Vom legitimatorischen Feigenblatt zum (selbst)kritischen Lernpartner in der Wissensgesellschaft
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Wolfgang Reinicke und Thorsten Benner Vom legitimatorischen Feigenblatt zum (selbst)kritischen Lernpartner in der Wissensgesellschaft Wie kann und soll sich das Zusammenspiel von Wissenschaft und Politik in der sich globalisierenden und digitalisierenden Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts gestalten? Dieser Frage möchten wir anhand einiger Bei- spiele aus unserer persönlichen Erfahrung nachgehen. Wir konzentrieren uns dabei auf zwei Bereiche: Erstens den Bereich der Think Tanks, der außeruniversitären Forschungs- und Beratungsinstitute in den USA und in Europa im Bereich der globalen Politik und zweitens den Bereich der Professional Schools, also praxisorientierter Hochschulen für die Ausbil- dung von Führungsnachwuchs für Politik und Gesellschaft. Sowohl Think Tanks als auch Professional Schools bewegen sich ausdrücklich an der Schnittstelle zwischen Sozialwissenschaft und politischer Praxis. Unsere These dazu ist, dass sowohl Think Tanks als auch Professional Schools das Potenzial zum kritischen, ja notwendigerweise selbstkritischen Lernpartner von Politik in der Wissensgesellschaft haben, dass dieses Po- tenzial aber insbesondere in Deutschland und Europa gegenwärtig bei Wei- tem noch nicht voll ausgeschöpft wird. Begriffsklärung: selbstkritischer Lernpartner Bevor wir auf die Bereiche Think Tanks und Professional Schools im Detail zu sprechen kommen, folgt zunächst eine kurze Begriffsklärung: Warum sprechen wir vom ›selbstkritischen Lernpartner‹? Politik muss heute in im- mer schnellerer Taktung, in einem sich ständig wandelnden Umfeld, an immer komplexeren Problemen arbeiten. Max Weber sprach von Politik als dem »langsamen Bohren von dicken Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich«1. In puncto Langsamkeit und Dicke lassen sich die 1 M. Weber, Politik als Beruf, München/Leipzig 1919, 66. 47
Wolfgang Reinicke und Thorsten Benner heute von den digitalen Medien immer kurzfristiger getakteten politischen Zyklen kaum noch im Regelbetrieb verwirklichen. Gute Politik braucht deshalb heute mehr denn je die Interaktion mit der Wissenschaft. Die Wis- senschaft steht qua Profession zum einen im »Dienst der Selbstbesinnung und der Erkenntnis tatsächlicher Zusammenhänge«2. Wissenschaft hat also idealiter den Luxus des permanenten Infragestellens und der empirischen Nachverfolgung von Zusammenhängen. Zum anderen kann Wissenschaft laut Weber dabei helfen, dass Politik »sich selbst Rechenschaft« gibt »über den letzten Sinn seines eigenen Tuns«3. Dies verweist auf Wissenschaft als Diskussionspartner der Politik, um Herausforderungen über den Teller- rand der Tagespolitik auf den Grund zu gehen und konkrete politische Entscheidungen mit der Reflexion über Wertabwägungen sowie Mittel und Ziele zu verbinden. Um als selbstkritischer Reflexionspartner der Politik – und auch der Ge- sellschaft, die im breiten politischen Raum über Probleme räsoniert – fun- gieren zu können, muss die Interaktion zwischen Wissenschaft und Politik von einigen Kernprinzipien geprägt sein. Vier Begriffspaare möchten wir diesbezüglich hervorheben: 1. Ergebnisoffenheit sowie Handlungsorientierung: Anders als bei den oft vorzufindenden ›Feigenblattgremien‹ von Experten muss eine prinzipielle Ergebnisoffenheit gewährleistet sein. Politik kann und sollte Fragen an die Wissenschaft so richten, dass die Ergebnisse nicht präjudiziert sind. Gleichzeitig sollte Wissenschaft sich bemühen, klare Handlungsoptionen und Entscheidungsnotwendigkeiten zu benennen. 