Vollzugshilfe Herdenschutz - Vollzugshilfe zur Organisation und Förderung des Herdenschutzes sowie zur Zucht, Ausbildung und zum Einsatz von ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
2019 | Umwelt-Vollzug Biodiversität Vollzugshilfe Herdenschutz Vollzugshilfe zur Organisation und Förderung des Herdenschutzes sowie zur Zucht, Ausbildung und zum Einsatz von offiziellen Herdenschutzhunden
2019 | Umwelt-Vollzug Biodiversität Vollzugshilfe Herdenschutz Vollzugshilfe zur Organisation und Förderung des Herdenschutzes sowie zur Zucht, Ausbildung und zum Einsatz von offiziellen Herdenschutzhunden Herausgegeben vom Bundesamt für Umwelt BAFU Bern, 2019
Impressum Rechtliche Bedeutung Herausgeber Diese Publikation ist eine Vollzugshilfe des BAFU als Aufsichts- Bundesamt für Umwelt (BAFU) behörde und richtet sich primär an die Vollzugsbehörden. Das BAFU ist ein Amt des Eidg. Departements für Umwelt, Sie konkretisiert die bundesumweltrechtlichen Vorgaben Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK). (bzgl. unbestimmte Rechtsbegriffe und Umfang/Ausübung des Ermessens) und soll eine einheitliche Vollzugspraxis fördern. Autoren Berücksichtigen die Vollzugsbehörden diese Vollzugshilfe, so Martin Baumann, Nicolas Bourquin (Sektion Wildtiere und können sie davon ausgehen, dass sie das Bundesrecht rechts- Waldbiodiversität, BAFU) konform vollziehen; andere Lösungen sind aber auch zulässig, sofern sie rechtskonform sind. Begleitgruppe Daniel Mettler, Felix Hahn, François Meyer (alle AGRIDEA) Die Publikation enthält zusätzlich Elemente einer Mitteilung des Dr. Ueli Pfister (Verein Herdenschutzhunde Schweiz HSH-CH) BAFU als Vollzugsbehörde und richtet sich an Gesuchsteller für Heinz Feldmann (Beratungsstelle für die Unfallverhütung in der Verfügungen und Verträge (insbesondere für Bewilligungen sowie Landwirtschaft BUL) Zusicherungen von Subventionen). Sie konkretisiert die Praxis Pietro Cattaneo (Schweizer Wanderwege) des BAFU als Vollzugsbehörde in formeller Hinsicht (erforderliche Dr. Michael Bütler, Aysha Tresch (beide Anwaltsbüro bergrecht.ch) Gesuchsunterlagen) sowie in materieller Hinsicht (erforderliche Nachweise zur Erfüllung der materiellen rechtlichen Anforderun- Zitierung gen). Wer diese Mitteilung befolgt, kann davon ausgehen, dass BAFU (Hrsg.) 2019: Vollzugshilfe Herdenschutz. Vollzugshilfe sein Gesuch vollständig ist. zur Organisation und Förderung des Herdenschutzes sowie zur Zucht, Ausbildung und zum Einsatz von offiziellen Herdenschutz- hunden. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Vollzug Nr. 1902: 100 S. Layout Cavelti AG, Marken. Digital und gedruckt, Gossau Titelbild Die Herdenschutzhündin «Kaya» der Rasse Pastore Abruzzese bei ihrem Einsatz auf der Alp «Col du Pochet» oberhalb von Crans-Montana (VS). Dank solchen Hunden bleibt die Bestos- sung unserer Alpen mit Schafen und Ziegen auch bei Anwesen- heit von Grossraubtieren möglich. Besitzer der Hündin: Damien Jeannerat, Mollens (VS) © Florias Gallay PDF-Download www.bafu.admin.ch/uv-1902-d (eine gedruckte Fassung liegt nicht vor) Diese Publikation ist auch in französischer und italienischer Sprache verfügbar. Die Originalsprache ist Deutsch. © BAFU 2019
Inhaltsverzeichnis Abstracts5 Vorwort6 Ziel der Vollzugshilfe 7 Ausgangslage8 Rechtliche Grundlagen 9 Jagdrechtliche Bestimmungen zum Herdenschutz 9 Landwirtschaftsrechtliche Bestimmungen zum Herdenschutz 10 Tierschutz- und tierseuchenrechtliche Pflichten der 10 Nutztierhalter Tierschutzrechtliche Bestimmungen zu Herdenschutzhunden 11 Rechtliche Bestimmungen über den Zugang zum öffentlichen 12 Raum Bestimmungen zur Unfallverhütung auf 12 Landwirtschaftsbetrieben Schlussbestimmungen und Gültigkeit 13 Teil I: Organisation und Förderung des Herdenschutzes 14 Teil II: Zucht, Ausbildung, Haltung und Einsatz offizieller 48 Herdenschutzhunde Anhänge83
Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 5 Abstracts Measures to protect herds serve to protect livestock from large predators in pasture are- Keywords: as. Though the cantons advise interested farmers about the actual risks and on possible Large predators (wolf, lynx, and effective protective measures, implementation of such measures by farmers is purely bear), protection of livestock, voluntary. Farmers who take measures in accordance with this enforcement aid receive promotion of herd-protection financial support from the Federal Office for the Environment (FOEN). measures, protection fences, The first part of this enforcement aid introduces the players in herd protection and guard dogs their tasks, together with a description of the effective measures and financial support for them. In the second part, the requirements for official guard dogs and the rules for conflict prevention during their deployment are defined. Massnahmen zum Herdenschutz dienen dem Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere vor Stichwörter: Grossraubtieren im Weidegebiet. Die Kantone beraten interessierte Landwirte bezüglich Grossraubtiere (Wolf, Luchs, den tatsächlichen Risiken sowie möglichen und wirksamen Schutzmassnahmen. Die Bär), Verhütung von Nutztier- Landwirte setzen entsprechende Massnahmen jedoch freiwillig um. Für das Ergreifen schäden, Förderung von Mass- von Massnahmen gemäss dieser Vollzugshilfe werden sie vom Bundesamt für Umwelt nahmen zu Herdenschutz, (BAFU) mit Finanzhilfebeiträgen unterstützt. Herdenschutzzäune, Herden- Im ersten Teil der Vollzugshilfe werden die Akteure im Herdenschutz und deren Aufga- schutzhunde ben vorgestellt sowie die wirksamen Massnahmen und deren finanzielle Unterstützung beschrieben. Im zweiten Teil werden die Anforderungen an offizielle Herdenschutzhunde und die Regeln zur Konfliktverhütung bei deren Einsatz definiert. Les mesures de protection des troupeaux servent à protéger le bétail détenu au pâturage Mots-clés : à des fins agricoles contre les grands prédateurs. Les cantons conseillent les agricul- grands prédateurs (loup, lynx, teurs intéressés quant aux risques réels et aux mesures de protection jugées possibles ours), prévention des dégâts et efficaces. Les agriculteurs prennent ces mesures de leur plein gré et, si elles sont aux animaux de rente, encou- conformes à cette aide à l’exécution, reçoivent une contribution financière de l’OFEV. ragement des mesures de La première partie de l’aide à l’exécution présente les acteurs de la protection des protection des troupeaux, troupeaux et leurs tâches, puis décrit les mesures efficaces et leur encouragement. clôtures de protection des La seconde partie définit les exigences posées aux chiens de protection des troupeaux troupeaux, chiens de protec- officiels et les règles visant à prévenir les conflits liés à leur emploi. tion des troupeaux Le misure di protezione del bestiame servono a proteggere gli animali da reddito dai Parole chiave: grandi predatori nelle zone di pascolo. I Cantoni forniscono consulenza agli agricolto- grandi predatori (lupo, lince, ri sui rischi effettivi e sulle misure di protezione possibili ed efficaci. Queste sono tut- orso), prevenzione di danni ad tavia adottate dagli agricoltori a titolo volontario. L’UFAM sostiene con aiuti finanziari animali da reddito, sostegno l’adozione di misure conformemente al presente aiuto all'esecuzione. di misure di protezione del Nella prima parte sono descritti gli attori nell’ambito della protezione del bestiame e i bestiame, recinzioni di loro compiti, come pure le misure efficaci e il loro sostegno finanziario. Nella seconda protezione del bestiame, cani parte sono definiti i requisiti posti ai cani da protezione del bestiame ufficiali e le rego- da protezione del bestiame le per la prevenzione di conflitti in relazione al loro impiego.
Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 6 Vorwort Die Rückkehr der Grossraubtiere in unsere Kulturlandschaft ist für die Landwirtschaft in der Schweiz eine grosse Herausforderung. Nutztiere im Berggebiet mit traditioneller Weidehaltung sind besonders durch die Grossraubtiere gefährdet. Damit die Land- und Alpwirtschaft auch bei Anwesenheit von Grossraubtieren ohne unzumutbare Einschrän- kungen bestehen kann, steht das Umsetzen von wirksamen Massnahmen im Zentrum. Die Landwirte werden dabei fachlich beraten und finanziell durch die Öffentliche Hand unterstützt. Die vorliegende Vollzugshilfe stellt einen einheitlichen Vollzug beim Herdenschutz sicher. Im Sinne eines wirkungsvollen Herdenschutzes definiert sie die Akteure und deren Auf- gaben, Zuständigkeiten und Zusammenarbeit sowie die wirkungsvollen Massnahmen und deren Förderung. Das BAFU dankt allen Beteiligten für die konstruktive Zusammenarbeit bei der Erarbei- tung diese Publikation. Franziska Schwarz Vizedirektorin Bundesamt für Umwelt
Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 7 Ziel der Vollzugshilfe Die Vollzugshilfe zum Herdenschutz richtet sich insbe- Die Einhaltung der Empfehlungen in dieser Vollzugshil- sondere an die Vollzugsbehörden der Kantone sowie an fe bzw. der Nachweis anderer bundesrechtskonformer die Organisationen, die vom BAFU mit dem Vollzug des Lösungen sind Voraussetzung dafür, dass sich der Bund Herdenschutzes mandatiert sind (Art. 12 Abs. 5 Bun- finanziell an den kantonalen Massnahmen beteiligt. desgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel, Jagdgesetz, JSG, SR 922.0). Sie Der behördliche Abschuss von Grossraubtieren wird in der bezweckt im Herdenschutz einen einheitlichen Vollzug Jagdverordnung (Art. 4, Art. 4bis und Art. 9bis JSV) und und fördert eine rechtskonforme, technisch machba- in den Grossraubtierkonzepten des BAFU (gem. Art. 10bis re und interkantonal koordinierte Vollzugspraxis. Weiter JSV) näher beschrieben. Er ist ebenso wenig Gegenstand informiert sie die Bezüger allfälliger Subventionsbeiträge dieser Vollzugshilfe wie die Entschädigung von Nutztier- über die damit verbundenen Auflagen. schäden, die durch Grossraubtiere verursacht worden sind (Art. 10 JSV). Die Vollzugshilfe umfasst die durch das BAFU zu erlas- senden Richtlinien gemäss Art. 10ter Abs. 3 Verordnung über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetie- re und Vögel (Jagdverordnung, JSV, SR 922.01) sowie Art. 10quater Abs. 3 JSV. Der erste Teil der Vollzugshilfe konkretisiert die Herdenschutzberatung der Landwirte und beschreibt die wirksamen Massnahmen und deren Subventionierung sowie die interkantonale Koordination der Massnahmen (Art. 10ter Abs. 3 JSV). Der zweite Teil konkretisiert die fachlichen Anforderun- gen an die fachgerechte Zucht, Ausbildung, Haltung, den Einsatz und die Meldung geeigneter Herdenschutzhunde (HSH) (Art. 10quater Abs. 3 JSV).
Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 8 Ausgangslage Im Verlauf der letzten Jahrzehnte fand eine Wiederbe- Herdenschutzhunde können bei ihrem freien Einsatz im siedlung der Schweiz durch Grossraubtiere statt. Dabei öffentlichen Raum Konflikte mit Dritten verursachen. Sol- kehrte – 1971 der Luchs, – 1995 der Wolf und – 2005 che Konflikte lassen sich einerseits durch einen geord- der Bär in die Schweiz zurück. Eine Folge dieser Rück- neten Einsatz dieser Hunde minimieren. Ebenso nötig kehr ist ein Konflikt mit der Landwirtschaft aufgrund von ist aber auch, dass sich Dritte dem Einsatz von Hunden Schäden an Nutztieren, die durch die Grossraubtiere ver- angepasst verhalten. Um das Herdenschutzhundewesen ursacht werden. in geordnete Bahnen zu lenken, fördert das BAFU grund- sätzlich nur offizielle Herdenschutzhunde. Diese werden Zur Abwehr solcher Nutztierschäden werden Massnah- innerhalb des nationalen Programms zum Herdenschutz men zum Herdenschutz angewendet. Aktuell sind dies u. a. fachgerecht gezüchtet, ausgebildet, geprüft, gehalten grossraubtiersichere Elektrozäune sowie Herdenschutz- und eingesetzt. Die Hunde sind vom BAFU registriert. hunde. Während Herdenschutzzäune nur im zugänglichen Gelände und kleinräumig Schutz bieten, lassen sich Her- Landwirte sind nicht verpflichtet, die im Jagdgesetz vor- denschutzhunde auch im schwierigen Gelände einsetzen, gesehenen Massnahmen zum Herdenschutz zu ergrei- insbesondere stellen sie im Sömmerungsgebiet oftmals fen, sondern treffen diese in Eigenverantwortung und die einzig wirksame Massnahme dar. Die Massnahmen freiwillig. Sobald ein Nutztierhalter sich jedoch dazu ent- sollen nachhaltig wirken. Das bedeutet, dass ein lang- schliesst, unterstützt der Bund diese Massnahmen mit fristiger Nutzen anzustreben ist, wobei die Aufwendun- Finanzhilfebeiträgen. gen den zu erwartenden Nutzen nicht übersteigen sollen. Deshalb ist ein optimaler und kein maximaler Herden- schutz anzustreben. Aufwendungen für einen hundertpro- zentigen Schutz wären nicht zumutbar. Falls trotz korrekt angewendeter Massnahmen zum Herdenschutz weiter- hin Nutztierschäden auftreten sollten, liesse sich weite- rer Schaden – gestützt auf das Jagdgesetz – durch eine anzuordnende Entfernung der konkret schadenstiftenden Grossraubtiere abwenden.
Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 9 Rechtliche Grundlagen Jagdrechtliche Bestimmungen zum Herden- Folgende Massnahmen werden durch das BAFU geför- schutz dert: Die Bundesverfassung verpflichtet den Bund, Vorschrif- 1. Die fachgerechte Zucht, Ausbildung, Haltung sowie ten zum Schutz der Tierwelt zu erlassen und insbeson- der Einsatz von Herdenschutzhunden (Art. 10ter dere bedrohte Arten vor Ausrottung zu schützen (Art. 78 Abs. 1 Bst. a i. V. m. Art. 10quater Abs. 2 JSV) Abs. 4 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenos- Der Einsatzzweck von HSH ist definiert als «die weit- senschaft BV, SR 101). Aufgrund des verfassungsrecht- gehend selbständige Bewachung von Nutztieren und lichen Auftrags hat der Gesetzgeber die einheimischen die damit zusammenhängende Abwehr fremder Tiere» Grossraubtierarten Wolf, Bär, Luchs und Goldschakal (Art. 10quater Abs. 1 JSV). unter Schutz gestellt (vgl. Art. 2 JSG i. V. m. Art. 7 Abs. 1 Um gefördert zu werden, müssen die HSH gemäss JSG). Art. 10quater Abs. 2 JSV sämtliche folgenden Anforde- rungen erfüllen: Zur Verhütung von Schäden an Nutztieren in Weidehal- a. Sie müssen zu einer Rasse gehören, die für den tung sieht das JSG Abschüsse geschützter Tiere lediglich Herdenschutz geeignet ist. als ultima ratio vor (Art. 7 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 2 und 4 Dabei bezeichnet das BAFU die Hunderassen, die JSG). Die Behörden sind demnach im Sinne des verfas- zum Herdenschutz in der Schweiz anerkannt sind. sungsrechtlichen Prinzips der Verhältnismässigkeit ange- b. Sie müssen für den Herdenschutz fachgerecht halten, bei der Konfliktlösung mit Grossraubtieren mildere gezüchtet, ausgebildet, gehalten und eingesetzt Massnahmen einem Abschuss vorzuziehen. Das heisst, werden. sofern solche Massnahmen technisch machbar und wirk- Dabei stellt das BAFU konkrete Anforderungen sam sind und deren Ergreifen ökonomisch zumutbar ist. an die Zucht, Ausbildung, Haltung und den Ein- Deshalb kommen Abschüsse von Grossraubtieren auf- satz der HSH. Jeder HSH, der mit Bundesunter- grund landwirtschaftlicher Nutztierschäden erst dann in stützung ausgebildet worden ist, muss in einer Frage, wenn vom Landwirt vorgängig die wirksamen und Prüfung nachweisen, dass er sich für den Herden- zumutbaren Massnahmen zur Schadenverhütung ergrif- schutz grundsätzlich eignet, sich durch Menschen fen worden sind (Art. 4bis Abs. 2 und Art. 9bis Abs. 3 JSV). führen lässt und ein grundsätzlich gesellschafts- kompatibles Wesen aufweist. Diese Prüfung seiner Der eigentliche Herdenschutz stellt eine Verbundauf- Einsatzbereitschaft erfolgt am Ende seiner Grund- gabe zwischen Bund und Kantonen dar. Dabei sind die ausbildung und wird im Auftrag des BAFU durchge- Kantone für das Ergreifen von Massnahmen zum Herden- führt (s. Kap. 11.1, Einsatzbereitschaftsüberprüfung schutz zuständig (Art. 12 Abs. 1 JSG). Ebenso liegt die von HSH). Herdenschutzberatung in der Verantwortung der Kanto- c. Sie sind hauptsächlich für das Bewachen von ne (Art. 10ter Abs. 4 JSV). Im Gegenzug ist es Aufgabe des Nutztieren einzusetzen, deren Haltung oder Söm- Bundes, die Massnahmen zum Herdenschutz der Kantone merung nach der Direktzahlungsverordnung vom zu fördern und diese interkantonal zu koordinieren, wobei 23. Oktober 2013 gefördert wird. er öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Private mit Das BAFU subventioniert grundsätzlich nur die pro- dem Vollzug dieser Aufgabe beauftragen kann (Art. 12 duzierende Landwirtschaft, d. h. es ist nicht dessen Abs. 5 JSG). Die wirksamen und vom BAFU geförderten Aufgabe, die Hobbyhaltung von Nutztieren zu unter- Massnahmen werden in der Jagdverordnung aufgelistet stützen (Änderung der Jagdverordnung, erläutern- (Art. 10ter und Art. 10quater JSV). der Bericht vom 6. Nov. 2013).
Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 10 Schliesslich müssen die eingesetzten HSH, wel- tiere (z. B. über eine ständige Behirtung während der che diese Anforderungen erfüllen, jährlich in der Sömmerung). Solch betriebliche Massnahmen stellen für AMICUS-Datenbank durch das BAFU erfasst sein sich selbst keine eigentlichen Massnahmen zum Herden- (Art. 10quater Abs. 4 JSV), erst dann gelten sie als offi- schutz i. S. v. Art. 10ter JSV dar und sind daher nicht über zielle Herdenschutzhunde. Dieser Eintrag erfolgt im das Jagdgesetz subventionsfähig. Allerdings ist deren Sinne eines Qualitätslabels und stellt sicher, dass Subventionierung gestützt auf die Bestimmungen der beim Herdenschutz möglichst nur sogenannt offi Direktzahlungsverordnung möglich. zielle HSH eingesetzt werden. 2. Weitere Massnahmen der Kantone, sofern die gemäss Landwirtschaftsrechtliche Bestimmungen zum Art. 10ter Abs. 1 JSV genannten Massnahmen nicht Herdenschutz ausreichen oder zweckmässig sind Die vorliegende Vollzugshilfe beschreibt diverse Im eidg. Landwirtschaftsrecht ist der Herdenschutz ein- solch «weiterer Massnahmen», die sich in der Pra- zig bezüglich der Sömmerung von Schafen erwähnt. Dem xis des Herdenschutzes bewährt haben und vom Alpbewirtschafter steht bei der Schafsömmerung (ausser BAFU entsprechend gefördert werden. Dem BAFU Milchschafen) im Umtriebsweidesystem ein höherer Söm- steht diesbezüglich ein Ermessensspielraum zu (vgl. merungsbeitrag zu, wenn gleichzeitig auch Massnahmen «Kann-Formulierung» der Bestimmung). des BAFU zum Herdenschutz zur Anwendung kommen (Anhang 7, Ziffer 1.6.1 Bst. a Verordnung über die Direkt- 3. Räumliche Planungsarbeiten zum Herdenschutz der zahlungen an die Landwirtschaft, DZV, SR 910.13). Kantone (Art. 10ter Abs. 3 JSV). Die Kantone integrieren den Herdenschutz in ihre land- wirtschaftliche Beratung (Art. 10ter Abs. 4 JSV). Bei der Tierschutz- und tierseuchenrechtliche Herdenschutzberatung von landwirtschaftlichen Ein- Pflichten der Nutztierhalter zelbetriebe ist oftmals eine überregionale Perspek tive nötig. Das BAFU unterstützt die Kantone bei der Grundsätzlich steht jeder Landwirt in der Pflicht, für das Datenbeschaffung und Analyse mittels den in dieser Wohl der Nutztiere in seiner Obhut zu sorgen, diese zu pfle- Vollzugshilfe genannten Finanzhilfebeiträgen. gen und zu überwachen (Art. 4 Tierschutzgesetz, TSchG, SR 455; Art. 3 und Art. 5 Abs. 2 Tierschutzverordnung, Da die Kantone für das Ergreifen von Massnahmen zum TSchV, SR 455.1; Art. 59 Tierseuchenverordnung, TSV, Herdenschutz zuständig sind (Art. 12 Abs. 1 JSG), sub- SR 916.401), d. h. in seiner Obhut vor vorhersehbaren ventioniert der Bund die von den Landwirten getroffenen Schäden und Verletzungen bestmöglich zu schützen. Diese Massnahmen in der Regel nur, wenn der betroffene Kan- allgemeine Pflicht zur Obhut gilt grundsätzlich auch ange- ton sich mit den spezifischen Massnahmen einverstan- sichts der vorhersehbaren Schäden durch Grossraubtiere. den erklärt hat. Zum Schutz seiner Nutztiere vor Grossraubtieren gibt es Folgende Massnahmen werden durch das BAFU nicht für den Landwirt allerdings keine konkrete Verpflichtung gefördert: zum Ergreifen konkreter Massnahmen zum Herdenschutz gemäss Art. 10ter JSV. Vielmehr steht es ihm frei, dem Risi- Die Verhütung von Schaden durch Grossraubtiere kann ko mit anderen Massnahmen wie zum Beispiel betriebli- auch durch das Ergreifen landwirtschaftsbetrieblicher chen Massnahmen zu begegnen. Besondere Bedeutung Massnahmen unterstützt werden. Beispiele dafür sind kommt dem Aspekt der Freiwilligkeit beim Halten von HSH das nächtliche Einstallen der Nutztiere, das Anpassen der zu. Auch wenn diese Hunde das effizienteste und vielsei- Nutztierstruktur des Betriebes (z. B. Aufgabe der Schaf- tigste Mittel zur Abwehr von Grossraubtierschäden dar- haltung zugunsten der Rindviehhaltung) oder über eine stellen, so darf kein Landwirt zu ihrem Einsatz gezwungen verbesserte Weideführung und Überwachung der Nutz werden. Vielmehr müssen solche Hunde demjenigen vor-
Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 11 behalten bleiben, der sie aus eigener Überzeugung hal- ner Hunde die Regeln dieser Vollzugshilfe anwendet, erhält ten und einsetzen will. somit erhöhte Rechtssicherheit. Dadurch wird ihm der all- fällige Nachweis zum Einhalten seiner Sorgfaltspflicht anlässlich eines Vorfalles stark erleichtert. Massgebend Tierschutzrechtliche Bestimmungen zu bei der Beurteilung der Sorgfaltspflicht sind aber in jedem Herdenschutzhunden Fall die konkreten Umstände im Einzelfall. Der allgemeine Umgang mit Hunden wird in der eidg. Tier- Über administrative Verfahren hinaus kann der Halter schutzverordnung definiert (3. Kap., 10. Abschnitt TSchV) eines HSH auch strafrechtlich zur Verantwortung gezo- und u. a. durch Bestimmungen der Tierseuchenverord- gen werden. Aufgrund der bisherigen Erfahrung im Nati- nung (Art. 16 ff. TSV) ergänzt. Grundsätzlich müssen in onalen Programm zum Herdenschutz sind Vorfälle mit der Schweiz sämtliche Hunde gekennzeichnet und regis- HSH als Schnapp- oder leichte Beissvorfälle einzustufen, triert sein (Art. 30 Tierseuchengesetz, TSG, SR 916.40 schwere Verletzungen sind bislang noch keine aufgetre- und Art. 16 Abs. 1 TSV). Jede Handänderung eines Hun- ten. Bei Beissvorfällen, die durch HSH verursacht werden, des oder dessen Tod ist zu melden (Art. 17b Abs. 1 und kommen einfache (Art. 123 Ziff. 1 StGB) oder schwere Abs. 2 TSV). Die Zucht von Hunden wird u. a. durch die (Art. 122 StGB) bzw. fahrlässige (Art. 125 StGB) Körper- Verordnung des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit verletzung oder Sachbeschädigung (Art. 144 StGB) in und Veterinärwesen (BLV) vom 4. Dezember 2014 über Frage. Dabei kann es sich um ein Antragsdelikt (Art. 30 ff. den Tierschutz beim Züchten geregelt (SR 455.102.4). Der StGB) oder um ein Offizialdelikt handeln. Import von Hunden aus dem Ausland ist in den entspre- chenden Verordnungen des BLV über die Ein-, Durch- und Bei der Haltung und dem Einsatz von HSH können weite- Ausfuhr von Tieren und Tierprodukten geregelt (EDAV-DS, re kantonalrechtliche Regelungen zur Anwendung kom- SR 916.443.10 und EDAV-EU, SR 916.443.11). men (z. B. kantonale Hundegesetze). So sind die Kantone im Hinblick auf die innere Sicherheit befugt, die Hunde- Bezüglich der zivilrechtlichen Haftbarkeit gilt, dass jeder haltung im öffentlichen Raum des Kantonsgebietes durch Hundehalter für Schäden verantwortlich ist, die sein Hund Bestimmungen im kantonalen und kommunalen Polizei- verursacht (Art. 56 Obligationenrecht, OR, SR 220). Jeder und Hunderecht einzuschränken, zum Beispiel durch zeit- Hundehalter muss dafür sorgen, dass sein Hund keine liche oder räumliche Bestimmungen zur Leinenpflicht. Menschen und Tiere gefährdet (Art. 77 TSchV). Vorfäl- Auch können die Kantone die Haltung von Hunden mit le mit Hunden unterliegen einer Meldepflicht. Sie können einer Steuer belegen, oft wird die Hundesteuer im kom- mittels eines administrativen Verfahrens überprüft und munalen Recht geregelt. Allerdings dürfen solch kanto- geahndet werden wie zum Beispiel übermässiges Aggres- nale oder kommunale Gesetze oder Reglemente einen sionsverhalten eines Hundes (Art. 78 und 79 TSchV). bundesrechtskonformen Herdenschutz nicht grundsätz- lich verhindern, im Konfliktfall würde Bundesrecht dem HSH sind Nutzhunde (Art. 69 Abs. 2 TSchV) und haben den kantonalem Recht vorgehen (Art. 49 Abs. 1 BV). Aus die- Zweck, Nutztiere vor Grossraubtieren zu schützen. Durch sem Grund wird den Kantonen empfohlen, die aus dem deren freien Einsatz auf den Weiden im öffentlichen Raum, Bundesrecht erwachsende besondere Situation der HSH der ohne direkte Führung des Hundehalters erfolgt, kann es im Rahmen der jeweiligen kantonalen Hundegesetzge- zu Konflikten mit Dritten kommen, da der öffentliche Raum bung zu berücksichtigen. Beispiel: Der Kanton Freiburg grundsätzlich frei begehbar ist (s. unten). Dadurch stellt der hat offizielle HSH, die ausschliesslich den Bestimmun- Einsatz von HSH eine grosse rechtliche Herausforderung gen des Bundesrechts unterstehen, von den Bestimmun- dar. Von besonderer Bedeutung ist, dass beim Beurtei- gen des kantonalen Hundegesetzes ausgenommen (Art. 1 len der Verantwortlichkeit der Hundehalter nach Vorfällen Abs. 2 HHG, Nr. 725.31) und diese Hunde gleichzeitig von mit HSH der Einsatzzweck der Tiere zu berücksichtigen ist der Hundesteuer befreit (Art. 47 Abs. 1 HHG). (Art. 77 TSchV zweiter Satz). Der Halter offizieller regis- 1 Gesetz vom 2. November 2006 über die Hundehaltung (HHG): trierter HSH, der bei der Haltung und dem Einsatz sei- https://bdlf.fr.ch/frontend/versions/144
Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 12 Rechtliche Bestimmungen über den Zugang zum öffentlichen Raum Im öffentlichen Raum kann der Anspruch des landwirt- schaftlichen Einsatzes von HSH mit dem gesellschaftli- chen Anspruch des Rechts auf freien Zugang zu Wald und Weide kollidieren. Somit dürfen die Weiden von Heim- und Alpbetrieben grundsätzlich frei betreten werden (Art. 699 Schweizerisches Zivilgesetzbuch, ZGB, SR 210). Desweitern müssen offizielle Fuss- und Wanderwege frei und gefahrlos begehbar sein (Art. 6 Bundesgesetz über Fuss- und Wanderwege, FWG, SR 704). Allerdings sind bei der Anlage von Fuss- und Wanderwegen die Anliegen der Landwirtschaft zu berücksichtigen (Art. 9 FWG), wes- halb zur Lösung allfälliger Konflikte zwischen dem Lang- samverkehr und HSH im Einsatz auch Anpassungen in der Wegführung oder in der zeitlichen Wegbenutzung in Betracht zu ziehen sind. Bestimmungen zur Unfallverhütung auf Land- wirtschaftsbetrieben Die Frage zur Unfallverhütung auf Landwirtschafts- und Alpbetrieben ist im Bundesgesetz über die Unfallversiche- rung (Art. 82 und 83 UVG, SR 832.20), in der Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (Art. 3 bis 10 VUV, SR 832.30), in der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (Gesundheitsschutz) (Art. 3 bis 9 ArGV 3, SR 822.113) sowie in der Richtlinie der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS Richtlinie Nr. 6508) geregelt. Grundsätzlich gelten dabei Heimbetriebe als Betriebe mit besonderer Gefährdung. Die Spezialisten für Arbeitssicherheit bei der Beratungs- stelle für die Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) können die Betriebsverantwortlichen sowie die Behörden von Bund und Kantonen auch über allfällige Massnah- men zur Unfallverhütung bei der Haltung und dem Ein- satz von HSH beraten.
Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 13 Schlussbestimmungen und Gültigkeit Die Vollzugshilfe Herdenschutz ist ab dem 1. Januar 2019 gültig. Die Gültigkeit dieser Vollzugshilfe dauert bis zum Ende der Zeitperiode der Agrarpolitik 2018 bis 2021 (AP 18 – 21) und somit bis zum 31. Dezember 2021. Im Dezember 2020 eröffnet das BAFU eine Konsultation unter Einladung der mit dem kantonalen Vollzug beauf- tragten Dienststellen und den vom BAFU mandatierten Organisationen. Die Vollzugshilfe wird voraussichtlich auf den 1. Januar 2022 entsprechend angepasst. Die Anhänge zu dieser Vollzugshilfe kann das BAFU jederzeit bedarfsgerecht anpassen. Der Direktor Marc Chardonnens Bundesamt für Umwelt BAFU
Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 14 Teil I: Organisation und Förderung des Herdenschutzes Teil der Vollzugshilfe Herdenschutz 1 Bedarf an Herdenschutz 15 4.1.2 Vier Gruppen von Schutzmassnahmen 30 1.1 Risikofaktoren für Nutztierschäden 15 4.1.3 Zumutbarkeit geförderter Massnahmen zum 31 1.2 Vorranggebiet für den Herdenschutz 15 Herdenschutz 4.1.4 Bezug von Förderbeiträgen 31 2 Organisation im Herdenschutz 17 4.1.5 Sanktionen beim unrechtmässigen Bezug von 31 2.1 Grundsätze der Organisationsstruktur 17 Förderbeiträgen 2.2 Akteure und deren Rollen 17 4.2 Beiträge für konkrete Massnahmen zum Herdenschutz 32 2.2.1 Nutztierhalter 17 4.2.1 Haltung und Einsatz offizieller Herdenschutzhunde 32 2.2.2 Gemeinden 17 4.2.2 Zucht, Import und Ausbildung offizieller 2.2.3 Kantone 17 Herdenschutzhunde33 2.2.4 Bund 19 4.2.3 Weitere Massnahmen der Kantone zum 2.2.5 Fachorganisationen 19 Herdenschutz36 4.3 Beiträge zur behördlichen Planung des Herdenschutzes40 3 Vorgehen zur landwirtschaftlichen Beratung im 21 4.3.1 Planungsarbeiten zum Herdenschutz 40 Herdenschutz 4.3.2 Planungsarbeiten zur Verhütung von Konflikten 42 3.1 Ziel der Beratung 21 mit Bären 3.2 Beratung zur Verhütung vorhersehbarer 21 Nutztierschäden 5 Kontrollen im Herdenschutz 43 3.2.1 Ablaufschema zum Vorgehen der kantonalen 21 5.1 Überprüfung des nationalen Programmes zum 43 Herdenschutzberatung Herdenschutz 3.2.2 Jährliche Information des BAFU zu Grossraubtieren 24 5.2 Überprüfung der Aufgabenerfüllung im Herdenschutz 43 und Herdenschutz 5.3 Überprüfung von Massnahmen zum Herdenschutz 43 3.2.3 Information der Heimbetriebe zum Herdenschutz 24 nach Nutztierrissen (Wirkungskontrolle) 3.2.4 Beratung der Heimbetriebe zum Herdenschutz 25 3.2.5 Information der Alpbetriebe zum Herdenschutz 26 6 Aus- und Weiterbildung im Herdenschutz 46 3.2.6 Beratung der Alpbetriebe zum Herdenschutz 27 6.1 Ausbildung der kantonalen Herdenschutzberater 46 3.3 Beratung im Nachgang unvorhersehbarer 29 6.2 Jährliche Fachtagung zum Herdenschutz 46 Nutztierschäden 6.3 Schweizerische Schafhirtenausbildung 46 3.3.1 Beratung der Landwirte für notfallmässige 29 6.4 Kurse zur Arbeitssicherheit auf Heim- und Alpbetrieben46 Massnahmen zum Herdenschutz 6.5 Einführungskurs für Neuhalter offizieller Herden- 47 schutzhunde 4 Finanzielle Unterstützung des Herdenschutzes 30 6.6 Merkblätter zum Herdenschutz 47 durch das BAFU 4.1 Grundsätze zur Förderung 30 4.1.1 Anforderungen an geförderte Massnahmen 30
Teil I Organisation und Förderung des Herdenschutzes. Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 15 1 Bedarf an Herdenschutz Um Nutztiere wirksam vor Grossraubtieren zu schützen, Tabelle 2 muss das konkrete Risiko für Nutztierschäden bekannt Anteil gerissener Nutztiere pro Grossraubtierart in der Schweiz. sein. Luchs Wolf Bär Gesamt Schafe 71 % 94 % 95 % 91 % Ziegen 22 % 5% 2% 7% 1.1 Risikofaktoren für Nutztierschäden Andere Nutztiere* 7% 1% 3% 2% Grundsätzlich durch Grossraubtiere gefährdet sind Nutz- * Andere Nutztiere sind: Gehegehirsche, Neuweltkameliden (Lamas, Alpakas) sowie Tiere der Rinder- und Pferdegattung. tiere in Weidehaltung. Deren konkrete Gefährdung hängt insbesondere von folgenden drei Risikofaktoren ab: 3. Landwirtschaftliche Zone des Betriebes4: Am stärks- 1. Vorkommende Grossraubtierarten: Von den durch- ten gefährdet sind Alpbetriebe im Sömmerungsgebiet schnittlich pro Jahr gerissenen 267 Nutztieren2 ver- (68 % aller Nutztierrisse), gefolgt von Heimbetrieben ursachen Wölfe am meisten Schaden (79 % aller der Bergzonen IV und III (22 %). Schwächer gefähr- Nutztierrisse), gefolgt von Luchsen (15 %) und Bären det sind Heimbetriebe der Bergzonen II und I (9 %) und (6 %) (s. Tab. 1). Dabei geht vom einzelnen Bären (8 gering gefährdet solche der Hügel- und Talzone (2 %) Nutztierrisse/Bär) und vom einzelnen Wolf (4 Nutztier- (s. Tab. 3). risse/Wolf) eine deutlich grössere Gefährdung aus als vom einzelnen Luchs (0,1 Nutztierrisse/Luchs). Tabelle 3 Anteil Nutztierrisse in den Landwirtschaftszonen in der Schweiz. Tabelle 1 Grossraubtierbestand in der Schweiz 2018 und die durchschnittli- Luchs Wolf Bär Gesamt Sömmerungsgebiet 43 % 72 % 70 % 68 % che Anzahl gerissener Nutztiere. Bergzone IV und III 20 % 22 % 30 % 22 % Luchs Wolf Bär Gesamt Bergzone II und I 35 % 4% 0% 9% Grossraubtierbestand 300 50 2 352 Hügel- und Talzone 3% 2% 0% 2% Jährliche Nutztierrisse 39 212 16 267 Nutztierrisse pro Grossraubtier 0,1 4,0 8,0 0,8 Anteil am Gesamtschaden 15 % 79 % 6 % 100 % 1.2 Vorranggebiet für den Herdenschutz 2. Nutztierstruktur3 des Betriebes in Weidehaltung: Am Zur Sicherstellung eines gezielten Einsatzes der Bundes- stärksten gefährdet sind Schafe (91 % aller Nutztier- mittel im Herdenschutz legt das BAFU aufgrund des aktu- risse), gefolgt von Ziegen (7 %), während andere Nutz- ellen Vorkommens von Grossraubtieren ein Vorranggebiet tiere (Gehegehirsche, Lamas, Alpakas, Rinder, Pferde, für den Herdenschutz fest. Dieses bezeichnet Regionen5 Esel etc.) nur selten gerissen werden (2 %) (s. Tab. 2). der Schweiz, in denen mit der Anwesenheit von Gross- raubtieren zu rechnen ist und ein erhöhtes Risiko für Nutztierschäden besteht (Karte s. Anhang 1). Räumli- che Unterschiede im Grossraubtierrisiko werden auf der Karte mittels Signaturen zur nachgewiesenen Präsenz der Grossraubtiere dargestellt. Die Karte wird vom BAFU 2 Datengrundlage: Vom BAFU entschädigte Nutztierverluste 2005 – 2017, d. h. im Zeitraum des gleichzeitigen Vorkommens von Luchs, Wolf und Bär in der Schweiz (Total=3477 Risse von Huftieren). 4 Zur Definition der landwirtschaftlichen Zonen siehe «Landwirtschaftliche 3 Nutztierbestand Schweiz 2016: Gesamtbestand: 2 240 000 Kühe/Rinder, Zonenverordnung» (SR 912.1). 342 400 Schafe, 78 100 Ziegen; Sömmerungsbestand: 271 000 Kühe/Rinder, 5 Zur Abgrenzung des Vorranggebietes dienen i. d. R. die Grenzen der politi 262 000 Schafe, 65 000 Ziegen (Quelle Agrarbericht BLW). schen Gemeinden.
