Virtual Reality bei der Stadtpolizei Zürich - Institut Suisse de ...

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VIRTUAL REALITY BEI DER STADTPOLIZEI ZÜRICH

Virtual Reality bei der Stadtpolizei Zürich

                                                  Christoph Altmann
                        Kommissariat Instruktion, Stadtpolizei Zürich

                                                 Andreas Capeder
                              Human Ressources, Stadtpolizei Zürich

Zusammenfassung
Bei der Beschaffung eines Ersatzes für das Schiess-     seiner Vorteile sehr gut ergänzen kann. Mit VR-Trai-
kino der Stadtpolizei Zürich wurde man mit der          nings können schwierige und aussergewöhnliche
neuartigen Technologie Virtual Reality (VR) kon-        Einsätze geschult und Mitarbeitende an der Front
frontiert, in der man grosses Potential erkannte.       in praktischer Trainingsarbeit bestmöglich auf ihren
Deshalb wurde ein Projektteam beauftragt, in Zu-        Echteinsatz vorbereitet werden. Einen der auffälligs-
sammenarbeit mit einer privaten Firma und wis-          ten Vorteile stellen die im Vergleich zu herkömmli-
senschaftlich begleitet durch zwei Universitäten        chen Lehrmethoden höheren Lerneffekte dar, wel-
ein Einsatztrainingsszenario in einem VR-System         che durch virtuelles oder simuliertes Learning by
zu entwickeln. Dieses Szenario sollte aufzeigen,        doing sowie dank der besseren Visualisierungsmög-
ob und inwiefern VR für das Polizeieinsatztrai-         lichkeiten von VR erreicht werden. Darüber hinaus
ning einen Mehrwert darstellt. Als Ergebnis kann        können derartige Lösungen mit relativ geringen Kos-
festgehalten werden, dass VR derzeit das «echte         ten implementiert werden.
Training» noch nicht ersetzen, es jedoch aufgrund

1. Einleitung                                           einer intensiven Evaluierungsphase inklusive Test
Als Virtual Reality (virtuelle Realität, VR) wird die   von verschiedenen Systemen, entschied sich die
Darstellung und gleichzeitige Wahrnehmung der           Geschäftsleitung der Stadtpolizei Zürich zum einen
Wirklichkeit und ihrer physikalischen Eigenschaften     für den Kauf eines Occasionsmodells des Einsatz-
bezeichnet. Dies geschieht in einer vom Computer        trainingssimulators (ETS) VirTra 300 als Ersatz für das
in Echtzeit generierten, interaktiven, virtuellen Um-   Schiesskino und zum anderen für die Investition in
gebung. Die neuste Technik im Bereich VR ist viel-      ein Entwicklungsprojekt in Zusammenarbeit mit der
versprechend und wird neue Möglichkeiten in der         Firma Refense AG. Letzteres hat zum Ziel, Nutzen
virtuellen Welt in Form einer gesteigerten Immersion    und Möglichkeiten der VR-Technologie im Polizei-
bieten können. Unter anderem wird es möglich sein,      alltag (Training, Einsatz) zu erkennen, ein geeigne-
freie Beweglichkeit, Interaktion mit virtuellen und     tes Szenario für die Polizei auszuarbeiten, die Taug-
reellen Menschen sowie originalgetreue Darstellung      lichkeit von VR bei der Polizei durch repräsentative
von Topographie und Infrastruktur für taktische Ein-    Ausbildungssequenzen zu prüfen und Grundlagen
sätze und Führungstätigkeiten zu simulieren.            für ein allfälliges Folgeprojekt (finanzielle Auswir-
   Das Schiesskino der Stadtpolizei Zürich, welches     kungen, Möglichkeiten etc.) zu schaffen. Als Nutzen
bis zum Jahr 2019 im Einsatz war, wird den heutigen     davon versprach man sich, eine neue Technik für die
technischen Anforderungen sowie der vernetzten          Polizei, eine neue Ausbildungsmethodik/Arbeitswei-
Ausbildung nicht mehr gerecht. Aus diesem Grund         se, die Erweiterung der vorhandenen Möglichkeiten
wurde nach einer neuen Simulationsanlage für die        mit VR und eine Gesamtübersicht über den Aus-
Polizeiausbildung gesucht. Im Februar 2020, nach        und Weiterbildungsaufwand (Ist-Soll-Zustand).

