Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz 2021 - Universität Potsdam - Universität Potsdam

Die Seite wird erstellt Josef Fiedler
 
WEITER LESEN
Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz 2021 - Universität Potsdam - Universität Potsdam
Universität Potsdam

Voltaire-Preis
für Toleranz, ­Völkerverständigung
und ­Respekt vor Differenz
2021
Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz 2021 - Universität Potsdam - Universität Potsdam
Campus Am Neuen Palais.
Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz 2021 - Universität Potsdam - Universität Potsdam
Inhalt

 5   Grußwort
 7   Laudatio
11   Dankesrede
17   Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz
19   Die Jury
21   Bisherige Preisträgerinnen und Preisträger
28   Impressum
Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz 2021 - Universität Potsdam - Universität Potsdam
Universität Potsdam

    Communs am Neuen Palais.
4            in h a lt
              Universität Potsdam
Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz 2021 - Universität Potsdam - Universität Potsdam
Grußwort
                                                                    Prof. Oliver Günther, Ph.D.
                                                            Präsident der Universität Potsdam

Nach Jahrzehnten relativer Politikabstinenz sind politi-     aus Guatemala, Afghanistan und Ungarn (s. Seite 22 f.).
sche Themen auf den Campi dieser Welt wieder präsent.        2021 verleiht die Universität Potsdam den Voltaire-Preis
Wir sehen kontroverse politische Debatten, wir sehen         an Elisabeth Kaneza. Die Juristin forscht als Doktoran-
Demonstrationen, wir erleben Streitkultur. All das ist       din am Potsdamer MenschenRechtsZentrum zur »Ver-
begrüßenswert, denn eine Universität ist kein politik-       wirklichung eines positiven Rechts für die Gleichbe-
freier Raum. Ganz im Gegenteil, sie muss als essenziel-      rechtigung von Schwarzen Menschen in Deutschland«.
ler Teil der Zivilgesellschaft Raum geben für Diversität,    Zudem setzt sie sich mit der von ihr gegründeten Ka-
freie Meinungsäußerung und Respekt vor Differenz.            neza Foundation for Dialogue and Empowerment e. V.
    Dies sind wir auch unseren Studierenden schuldig,        für Betroffene von rassistischer Diskriminierung ein.
gerade auch an der Universität Potsdam, einer Hoch-          Als Kind mit ihren Eltern vor Gewalt und Verfolgung
schule, die sich nicht nur aus geografischen Gründen         aus Ruanda nach Deutschland geflohen, hat Elisabeth
eng mit dem Gedankengut der Aufklärung verbunden             Kaneza selbst Diskriminierung erfahren. Seitdem wen-
fühlt. Auch die Internationalisierung spielt für uns eine    det und engagiert sie sich auf mannigfache Weise ge-
wichtige Rolle als integraler Bestandteil universitären      gen Diskriminierung und Benachteiligungen auf der
Lebens. Nur im internationalen Kontext ist es möglich,       Grundlage von Herkunft. Sie lehrt uns alle, dass Respekt
Weltoffenheit, interkulturellen Austausch und Will-          vor dem Anderen nur durch Bewusstseinsbildung und
kommenskultur zu fördern.                                    Verhaltensänderung möglich ist.
    Diese Gedanken aufgreifend hat die Universität               Alle Preisträgerinnen und Preisträger fühlen sich
Potsdam 2017 mit Unterstützung der Friede Springer           den Idealen der Aufklärung verpflichtet und haben be-
Stiftung den »Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerver-        wiesen, dass sie diese selbst in schwierigen Situationen
ständigung und Respekt vor Differenz« begründet. Die         hochhalten und sich Rassismus und Diskriminierung
bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger Hilal Alkan      entgegenstellen. Sie sollen uns Vorbild sein, wenn es da-
(2017), Gladys Tzul Tzul (2018), Ahmad Milad Karimi          rum geht, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu si-
(2019) und Gábor Polyák (2020) kamen aus der Türkei,         chern sowie Achtung und Respekt vor Differenz zu leben.

                                                                                                  grusswort          5
                                                                                                                     Universität P
Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz 2021 - Universität Potsdam - Universität Potsdam
Universität Potsdam

    Campus Griebnitzsee.
6             grußwort
               Universität Potsdam
Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz 2021 - Universität Potsdam - Universität Potsdam
Laudatio
                                                     Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christoph Markschies,
                                                       Präsident der Berlin-Brandenburgischen
                                                                 Akademie der Wissenschaften

