Vier Denkanstöße auf der TED2018

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Vier Denkanstöße auf der TED2018
Innovation

         Vier Denkanstöße auf der TED2018
  Bei der TED-Konferenz 2018 ging es um die Zukunft der künstlichen Intelligenz,
     das Schicksal der Menschheit, Stadtplanung und das Audacious-Project.

Von Sara Armbruster, Steelcase Vice President, Strategy, Research and Digital Transformation

Achtzehn Minuten. Das heißt, es bleiben Ihnen umgerechnet nur 1080 Sekunden, um das Publikum in Ihren Bann zu
ziehen und zu inspirieren. Unter dem Motto „The Age of Amazement“ bot die TED in diesem Jahr einen Blick hinter die
Kulissen faszinierender künstlicher Intelligenz, präsentierte beeindruckende neue Formen von Kreativität und erteilte
mutigen Befürwortern eines radikalen sozialen Wandels das Wort. Als Steelcase Vice President für den Bereich Strategy,
Research and Digital Transformation saß auch ich in Vancouver im Publikum. Im Laufe der Konferenz kristallisierten sich
einige zentrale Themen heraus.

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

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Es überrascht nicht, dass eines dieser Themen die künstliche Intelligenz war. Demonstrationen spektakulärer Technologien
gehörten schon immer zur TED dazu und das war auch in diesem Jahr nicht anders. Der Google-Ingenieur Supasorn
Suwajanakorn zeigte beispielsweise unglaublich realistische Videos von Reden des ehemaligen US-Präsidenten Barack
Obama, die allein durch den Einsatz künstlicher Intelligenz entstanden sind (siehe „Synthesizing Barack Obama“).

In diesem Jahr ging es aber nicht nur um künstliche Intelligenz an sich, sondern vielmehr auch darum, welche Rolle sie in
unserer Gesellschaft spielen sollte. Die Videos von Suwajanakorn warfen die Frage auf, wie wir künftig zwischen Wahrheit
und Lüge unterscheiden können, wenn es künstliche Intelligenz ermöglicht, realistisch erscheinende Videos,
Audioaufnahmen und Bilder zu erzeugen. Yuval Noah Harari stellte sich die Frage, ob künstliche Intelligenz eine
Bedrohung für die Demokratie darstellt. Wenn Informationen in den Händen einiger weniger gebündelt sind, könnten dann
nicht Formen künstlicher Intelligenz erschaffen werden, die uns so gut kennen, dass sie uns, unsere Ansichten und
Gefühle manipulieren können, ohne dass wir es merken? Angesichts der jüngsten Debatten rund um die Rolle der sozialen
Medien in unserer Gesellschaft ist die Frage, wie wir es vermeiden, uns von jenen, die Daten kontrollieren, manipulieren zu
lassen, brandaktuell.

Laniers Lösung für die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Kontrolle von Daten liegt darin, die Zeiger
zurückzudrehen. Seiner Meinung nach bestand der größte Fehler im Zuge der Entwicklung des modernen Internets darin,
es als kostenlose und öffentliche Serviceleistung anzubieten. Die einzige Möglichkeit eines kostenlosen und öffentlichen
Internets, das dennoch tragfähige Geschäftsmodelle zulässt, liegt in der Anwendung des Werbemodells. Wir erhalten
kostenlos Zugang zum Internet. Im Gegenzug nutzen Technikunternehmen unsere Daten für die zielgerichtete Platzierung
von Werbeanzeigen. Lanier zufolge ist aus der Werbung der 90er Jahre mittlerweile eine Verhaltensmodifizierung im ganz
großen Stil geworden, die seiner Meinung nach eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellt, wie wir sie kennen. Er
schlägt daher ein Bezahlmodell für die Online-Suche, soziale Medien und andere Webtools vor. Das Fernsehen könne hier
als Vorbild dienen, da nach der Meinung vieler Nutzer Bezahlmodelle wie Netflix und HBO die besten Inhalte lieferten.

Cesar Hidalgo vom MIT ging in Sachen künstlicher Intelligenz und ihrer Rolle in unserer Gesellschaft sogar noch einen
Schritt weiter. Er stellt sich die Frage, ob künstliche Intelligenz nicht auch zur Automatisierung der politischen Teilhabe
eingesetzt werden könne. Hidalgo beklagt die äußerst schlechte Benutzerschnittstelle der repräsentativen Demokratie.
Konkret heißt das, wir nutzen sie nicht so häufig, wie wir eigentlich könnten. Was, wenn die Zukunft in einer direkten
Demokratie läge, bei der alle Bürger über ihre individuellen KI-Stellvertreter an der Entscheidungsfindung beteiligt wären?
Diese Avatare würden uns so gut kennen, dass sie unsere Ansichten vertreten und in unserem Namen an Wahlen
teilnehmen könnten.