2. Fachkompetenz sowie Diversität der Stimmen: Selbstverständlich müs- sen die Vertreter auf Seiten der Wissenschaft durch hohe Fachkompetenz ausgewiesen sein. Als Dialogpartner der Politik sollte diese Fachkompetenz aber gerade in Expertengremien mit einem Mindestmaß an Diversität (in puncto Seniorität, Geschlecht und fachlichem Hintergrund) einhergehen, sodass nicht immer nur die üblichen Verdächtigen zusammenkommen. 3. Unabhängigkeit sowie Empathie: Unabhängigkeit im Urteil ist Grund- voraussetzung genauso wie Empathie. Wissenschaftler müssen Zwänge, Pathologien und Möglichkeiten politischen Handelns im Blick haben und sich auch in politische Entscheidungsträger hineinversetzen können. 2 M. Weber, Wissenschaft als Beruf, in: D. Kaesler (Hg.), Max Weber. Schriften 1894- 1922, Stuttgart 2002, 474-511, hier 506. 3 M. Weber, ebd. 505. 48
Vom legitimatorischen Feigenblatt zum (selbst)kritischen Lernpartner in der Wissensgesellschaft 4. Realismus sowie Provokation: Das geht einher mit einem Sinn für das Machbare. Doch der Realismus darf nicht den Sinn für das Gebotene und Wünschenswerte verdecken. Wissenschaft muss Stachel im Fleisch von Po- litik und Gesellschaft sein und auf Handlungsnotwendigkeiten und Blind- stellen verweisen, so unbequem dies auch sein mag. Zwei abschließende Erläuterungen zum Begriff des selbstkritischen Lern- partners sind angebracht: 1. Der Begriff ›Lernpartner‹ verweist darauf, dass auch die Sozialwis- senschaft durch die Interaktion mit der Politik viel lernen kann und sollte. Interaktion mit der politischen Praxis führt im Idealfall zu relevanteren Fragestellungen für die Forschung, die nicht nur durch die Suche nach einem passenden, ja gefälligen Illustrationsobjekt für Theorien und Metho- den bestimmt sind. 2. Der Begriff ›selbstkritisch‹ verweist darauf, dass die Wissenschaft sich selbst hinterfragt mit Blick auf eigene Limitationen. Die klare Artikulation des ›Nicht-Wissens‹ oder ›Noch-Nicht-Wissens‹ gehört dazu. Ebenso dazu gehört, eigene Aussagen, die sich nicht bewahrheitet haben, zu reflektieren. Wir selbst haben vor gut zehn Jahren das Potenzial von öffentlich-privaten Partnerschaften, zur Lösung globaler Probleme beizutragen, als zu hoch eingeschätzt. Eklatanter noch sind die Fehlleistungen vieler Ökonomen, die anders als die Aussagen vieler anderer Sozialwissenschaftler auch die politischen Entscheidungen direkt schädlich beeinflusst haben. Selbstkri- tisch heißt ferner, dass man sich den Fängen und Verführungen der Nähe von Macht und Medienpräsenz bewusst wird, insbesondere in Hinblick auf die oben erwähnte Rolle als Stachel der Politik – und gleichzeitig keine Il- lusionen über den tatsächlichen politischen Einfluss von Wissenschaft und Think Tanks hegt. Think Tanks Wenn sie diese Prinzipien beherzigen, können Think Tanks die Funktion des kritischen Lernpartners der Politik in besonderer Weise ausfüllen und als Mittler zwischen Grundlagenforschung und politischer Praxis fungie- ren. Außeruniversitäre Forschungsinstitute können auf einzigartige Weise die Bereiche Forschung, Beratung und Debatte miteinander verbinden. 49
Wolfgang Reinicke und Thorsten Benner Dies ist beispielsweise die Philosophie des Global Public Policy Institute (GPPi), das wir vor zehn Jahren in Berlin gegründet haben. Für GPPi sind Forschung, Beratung und Debatte sich wechselseitig informierende und ver- stärkende Aktivitäten. Forschungsaktivitäten legen die notwendige Experti- segrundlage und ermöglichen auch intensive Kooperationen mit der ›haupt- amtlichen‹ Wissenschaft. Beratungsaktivitäten ermöglichen die Anwendung und Schärfung der Expertise in Zusammenarbeit mit Auftraggebern aus der Praxis. Und der Bereich Debatte ermöglicht den intersektoralen Dialog von Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft. Besonders wichtig ist dabei angesichts geopolitischer Verschiebungen auch die Einbeziehung von Partnern von außerhalb des transatlantischen Raumes. Welche Funktionen kann politische Beratung durch Think Tanks erfüllen? Diesbezüglich lassen sich fünf Funktionen hervorheben: 1. Die erste Funktion ist die der Wissensgeneration und vertieften Ana- lyse eines politischen Problems. Dies ist eine basale Funktion, die wenig erläutert werden muss. Besonders herauszuheben ist jedoch die Evaluie- rung, die wichtige Beiträge zur Information von Entscheidungen zur Bei- behaltung oder Änderung von Politiken leisten kann. Sie ist methodisch, insbesondere als Wirkungsevaluierung, gleichzeitig in ihrer Anwendung gegenwärtig noch nicht ausgereizt. 2. Die zweite Funktion ist die des Übersetzers: Da viele Wissenschaftler weder Interesse noch Neigung haben, ihre Erkenntnisse Entscheidungsträ- gern zu vermitteln, können Think Tanks eine Mittlerfunktion einnehmen. 3. Die dritte Funktion ist eine dezidierte Vordenkfunktion. Wissenschaft kann auf Blindstellen der Politik hinweisen – Themen und Risiken, die bis- lang vernachlässigt wurden. Das ist der einfache Teil der Vordenkfunktion. Think Tanks können auch explizit die Zukunftsgestaltung informieren. Dies sollte nicht über klare Vorhersagen geschehen, da dort die Bilanz der Sozialwissenschaften eher dürftig ist. Philip Tetlock hat in seiner Studie nachgewiesen, dass die Prognosefähigkeit von Sozialwissenschaftlern nicht treffgenauer ist als die von »dart throwing monkeys«4. Vielversprechender ist das Arbeiten mit der Beschreibung verschiedener Szenarien, also ver- schiedener möglicher Zukünfte. Ein Beispiel hierfür ist das Programm 4 P. Tetlock, Expert political judgment. How good is it? How can we know?, Princeton 2005. 50
Vom legitimatorischen Feigenblatt zum (selbst)kritischen Lernpartner in der Wissensgesellschaft »Global Governance 2022« des GPPi, in dem seit einigen Jahren junge chinesische, amerikanische und deutsche Experten mögliche Zukünfte in Kernarbeitsbereichen internationaler Institutionen ausarbeiten. 4. Die vierte Funktion ist die des Advokaten und Antreibers: Manche Think Tanks sehen sich auch in der Rolle des Advokaten bestimmter Po- litikempfehlungen. Solange dies nicht auf ideologische Art und Weise ge- schieht, sondern auf der Basis klarer Analyse, kann dies ein wichtiger Teil der Arbeit von Think Tanks sein. 5. Die fünfte Funktion ist die des ›Convenors‹: Think Tanks können Entscheidungsträger mit Experten zusammenbringen und Dialoge mode- rieren. GPPi hat dies jüngst zum Beispiel zur Afghanistanpolitik der Bun- desregierung getan. Dies bietet Entscheidungsträgern Reflexionsraum für Orientierung. Wenig von alledem trägt explizit zur Legitimierung von Politik bei – aber es kann Politik besser machen. Doch das Potenzial dafür ist bei Think Tanks in Deutschland noch bei Weitem nicht ausgeschöpft. So ist die Landschaft der Think Tanks in Europa noch nicht ausreichend dicht und diversifiziert. Es gibt keinen den USA annähernd vergleichbaren ›Markt- platz der Ideen‹. Und in einigen Bereichen gibt es auch ausgemachte Schwachstellen, beispielsweise bei der Verbindung von Regional- und Länderexpertise zur Rolle von China, Indien, Brasilien, Indonesien und der Türkei in zentralen Fragestellungen der globalen Politik. Gleichzeitig werden auch an einigen anderen Stellen Potenziale nicht ausgeschöpft. In Deutschland gibt es anders als in den USA keine ›revolving door‹ zwischen Think Tanks und Universitäten auf der einen und Politik und Wirtschaft auf der anderen Seite. Die Bereiche sind eher als ›separate Silos‹ organisiert. Es wäre insofern sehr