Eine Laudatio zu verfassen und vorzutragen, macht Ver-        schen Rechts- und Politikwissenschaft angesiedelten
gnügen, denn es ist ein Vergnügen, preiswürdige Leis-         Promotion zum Thema »rassische Diskriminierung«.
tungen wahrzunehmen, sich darüber zu freuen und sie           Wie es sich für jemanden gehört, der zu öffentlich-
dann öffentlich auszuzeichnen. Hier und heute ist es          rechtlichen Themen forscht, definiert Frau Kaneza den
aber ein ganz besonderes Vergnügen, eine solche Lau-          Gegenstand ihrer Promotion sehr präzise: »Rasse drückt
datio verfasst zu haben und vorzutragen, denn wir kön-        also nicht aus, dass es biologische ›Menschenrassen‹
nen uns nicht nur darüber freuen, dass sich eine Frau         gibt, sondern, dass es Personen und Gruppen …, die
gegen mancherlei Widerstände, präziser: Diskriminie-          aufgrund dieses Merkmals Ungleichbehandlung erfah-
rung und Verfolgung, durchgesetzt hat, ganz präzise: a        ren«, diskriminiert werden. Unter anderem deswegen
Woman of Color (WOC) in der doch arg deutschen Wis-           votiert, nebenbei bemerkt, unsere diesjährige Preisträ-
senschaft hierzulande. Wir können uns vielmehr auf            gerin auch gegen die gegenwärtig heftig diskutierte
eine Preisträgerin freuen, von der wir alle etwas lernen      Streichung des Begriffs »Rasse« im Grundgesetz, spricht
können.                                                       selbstbewusst von »schwarzen Menschen« und fordert
    Von wem spreche ich? Von Frau Elisabeth Kaneza,           ein diskriminierungsfreies »Schwarzes Leben« (mit
die in diesem Jahr den »Voltaire-Preis für Toleranz, Völ-     großem Anfangsbuchstaben) »in weiß dominierten
kerverständigung und Respekt vor Differenz« erhält.           Gesellschaften«. Es sei doch wohl selbstverständlich,
Mit diesem Preis, der dankenswerterweise von der              bei der Frage, wie man heute mit dem Begriff »Rasse«
Friede Springer Stiftung finanziert wird, zeichnet die        umgehen solle, Forscherinnen und Forscher of Color zu
Universität Potsdam seit 2017 in jedem Jahr eine Wis-         fragen. Und so gefragt, lautet ihr sehr klares Argument
senschaftlerin oder einen Wissenschaftler aus, der oder       wörtlich: »Denn rechtlicher Schutz vor Diskriminierung
die sich für die Freiheit von Forschung und Lehre sowie       setzt voraus, dass diese erfassbar ist. Ob sie rechtlich er-
für das Recht auf freie Meinungsäußerung einsetzt. Die        fassbar ist, hängt wiederum davon ab, ob das Gesetz
diesjährige Preisträgerin Elisabeth Kaneza ist im Alter       das zutreffende Diskriminierungsmerkmal anerkennt.«
von sechs Jahren mit ihrer Familie aus der Hölle des Völ-         Natürlich könnte ich, wenn ich jetzt über das bis-
kermords in Ruanda nach Deutschland geflohen und              herige Leben und Wirken von Elisabeth Kaneza spre-
arbeitet gegenwärtig an einer im Grenzbereich zwi-            che, die Frage stellen, ob sie selbst nicht durch die Dis-

                                                                                                      l au dat io        7
                                                                                                                         Universität P
Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz 2021 - Universität Potsdam - Universität Potsdam
Universität Potsdam

kriminierung, die eine aus Ruanda stammende junge            mehr Menschen von dieser Expertise profitieren kön-
Frau in Deutschland erfährt, auf das Thema gebracht          nen. Ein erster Schritt dazu wäre beispielsweise, dem
wurde, Diskriminierung zu untersuchen. Aber mit ei-          höchst informativen Twitter-Account von Elisabeth
ner positiven Antwort wird sofort auch das tiefe Pro-        Kaneza zu folgen, mindestens ein erster Schritt für die,
blem deutlich, wieviel nach dem Aufschlag der Mütter         die dieses Medium nutzen.
und Väter des Grundgesetzes beim Verfassungskonvent              Mich jedenfalls beeindruckt, wie sehr Elisabeth Ka-
in Herrenchiemsee in den letzten 70 Jahren versäumt          neza seit Schulzeiten nicht nur über Diskriminierung
wurde – versäumt wurde jedenfalls, die im Prinzip            nachdenkt und ihre Stimme dagegen erhebt, sondern
durch den Verfassungstext geordnete Verfassungs-             sich verantwortlich zeigt für Bewusstseinsbildung
wirklichkeit an die Grundrechtsnorm anzupassen. Of-          und Verhaltensänderung anderer Menschen, die nicht
fenbar brauchen wir nach wie vor für die nachhaltige         durch ihre eigene Biografie sofort auf das Thema ge-
Erinnerung an dieses schwere Versäumnis die Arbeit           stoßen werden und daher alltägliche Benachteiligun-
der von Diskriminierung und Rassismus Betroffenen.           gen gern übersehen. Gleichzeitig liegt ihr die Stärkung
Besser wäre es, die Diskriminierungen, die Frau Kaneza       derer am Herzen, die nach wie vor Opfer von Diskrimi-
erfahren hat – beispielsweise im Nordrhein-Westfäli-         nierung sind – »Empowerment« heißt das auf Englisch,
schen Schulsystem, präziser: in Aachen –, zum Anlass         »Kräftigung« hätten das meine Eltern genannt. Mit
zu nehmen, die Realität der hehren Normen des Dis-           solchem Engagement hat Frau Kaneza früh begonnen:
kriminierungsverbots ganz konkret im Alltag unseres          Sie wirkte nicht nur als Klassen- und Schulsprecherin,
Berlin-Brandenburger Bildungssystems zu überprüfen.          sondern engagierte sich während ihres Studiums in
Frau Kaneza überprüft in ihrer Dissertation sowohl an-       Maastricht und Berlin als Jugendleiterin in Bildungs-
hand von Interviews Alltagserfahrungen als auch die          einrichtungen und als Coach in interkulturellen und
Rechtswirklichkeit beispielsweise der Polizeigesetze.        integrativen Projekten. Schon 2013 gründete sie die Ka-
Immerhin haben entsprechende Institutionen wie die           neza Initiative, mit dem Ziel, gesellschaftlichen Wandel
Antidiskriminierungsstelle des Bundes, politische Par-       aktiv mitzugestalten und einen Beitrag für die Förde-
teien und Stiftungen längst begonnen, die Expertise          rung der Menschenrechte und Vielfalt zu leisten. Drei
von Frau Kaneza zu nutzen – und besonders ist natür-         Jahre später wurde aus der Initiative schließlich ein
lich die Universität Potsdam zu nennen, die durch die        gemeinnütziger Verein: die Kaneza Foundation for Di-
diesjährige Voltaire-Preisträgerin dabei unterstützt         alogue and Empowerment e. V. Kaum zufällig fördert
wird, innerhalb der nächsten zwei Jahre im Rahmen            dieser Verein beispielsweise Menschenrechtstraining
eines Prozesses unter dem Motto »Vielfalt gestalten«         für Frauen afrikanischer Herkunft, aber auch entspre-
das Diversity Audit des Stifterverbandes zu erlangen.        chende Fortbildung für pädagogische Fachkräfte mit
Eine Folge des Voltaire-Preises ist hoffentlich, dass noch   klassischdeutscher Bildungsbiografie und vor allem

