Vom Krisenherd zur Kulturhauptstadt 2013 Aktuelle Transformationsprozesse in der Metropolregion Marseille - Prof. Dr. Heidi Megerle Hochschule für ...
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Vom Krisenherd zur Kulturhauptstadt 2013 Aktuelle Transformationsprozesse in der Metropolregion Marseille Prof. Dr. Heidi Megerle Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg am Neckar
Marseille - älteste Stadt Frankreichs Von der Boomtown zum Krisenherd Paris et le désert français – Raumordnung in Frankreich Transformationsprozesse in der Metropolregion Marseille – Aix-en-Provence * Wachsende Einflüsse der Globalisierung * Wachsende sozialräumliche Fragmentierungen * Kulturhauptstadt 2013 Fazit und Ausblick 31.03.2012 © H. Megerle
Marseille: Großstadt an der Peripherie Älteste Stadt Frankreichs Gründung 600 v. Chr. als griechische Hafenstadt aufgrund naturräum- licher Gunstfaktoren (Naturhafen) Megerle 2009 Meerzugewandt, aber landabgewandt durch Bergketten Agam 2007 31.03.2012 © H. Megerle
Entwicklung zur Boomtown Hervorragende geostrategische Lage Marseilles Phänomenaler Aufschwung in Zusammenhang mit Industrialisierung; französisches Kolonialreich; Öffnung des Suezkanals größte Hafenstadt Frankreichs; 5te Position weltweit Erhebliche Zuwanderungsprozesse und Stadtwachstum Verlagerung des Hafens in die nördlichen Stadtviertel AGAM 2007 31.03.2012 © H. Megerle
Niedergang, Deindustrialisierung und Suburbanisierung Hafenverlagerungen in eigenständige Kommunen Deindustrialisierung Demographische Explosion (Algerienkrise); Einwohner- zuwachs von 20% Datenquellen: Donzel 1998, INSEE 2012 Suburbanisierung mit erheblichen (selektiven) Bevölkerungsverlusten (12%) Zunehmende Degradierung der Innenstadt Image „Ville en crise“ Datenquellen: AGAM 2007; INSEE 2012 31.03.2012 © H. Megerle
Zunehmende innerstädtische Disparitäten Kazig 2004 Alle Bilder: Megerle 2005 / 2011 Megerle 2007 31.03.2012 © H. Megerle
Zunehmende innerregionale Disparitäten Alle Bilder: Megerle 2005-2011 AGAM 2007 31.03.2012 © H. Megerle
Paris et le désert français Extreme Dominanz der Primatstadt Paris: 16,5% der französischen Bevöl- kerung lebt im Großraum Paris Mit 10 Mio. Einwohner hat der Großraum Paris soviel Einwoh- ner wie die nächsten 17 Agglo- merationsräume zusammen 80% der Hauptverwaltungen der 100 umsatzstärksten Firmen sind in Paris Pitte 2001: 104 Hochqualifizierte Arbeitsplätze Ähnliche Werte für nahezu alle 80 ökonomisch oder kulturell 70 60 wichtigen Indikatoren 50 40 Anteil Ile-de-France 30 20 10 0 HQ Tert. Sekt. Forscher Journalisten Datenbasis Auphan; Brücher 2005 31.03.2012 © H. Megerle
Gegenstrategien Gründung der Raum- ordnungsbehörde DATAR Ausweisung sog. Gleichgewichtsstädte (Métropoles d`équilibre) Dezentralisierungsreform in den 1980er Jahren Pletsch 2003 31.03.2012 © H. Megerle
Französische Städte im internationalen Vergleich DATAR-Städteranking: Nachrangige Position im int. Vergleich Vergleichbare Einstufung bei ESPON Kernstädte mit geringer Bevölkerungsmasse Gefahr des „Abhängens“ + zu geringe internationale Sichtbarkeit und Wett- bewerbsfähigkeit 31.03.2012 © H. Megerle
Paradigmenwechsel der frz. Raumordnungspolitik 2003: „neue Raument- wicklungspolitik für Frankreich“ (DATAR) 2004: Aufruf zur metro- politanen Kooperation Staatliche Strategie 2006: Umbenennung der DATAR in DIACT Megerle 2008; Datengrundlage DATAR 2005 Pitte 1997: 91 31.03.2012 © H. Megerle
Differierende Ansätze Frankreich Deutschland Auswahl der Metropol- Erfüllung von Indika- regionen nach strate- toren zur Anerkennung gischen Gesichtspunkten als Metropolregion Strategie zur Verbes- Keine top-down serung der Positionie- Strategie rung Keine finanzielle Staatliche Unterstützung Förderung Governance-System Governance-System Voraussetzung nicht verpflichtend 31.03.2012 © H. Megerle