DAS ÜBERLEBEN DER MENSCHHEIT

Auch wenn die Zukunft der künstlichen Intelligenz und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft genug Stoff bieten, um uns
nachts wach zu halten, ging es noch um eine weitaus größere Frage: Wie sichern wir das Überleben der Menschheit?

Will MacAskill, Philosoph an der Universität Oxford, warb dafür, großen, lösbaren und vernachlässigten Problemen mit
effektivem Altruismus und Philanthropie zu begegnen. Ihm zufolge fallen darunter existenzielle, das menschliche
Überleben bedrohende Risiken wie etwa die Erderwärmung, Pandemien oder ein Atomkrieg.

Der Autor Charles Mann stellte die Sonderstellung des Menschen im Vergleich zu allen anderen Lebewesen infrage. Die
Argumentation vieler sei es, dass unsere Besonderheit auf unserer Fähigkeit gründet, kollektives Wissen aufzubauen und
gemeinschaftlich an der Lösung von Problemen zu arbeiten. Wenn dies der Fall sei, so Mann, nutzen wir unser Wissen
und unsere Fähigkeit zur Zusammenarbeit denn auch wirklich, um die Zukunft der Menschheit langfristig zu sichern?
Seiner Meinung nach gibt es für die Menschheit hier noch einiges zu tun.

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Die Ökonomin Kate Raworth zeigte auf, dass es in der Natur des Menschen liegt, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen.
Ob es nun der Drang eines Babys ist, erst sitzen, dann stehen und schließlich laufen zu können oder die Hoffnung der
Eltern, ihrem Kind ein besseres Leben zu ermöglichen – das unbändige Streben nach Wachstum ist uns Menschen
angeboren. Warum? Raworth zufolge sind unsere Volkswirtschaften und Lebensweisen auf unerschöpfliches Wachstum
angewiesen. Ob es das Streben eines Unternehmens nach mehr Umsatz, der Wunsch eines Landes, sein BIP zu steigern,
oder die Hoffnung eines Mitarbeiters auf eine Gehaltserhöhung ist – sie beschreibt dies als eine nicht tragfähige Sucht.
Raworth schlug vor, wie wir Volkswirtschaften schaffen können, die von Natur aus regenerativ und distributiv sind und
damit unserer strukturellen Abhängigkeit vom Wachstum ein Ende setzen.

Der Physiker Stephan Webb wagte schließlich einen Blick in die Sterne und auf all die wissenschaftlichen Arbeiten, die
nahelegen, dass anderswo im Universum Leben möglich ist, und stellte sich die Frage: „Wo sind denn alle anderen?“
Wenn es in unserem so weiten Universum noch andere Lebensformen gibt, warum haben wir sie bzw. sie uns noch nicht
gefunden? Auf Basis überzeugender Fakten und wissenschaftlicher Argumente ließ Webb uns an seiner Schlussfolgerung
teilhaben, dass wir seines Erachtens alleine sind. Wenn es neben uns Menschen kein anderes Leben im Rest des
Universums gibt, dann haben wir umso mehr Grund, uns mit den Fragen zu beschäftigen, die das Überleben der
Menschheit bedrohen.

STADTPLANUNG

Bei der diesjährigen TED-Konferenz ging es jedoch nicht ausschließlich um existenzielle Fragen. Auch Designer und
Künstler blieben nicht außen vor.

Der Architekt Vishaan Chakrabarti sprach ein Spannungsfeld an. Das Leben in der Stadt sei zwar am gesündesten für
unseren Planeten (Stadtbewohner verursachen nur einen Bruchteil der CO2-Emissionen derer, die in eher ländlichen
Gebieten leben), jedoch sei es von einer unheimlichen Eintönigkeit geprägt. Der Büro- oder Wohnungskomplex, der in
Ihrer Stadt gebaut wird, unterscheidet sich nur geringfügig von ähnlichen Hochhäusern, die anderswo in der Welt
hochgezogen werden. Chakrabarti stellte Ideen vor, wie sich florierende, nachhaltigere und glücklichere Städte gestalten
lassen.

Die Kuratorin Nora Atkinson sprach über das Burning Man Festival und zeigte anhand fantastischer Fotografien, was
möglich ist, wenn Menschen Kunst für sich selbst anstatt zur Befriedigung des Kunstmarktes schaffen. Der Ingenieur und
Brückenbauer Ian Firth ließ das Thema Bautechnik für mich in einem gänzlich neuen Licht erscheinen und zeigte
Aufnahmen von Brücken überall auf der Welt, die mir den Atem raubten.