8          lUniversität
            au dat io Potsdam
Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz 2021 - Universität Potsdam - Universität Potsdam
fest sch ri ft volta i re-preis 2021

Empowerment wie Bildung für junge Menschen. Ich             mense Potenzial, das jede und jeder für die Gestaltung
kenne wenige Promovendinnen oder Promovenden, die           unserer Gesellschaft mitbringt, ausschöpfen. Interkul-
schon in so jungen Jahren eine solche Initiative auf die    turellen Dialog sehen wir dabei als einen wichtigen
Wege gebracht und institutionalisiert haben.                Garant für den gesellschaftlichen Zusammenhalt an.«
    Die Jury, die Elisabeth Kaneza für den Voltaire-Preis        Wollte man von diesen Werten, für die Elisabeth Ka-
vorschlug, steht nicht allein auf weiter Flur: Elisabeth    neza steht, eine Linie zu Voltaire ziehen, dem es auch
Kaneza wurde bereits mehrfach für ihr Engagement            um die allgemeinen Rechte aller Menschen und die spe-
ausgezeichnet, unter anderen von der Robert Bosch           zifischen jeden Individuums ging, würden selbstredend
Stiftung und der Deutschland Stiftung Integration. Sie      neben Analogien auch Differenzen auftreten; alles an-
wurde auch mehrfach als Senior Fellow des Hochkom-          dere wäre bei einem Zeitgenossen des großen Friedrich,
missariats der Vereinten Nationen für Menschenrechte        der vor 243 Jahren starb, auch eher verwunderlich. Wie
ausgewählt und koordinierte in diesem Zusammen-             auch immer Äußerungen Voltaires zu interpretieren
hang ehrenamtlich die UN-Dekade für Menschen afri-          sind – der nach ihm benannte Potsdamer Preis ehrt
kanischer Abstammung. Wieso dann noch der Voltaire-         Respekt vor Differenz. Diesen Respekt hat Frau Kaneza
Preis? Auf der Homepage der Kaneza Foundation findet        nicht nur überreichlich dokumentiert, sie bringt ihn vor
sich ein wunderbarer Abschnitt über die drei Werte,         allem auch anderen Menschen bei, durch ihre wissen-
denen sich diese Stiftung besonders verpflichtet fühlt:     schaftliche Arbeit ebenso wie durch ihr bürgerschaftli-
Menschenrechte, Chancengleichheit und Vielfalt. Die-        ches Engagement. Schon deswegen ist sie eine würdige
ser Abschnitt lautet: »Wir glauben, dass die Achtung        Trägerin des Voltaire-Preises.
der Menschenrechte, Chancengleichheit und die An-
erkennung von Vielfalt wichtige Voraussetzungen für         Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Christoph Markschies,
die Stärkung unserer Demokratie sind. Nur wenn wir          Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie
Diversität als Bereicherung sehen, können wir das im-       der Wissenschaften

                                                                                             l au dat io          9
                                                                                                                   Universität P
Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz 2021 - Universität Potsdam - Universität Potsdam
Universität Potsdam

  Elisabeth Kaneza.
10           grusswort
          Universität Potsdam
Dankesrede
                                                                            Elisabeth Kaneza,
                                                            Trägerin des Voltaire-Preises 2021