wünschenswert, Entscheidungs- trägern aus Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und auch Wirtschaft durch Fellowships die Möglichkeit zu geben, über ihre Praxiserfahrungen vertieft zu reflektieren und die Ergebnisse in die öffentliche Debatte ein- zuspeisen. Hier gibt es, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, eine große Lücke in Deutschland. Stiftungen könnten durch die Finanzierung solcher Fellowships viel bewirken. Es liegt auf der Hand, dass besonders die aus Drittmitteln finanzierten Institute anfällig für Anbiederung an ihre Auftraggeber sind. Think Tanks wie GPPi führen beispielweise viele Auftragsarbeiten aus. Bei diesen Auf- 51
Wolfgang Reinicke und Thorsten Benner tragsstudien stellt sich jedes Mal die delikate Frage nach der Unabhängig- keit im Urteil gegenüber den Auftraggebern. Think Tanks benötigen eine klare innere Linie, um gegenüber Auftraggebern eigenständig zu agieren. Deutlich reduzieren lässt sich das Risiko der Anbiederung auch durch eine Diversifizierung von Auftraggebern. Gleichzeitig bleibt viel Wissen aus diesen Arbeiten für die breitere Öffentlichkeit ungenutzt. Hier wäre es hilf- reich, wenn Auftraggeber zusätzlich in die Aufbereitung der Ergebnisse für eine breitere Öffentlichkeit investieren würden, was auch zur Transparenz der Auftragsarbeiten beitragen würde. Zur Förderung allgemein lässt sich noch festhalten, dass es unserer Er- fahrung nach in der Stiftungsfinanzierung oft zu wenig Risikokapital für neue oder ungewöhnliche Vorhaben gibt. Stiftungen könnten die Bereit- stellung von Risikokapital für neue Initiativen verbessern. Die ›Offen für Außergewöhnliches‹-Förderlinie oder das ›Freigeist-Fellowship‹ der Volks- wagenStiftung können hier als Vorbild für den Bereich Wissenschaftsför- derung dienen. Nur so kann sichergestellt werden, dass für neue Groß- themen, wie zum Beispiel die Auswirkungen der Digitalisierung und des Internet auf Politik und Gesellschaft, ausreichend Förderung bereitgestellt wird. In Deutschland gibt es in diesem Forschungsbereich derzeit viel zu wenige Projekte in der Think Tank-Landschaft. Hier sollte die Förderung durch Stiftungen wie auch die öffentliche Hand Mittel und Wege finden, früher konzertiert in Zukunftsthemen zu investieren. Professional Schools Auf dieser Analyse aufbauend lässt sich auch die Rolle von Professional Schools of Public Policy im Kontext der Schnittstelle zwischen Wissen- schaft und Politik erörtern. Diese praxisorientierten Hochschulen können im Prinzip ebenfalls die Funktionen eines Think Tanks erfüllen, wie wir sie bereits skizziert haben. Sie haben aber noch eine weitere Funktion, auf die wir uns hier konzentrieren möchten: Die der Ausbildung und Weiter- bildung von Personen, die Führungsaufgaben in Politik und Gesellschaft übernehmen werden oder schon übernommen haben. Professional Schools wurden deshalb in den vergangenen Jahren bisweilen als ›Schulen der Macht‹ bezeichnet. Nun gibt es berechtigte Zweifel, ob die wirklichen Machteliten ihren Weg durch diese ›Schulen der Macht‹ gehen oder andere 52
Vom legitimatorischen Feigenblatt zum (selbst)kritischen Lernpartner in der Wissensgesellschaft Wege nehmen. Gerade in Deutschland, wo es keine Tradition von Professi- onal Schools für öffentliche Aufgaben gibt, sind die Fragezeichen mehr als angebracht – und auch in den USA geht der Weg oft eher über eine Law School als eine School of Government. In diesem Rahmen möchten wir uns allerdings auf eine andere Fragestel- lung konzentrieren: Nehmen wir an, Professional Schools bilden relevante Teile der Machteliten aus, nach welchem Leitbild sollte dies geschehen? Lange Zeit war das Leitbild das des Technokraten. Man muss nur mehr über