Wenn die USA auf den Vertragsentwurf für Frieden und Vertrauen von Russland von Dezember 2021 eingegangen wären - gäbe es dann den Krieg in der ...

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Wenn die USA auf den Vertragsentwurf für Frieden und Vertrauen von Russland von Dezember 2021 eingegangen wären - gäbe es dann den Krieg in der ...
Wenn   die   USA    auf   den
Vertragsentwurf für Frieden
und Vertrauen von Russland
von Dezember 2021 eingegangen
wären – gäbe es dann den
Krieg in der Ukraine?
Von Dr. phil. Clemens Heni, 26. Februar 2022

Die aktuelle Hetze gegen Russland muss aufhören – so wie auch
der Krieg Russlands gegen die Ukraine aufhören muss und zwar
sofort. Für Geopolitik-Anfänger (m/w/d) möchte ich nochmal auf
meinen Text zu “Not one inch” hinweisen.

Natürlich wäre es gut, wenn die Ukraine “denazifiziert” werden
würde – aber welcher Münchener Bürgermeister würde sich von
den Rechtsextremisten im Umfeld von Vitali Klitschko
distanzieren? Vielmehr fordert       die   Stadt München von
russischen Stardirigenten, die       bei   der Stadt München
angestellt sind, dass sie sich von Putin distanzieren müssen,
sonst würden sie gefeuert. Hört sich grotesk an? Ist aber so:

 Ein Ultimatum hatte die Mailänder Scala dem berühmten
 Dirigenten gestellt: Keine Auftritte mehr für Valery Gergiev,
 es sei denn, er distanziert sich von Putins Angriffskrieg auf
 die Ukraine. Ganz ohne Angabe von Gründen ersetzten dagegen
 die Wiener Philharmoniker den prominenten Putin-Freund, wohl
 auch auf Druck der New Yorker Carnegie Hall. In New York
 stehen am Wochenende für die Wiener Philharmoniker drei
 Konzerte an. Für die springt kurzfristig Yannick Nezet-Séguin
 ein. Freitag Mittag zog nun endlich auch die Stadt München
 nach: Oberbürgermeister Dieter Reiter verlangt, wie zuvor
 sein Mailänder Kollege, ultimativ von Gergiev, die russische
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Aggression zu verurteilen. Er habe Valery Gergiev
 aufgefordert, sich eindeutig und unmissverständlich von dem
 brutalen Angriffskrieg zu distanzieren, den Putin gegen die
 Ukraine und nun insbesondere auch gegen Münchens Partnerstadt
 Kiew führe.

Es geht aktuell offenbar gar nicht darum, was Gergiev sagt
oder tut, ob er sich die letzten zwei Tage zu dem Krieg
Russlands gegen die Ukraine geäußert hat. Es wird nichts
zitiert. Es wird nur davon ausgegangen, dass er ein Freund
Putins sei und deshalb sei er sicher für den Krieg. Das ist an
totalitärer Anmaßung nicht zu überbieten.

Wo sind denn die Ultimaten für Daniel Barenboim sich
unmissverständlich vom Antisemitismus von Edward Said zu
distanzieren? Oder ein Ultimatum an Claudia Roth, sich
unmissverständlich vom Islamfaschismus des Iran zu
distanzieren? Oder ein Ultimatum an Karl Lauterbach, endlich
eine rationale, evidenzbasierte, verhältnismäßige und
menschenfreundliche Politik zu machen und wenn er das nicht
tut, bekommt er in Restaurants in München nur noch gesalzene
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Gerichte?

Und wo waren die Ultimaten an Fans von Ronald Reagan in den
1980ern, sich sofort von den mörderischen Aktivitäten der von
ihm unterstützten Contras zu distanzieren, die für
Zehntausende Tote in Nicaragua verantwortlich waren und
schließlich zum Ende der sozialistischen Regierung der
Sandinisten führten? Wo waren da die Ultimaten? Oder ein
Ultimatum an Erdogan, sich sofort aus dem völkerrechtswidrig
eingenommenen Teil Syriens zurückzuziehen? Oder das Ultimatum
an den Iran, jegliche Irananreicherung einzustellen und zwar
sofort – sonst würden alle, wirklich alle diplomatischen und
ökonomischen Beziehungen gekappt?