Sehr geehrter Herr Professor Günther,                       Rechtsextremismus und Xenophobie verkürzen lassen.
Sehr geehrter Herr Professor Markschies,                    Die Fixierung auf das nationalsozialistische Unrecht
Sehr geehrter Herr Professor Schweigert,                    hat zwar dazu geführt, dass dieses dunkle Kapitel der
Sehr geehrter Herr Professor Schnellnhuber,                 deutschen Geschichte in das gesellschaftliche Bewusst-
Sehr geehrter Herr Professor Ette,                          sein eingeprägt wurde. Jedoch hatte dies auch zur Folge,
Sehr geehrte Damen und Herren,                              dass rassistische Zuschreibungsprozesse und darauf be-
                                                            zogene Verbrechen, die vor der NS-Zeit stattgefunden
zunächst möchte ich mich bei Ihnen, Herr Professor          und bis heute ihr Fortbestehen in der Ausgrenzung von
Markschies, für die Laudatio bedanken. Vielen Dank für      Bevölkerungsgruppen haben, von der Geschichtserzäh-
diese besondere Anerkennung!                                lung ausgeklammert wurden. Ich meine damit den
     Es ist eine große Ehre für mich, dass ich als Preis-   deutschen Kolonialismus und das in den damaligen
trägerin des diesjährigen Voltaire-Preises ausgewählt       Kolonien verübte Unrecht. Die Verdrängung des Ras-
wurde. Es ist ein Preis für Toleranz, Völkerverständi-      sismus auf die Zeit des Nationalsozialismus hatte auch
gung und Respekt vor Differenz. Sowohl in meiner            zur Folge, dass gegenwärtige Formen des strukturellen
Forschung als auch in meinem Engagement als Men-            und institutionellen Rassismus zu einem Tabuthema
schenrechtlerin möchte ich einen Beitrag dazu leisten,      wurden. Dieses Rassismusverständnis geht von einem
dass strukturelle Ungleichheiten beseitigt werden. In       Rassismus ohne Hierarchien aus und blendet somit die
diesem Zusammenhang befasse ich mich mit dem An-            gesamtgesellschaftliche Betroffenheit aus. Der Begriff
tidiskriminierungsrecht und mit rechtlichen sowie po-       des Rassismus wird hierzulande relativiert. Wenn von
litischen Ansätzen, um den anhaltenden Rassismus in         Rassismus die Rede ist, sieht sich kaum jemand als
Deutschland und in der Welt sichtbar zu machen und          Teil eines systemischen Problems. Unweigerlich muss
die Rechte der Betroffenen zu stärken.                      zum Schluss kommen, kein Rassist zu sein, wer keine
     Ich übe in meiner Arbeit Kritik an dem deutschen       Verbindungen zum rechten Milieu hat und sich selbst
Rassismusverständnis. Es basiert erstens auf einem          für weltoffen hält. Dies drückt sich in der Glorifizierung
deutschen Exzeptionalismus und zweitens auf der             von »Farbenblindheit« aus. Die Benennung von Trenn-
Idee, dass sich Erscheinungsformen des Rassismus auf        linien, die Privilegien für diejenigen bedeuten, die in

                                                                                                 da n k esrede      11
                                                                                                                     Universität P
Universität Potsdam

diesem Land weiß sind und sowohl die deutsche Staats-       deutschen Bewusstsein ein Makel, ja ein Vorwurf, der
bürgerschaft als auch eine christliche Religionszugehö-     schwer wiegt. Die Verdrängung dieses Themas und das
rigkeit haben, gilt weitestgehend als eine Übertreibung     Unbehagen, das es erzeugt, sind allgegenwärtig. Eine
der Zustände. Selten gilt die Aufmerksamkeit deshalb        Konfrontation mit der Vergangenheit und der Gegen-
denjenigen, die alltäglich Opfer von Diskriminierung        wart von Rassismus ist jedoch unabdingbar, wenn sich
werden, und der Frage, wie ihre Gleichberechtigung          die Verhältnisse zum Besseren verändern sollen.
sichergestellt werden kann. Zu oft steht allein die mo-          Können wir Rassismus und Intoleranz erfolgreich
ralische Verurteilung von rassistischen Handlungen im       bekämpfen, ohne auf Gruppen Bezug zu nehmen? Es
Vordergrund, sofern sie als solche erkannt und bewer-       gibt Meinungen, die besagen, dass die Erforschung von
tet werden können. Wenn die Betroffenen in den Blick        Differenz Klassifikationen reproduziere. Es müsse gelin-
genommen werden, dann werden sie häufig problema-           gen, Diskriminierung zu adressieren, ohne Merkmale
tisiert. Der Migrationshintergrund dient hier als Bei-      aufzugreifen. Diesen post-kategorialen Ansatz finde ich
spiel. Anstatt gesellschaftliche Barrieren zu beleuchten,   interessant, doch er greift nach meiner Auffassung zu
die eine gleichberechtigte Teilhabe für Minderheiten        kurz. Denn Ungleichheit lässt sich nicht messen, wenn
erschweren und in ungleiche Bildungschancen und             wir nicht wissen, wer von ihr betroffen ist. Die Aussage,
Diskriminierung resultieren, wird der Migrationshin-        es könne keine rassistischen Strukturen und darauf be-
tergrund als Erklärung für Defizite und kulturelle Un-      zogenen Ungleichheiten geben, weil Rassismus verpönt
terschiede herangezogen. Was damit ausgedrückt wird:        sei, besitzt keine statistische Grundlage. Wenn es keine
Die Kultur der »Anderen« ist das Problem, nicht der vor-    Erfassung von Diskriminierungskategorien gibt, fehlen
herrschende Rassismus.                                      auch Gleichheitsdaten.
    Oft hat es den Anschein, als komme ein Einge-                Die Menschenrechtsmechanismen der Vereinten
ständnis, dass in einer Demokratie – gerade in unserer      Nationen fordern dazu auf, Daten zu Bevölkerungs-
Post-1945-Demokratie – struktureller Rassismus, soziale     gruppen zu erheben, die Auskunft über ihre Betroffen-
Ausgrenzung und Hass nach wie vor in der Mitte un-          heit mit Rassismus und Diskriminierung geben kön-
serer Gesellschaft stattfinden, einem Scheitern gleich,     nen. Doch die Bundesregierung hat in ihrem letzten
das nur schwer zu akzeptieren ist. Rassismus ist im         Staatenbericht an den Fachausschuss der Vereinten

12         da n k esredePotsdam
            Universität
fest sch ri ft volta i re-preis 2021