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                2. Wissenschaftliche Grundlagen                         Gestaltung und Umsetzung eines optimalen VR-Sze-
                Beim Einsatz von VR-Technologie stehen die Wirk-        nario-Trainings herleiten:
                samkeit und die Effektivität im besonderen Interesse    • Gestaltung der virtuellen Welt – realitätsnahe
                der Stadtpolizei Zürich. Durch das Entwicklungs-            Aufgabenstellungen und Herausforderungen (Si-
                projekt will die Stadtpolizei Zürich erfahren, welche       tuiertheit/Authentizität)
                Kompetenzen im Polizeibereich mit dieser neuen              Je anschaulicher, umfassender und realitätsnäher
                Technologie trainiert werden können, und welchen        die Trainingsinhalte und Trainingssituationen gestal-
                Mehrwert sie ihr bringt. Ausserdem stellt sich die      tet sind und je mehr sie den Arbeitsumgebungen
                Frage, wie die Trainingsumgebung gestaltet werden       und Anforderungen entsprechen, desto grösser ist
                muss, damit ein nachhaltiger Trainingserfolg bei den    der Trainingserfolg (Kauffeld, 2016).
                Polizisten/-innen erzielt wird.                         • Interaktivität und Aktivierung
                                                                            Interaktivität in Trainingssituationen fördert das Ler-
              2.1 Zusammenarbeit mit dem Forschungsprojekt              nen und das Engagement. Durch ein aktives Handeln
              SHOTPROS                                                  kann Lernen stattfinden und das Verstehen von kom-
              Durch neue Bedrohungs- und Risikoszenarien der            plexen Konzepten wird gefördert (Kauffeld, 2016).
              letzten Jahre haben sich die Herausforderungen            • Sensorisches Feedback und Ergänzung durch An-
              an die Polizei verändert. Streifenpolizisten/-innen           leitung
                                          können sehr schnell in            Sensorische Feedbacks haben einen entschei-
  Für die Lösung einer [...] kriti- eine bedrohliche und kri-           denden Einfluss auf die Motivation und den Trai-
schen Situation ist die Fähigkeit, tische Situation involviert          ningserfolg (Mandl, Gruber & Renkl, 1995). Für
die richtige Entscheidung zu tref- werden. In einer solchen             die Gestaltung der Trainingsumgebung sehen Rau,
     fen, ein wesentlicher Faktor. Situation entsteht für sie           Niemöller und Berkemeier (2019) Folgendes vor: Es
                                          extremer Stress und Leis-     müssen definierte Ergebnisse vorhanden sein, also
              tungsdruck. Für die Lösung einer solchen kritischen       klare Trainingsziele, Anleitungen und Instruktionen,
              Situation ist die Fähigkeit, die richtige Entscheidung    Hintergrundinformationen durch Anleitung sowie
              zu treffen, ein wesentlicher Faktor.                      Übungen, die zur Reflexion anregen.
                  Das Forschungsprojekt SHOTPROS1 der Europä-           • Immersion und Präsenzerleben
              ischen Union widmet sich genau dieser Thematik                Immersion fördert die Fähigkeit, Situationen aus
              «Entscheiden und Handeln in Stress- und Hochrisiko-       der virtuellen Umgebung auf andere Kontexte zu
              situationen von europäischen Polizisten und Polizis-      übertragen. Slater et al. (1996) erforschten die Be-
              tinnen». Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde           ziehung zwischen Immersion, Präsenzerleben und
              ein innovatives Konzept entwickelt mit dem klaren         Leistung. Die Ergebnisse lassen einen Zusammen-
              Ziel, die polizeiliche Handlungsqualität zu verbes-       hang von Immersion und Präsenzerleben anneh-
              sern. Zudem hat es grosse Erfahrung bei der Mitent-       men. Erhöhte Immersion und erhöhte Lebendigkeit
              wicklung von VR-Technologie zur Leistungssteigerung       in der Darstellung der virtuellen Umgebung schei-
              bei Entscheidungen in kritischen Polizeieinsätzen.        nen zudem die Leistung zu verbessern. Cumming
                  Die Stadtpolizei Zürich hatte die Gelegenheit, für    und Bailenson (2016) haben in einer Meta-Analyse
              die wissenschaftliche Begleitung ihres Projekts mit       untersucht, welche immersiven Systemeigenschaf-
              der «Vrije Universiteit Amsterdam» und dem Aust-          ten den grössten Einfluss auf Präsenzerleben haben.
              rian Institute of Technology GmbH (AIT) aus dem           Entgegen einer allgemeinen Annahme hat die Gra-
              Projekt SHOTPROS zusammenzuarbeiten. Entspre-             fik- und Tonqualität einen geringen Einfluss auf das
              chend konnte die Stadtpolizei Zürich hinsichtlich         Präsenzerleben. Wichtiger für das Erleben von Prä-
              der begleitenden Evaluierung von Wirksamkeit, Trai-       senz ist das Sichtfeld, Stereoskopie und das Tracking.
              ningserlebnis und Effektivität sehr vom Know-how
              der genannten Partner profitieren.                        1   SHOTPROS ist ein Projekt, das durch das Forschungs- und In-
                                                                            novationsprogramm «Horizon 2020» (Fördervertrags Nr. 833672)
                                                                            der Europäischen Union finanziert wird. Ziel des Projekts ist es,
                2.2 Erfolgsfaktoren und Schlüsselelemente                   die Ausbildung von europäischen Polizisten/-innen zu verbessern.
                                                                            Am Projekt SHOTPROS sind diverse namhafte europäische Poli-
                Aus der Literatur lassen sich zusammenfassend fol-
                                                                            zeikorps und Universitäten beteiligt (s. auch https://shotpros.eu/,
                gende Erfolgsfaktoren und Schlüsselelemente für die         20.11.2020).