DAS AUDACIOUS-PROJECT

Zu guter Letzt wurde auf der TED eine Initiative mit dem Namen The Audacious-Project vorgestellt. Bei dieser Initiative
geht es darum, konkrete Fortschritte bei Themen zu erzielen, die immer wieder auf TED-Konferenzen aufkommen. Das
Audacious-Project Team hat sich verschiedene Ideen zur Lösung großer Probleme genauer angeschaut und mit einer
Gruppe von Philanthropen zusammengearbeitet, um die Projekte mit den besten Plänen und Erfolgsaussichten zu
ermitteln. Die TED-Organisation stellt zusammen mit der TED-Community und dem TED-Netzwerk enorme Summen für
diese Projekte bereit. Bisher sind bereits 406 Millionen US-Dollar zusammengekommen. Das ist Philanthropie in ganz
großem Stil!

Die Gründer und Leiter der fünf Pilotprojekte stellten ihre Ideen vor, die mich allesamt begeisterten. Hier eine Übersicht
über die fünf Pilotprojekte:

   GirlTrek ist die größte Non-Profit-Organisation für afroamerikanische Frauen und Mädchen im Gesundheitsbereich in
   den USA. In einem Land, in dem 50 % der afroamerikanischen Frauen fettleibig sind und in erschreckendem Maße
   vorzeitig sterben, animiert GirlTrek Frauen zum sportlichen Gehen – ein erster Schritt hin zu gesünderen

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Lebensweisen, Familien und Gemeinschaften. Mit der Unterstützung der TED möchte GirlTrek 10.000 freiwillige Helfer
   mobilisieren und ausbilden, die dann wiederum GirlTrek Ortsvertretungen gründen.
   Caroline Harper von Sightsavers setzt sich für sehbehinderte Menschen ein. Sie berichtete von ihrem Vorhaben einer
   großangelegten Bekämpfung der Augenerkrankung Trachom – einer schmerzhaften Infektion, die zur Erblindung führt,
   jedoch mit einfachen Maßnahmen behandelt oder vermieden werden kann – durch die gezielte Ausbildung von
   Community Health Workers in einer Handvoll afrikanischer Länder.
   Im Namen des Environmental Defense Fund kündigte der Vorsitzende Fred Krupp an, die Gelder aus dem Audacious-
   Project zur Verhinderung von Methanaustritt aus verschiedensten Quellen und damit zur Bekämpfung des
   Klimawandels zu verwenden.
   Die Meeresforscherin Heidi M. Sosik und die Woods Hole Oceanographic Institution erhalten Gelder zu Erforschung
   und Bewahrung einer einzigartigen Meeresschicht, die auch als Twilight-Zone bekannt ist. Nicht nur die Arbeiten an
   sich sind beeindruckend. Sosik zeigte überdies faszinierende, wenngleich auch etwas gruselig anmutende,
   Aufnahmen von Kreaturen, die weit, weit unten im Meer leben.
   The Bail Project | Poverty is not a crime und Robin Steinberg öffneten uns die Augen für das, was sie ein außer
   Kontrolle geratenes US-amerikanisches Kautionssystem nennt. Das Mittel der Kaution wurde zwar vor Jahrhunderten
   für einen ganz konkreten Zweck eingeführt, so Steinberg, hat sich jedoch inzwischen zu etwas völlig anderem
   gewandelt: einem zweistufigen US-amerikanischen Rechtssystem, in dem diejenigen, die sich eine Kaution nicht
   leisten können, inhaftiert werden. Mit dem Bail Project sollen das geldbasierte Kautionssystem ausgehebelt und die
   Masseninhaftierung bekämpft werden.

Mehr über diese inspirierenden Menschen und Projekte erfahren Sie im Rahmen des Audacious-Project auf der TED-
Website.

Ein TED Talk war auch der Ursprung für eine der neuesten Steelcase Innovationen. Lesen Sie mehr darüber in unserem
Beitrag Steelcase enthüllt limitierte TED-Sonderedition von SILQ.

Sara Armbruster ist Steelcase Vice President für den Bereich Strategy, Research and Digital Transformation. Sie arbeitet
bei wichtigen Initiativen eng mit den Steelcase Unternehmen zusammen und überwacht den
Strategieentwicklungsprozess. Darüber hinaus leitet sie die gesamte Unternehmensentwicklung. Sie verantwortet die
Design-Forschung bei Steelcase, in deren Fokus das Nutzerverständnis, die Veränderung von Arbeitsmustern und der
Einfluss neuer Technologien am Arbeitsplatz stehen – allesamt entscheidende Faktoren für neue Steelcase Innovationen.

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© 1996 - 2018 Steelcase ist der weltweit führende Spezialist für Büro-, Hochschul- sowie Krankenhauseinrichtungen und Experte für innovative
Raumlösungen. Unsere innovativen Produkte beruhen auf umfassenden Forschungsanstrengungen.

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