Nationen zur Beseitigung der Rassendiskriminierung          ich die Betroffenen als Schwarz identifizieren, weil die
(CERD) mitgeteilt, dass in Deutschland seit dem Zwei-       Kläger:innen behaupteten, die Polizei habe sie wegen
ten Weltkrieg keine Daten zur ethnischen Herkunft           ihrer Hautfarbe anlasslos kontrolliert. Sie beriefen sich
gesammelt wurden, und begründete dies mit der Er-           auf Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, in dem das grundgesetzliche
fahrung des Nationalsozialismus. Jedoch werde der Mi-       Diskriminierungsverbot verankert ist. Das Grundgesetz
grationshintergrund als statistische Kategorie erfasst.     verbietet eine Benachteiligung, die auf der Hautfarbe
Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass      einer Person beruht.
die Rassismusforschung, die sich in Deutschland noch            Für eine erfolgreiche Rassismusbekämpfung muss
nicht etablieren konnte, weil es ihr an Ressourcen fehlt,   die Beseitigung von Benachteiligung und die Schaf-
überwiegend dem Forschungsschwerpunkt der Migra-            fung von Gleichheit im Mittelpunkt stehen. Um struk-
tion und Integration zugeordnet wird. Wer Rassismus         turelle Benachteiligungen beseitigen zu können, ist es
und Diskriminierung erforscht, verfügt als Kategorien       notwendig, dass die Situation der Betroffenen erfass-
für Differenz oft nur über »deutsch« und »ausländisch«,     bar ist. Das ist nicht nur eine rechtliche Anforderung,
»mit Migrationshintergrund« und »ohne Migrations-           um Gleichberechtigung zu ermöglichen, sondern es ist
hintergrund«.                                               auch eine Grundvoraussetzung, um politische Maßnah-
    Auch ich stand in meiner Forschung vor der Her-         men zu entwerfen und umzusetzen, die auf die spezifi-
ausforderung, dass ich keine offiziellen Statistiken über   schen Bedarfe der Betroffenen zugeschnitten sind. Das
Gruppen finden konnte, die über diese Kategorien hin-       Antidiskriminierungsrecht ist spezifisch, weil es perso-
ausgehen. Wie sollte ich ohne Daten die rechtliche Lage     nen- und gruppenbezogene Diskriminierungskatego-
von Schwarzen Menschen erforschen? Ich habe daher           rien aufführt. Das Recht benennt also Differenz. Jedoch
damit begonnen, gerichtliche Fälle danach zu untersu-       nicht, um sie negativ festzuschreiben, sondern, um sie
chen, welche Diskriminierungsgründe Personen ange-          anzuerkennen. Differenz benennen und anerkennen zu
ben, die Opfer von Racial Profiling werden – dabei han-     können, bildet auch eine wichtige Voraussetzung, um
delt es sich um Personenkontrollen durch die Polizei, die   Rassismus und Intoleranz zu überwinden. Ich denke,
an vermeintlich rassischen oder ethnischen Merkmalen        dass wir mit dieser Perspektive einem gemeinsamen
anknüpfen. In den von mir untersuchten Fällen konnte        Verständnis darüber, was Rassismus ist und wie er

                                                                                          da n k esrede            13
                                                                                                                    Universität P
Universität Potsdam

adressiert werden kann, um Ungleichheiten zu beseiti-       treuung und Unterstützung meines Forschungsvorha-
gen, deutlich näherkommen würden.                           bens bedanken. Zudem möchte mich bei der Universi-
     Ich möchte den Voltaire-Preis für die vielen Men-      tät Potsdam und der Stiftung der Deutschen Wirtschaft
schen entgegennehmen, die sich täglich für die Bekämp-      bedanken, die meine Promotion mit einem Stipendium
fung von Rassismus und Diskriminierung einsetzen, sei       unterstützt haben. Ich bedanke mich außerdem beim
es in der Wissenschaft oder in der Zivilgesellschaft, auf   MenschenRechtsZentrum der Universität Potsdam
großen Bühnen oder in kleinen Projekten. Dieser Preis       und bei meinen Kolleg:innen. Mein besonderer Dank
ist für mich eine Würdigung dieses wichtigen Engage-        gilt meinen Eltern, meinen Geschwistern und meiner
ments. Ich möchte diesen Preis außerdem den jungen          erweiterten Familie, meinen Freund:innen, meinen
Menschen in unserem Land widmen, die zu einer Min-          Kolleg:innen in der Kaneza Foundation for Dialogue and
derheit zählen und strukturelle Barrieren überwinden        Empowerment e. V. sowie den vielen Mitstreiter:innen.
müssen. Er soll ihnen Mut und Zuversicht geben. Ich         Der Voltaire-Preis ist eine besondere Auszeichnung, die
konnte es mir als Kind und Jugendliche nicht vorstellen,    mich ermutigt und motiviert und mich bei der Errei-
dass ich eines Tages hier stehen würde. Heute denke ich     chung der nächsten wissenschaftlichen Meilensteine
daher vor allem an die besonderen Menschen, die dazu        unterstützen wird. Für diese Möglichkeit möchte ich
beigetragen haben, dass ich meinen Weg erfolgreich          mich herzlich bei den Juroren bedanken.
gehen und meine Ziele erreichen konnte.                         Vor dem Hintergrund, dass die Pandemie uns vor
     In den Jahren meiner Promotion habe ich gelernt,       unerwartete und große Herausforderungen gestellt
dass es entscheidend ist, wer einen auf dieser Reise be-    hat, wünsche ich Ihnen für das neue Jahr 2021 vor allem,
gleitet. Ich möchte mich bei meinem Doktorvater Prof.       dass Sie gesund bleiben!
Dr. Norman Weiß für die Nominierung und für die Be-