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• Feedback                                                einen Trainingsinhalt zu entwickeln, welcher sämt-
    Bei der Gestaltung von VR-Trainingsumgebungen         liche Projektziele erfüllt und die Leitfragen beant-
sollten direkte und nachträgliche Feedback-Mög-           wortet. Zeitgleich wurde ein praktischer Nutzen in
lichkeiten integriert werden (Rau, Niemöller & Be-        Form einer Ausbildungssequenz für möglichst viele
kemeier, 2019).                                           Polizisten/-innen angestrebt, bei der verschiedene
• Kohärenz                                                Nutzergruppen mit unterschiedlichstem Ausbil-
    Zusätzliche Grafiken, Wörter oder Sounds, die         dungsstand individuell und nachhaltig ausgebildet
für das Verständnis des Lerninhaltes nicht notwendig      werden können.
sind und nur dazu verwendet werden, ihn aufzupep-            Die Simulation sollte ausgehend von einer un-
pen, werden Seductive Details genannt. Übertragen         klaren Situation eine lebensbedrohliche Einsatzlage
auf VR-Lernumgebungen sollte darauf verzichtet            (Amok) entwickeln und in einer Erstsprechersituation
und dadurch Kohärenz eingehalten werden (Rau,             enden. Szenarien mit lebensbedrohlichen Einsatzla-
Niemöller & Berkemeier, 2019).                            gen sind in Echt-Szenarien sehr aufwändig, können
• Redundanz                                               normalerweise nicht unter realistischen Umständen
    Rau, Niemöller und Berkemeier (2019) be-              trainiert werden, sind aufgrund
schreiben, dass bei der Gestaltung von VR-Lern-           der Komplexität und des gros- Die Simulation sollte ausgehend
umgebungen nicht gleichzeitig gesprochener und            sen Aufwandes sehr wenig trai- von einer unklaren Situation eine
geschriebener Text verwendet werden sollte (Red-          nierbar und sind stressbelastend lebensbedrohliche Einsatzlage
undanzprinzip). Bei langen, komplexen Erklärungen         (die Wirkung der Immersion ist (Amok) entwickeln und in einer
sollten für eine bessere Übersicht zudem Schlüssel-       somit überprüfbar). Szenarien Erstsprechersituation enden.
wörter angezeigt werden.                                  mit Erstsprechersituationen sind
• Modalität                                               mit der aktuellen Technik nicht oder nur unrealistisch
    Das Prinzip der Modalität kann in der Gestaltung      trainierbar, erfordern flexible und individuelle Szena-
von VR-Lernumgebungen durch die Verwendung                rienabläufe, stellen hohe Anforderungen an die Inter-
von erklärenden Texten in gesprochener statt ge-          aktion und sind durch ungeübte Statisten/-innen im
schriebener Form berücksichtigt werden (Schmidt-          Real-Training nicht gut steuerbar und somit schlecht
Weigand, Kohnert, & Glowalla, 2010).                      trainierbar. Das VR-Training hingegen ermöglicht
• Kontiguität                                             Motion Capturing, weswegen auf die Entwicklung
    Die Grundlage für das Designprinzip der Kontigu-      der Auswertung und Nachbesprechung der Szenari-
ität bildet die Darstellung von zusammengehörigen         en, also dem sogenannten After Action Review, ein
Informationen in direkter räumlicher und zeitlicher       besonderes Augenmerk gelegt und Hoffnung in neue
Nähe (Rau, Niemöller & Berkemeier, 2019). Um ein          Möglichkeiten gesetzt wurden.
effektives Training zu gewährleisten, ist eine hohe          In Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei Thur-
strukturelle Genauigkeit in Form von hoher Detail-        gau, die ebenfalls an einer konkreten Umsetzung ei-
treue und physischer Übereinstimmung mit der Re-          nes VR-Projekts im Korps ist, lancierte die Stadtpoli-
alität nicht zwingend notwendig. Was entscheidend         zei Zürich einen nationalen Workshop zum Thema
ist für einen effektiven Transfer, ist die funktionelle   «Digitale Trainingssysteme». Zweck dieses Work-
Genauigkeit in Form von realistischen Darstellungen       shops war es, den Wissensstand im Bereich digitaler
der Aufgaben in der virtuellen Realität. Wichtig ist,     Trainingssysteme unter den Schweizer Polizeikorps
dass bei der Konstruktion einer Trainingsumgebung         abzugleichen, sich darüber auszutauschen und die
mit VR eine Aufgabenanalyse durchgeführt wird. So         verschiedenen Trainingssysteme sowie Anbieter von
kann sichergestellt werden, dass die Aufgabenanfor-       digitalen Trainingslösungen zu prüfen.
derungen realistisch in die VR-Trainingsumgebung             An diesen Workshop, welcher Ende Oktober
integriert werden können.                                 2019 durchgeführt wurde, wurden sämtliche Aus-
                                                          bildungsverantwortliche der Schweizer Polizeikorps
3. Umsetzung bei der Stadtpolizei Zürich                  sowie Teile der Anrainerstaaten eingeladen. Diverse
Für das Projekt «Einsatztrainingssimulator Virtual        in Europa führende Technologie-Unternehmen prä-
Reality» (ETSVR) galt es zusammen mit der Firma           sentierten an diesem Workshop ihre Produkte. Die
Refense AG und basierend auf deren Systemlösung           vielen Rückmeldungen von Fachpersonen und die

