert. Für Wolfgang Lange sind auch das hausgemachte Probleme: „Die Modernisierung dieses Küstenradweges ist Landes- und Europasache – die 70 000 Euro für die Planung und weitere 35 000 Euro für die Vermessung hätten wir uns sparen können.“ Auch in diesem Fall werde jetzt das umgesetzt, was die BIG schon seit Längerem vorschlage, so Lange: „Selber machen – ist günstiger.“ Das grundsätzliche Problem bleibe aber, meint Nienhagens Gemeindevertreter: „Über viele wesentliche Pläne und Projekte wird einfach nicht öffentlich gesprochen und gemeinsam diskutiert – es gibt in der Gemeindevertretung eine Stimmenmehrheit, mit der die meisten strittigen Themen ohne große Debatten durchgesetzt werden.“ Quelle: Ostsee-Zeitung, 07.Oktober 2021, Autor: Lennart Plottke, Fotos: Sabine Hügelland
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