14         da n k esredePotsdam
            Universität
fest sch ri ft volta i re-preis 2021

Elisabeth Kaneza promoviert derzeit an der juristischen   rechte (OHCHR) ausgewählt. Seitdem führt sie Aktivi-
Fakultät der Universität Potsdam und forscht zum          täten für die Umsetzung der Internationalen Dekade
Thema der Gleichberechtigung von Schwarzen Men-           für Menschen Afrikanischer Abstammung (2015–24)
schen in Deutschland. Sie ist Politikwissenschaftlerin,   durch. Frau Kaneza ist Stiftungsrätin am Hamburger
Menschenrechtlerin und Vorsitzende der Kaneza Foun-       Museum am Rothenbaum – Kulturen und Küste der
dation for Dialogue and Empowerment e. V., ein von ihr    Welt (MARKK) und Themenpatin für junges Engage-
mitbegründeter Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat,     ment beim Bundesnetzwerk für Bürgerschaftliches En-
Menschenrechte, Chancengleichheit und Diversität zu       gagement.
fördern und sich gegen Rassismus und Diskriminierung          Elisabeth Kaneza wurde 1987 in Ruanda geboren.
einzusetzen.                                              Sie wuchs in der Stadt Aachen auf, wo auch die Kaneza
    2015 wurde Elisabeth Kaneza als Fellow des Hoch-      Foundation ihren Sitz hat.
kommissariats der Vereinten Nationen für Menschen-

                                                                                      da n k esrede          15
                                                                                                              Universität P
Universität Potsdam

  Voltaire-Preis, geschaffen von Mikos Meininger.
16            da n k esrede
              Universität Potsdam
fest sch ri ft volta i re-preis 2021

Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung
und Respekt vor Differenz

Seit 2017 verleiht die Universität Potsdam den »Voltaire-    unabhängig von Lebensentwurf, Alter, Geschlecht, Be-
Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor      hinderung, Herkunft, Glaube, sexueller Orientierung
Differenz«. Die Auszeichnung ist mit 5.000 Euro dotiert      und Einkommen.« Gelebt wird dieser Geist in städti-
und wird von der Friede Springer Stiftung finanziert.        schen Projekten wie dem »Neuen Potsdamer Toleranz-
    Der Preis ist nach dem französischen Philosophen         edikt von 2008« oder dem Bündnis »Potsdam bekennt
und Schriftsteller François Marie Arouet de Voltaire be-     Farbe«, an dem die Universität Potsdam beteiligt ist.
nannt, der von 1694 bis 1778 lebte. Er zählt zu den ein-         Auch international präsentiert sich die Universität
flussreichsten Autoren der französischen und europäi-        Potsdam gegenüber Partnern in Forschung und Lehre
schen Aufklärung. Mit seiner Kritik an den Missständen       als eine Hochschule, die eng mit dem Gedankengut der
des Absolutismus und der Feudalherrschaft sowie an           Aufklärung von Voltaire und La Mettrie wie auch mit
der katholischen Kirche war Voltaire ein Vordenker der       der naturwissenschaftlichen Forschung im 19. Jahrhun-
Aufklärung und ein wichtiger Wegbereiter der Franzö-         dert verbunden ist. Internationalisierung ist ein integ-
sischen Revolution.                                          raler Bestandteil der Gesamtstrategie der Universität
    Voltaire leistete Entscheidendes für den gesell-         Potsdam, die dazu beitragen soll, Qualität und Wettbe-
schaftlichen Toleranz-Gedanken. Seine Schrift »Über          werbsfähigkeit von Forschung, Studium und Lehre wei-
die Toleranz« von 1763, veranlasst durch einen Justiz-       ter zu steigern. Zugleich aber sollen durch die Umset-
skandal im Jahre 1762, stellte einen wichtigen Meilen-       zung der Internationalisierungsstrategie Weltoffenheit,
stein auf dem Weg zum modernen Rechtsstaat dar und           interkultureller Austausch und Willkommenskultur ge-
gehört heute zum Grundbestand der Aufklärungslite-           fördert werden.
ratur.                                                           Mit der Anfertigung des Voltaire-Preises hat die
    In Potsdam lebt der Geist der Aufklärung und To-         Universität Potsdam den in Potsdam lebenden Künstler
leranz, was im Leitbild der Stadt öffentlich dokumen-        Mikos Meininger beauftragt. Er hat eine etwa 15 Zenti-
tiert ist: »Die Stadt Potsdam ist eine Stadt der Vielfalt,   meter große Figur geschaffen, die den Preisträgern am
Chancengleichheit und Toleranz für alle Menschen,            Tag der Ehrung überreicht wird.

                                                                                        volta i re-preis           17
                                                                                                                    Universität P
Universität Potsdam

  Die Tafelrunde Friedrichs II. in Sanssouci mit Voltaire (3.v.l.). Ölgemälde von Adolph von Menzel.
18           volta i re-preis fü r tol er a nz, völ k erv erstä n digu ng u n d
              Universität Potsdam                                                                      respek t vor di fferenz
fest sch ri ft volta i re-preis 2021

Die Jury

Über den Preisträger bzw. die Preisträgerin des Voltaire-
Preises entscheidet ein fünfköpfiges Gremium. Der Jury
gehören an:

1   der Präsident der Universität Potsdam
    Professor Oliver Günther, Ph.D.,
2   der Vizepräsident für Internationales
    Fundraising und Alumni der Universität Potsdam
                                                            1               2
    Professor Dr. Florian Schweigert,
3   der Klimafolgenforscher
    Professor Dr. Hans-Joachim Schellnhuber,
4   der Alexander von Humboldt-Experte
    Professor Dr. Ottmar Ette und
5   der Kirchenhistoriker an der Humboldt-Universität
    zu Berlin Professor Dr. Christoph Markschies.