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                 neu gewonnenen Erkenntnisse von anderen Herstel-                     3.2 Wissenschaftliche Begleitung
                 lern halfen, die Ausrichtung des ETSVR-Projekts zu                   Über den oben erwähnten Workshop konnten Kon-
                 schärfen und die Anforderungen an die Simulation                     takte im In- und Ausland geknüpft werden, unter
                 zu verfeinern resp. anzupassen.                                      anderem zur Polizei Berlin, welche aktiv im Projekt
                                                                                      SHOTPROS mitarbeitet. Über diesen Kontakt ge-
                3.1 Ausbildungssequenz                                                lang der Stadtpolizei Zürich der Zugang zur «Vrije
                Aufgrund des positiven Projektverlaufs wurde fest-                    Universiteit Amsterdam» und dem AIT, welche sie
                gelegt, dass unmittelbar nach Projektabschluss eine                   während der praktischen Testphase des Projekts
                Ausbildungssequenz im ETSVR mit sämtlichen uni-                       wissenschaftlich begleiteten. Im Lead und die An-
                formierten, bewaffneten Einsatzkräften durchgeführt                   sprechpartnerin der Stadtpolizei Zürich war eine
                wird. Diese Ausbildungssequenz wurde in eine jähr-                    Doktorandin der «Vrije Universiteit Amsterdam». Sie
                liche Fort- und Weiterbildungssequenz eingebettet                     begleitete die Fort- und Weiterbildungssequenz vor
                und umfasste rund 700 Teilnehmende.                                   Ort und erhob die quantitative Forschung. Das AIT
                   Es wurden täglich drei Gruppen à acht Personen                     befragte während der Ausbildungssequenz die Teil-
                geschult. Pro Arbeitsplatz standen jeweils 60 Minu-                   nehmenden wie auch die Ausbildenden und machte
                                           ten zur Verfügung, wobei                   somit die qualitativen Erhebungen.
  Im Lead und die Ansprechpart- man im ETSVR in 4er-                                     Folgende Forschungsfragen wurden in Zusam-
     nerin der Stadtpolizei Zürich Gruppen arbeitete. Für die                         menarbeit mit den Forschenden ausgearbeitet:
 war eine Doktorandin der «Vrije Vorbereitung und das An-                             • Wie lassen sich die Erfahrungen von Polizisten/
     Universiteit Amsterdam». Sie ziehen der VR-Ausrüstung                               -innen während des VR-Trainings mit den Erfah-
begleitete die Fort- und Weiterbil- standen pro Gruppe ma-                               rungen eines VirTra-Trainings in Hinblick auf die
 dungssequenz vor Ort und erhob ximal zehn Minuten zur                                   Komponenten «Stress», «Trainingseffekt und Nut-