Teil I Organisation und Förderung des Herdenschutzes. Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 16 jährlich aktualisiert, im Internet veröffentlicht6 und den Kantonen auf Ende des Kalenderjahrs zugestellt. Verwendung der Karte: Das BAFU empfiehlt deren Ver- wendung im Rahmen der kantonalen Herdenschutzbe- ratung der betroffenen Heim- und Alpbetriebe wie folgt (s. Kap. 1.2 und 3.2.5): • Heim- und Alpbetriebe innerhalb des Vorranggebiets: Grossraubtiere kommen regelmässig vor, Nutztierris- se sind jederzeit möglich. Diesen Betrieben wird emp- fohlen, das konkrete Schadenrisiko zu prüfen. Wird das Risiko als untragbar hoch beurteilt, gilt es Nutztierrisse durch präventive Massnahmen zu verhindern. Der Kan- ton berät die Betriebsverantwortlichen bei Bedarf. • Heim- und Alpbetriebe ausserhalb des Vorrangge- biets: Grossraubtiere kommen vereinzelt vor, Nutztier- risse sind möglich, aber kaum vorhersagbar. Für diese Betriebe besteht kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Im Schadenfall berät der Kanton die betroffenen Land- wirte beim Ergreifen spontaner Massnahmen. Die Kanto- ne können den präventiven Herdenschutz auf Betrieben auch ausserhalb des Vorranggebietes zulassen. 6 Aktuelle Karte zu den Vorranggebieten zum Herdenschutz: www.protectiondestroupeaux.ch/downloads
Teil I Organisation und Förderung des Herdenschutzes. Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 17 2 Organisation im Herdenschutz 2.1 Grundsätze der Organisationsstruktur Hunde definiert das BAFU die anerkannten Hunde rassen sowie die Anforderungen an deren fachge- 1. Aufgabenteilung BAFU – BLW (Bundesamt für Land- rechte Zucht, Ausbildung, Haltung und Einsatz und es wirtschaft): Gemäss der zwischen dem BAFU und regelt deren Meldung (Registrierung). Im Sinne seines dem BLW vereinbarten Aufgabenteilung ist das BAFU politischen Auftrages (Motion 10.3242) überwacht das zuständig für die Regelung und Förderung des Her- BAFU den Bestand offizieller HSH. denschutzes. Der Herdenschutz ist in der Jagdge- setzgebung geregelt. In begrenztem Umfang kann der Herdenschutz auf den Massnahmen der Agrarpolitik 2.2 Akteure und deren Rollen aufbauen (z. B. Sömmerungsbeiträge). Die Förderung der Landwirtschaftsbetriebe ist Sache des BLW und 2.2.1 Nutztierhalter erfolgt im Rahmen des landwirtschaftlichen Direktzah- lungssystems. Die Landwirte sorgen eigenverantwortlich für den Schutz 2. Zuständigkeiten Bund – Kantone: Der Herdenschutz ihrer Nutztiere vor Grossraubtieren. Auf Antrag werden ist eine Verbundaufgabe zwischen Bund und Kanto- sie vom Kanton beim Abschätzen des Schadenrisikos und nen. Die Kantone sind für das Ergreifen von Massnah- Bestimmen wirksamer Schutzmassnahmen beraten. Sie men zum Herdenschutz zuständig (Art. 12 Abs. 1JSG). beantragen die finanzielle Unterstützung allfälliger Mass- Sie integrieren die Herdenschutzberatung in ihre land- nahmen. wirtschaftliche Beratung (Art. 10 ter Abs. 4 JSV). Das BAFU subventioniert diese Massnahmen und sorgt für 2.2.2 Gemeinden deren interkantonale Koordination (Art. 12 Abs. 5 JSG). 3. Nationales Programm zum Herdenschutz: Das BAFU Die Gemeinden sind für bestimmte Aufgaben und Kom- kann mit dem Vollzug des Herdenschutzes Dritte petenzen im Hundewesen zuständig, sofern die kantona- beauftragen (Art. 12 Abs. 5 JSG zweiter Satz). Ak- le Gesetzgebung diese an die Gemeinden übertragen hat. tuell ist die AGRIDEA mit dem Unterhalt eines «natio- Beispiele sind das Recht, eine kommunale Hundetaxe zu nalen Programmes zum Herdenschutz» mandatiert. Sie erheben, oder mögliche Auflagen zur Führung von Hunden unterstützt die Behörden von Bund und Kantonen beim im öffentlichen Raum (z. B. Zonen mit allgemeiner Leinen- allgemeinen Vollzug, bei der Beratung zum Herden- pflicht). Sie haben gemäss kantonalem Recht bestimmte schutz und bei der Erarbeitung fachlicher Grundlagen Aufgaben im Bereich der Fuss- und Wanderwege und sind zum Herdenschutz. Sie sorgt zudem für die Abwicklung i. d. R. für deren Bau und Unterhalt zuständig. der finanziellen Förderung der Massnahmen. 4. Selbstverantwortung: Landwirte prüfen im Rahmen 2.2.3 Kantone ihrer unternehmerischen Freiheit das Schadenrisi- ko ihrer Betriebe und ergreifen die Massnahmen zum Kantonale Jagdverwaltungen Herdenschutz freiwillig. Die kantonalen Jagdverwaltungen sorgen für die bedarfs- 5. Das Herdenschutzhundewesen als landwirtschaft gerechte Information der kantonalen Ämter und der liche Branchenlösung: Die Zucht von Herdenschutz- Beratungsstelle für den Herdenschutz zum Risiko durch hunden, deren Ausbildung und Haltung übernehmen Grossraubtiere sowie zur Entschädigungspraxis von Landwirte, die das ständige Zusammenleben der HSH Nutztierrissen. Sie bestimmen im Falle von Nutztierrissen mit den Nutztieren sicherstellen. Das BAFU fördert die den Verursacher, klären die Ansprüche der Landwirte auf entsprechenden Anstrengungen der landwirtschaft Entschädigung und nehmen die Abgeltung vor. Sie beur- lichen Branche. Zur Sicherstellung eines gesellschafts- teilen, verfügen und vollziehen den allfälligen Abschuss kompatiblen und tierschutzkonformen Einsatzes dieser geschützter Grossraubtiere, sie stützen ihren Entscheid
Teil I Organisation und Förderung des Herdenschutzes. Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 18 auf die Beurteilung der ergriffenen Massnahmen zum gerechte Information und Beratung der Heim- und Alp- Herdenschutz durch das kantonale Landwirtschaftsamt. betriebe zum Risiko durch Grossraubtiere, zu wirksamen Sie beurteilen gemeinsam mit den kantonalen Dienst- Massnahmen des Herdenschutzes und deren Subventi- stellen Veterinärwesen, Landwirtschaft und Wanderwege onierung sowie zur Entschädigungspraxis von Nutztier- die von der BUL erstellten «Gutachten zur Konflikt- und rissen durch Grossraubtiere. Bezüglich der Beratung Unfallverhütung mit offiziellen Herdenschutzhunden» auf zum Risiko durch Grossraubtiere und der Rissentschädi- Heim- und Alpbetrieben (s. kantonale Kommission für gung stützt sie sich auf die Informationen der kantonalen Herdenschutzhunde). Jagdverwaltung. Sie beurteilt die Zweckmässigkeit von Massnahmen zum Herdenschutz als Grundlage zu deren Kantonale Veterinärdienste Förderung durch das BAFU. Die kantonalen Veterinärdienste sind für den Vollzug der Tierschutzgesetzgebung sowie für die allgemeine Admi- Kantonale Fachstellen für Fuss- und Wanderwege nistration des Hundewesens zuständig. Sie prüfen gemel- Sie ist im Kanton für die Aufsicht über das Wander- dete Vorfälle mit Hunden und ordnen ggf. administrative wegwesen zuständig. Sie beurteilt gemeinsam mit den Massnahmen gegen Hunde oder deren Halter an. Sie kantonalen Dienststellen Jagd, Veterinärwesen und betreuen inhaltlich die allfällig notwendige Anpassung Landwirtschaft die von der BUL erstellten «Gutachten der kantonalen Hundegesetzgebung an die übergeordne- zur Konflikt- und Unfallverhütung mit offiziellen Herden- ten