                                                            3               4

                                                            5

                                                                                di e j u ry       19
                                                                                                   Universität P
Universität Potsdam

 Dr. Hilal Alkan mit Uni-Präsident Prof. Oliver Günther, Ph.D. (links) und Jury-Mitglied Prof. Dr. Christoph Markschies.
20            di e j u ry
              Universität Potsdam
Dr. Hilal Alkan,
                                                             Politologin und Trägerin des
                                                                    Voltaire-Preises 2017

Der 2017 erstmals vergebene Voltaire-Preis ging an        miteinander verglichen. In Istanbul erforschte sie
die türkische Wissenschaftlerin Dr. Hilal Alkan und       Nachbarschaftsinitiativen, die sich um syrische Flücht-
würdigte ihren Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit      linge kümmerten.
in ihrer Heimat. Hilal Alkan hatte eine Petition gegen        Zu ihrer Auszeichnung erklärte der Präsident der
den Krieg in den kurdischen Gebieten unterzeichnet        Universität Potsdam, Professor Oliver Günther, Ph.D.:
und das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Zivilis-     »Mit Hilal Alkan haben wir für unseren ersten Voltaire-
ten angeprangert. Daraufhin verlor die Politologin ihre   Preis eine wunderbare Preisträgerin gefunden. Eine
Arbeit.                                                   Nachwuchswissenschaftlerin, die in einem zunehmend
    Als promovierte Sozialwissenschaftlerin hatte Hilal   schwierigen politischen Umfeld agiert, deren akademi-
Alkan an einer kleinen privaten Universität in Istanbul   sches Arbeitsverhältnis gekündigt wurde, und die sich
mit ungefähr 800 Studierenden geforscht und gelehrt.      durch all dies nicht hat entmutigen lassen, sondern
Für ihre Doktorarbeit an der Open University im briti-    weiter ihre Arbeit macht und sich ihren Mund nicht
schen Milton Keynes hatte sie Wohltätigkeitsorganisa-     verbieten lässt. Das ist die Art von Zivilcourage, die wir
tionen untersucht und die Arbeit der Ehrenamtlichen       mit dem Preis auszeichnen möchten.«

                                                                                   preist r ägeri n 2017          21
                                                                                                                   Universität P
Universität Potsdam

 Dr. Gladys Tzul Tzul mit Jury-Mitglied Prof. Dr. Ottmar Ette.
22           di e j u ry
              Universität Potsdam
Dr. Gladys Tzul Tzul,
                                                                Soziologin und Trägerin des
                                                                       Voltaire-Preises 2018

2018 verlieh die Universität Potsdam den Voltaire-Preis     fährdet ist oder eben gar nicht (mehr) existiert«, sagte
an die guatemaltekische Soziologin Gladys Tzul Tzul,        der Präsident der Universität Potsdam, Prof. Oliver Gün-
um ihren Einsatz für die indigene Bevölkerung in Mit-       ther, Ph.D. »Umso wichtiger, dass wir mit dem Voltaire-
telamerika zu würdigen. Dr. Gladys Tzul Tzul prangerte      Preis ein Zeichen setzen und denjenigen, die sich den
öffentlich den Genozid unter der Präsidentschaft des        anti-aufklärerischen Tendenzen entgegensetzen, Dank
jüngst verstorbenen Efraín Ríos Montt in den Jahren         und Anerkennung zollen. Denn der Preis gilt nicht nur
1982 bis 1983 an. Sie ist in ihrem Heimatland Guatemala     den Preisträgern, sondern all den tapferen Wissen-
immer wieder von Verfolgung bedroht.                        schaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit, die Nein
    Gladys Tzul Tzul hat sich auf indigene Regierungs-      sagen zu Totalitarismus und Einschränkungen der Mei-
systeme, ihre Machtverhältnisse und den Kampf zwi-          nungs- und Redefreiheit.«
schen lokalen und staatlichen Behörden in Guatemala             Jury-Mitglied Prof. Dr. Ottmar Ette ergänzte: »Ich
spezialisiert. Ihren Doktortitel in Soziologie hat sie an   kann mir keine bessere Preisträgerin vorstellen. Gladys
der Benemérita Universidad de Puebla (BUAP) in Me-          Tzul Tzul engagiert sich unermüdlich für die Rechte der
xiko erworben. Tzul Tzul ist die Gründerin von Amaq,        indigenen Bevölkerung in Guatemala wie in ganz Mit-
einem Institut, das indigenen Völkern Rechtsberatung        telamerika. Sie verbindet wissenschaftliche Weitsicht
anbietet.                                                   und Genauigkeit der Analyse mit hohem Engagement
    »Der Auswahlprozess hat erneut gezeigt, in wie vie-     und persönlicher Risikobereitschaft, also Verstand und
len Ländern die Freiheit von Forschung und Lehre ge-        Herz, auf ideale Weise.«

                                                                                     preist r ägeri n 2018        23
                                                                                                                   Universität P
Universität Potsdam

 Preisträger Prof. Dr. Ahmad Karimi (Mitte) mit der Stifterin des Preises Friede Springer und Uni-Präsident Prof. Oliver Günther.
24           di e j u ry
              Universität Potsdam
Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi,
                                                                Philosoph und Träger des
                                                                    Voltaire-Preises 2019