       die quantitative Forschung. Verfügung. Der eigentli-                              zen der Trainingsmethode» und «subjektive Er-
                                           che      Übungsdurchlauf                      fahrung, Rezeption und Akzeptanz» vergleichen?
                dauerte pro Gruppe 20 Minuten, exkl. 5–10 Minuten                     • Wie wirken sich unterschiedliche Feedback-Opti-
                Nachbesprechung.                                                         onen in VR auf die Qualität der Lernerfahrung aus?
                   Für die Schulungssequenz wurde ein Mitarbeiten-                    • Wie wirkt sich das Hinzufügen eines Schmerzrei-
                der der Firma Refense AG sowie ein/-e am System                          zes (in Form eines milden elektrischen Schocks)
                ausgebildete/-r, nebenamtliche/-r Einsatztrainer/-in                     im VR- und VirTraTraining auf die Qualität der
                benötigt. Letztere bedienten das System (Steuerung                       Lernerfahrung und den erlebten Stress aus?
                des Szenarios) und führten die Ausbildungssequenz                     • Wie beurteilen Polizeitrainer/-innen den Einsatz
                in fachlicher Hinsicht. Für die Einführung eines Ein-                    des VR-Systems als Trainingsmethode?
                satztrainers oder einer Einsatztrainerin benötigt man                    Aussagen über den Realitätsgehalt des Trainings
                je nach Bedienungsgewandtheit etwa einen halben                       sowie die Stressbelastung waren für die Stadtpolizei
                Tag. Diesbezüglich konnten merkliche Unterschiede                     Zürich von grosser Bedeutung, da sie sich immer
                festgestellt werden.                                                  wieder mit der Frage befasst: «Wie muss trainiert

                               Zeit                           Gruppe A                         Gruppe B                       Gruppe C
                                                                                    Begrüssung aller Teilnehmenden
                           0700–0710
                                                                                        Einteilung der Gruppen
                           0715–0745                                                      Theorie Erstsprecher
                                                                                                                             Erstprecher
                           0815–0915                  Virtual Reality, Letzipark                 VirTra
                                                                                                                           Förrlibuckstrasse
                           0915–0945                                                             PAUSE
                                                            Erstprecher
                           0945–1045                                                    Virtual Reality, Letzipark              VirTra
                                                          Förrlibuckstrasse
                                                                                              Erstprecher
                            1115–1215                          VirTra                                                  Virtual Reality, Letzipark
                                                                                            Förrlibuckstrasse
                               1230                                                Schlussbesprechung und Entlassung
                 Abbildung 1: Einsatztrainingstage (ETT) 23

    46                                                                                                                             format magazine no 10
VIRTUAL REALITY BEI DER STADTPOLIZEI ZÜRICH