Veränderte Rahmenbedingungen 1995: Barcelona-Prozess: EU-Mittelmeerstrategie Beschluss zur Einrichtung einer Freihandelszone Arc méditerranée als Alter- native zur Blauen Banane AGAM 2007 Herausragende geostrate- gische Lage von Marseille Marseille als „Bremsklotz“ in einer dynamischen High-Tech-Region Pletsch 2003: 300 31.03.2012 © H. Megerle
„Schocktherapie“ – das Projekt Euroméditerranée Start 1995 Umfassende Stadterneuerung auf 310 ha Projekt von nationalem Interesse Aktive Krisenüberwin- dungsstrategie top down 1996 – 2010 Finanzvolumen von > 3 Mrd. € Ziel: Neupositionierung von Marseille als Knotenpunkt im mediterranen Wirtschafts- Megerle 2008 raum 31.03.2012 © H. Megerle
Internationaler Business-District La Joliette Einer der größten Business- Districts in Frankreich Renovierung der alten Docks zu hochwertigen Büros und Ladenpassagen > 7.000 Arbeitsplätze 390 neue Unternehmen 160.000 qm Bürofläche Megerle 2007 Headquarter CMA-CGM als ein Leuchtturmprojekt AGAM 2007 31.03.2012 © H. Megerle
Cité de la Méditerranée Waterfront Revitalisation 110 ha; 2,7 km Uferlänge Mall mit Gastronomie, Veranstaltungs- und Megerle 2006 Einkaufsangeboten Urban Entertainment Center Kreuzfahrtterminal Megerle 2007 MUCEM und CeReM AGAM 2006 31.03.2012 © H. Megerle
Einbindung in vielfältige weitere Projekte zur Stadtentwicklung 2007 Erweiterung des Euromediterranée- Gebietes um weitere 169 ha mit insgesamt 480 ha aktuell eines der größten europäischen Stadtent- wicklungsprojekte Megerle 2009 31.03.2012 © H. Megerle
Zwischenfazit Neugeschaffene Arbeitsplätze im Zeitraum 2000-2004 Verbesserung der Positio- nierung und des Images Arbeitsplätze + 12% Unternehmen + 22% Arbeitslosenquote – 7% Einwohner + 4,3% Knotenpunkt globaler Medienfirmen (Krätke 2007: 135) Megerle 2008; Datenquellen: INSEE 2007; Langevin 2007 31.03.2012 © H. Megerle
Zwischenfazit Ville de Marseille 2012 Megerle 2012 31.03.2012 © H. Megerle
Zwischenfazit Ville de Marseille 2012 31.03.2012 © H. Megerle
Kulturhauptstadt 2013 „Keine Stadt ist kosmopolitischer, keine Stadt hätte die Auszeichnung mehr gebraucht und keine andere Stadt könnte Europa mehr dienen“ Bernard Latarjet (2008) Leiter Marseille-Provence 2013 31.03.2012 © H. Megerle
Kulturhauptstadt 2013 Marseille gewinnt 2008 die Wahl zur Kulturhauptstadt Europas für das Jahr 2013 Verbundene Hoffnungen: Weiterer Aufschwung für Marseille, v.a. Festigung der Position als Knotenpunkt im Mittelmeerraum Aber auch Festigung der Verbindung der EU mit dem Mittelmeerraum (Gründung der Mittelmeerunion im Jahr 2008) Erhebliche Anstrengungen zur Renovierung + Neubau von Museen + weitere Kulturangebote in der gesamten Region 31.03.2012 © H. Megerle
Die Schattenseiten des Aufwertungsprozesses Prekarisierte Bevölkerungs- gruppen überproportional betroffen Kumulation von Vulnerabili- tätsfaktoren Zu Beginn keine Partizipa- tionsverfahren, jedoch auch Umsetzungsprobleme Verstärkung der sozioökono- mischen Disparitäten Rue de la République als Kristallisationspunkt des Widerstands Megerle 2008 31.03.2012 © H. Megerle
Gentrifizierung der Rue de la République Degradierter Prachtboulevard Umfassende Renovierung des Wohnungsbestandes (> 3.000 Wohnungen) Erleichterung durch hohe Leerstandsquote sowie spezifische Besitzverhältnisse Angebot an hochwertigen Megerle 2006 Wohnungen für hochquali- fizierte Arbeitnehmer im angrenzenden Businessdistrikt von La Joliette (Trend zur Reurbanisierung) Stratis 2007 31.03.2012 © H. Megerle
Gentrifizierung der Rue de la République Megerle 2012 Megerle 2012 Megerle 2012 Megerle 2011 31.03.2012 © H. Megerle