bundesrechtlichen Bestimmungen zum Herdenschutz schutzhunden» auf Heim- und Alpbetrieben (s. kantonale mit HSH. Sie beurteilen gemeinsam mit den kantonalen Kommission für Herdenschutzhunde). Sie sorgt überdies Dienststellen Jagd, Landwirtschaft und Wanderwege für die Umsetzung darin beschlossener Massnahmen zur die von der BUL erstellten «Gutachten zur Konflikt- und Entflechtung des Wegnetzes von den Einsatzgebieten Unfallverhütung mit offiziellen Herdenschutzhunden» auf der HSH. Dabei kann sie die gemäss kantonalem Recht Heim- und Alpbetrieben (s. kantonale Kommission für zuständigen Körperschaften (i. d. R. die Gemeinden) und Herdenschutzhunde). kantonalen Wanderweg-Fachorganisationen beiziehen oder ihnen bestimmte Aufgaben übertragen. Kantonale Landwirtschaftsämter Die kantonalen Landwirtschaftsämter sorgen für die Aus- Kantonale Kommissionen für Herdenschutzhunde richtung landwirtschaftlicher Direktzahlungen und stellen Das BAFU empfiehlt den Kantonen die Bildung einer Kom- die landwirtschaftlichen Daten zur Verfügung, die für die mission für HSH. Diese setzt sich u. a. aus den kantonalen Herdenschutzplanung benötigt werden (z. B. Betriebsplä- Dienststellen für Landwirtschaft, Jagd, Veterinärwesen ne). Sie integrieren die Beratungsstelle für den Herden- sowie Fuss- und Wanderwege zusammen. Deren Haupt- schutz in die landwirtschaftliche Beratung. Sie beurteilen aufgabe ist die Mitwirkung (Prüfen, Ergänzen) und das im Vorfeld eines Abschusses von Grossraubtieren (auf- allfällige Erteilen der Zustimmung zu den Sicherheitsgut- grund landwirtschaftlicher Schäden) und z. Hd. der kanto- achten im Zusammenhang mit der Haltung und dem Ein- nalen Jagdverwaltungen, ob allfällige Massnahmen zum satz von offiziellen HSH, die die AGRIDEA dem Kanton Herdenschutz fachgerecht umgesetzt worden sind. Sie zur Verfügung stellt. Die Kommission entscheidet somit beurteilen gemeinsam mit den kantonalen Dienststellen im Gesamtinteresse des Kantons, ob das BAFU auf einem Jagd, Veterinärwesen und Wanderwege die von der BUL Heim- oder Alpbetrieb solche Hunde platzieren und för- erstellten «Gutachten zur Konflikt- und Unfallverhütung dern wird und welche Auflagen dabei gelten. Beim Feh- mit offiziellen Herdenschutzhunden» auf Heim- und Alp- len einer solchen Kommission müssten die verschiedenen betrieben (s. kantonale Kommission für Herdenschutz- Ämter (Jagd, Veterinärwesen, Landwirtschaft, Wander- hunde). wege) diese Sicherheitsgutachten einzeln beurteilen. Kantonale Beratungsstellen für den Herdenschutz Interkantonale Kommissionen zu Grossraubtieren (IKK) Die kantonale Beratungsstelle zum Herdenschutz, als Teil Diese Kommissionen sorgen innerhalb der Komparti- der landwirtschaftlichen Beratung, sorgt für die bedarfs- mente der Grossraubtiere (Einteilung gem. Anhang 2 des
Teil I Organisation und Förderung des Herdenschutzes. Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 19 Konzept Luchs Schweiz, 2016) für die nötigen, interkanto- Behirtung von Schafen während der Sömmerung. Bei der nalen Absprachen zum Grossraubtiermanagement sowie Regelung des Herdenschutzes kann das BAFU auf sol- zum Herdenschutz. Sie setzen sich bedarfsorientiert aus chen landwirtschaftsbetrieblichen Massnahmen aufbau- Vertretern der kantonalen Dienststellen Jagd, Landwirt- en, die das BLW im Rahmen des Direktzahlungssystems schaft sowie des BAFU zusammen. fördert. Vereinigung Schweizerischer Kantonstierärzte (VSKT) Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinär- Diese Vereinigung setzt sich aus den Vorstehern der wesen (BLV) kantonalen Veterinärdienste zusammen. Im Auftrag der Das BLV sorgt als Fachbehörde des Bundes für den Voll- VSKT betreibt die Identitas AG die Hundedatenbank zug der eidgenössischen Tierschutzgesetzgebung, darin (AMICUS) als offizielle Meldestelle für sämtliche Hunde. eingeschlossen ist auch die Regelung zum Umgang mit Diese Datenbank dient dem BAFU zur Registrierung der Hunden und den Verantwortlichkeiten von deren Haltern. offiziellen HSH. Die Daten dieser Datenbank sind für die zuständigen Vollzugsbehörden zur Erfüllung ihrer gesetz- Kynologischer Beirat lichen Aufgaben einsehbar (Art. 17h bis k TSV). Der Beirat berät das BAFU im Sinne einer Arbeitsgrup- pe bedarfsorientiert zu politischen und strategischen Fra- 2.2.4 Bund gen rund um das Herdenschutzhundewesen, insbesondere zu den anerkannten Hunderassen, zur Anerkennung der Bundesamt für Umwelt (BAFU) Zuchtvereine und deren Reglementen sowie zum Regle- Das BAFU erlässt die Richtlinien zum Herdenschutz (gem. ment der EBÜ von HSH. Die Mitglieder setzen sich aus Art. 10ter Abs. 3 und Art. 10quater Abs. 3 JSV). Es sorgt für Fachpersonen der Bundes- oder Kantonsbehörden und die Subventionierung der Massnahmen zum Herdenschutz Nutzhundeexperten zusammen. Die Fachstelle Herden- sowie deren interkantonale Koordination. Das BAFU kann schutzhunde (AGRIDEA) übernimmt die Geschäftsführung. zum Vollzug des Herdenschutzes Dritte beiziehen (Art. 12 Abs. 5 JSG). In diesem Sinne ist die AGRIDEA vom BAFU 2.2.5 Fachorganisationen mit der Führung des nationalen Programmes zum Her- denschutz mandatiert. Das BAFU führt dieses Programm Programm des BAFU zum Herdenschutz strategisch. Das BAFU führt ein nationales Programm zum Herden- schutz. Dieses Programm ist bei AGRIDEA angegliedert Im Sinne des politischen Auftrags (Motion 10.3242) über- und besteht aus zwei Fachstellen: wacht das BAFU den Bestand an HSH und fördert geprüf- te und registrierte (offizielle) HSH. Bezüglich der Zucht 1. Fachstelle «Technischer Herdenschutz»: Sie über- und Ausbildung offizieller HSH arbeitet das BAFU eng mit nimmt für das BAFU ausgelagerte Vollzugsaufgaben der landwirtschaftlichen Branche zusammen. Bei strate- im technischen Herdenschutz. Sie berät die kanto- gischen Fragen zu HSH arbeitet das BAFU mit dem kyno- nalen Beratungsstellen zum Herdenschutz bei der logischen Beirat zusammen. Herdenschutzplanung und beim technischen Her- denschutz. Sie wickelt das Beitragswesen für tech- Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) nische Massnahmen zum Herdenschutz ab. Sie berät Das BLW sorgt als Fachbehörde des Bundes für den und unterstützt die Kantone beim Ergreifen spontaner Vollzug der eidgenössischen Gesetzgebung zur Land- Massnahmen zum Herdenschutz nach unvorhersehba- wirtschaft. Es sorgt in diesem Rahmen für die Abgeltung ren Schadenereignissen. Sie erstellt nach Absprache gemeinwirtschaftlicher Leistungen von Landwirtschafts- mit dem BAFU die fachlichen Grundlagen zum techni- betrieben, wie zum Beispiel zur Pflege der Kulturland- schen Herdenschutz, sorgt für den internationalen Wis- schaft oder zur Gewährleistung des Tierwohls. Mittels senstransfer und zusammen mit landwirtschaftlichen Direktzahlungen fördert das BLW landwirtschaftsbe- Organisationen und Institutionen für das Ausbildungs- triebliche Massnahmen wie zum Beispiel die ständige wesen im Herdenschutz.