oder ausgebildet werden, damit der/die Polizist/-in           und Opfer etc. können je nach Niveau der Teil-
für den Ernsteinsatz bestmöglich vorbereitet ist?»            nehmenden individuell angepasst werden. Somit
    Allgemein anerkannt ist, dass ein an die Realität an-     kann auf sehr hohem Niveau trainiert werden.
gelehntes Training unter möglichst realistischen Stress-      Negative Erfahrungen hingegen wurden in fol-
bedingungen (neben Faktoren wie der Wiederholung            genden Bereichen gemacht:
von Lerninhalten etc.) die beste Vorbereitung für den       • Begrenzte Möglichkeiten in der Haptik (Finger-
eigentlichen Einsatz ist. Da die Stadtpolizei Zürich be-      und Einsatzmittel-Tracking)
reits im Besitz des neuen und modernsten ETS VirTra         • Fragile und teure Infrastruktur
300 ist, konnte sie diesen ebenfalls in diese Fort- und     • Echtheit (Fotorealismus fehlt)
Weiterbildung einbinden und einen Direktvergleich           • Akustik noch nicht optimal (Probleme in der
zwischen diesem System und dem ETSVR ziehen. Bei              Wahrnehmung distanzierter Geräusche)
der Forschung wurden nebst Befragungen auch Mes-            • Begrenztes Sichtfeld
sungen mit Brustgurt (Puls, Bewegungen) durchgeführt.
                                                                      Echt-Szenario                    VR-Szenario
4. Erkenntnisse, Weiterentwicklungsmöglichkei-               • Mind. 3 Ausbilder/            • Trainingsgelände (mehr-
                                                               -innen (ca. 20 Stunden          stöckiges Haus)
ten und Fazit                                                  Personalaufwand)              • 1 Ausbilder/-in (ca. 4
Die Forschungsresultate stehen noch aus, jedoch              • Schauspieler/-innen/            Stunden Personalauf-
können bereits aussagekräftige Feststellungen und              Markeure (ca. 35 Stun-          wand)
                                                               den Personalaufwand)          • 1 Betreuer/-in Technik
Erfahrungen zur Einsatztrainingsausbildung mit VR              – Hoher Materialauf-            (ca. 4 Stunden Personal-
aus polizeilicher Sicht gemacht werden. Positiv sind              wand                         aufwand)
                                                               – Equipment für
folgende Punkte festzuhalten:                                     Schauspieler/-innen        • Kein Materialaufwand
• Das Training ist zu allen Tageszeiten möglich.               – Equipment für die           • Trainingsgelände (VR-
                                                                  Teilnehmenden                Halle inkl. Equipment
• Es entstehen keine Immissionen.                              – Diverses Material für         15 m x 20 m)
• Gefährliche Situationen können ohne effektives                  Einrichtung
                                                               – Munition
   Risiko oder Verletzungsgefahr simuliert werden.
                                                            Abbildung 2: Material- und Personalaufwand eines Echt-Szenarios
• Es ist kein Trainingsgelände nötig.                       im Vergleich mit einem VR-Szenario im Bereich «lebensbedrohlichen
• Das benötigte Personal (Markeur, Instruktoren/            Einsatzlage»

   -innen etc.) kann weitgehend durch Non-Player-
   Charakter (NPC) ersetzt werden.                              Das Training mit VR bietet eine neuartige Aus-
• Trainieren ist unter realen Stressbedingungen             bildungsmethodik und ergänzt die bestehenden
   möglich, dank immersivem Erleben (hoher Echt-            Möglichkeiten. VR kann derzeit das «echte Training»
   heitsgrad) wie z. B. der Wahrnehmung von Ge-             noch nicht ersetzen, jedoch
   fahren etc.                                              aufgrund der Vorteile sehr gut
                                                                                              Das Training mit VR bietet eine
• Das System ist sehr zuverlässig (max. 15 Min. Sys-        ergänzen. Dank dieser Technik neuartige Ausbildungsmethodik
   temausfall während der gesamten Ausbildungsse-           ist die mehrfache Wiederho- und ergänzt die bestehenden
   quenzen).                                                lung von praktischen Lernin- Möglichkeiten. VR kann derzeit
• Es können Trainings durchgeführt werden, die in           halten ohne grossen Aufwand das «echte Training» noch nicht
   der realen Welt nicht umsetzbar sind (Parade-            möglich.                          ersetzen, jedoch aufgrund der
   platz/Bank).                                                 Einen der auffälligsten Vor-
                                                                                              Vorteile sehr gut ergänzen.
• After Action Review bietet neue, detaillierte und         teile stellt das Erreichen hö-
   noch nie dagewesene Auswertungsmöglichkei-               herer Lerneffekte durch virtuelles oder simuliertes
   ten, wodurch die Lernerfahrung und entspre-              Learning by doing dar. Dies wird durch die grösse-
   chend die Lernkurve stark erhöht wird.                   ren Visualisierungsmöglichkeiten von VR gegenüber
• Der Anteil an echter Lernzeit ist sehr hoch.              herkömmlichen Lehrmethoden erreicht. Darüber hi-
• Intelligentes Üben kann umgesetzt werden (oft             naus können derartige Lösungen zu relativ geringen
   und kurz, sichtbarer Übungserfolg).                      Kosten implementiert werden.
• Eine ständige Lernanpassung an die jeweiligen                 Unklar ist bis heute, welche Auswirkungen
   Teilnehmenden kann gemacht werden. Faktoren              die VR-Trainings auf das zentrale Nervensystem
   wie Stress, Geschwindigkeit, Anzahl Personen             des Menschen haben. Weiter kann noch nicht