Negativaspekte der Gentrifizierung Mehrfacher Besitzerwechsel der Wohn- und Geschäfts- räume Nichtverlängerung der Miet- verträge oder Erhöhungen von bis zu 300% Unkenntnis der Rechtslage Mieter + Eigentümer gehen „freiwillig“ Repressalien gegen verbleiben- de Bewohner bis hin zu Dro- hungen bzw. Unmöglichkeit einer normalen Wohnnutzung Megerle 2005/ 2006 31.03.2012 © H. Megerle
Megerle 2011 31.03.2012
Diskrepanzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit Preisdifferenzen von 800 €/m² für degradierte Bausubstanz und 7.000 €/m² für hoch- wertige Appartements Veränderungen der Kunden- struktur + Nachfrageverhalten Ursprünglich anvisierter Anteil von 30% Sozialwohnungen kollidiert mit Erwartungs- haltung der Käufer sowie der Aktionäre der Immobilien- fonds Zielgruppe „neue Kosmopoli- ten“ – tolerant und finanzstark 31.03.2012 © H. Megerle
Aktuelle Entwicklungen Organisation „Centre Ville pour tous“ für Transformationsprozess mit Verbleib der jetzigen Bewohner in der Innenstadt Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und Partizipation Intensive Bautätigkeit für die Kulturhauptstadt 2013 Megerle 2012 31.03.2012 © H. Megerle
Neue Leuchtturmprojekte für die Kulturhauptstadt FRAC (Fonds régional d'art contemporain Provence-Alpes-Côte d'Azur) – Museum für moderne Kunst culture.fr CeReM (Centre Régional de la Méditerranée) und MUCEM an der neuen Uferfront http://projets-architecte-urbanisme.fr Geschätzte Kosten für die Kulturhauptstadt: 600 Mio. € Simons 2012 31.03.2012 © H. Megerle
Alle Bilder: Megerle 2006-2011 Megerle 2008/2009 31.03.2012 © H. Megerle
Fazit und Ausblick Signifikanter Aufschwung Marseilles und Wahl zur Kulturhaupt- stadt 2013 Verbesserung von Image und Wettbewerbsfähigkeit Ambitiöse Ziele für Stadt und Region Gleichzeitigkeit von Aufschwung und Anstieg prekarisierter Bevölkerungsgruppen Zunehmende sozioökonomische Disparitäten mit dem Risiko Megerle 2009 einer „ville eclatée“ (Langevin 2007) Rue de la République als Seismograph der Veränderungen in Marseille Entscheidend: Bewältigung der ausgeprägten Fragmentierung in Kernstadt und Region 31.03.2012 © H. Megerle
Literatur (Auswahl) Berry-Chikhaoui, I.; Deboulet, A.: Restructurations urbains à Marseille à l`heure de l`internationalisation. Tensions et régimes d`action In: Berry-Chikhaoui et al (Hrsg.): Villes internationales Entre tensions et réactions des habitants, pp. 139-168. Paris 2007 Bertoncello, B.; Dubois, J. (2010): Marseille Euroméditerranée Megerle, H. (2011):Lebenszyklen und Transformationsprozesse eines städtischen Boulevards - die Rue de la République in Marseille In: Schrenk, M. et al (Hrsg.): Stabilität durch Veränderung: Lebenszyklen von Städten und Regionen Beiträge der 16. internationale Konferenz zu Stadtplanung und Regionalentwicklung in der Informationsgesellschaft; Real Corp 154-pdf (reviewed paper) Megerle, H. (2008): Present-Day Development Processes in the Inner City of Marseille: Tensions between Upgrading and Marginalisation In: Die Erde 139, S. 357-378 Megerle, H. (2008): Von der „ville en crise“ zur Metropolitan European Growth Area: Aktuelle Transformationsprozesse der Metropolregion Marseille – Aix-en-Provence In: Raumforschung und Raumordnung 01/2008, S. 23-35 Megerle, H. (2008): Metropolregionen in Frankreich Aktuelle Tendenzen der französischen Raumentwicklungspolitik In: PlanerIn 1/2008, S. 38-41 Peraldi, M; Samson, M.: Gouverner Marseille Enquête sur les mondes politiques marseillais. Paris 2005 31.03.2012 © H. Megerle
MERCI BEAUCOUP Alle Bilder: Megerle 2005-2012 31.03.2012 © H. Megerle
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