die Stellschrauben lernen und man kann Politik und Gesellschaft steu- ern. Oder man muss nur eine Kosten-Nutzen-Analyse anwenden und kann politische Entscheidungen besser treffen. Dieses Leitbild hat sich überholt. Als neues Leitbild möchten wir das des ›public entrepreneurs‹, des Unter- nehmers für das öffentliche Gut, setzen. Und dieser braucht natürlich eine fundierte analytische Grundierung in den Sozialwissenschaften – auf eine historisch-kontextualisierende, nicht technokratische Weise. Basis dafür ist ein interdisziplinärer Forschungs- und Lehransatz, der die Vermittlung von der Komplexität unserer Problemstellungen leistet. Dadurch werden sich zukünftige Entscheider oder Berater von Entscheidungsträgern der Gren- zen ihres eigenen Wissens ebenso bewusst wie der Notwendigkeit, dieses Wissen auch immer wieder auf die Probe zu stellen und zu hinterfragen. Daneben braucht der ›Unternehmer für das öffentliche Gut‹ aber auch Fertigkeiten, die die Sozialwissenschaften in den letzten Jahrzehnten wenig im Blick hatten: Verhandlungs-, Kommunikations- und Überzeugungsfä- higkeit, Reflexionskompetenz über die eigene Rolle in Gruppen, Schnitt- stellenkompetenzen im Umgang mit Vertretern aus anderen gesellschaftli- chen Bereichen und eben auch interkulturelle Kompetenz. Man kann diese als ›skills for impact‹ bezeichnen – Fertigkeiten, um Dinge zu bewegen. Die School of Public Policy an der Central European University in Budapest möchte die Vermittlung und auch Erforschung dieser ›skills for impact‹ zu einem Schwerpunkt machen. Wir sind davon überzeugt, dass gerade in die- sem Bereich Professional Schools einen wichtigen Beitrag leisten können. Und dies nicht nur bei jungen Studierenden, sondern auch als Anbieter von Reflexionsräumen, die es den politischen und gesellschaftlichen Eliten er- möglichen, selbstkritisch in den Dialog über Führungsaufgaben zu treten. 53
Wolfgang Reinicke und Thorsten Benner Purpose beyond Power Das Motto der School of Public Policy an der Central European University heißt »Purpose beyond power«. Dahinter steht die Überzeugung, dass un- sere Machteliten sich nicht um Macht als Selbstzweck, sondern um Macht als Mittel zum Zweck der Bereitstellung öffentlicher Güter sorgen sollten. Integraler Bestandteil von »Purpose beyond power« ist auch die Begren- zung von Macht. Diese normative Fundierung sollte gerade angesichts technokratischer Tendenzen und des Wettbewerbs mit autoritären Syste- men nicht in Vergessenheit geraten. Die Sozialwissenschaften können da- bei, gerade auch in der Gestalt von Think Tanks und Professional Schools, kritischer Lernpartner sein. Dies setzt aber voraus, dass sie selbst Theorien und Methoden nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck der Verbesserung des öffentlichen Gutes sehen. In diesem Sinne formulierte der amerikanische Politikwissenschaftler Michael Barnett: »A healthy, vi- brant and relevant social sciences can only exist with practical ethics and engagement«.5 Die Förderung der Sozialwissenschaften durch die öffentliche Hand, Stiftungen und private Gönner sollte sich daran orientieren. Hier gibt es, wie wir anzudeuten versucht haben, einen Umsteuerungsbedarf. Politik braucht die Wissenschaft zur Legitimation nicht unbedingt. Aber Wis- senschaft und Politik brauchen einander als kritische Lernpartner, wenn beide ihren Beitrag zum öffentlichen Gut sicherstellen möchten. Und das kollektive politische Versagen mit Blick etwa auf die Klimakrise oder die Finanzkrise zeigt, dass wir hier durchaus Bedarf zur selbstkritischen Refle- xion haben. 5 M. N. Barnett, The International Humanitarian Order, New York 2010, 206. 54
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