format magazine no 10                                                                                                           47
VIRTUAL REALITY BEI DER STADTPOLIZEI ZÜRICH

               beurteilt werden, welche Auswirkungen beispiels-        benötigt es im Minimum eine Koordination unter
               weise schlechte und/oder negative VR-Trainingsein-      den jeweiligen Polizeikorps. Optimaler wären eine
               heiten auf den täglichen Einsatz im Dienst eines/-r     enge Zusammenarbeit und gemeinsame Projekte
               Polizisten/-in haben. Fakt ist, dass die VR-Szenarien   mit klaren Leader-Rollen, kleinen Projektgruppen,
               realistisch sein müssen, um korrekt und hochwertig      zurückgestellten individuellen Korps-Interessen zu-
               gelernt werden zu können.                               gunsten des Gesamten und geringem Verwaltungs-/
                   Die Fertigkeiten auf der Strasse und das soge-      Administrationsaufwand.
               nannte «Bauchgefühl» können vermutlich lediglich           An der Sitzung vom 18.11.2020 diskutierte die
               im Echteinsatz in Erfahrung gebracht werden. VR-        Kommission Doktrin und Ausbildung (KDA) im Auf-
               Trainings sind aber ein sehr gutes Hilfsmittel, um      trag des Vorstandes der Konferenz der kantonalen
                                         schwierige und ausser-        Polizeikommandanten (KKPKS) das Thema und
   VR-Trainings sind [...] ein sehr gewöhnliche Einsätze zu            erteilte der Stadtpolizei Zürich das Mandat für die
  gutes Hilfsmittel, um schwierige schulen. Mittels VR kön-            Koordination der schweizweiten Aktivitäten zur
  und aussergewöhnliche Einsätze nen die Mitarbeitenden                Implementierung von Virtual Reality in der einsatz-
   zu schulen. Mittels VR können an der Front bestmöglich,             bezogenen Ausbildung. Zweck dieser Koordination
 die Mitarbeitenden an der Front in praktischer Trainingsar-           sind die Bündelung der Kräfte und Finanzen sowie

 bestmöglich, in praktischer Trai- beit, auf ihren Echteinsatz         Synergiegewinne.
                                         vorbereitet werden. Aus
ningsarbeit, auf ihren Echteinsatz
                                         Sicht der Autoren bestün-
               vorbereitet werden. den bei zahlreichen Aus-            Literaturverzeichnis
                                                                       Cummings, J.J. & Bailenson, J.N. (2016). How Immersive Is
               bildungsinhalten (z. B. Szenarien-Trainings wie der     Enough? A Meta-Analysis of the Effectof Immersive Technology on
               lebensbedrohlichen Einsatzlage, häuslicher Gewalt       User Presence. Psychology. 19(2), 272–309.
                                                                       Kauffeld, S. (2016). Nachhaltige Personalentwicklung und Weiterbil-
               etc., Unfallaufnahme, Schadenplatzorganisation          dung. Betriebliche Seminare. Berlin und Trainings entwickeln, Erfolge
               etc.) oder auch einsatzunterstützend (z. B. Tatortbe-   messen, Transfer sichern (2. Aufl.) Heidelberg: Springer.
                                                                       Mandl, H. Gruber, H. & Renkl, A. (1995). Situiertes Lernen in
               gehung, Begehung von Einsatzobjekten oder Einsat-       multimedialen Lernumgebungen. In Issing, L.J. & Klimsa, P. (Hrsg.),
               zörtlichkeiten) ein Mehrwert in der Verwendung der      Information und Lernen mit Multimedia (S. 167–178). Weinheim:
                                                                       Beltz.
               VR-Technik.
                                                                       Rau, V., Niemöller, D., & Berkemeier, L. (2019). Ist weniger
                   Der Technologiefortschritt ist unaufhaltsam. Im     mehr? Designprinzipien für Virtual Reality Training aus kognitions-
                                                                       psychologischer Sicht. HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 56(4),
               Dschungel der Digitalisierung ist es nicht ganz ein-    809–822.
               fach, den Überblick darüber zu behalten, welche         Schmidt-Weigand, F., Kohnert, A., & Glowalla, U. (2010).
               Technologien für den Polizeialltag wirklich sinnvoll    A closer look at split visual attention in system-and self-paced
                                                                       instruction in multimedia learning. Learning and instruction, 20(2),
               und nutzbar sind. Das Projekt ETSVR bot der Stadt-      100–110.
               polizei Zürich die Gelegenheit, europaweit absolu-      Slater, M., Linakis, V., Usoh, M., & Kooper, R. (1996, July).
                                                                       Immersion, presence and performance in virtual environments: An
               tes Neuland zu betreten. Dabei hatte sie das Glück,     experiment with tri-dimensional chess. In Proceedings of the ACM
               einen fähigen Technologiepartner gefunden zu ha-        symposium on virtual reality software and technology (pp. 163–172).