Den Voltaire-Preis 2019 erhielt der Philosoph Prof. Dr.       »Als ein wichtiger Kopf des Islam in Deutschland
Ahmad Milad Karimi. Der in Afghanistan geborene Ka-       stellt sich Karimi aber auch den Fragen unserer Zeit«,
rimi wurde mit dem Preis für seine außerordentliche       sagte der Vizepräsident für Internationales, Alumni
fachliche Vielfalt und seine Vermittlungsleistung zwi-    und Fundraising, Prof. Dr. Florian Schweigert. »Wieso
schen den Kulturen ausgezeichnet. Dr. Ahmad Milad         leben gläubige Muslime und Christen in der gleichen
Karimi ist Religionsphilosoph, Islamwissenschaftler,      Gesellschaft – aber doch meist nicht miteinander, son-
Übersetzer des Korans, Dichter und Verleger und Mit-      dern nebeneinander? Wie kann vermittelt werden? Er
herausgeber einer Zeitschrift für Literatur und Kunst.    sieht eine Antwort in der Überlegung, dass Religion der
Als kleiner Junge mit seiner Familie aus seiner Heimat    Raum zum freien Atmen sein soll, ein Raum, der frei
Kabul geflohen, kam er über Indien und Russland nach      jeglichen Triumphes ist. Ohne Triumph kann ein Mit­
Deutschland.                                              einander der Religionen ent- und bestehen.
    Als Philosoph hat Milad Karimi die Sprache zum            Karimi, selbst Wanderer zwischen den Welten, sucht
Beruf gemacht und ist Professor für Kaläm, Islamische     bei der Beantwortung der Fragen explizit das Gespräch
Philosophie und Mystik am Zentrum für Islamische          und den Diskurs mit anderen Zwischenweltlern und
Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität       Heimatverbundenen. Mit Expertise und Leidenschaft
Münster. Außerdem hat er mehrere Gedichtbände ver-        schafft er Verständnis für das Andere und greift zent-
öffentlicht und den Koran in neuer deutscher Überset-     rale Themen wie religiöse Praxis, Toleranz und Zeugnis
zung herausgebracht.                                      oder Verständnis des Anderen auf.«

                                                                                      preist r äger 2019       25
                                                                                                                Universität P
Universität Potsdam

 Preisträger Dr. Gábor Polyák (rechts) mit der Stifterin des Preises Friede Springer und Uni-Präsident Prof. Oliver Günther.
26           di e j u ry
              Universität Potsdam
Dr. Gábor Polyák,
                                                             Medien- und IT-Rechtler sowie
                                                            Träger des Voltaire-Preises 2020

2020 wurde mit dem Voltaire-Preis Dr. Gábor Polyák         Informationstransfer«, sagt Prof. Dr. Susanne Strätling
ausgezeichnet. Mit ihrer Entscheidung ehrte die Jury       in ihrer Laudatio. Polyák sei ein Wissenschaftler, der mit
einen Forscher, der unter hohem politischen Druck mit      seiner Arbeit die institutionellen Bedingungen eines
seiner Arbeit für die Grundrechte von Meinungs- und        grenzüberschreitenden demokratischen Miteinanders
Medienfreiheit einsteht. Dr. Gábor Polyák lehrt Medien-    schütze.
und IT-Recht sowie Medienpolitik an der Universität            Gábor Polyák forscht und lehrt an einer der Partne-
Pécs in Ungarn. Er setzt sich in einem schwierigen po-     runiversitäten der Universität Potsdam im Verbund der
litischen Umfeld unermüdlich für Presse- und Medien-       European Digital UniverCity (EDUC), in der sich der eu-
freiheit ein. So gibt Polyák dem analytischen, offenen,    ropäische Gedanke in einer ganz neuen Form der aka-
unparteiischen Wort eine Stimme in dieser Welt.            demischen Kooperation verwirklicht. »Mit Partnern wie
     »Die Bedeutung seiner Arbeit ist für den ungari-      Gábor Polyák von der Universität Pécs können wir diese
schen Kontext kaum zu überschätzen – und sie reicht        Kooperation im besten Sinne gestalten – zukunftswei-
zugleich weit darüber hinaus. Denn Medien- und Mei-        send in der Besinnung auf die Ideale der Aufklärung, die
nungsfreiheit sind für ihn der Schlüssel zu einer integ-   dem Voltaire-Preis seinen Namen geben«, so Strätling.
rativen, gesamteuropäischen Sphäre von Wissens- und

                                                                                        preist r äger 2020         27
                                                                                                                    Universität P
Impressum

Für die abgedruckten Redebeiträge gilt das gesprochene Wort.

Bildnachweis:
Batiér, Frederic 19 links Mitte
Biskup, Daniel 25
Csortos, Szabolcs 27
Fritze, Karla 7, 19 links unten, 19 rechts (2), 20, 21, 22, 23, 24, 26
Hopfgarten, Tobias 16
Kaczynski, Ernst 4, 6
Meininger, Mikos Umschlagseite vorn 16
Pütz, Anja 10, 11
Stache, Soeren 5, 19 links oben
Wikimedia 18

© Universität Potsdam
Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Am Neuen Palais 10
14469 Potsdam

Redaktion: Dr. Silke Engel (verantwortlich), Karina Jung, Matthias Zimmermann
Umschlag und Satz: typegerecht berlin
Druck und Bindung: Buch- und Offsetdruckerei H. Heenemann GmbH & Co. KG

www.uni-potsdam.de
Sie können auch lesen