Teil I Organisation und Förderung des Herdenschutzes. Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 20 2. Fachstelle «Herdenschutzhunde» mit den regionalen nung von Heim- und Alpbetrieben für eine fach- und «Fachberatern Herdenschutzhunde»: Sie übernimmt tierschutzgerechte Haltung offizieller HSH. (3) Wir- für das BAFU die Administration des Herdenschutz- kungsanalyse bei Nutztierrissen trotz Herdenschutz hundewesens. Sie berät die Behörden und weitere Inte- mit offiziellen HSH. ressierte zu HSH. Sie sorgt für die Abgabe offizieller HSH an die Landwirtschaft. Sie prüft offizielle HSH auf Anerkannte Zuchtvereine offizieller Herdenschutzhunde deren Einsatzbereitschaft und Gesellschaftstauglich- Diese Zuchtvereine vereinigen die Halter und Züchter offi- keit und registriert diese HSH in AMICUS. Sie bereitet zieller HSH bestimmter anerkannter Rassen. Sie sorgen das Beitragswesen für offizielle HSH vor (Beiträge für im Leistungsauftrag des BAFU für die Zucht und Ausbil- Zucht, Ausbildung, Haltung und Einsatz). Sie erstellt dung offizieller HSH zwecks nachfolgender Abgabe an mit den anerkannten Zuchtvereinen Leistungsaufträ- die Landwirte im Rahmen des nationalen Programms zum ge zur Zucht und Ausbildung von HSH und der Verbes- Herdenschutz. Sie sorgen für die vereinsinterne Aus- und serung des Herdenschutzhundewesens. Sie informiert Weiterbildung der Halter, Züchter, Ausbildner und Prü- die Öffentlichkeit über HSH und den korrekten Umgang fungsrichter von HSH. Sie engagieren sich bei der Ver- mit diesen Hunden und erstellt Markierungs-, Informa- besserung der Qualität des Herdenschutzhundewesens tions- und Kommunikationsmaterial. Sie lässt Betrie- im Rahmen von Leistungsvereinbarungen mit der Fach- be von Neuhaltern offizieller HSH unabhängig auf (1) stelle Herdenschutzhunde auch im internationalen Netz- deren Eignung für eine fach- und tierschutzgerech- werk der Züchter solcher Hunde. te Haltung solcher Hunde sowie (2) allfällige Auflagen zur Unfall und Konfliktverhütung beim Einsatz der HSH Beratungsstelle für die Unfallverhütung in der Land- prüfen. Bei Vorfällen mit offiziellen HSH (Beissvorfäl- wirtschaft (BUL) le, Streunen, Wildern oder Lärmbelästigung) erstellt sie Die BUL ist das schweizerische Kompetenzzentrum für auf Antrag der Behörden Gutachten als Sachverständi- die Arbeitssicherheit und Unfallverhütung auf Heim- und ge. Sie sorgt für die Überwachung der Population offi- Alpbetrieben. Sie engagiert sich als Fachorganisation im zieller HSH in der Schweiz und führt dazu zu jedem Rahmen des Präventionssystems agriTOP bei der Aus- einzelnen Hund eine Hundefiche. bildung der Landwirte und Alpverantwortlichen in der Arbeitssicherheit und berät Heimbetriebe durch Spezi- Sie übernimmt die administrative Führung über ein alisten der Arbeitssicherheit. Im Rahmen des nationa- mandatiertes Team regionaler Fachberater für HSH. len Programmes zum Herdenschutz beurteilt die BUL Diese Fachberater sind in den Regionen die Fachex- im Leistungsauftrag des BAFU die Heim- und Alpbe- perten zum praktischen Umgang mit offiziellen HSH triebe sowie die Prüfungsgelände für HSH bezüglich des und sind Teil der Fachstelle Herdenschutzhunde. Sie wirksamen Konfliktmanagements beim Einsatz offiziel- sind selber praktizierende Landwirte und Halter offi- ler HSH. Sie erstellt dazu und auf Antrag der Fachstelle zieller HSH. Aufgrund von Interessenkonflikten ist ein Herdenschutzhunde so genannte «Gutachten zur Unfall- Doppelmandat mit der kantonalen Beratungsstelle zum verhütung und zum Konfliktmanagement mit HSH». Herdenschutz zu vermeiden. Die Fachberater über- nehmen die Beratung vor Ort zu konkreten Fragen der Schweizerische Dysplasie Kommission Ausbildung, Haltung und des Einsatzes offizieller HSH Die Schweizerische Dysplasie Kommission und deren sowie zum Konfliktmanagement. Diese führen auch die assoziierte Fachtierärzte unterstützen die anerkannten obligatorischen Einführungs- und Praxiskurse für Hal- Zuchtvereine im Auftrag des BAFU bei der Leistungszucht ter von Herdeschutzhunden sowie die Einsatzbereit- offizieller HSH mittels Programm zur Überwachung auf schaftsüberprüfung offizieller HSH (EBÜ) durch. Sie Dysplasie der Hüft- und Ellenbogengelenke. Sie berät die erstellen auf Anordnung der Fachstelle Herdenschutz- Zuchtvereine zwecks Verbesserung der Leistungszucht hunde Fachgutachten zu folgenden Themen: (1) Vor- der HSH. fälle zwischen HSH und Dritten, insbesondere unter Berücksichtigung des Einsatzzwecks der HSH. (2) Eig-
Teil I Organisation und Förderung des Herdenschutzes. Vollzugshilfe Herdenschutz © BAFU 2019 21 3 Vorgehen zur landwirtschaftlichen Beratung im Herdenschutz Das BAFU empfiehlt den Kantonen das nachfolgende Vorgehen: 3.1 Ziel der Beratung Die kantonale Beratungsstelle zum Herdenschutz infor- miert die betroffenen Nutztierhalter bedarfsgerecht über das Grossraubtierrisiko und die wirksamen Massnahmen zum Schutz ihrer Nutztiere. 1. Beratung zur Verhütung vorhersehbarer Nutztier- schäden: Nutztierschäden sind vorhersehbar, wenn sie innerhalb des aktuellen Vorranggebiets für den Her- denschutz auftreten (s. Anhang 1). Zum vorausschau- enden Verhüten solcher Schäden werden sämtliche betroffenen Nutztierhalter (Heimbetriebe und Alpbe- triebe) alljährlich über die aktuelle Grossraubtiersitua tion und den Herdenschutz informiert (s. Kap. 3.2). 2. Beratung im Nachgang zu unvorhersehbaren Nutz- tierschäden: Nutztierschäden sind dann unvorherseh- bar, wenn sie ausserhalb des aktuellen Vorranggebiets für den Herdenschutz auftreten (s. Anhang 1). Gross- raubtiere treten in diesen Gebieten nur sporadisch auf. Die Nutztierhalter werden im Nachgang allfälli- ger Schäden beim Ergreifen spontaner Massnahmen zur Verhütung weiterer Schäden beraten (s. Kap. 3.3). 3.2 Beratung zur Verhütung vorhersehbarer Nutztierschäden 3.2.1 Ablaufschema zum Vorgehen der kantonalen Herdenschutzberatung Die vom BAFU empfohlenen Abläufe anlässlich der kanto- nalen Beratung über den Herdenschutz findet sich über- sichtlich dargestellt in der Abbildung 1 für die Beratung der Heimbetriebe und in der Abbildung 2 für die Beratung der Alpbetriebe. Das konkrete Vorgehen wird in den nach- folgenden Kapiteln beschrieben.
Sie können auch lesen