               ben, welcher weltweit zu den Marktführern gehört.
                                                                       Internet
               Entsprechend den Erfahrungen aus dem Projekt und        SHOTPROS: https://shotpros.eu/ (20.11.2020).
               den aufgeführten Erkenntnissen sehen die Autoren
               in der VR-Technologie hohes Potential für die Un-
               terstützung der Polizeiarbeit und deren Ausbildung
               sowie als Hilfsmittel.
                   Die Schweizer Polizeikorps unterliegen dem fö-
               deralistischen System und tendieren oft zu individu-
               alisierten Einzellösungen. Innovative und moderne
               Trainingssysteme sind durch einzelne Polizeikorps
               jedoch kaum finanzierbar, da digitale Lösungen oft
               mit hohen finanziellen Auslagen verbunden sind.
               Um weiterhin mit innovativen, modernen und zeit-
               gemässen Ausbildungssystemen arbeiten zu können,

    48                                                                                                                     format magazine no 10
VIRTUAL REALITY BEI DER STADTPOLIZEI ZÜRICH

Résumé
La réalité virtuelle s’impose à la Police municipale       n’est pas encore en mesure de remplacer le « vrai en-
de Zurich                                                  traînement », mais qu’elle peut très bien lui apporter
Convaincue par le grand potentiel de la réalité vir-       une plus-value. L’entraînement en RV constitue un
tuelle (RV), la Police municipale de Zurich a acquis       très bon outil pour former aux opérations difficiles
un simulateur pour remplacer l’entraînement au tir         et extraordinaires, et le personnel sur le terrain peut
traditionnel, confrontant ainsi ses effectifs à cette      bénéficier d’une préparation optimale à son travail
nouvelle technologie. Une équipe de projet a été           réel. En comparaison avec les méthodes d’enseigne-
mandatée pour développer, en collaboration avec            ment classiques, l’un des avantages les plus notables
une entreprise privée et avec l’appui scientifique de      est l’impact didactique plus important obtenu grâce,
deux universités, un scénario d’entraînement opéra-        d’une part, à l’apprentissage par la pratique virtuelle
tionnel dans un système de RV. Ce scénario devrait         ou simulée et, d’autre part, aux meilleures possibili-
montrer si, et dans quelle mesure, cette technologie       tés de visualisation de la RV. En outre, cette techno-
apporte une plus-value à l’entraînement opération-         logie peut être utilisée à un coût relativement faible.
nel de la police. On peut donc affirmer que la RV

Riassunto
La realtà virtuale alla Polizia municipale di Zurigo       di sostituire la «vera esercitazione», tuttavia costi-
Convinta del grande potenziale rappresentato dalla         tuisce innegabilmente un valore aggiunto. L’eserci-
realtà virtuale (RV), la Polizia municipale di Zurigo ha   tazione in RV rappresenta un valido strumento per
acquisito un simulatore che sostituisce la tradiziona-     formare alle operazioni difficili e straordinarie, e il
le esercitazione al tiro, facendo così scoprire questa     personale sul terreno può beneficiare di una prepa-
nuova tecnologia ai suoi collaboratori. Un team di         razione ottimale al suo lavoro reale. In confronto ai
progetto ha ricevuto il mandato di sviluppare, in col-     metodi di insegnamento classici, uno dei principali
laborazione con un’azienda privata e con il sostegno       vantaggi è il maggiore impatto didattico ottenuto da
scientifico di due università, uno scenario di eser-       un lato grazie all’apprendimento tramite la pratica
citazione operativo in un sistema di realtà virtuale.      virtuale o simulata e, dall’altro, grazie alle migliori
Questo scenario doveva mostrare se e in quale mi-          possibilità di visualizzazione della realtà virtuale.
sura questa tecnologia apportasse un valore aggiun-        Inoltre, questa tecnologia è fruibile a un costo relati-
to all’esercitazione operativa della polizia. Si può af-   vamente moderato.
fermare che la realtà virtuale non è ancora in grado

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