Oder wo bleibt das Ultimatum an die FIFA und den DFB, die
Fußball-WM 2022 in Qatar abzusagen und sich für die Tausenden
Toten, die beim Bau der Stadien elendig starben, zu
entschuldigen und Qatar zur Rechenschaft zu ziehen?
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Wo waren die Ultimaten an Joschka Fischer, keine Bomben auf
Serbien zu werfen und sich von seiner Holocaustverharmlosung
zu distanzieren, als er den Kosovo und die serbische Politik
mit Auschwitz verglich?

Wo waren die Ultimaten des Münchener Bürgermeisters an
deutsche Rüstungsfirmen aller Art, die an Kriegen weltweit
Milliarden verdienen?

Am 17. Dezember 2021 schickten Putin bzw. die Russische
Föderation einen Vertragsentwurf nach Amerika, der sich auf
gegenseitiges Vertrauen bezog, friedenserhaltende Maßnahmen
vorschlug, eine NATO-Osterweiterung auf das Gebiet der
ehemaligen Sowjetunion ausschloss (wie es James Baker und auch
Helmut Kohl Gorbatschow sehr wohl versprochen haben, es gibt
die Dokumente, ich habe sie ja zitiert).           In   diesem
Vertragsentwurf von Dezember 2021 heißt es:

 reaffirming that a nuclear war cannot be won and must never
 be fought, and recognizing the need to make every effort to
 prevent the risk of outbreak of such war among States that
 possess nuclear weapons,

 reaffirming their commitments under the Agreement between the
 United States of America and the Union of Soviet Socialist
 Republics on Measures to Reduce the Risk of Outbreak of
 Nuclear War of 30 September 1971, the Agreement between the
 Government of the United States of America and the Government
 of the Union of Soviet Socialist Republics on the Prevention
 of Incidents On and Over the High Seas of 25 May 1972, the
 Agreement between the United States of America and the Union
 of Soviet Socialist Republics on the Establishment of Nuclear
 Risk Reduction Centers of 15 September 1987, as well as the
 Agreement between the United States of America and the Union
 of Soviet Socialist Republics on the Prevention of Dangerous
 Military Activities of 12 June 1989,

 have agreed as follows
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Weiter heißt es:

 Article 1

 The Parties shall cooperate on the basis of principles of
 indivisible, equal and undiminished security and to these
 ends:

 shall not undertake actions nor participate in or support
 activities that affect the security of the other Party;

 shall not implement security measures adopted by each Party
 individually or in the framework of an international
 organization, military alliance or coalition that could
 undermine core security interests of the other Party.

 (…)

 Article 4

 The United States of America shall undertake to prevent
 further eastward expansion of the North Atlantic Treaty
 Organization and deny accession to the Alliance to the States
 of the former Union of Soviet Socialist Republics.

 The United States of America shall not establish military
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bases in the territory of the States of the former Union of
 Soviet Socialist Republics that are not members of the North
 Atlantic Treaty Organization, use their infrastructure for
 any military activities or develop bilateral military
 cooperation with them.

 (…)

 Article 7

 The Parties shall refrain from deploying nuclear weapons
 outside their national territories and return such weapons
 already deployed outside their national territories at the
 time of the entry into force of the Treaty to their national
 territories. The Parties shall eliminate all existing
 infrastructure for deployment of nuclear weapons outside
 their national territories.

 The Parties shall not train military and civilian personnel
 from non-nuclear countries to use nuclear weapons. The
 Parties shall not conduct exercises or training for general-
 purpose forces, that include scenarios involving the use of
 nuclear weapons.

Offenbar waren das den USA und der NATO zu konkrete, zu
friedenssichernde Artikel. Es wurde nie ernsthaft diskutiert.

Und jetzt hetzt die Welt wieder wie früher gegen “den” Russen,
das geht bei Springer und dem ganzen Land super schnell, das
sind deutsche Traditionen. Nazi-Aufmärsche seit Jahren in der
Ukraine? Kinderkram, lass sie doch spielen, wir haben doch
unsere Ur-Omas mit den Bildern des gefallenen Bruders in SS-
Uniform auf dem Kaminsims immer stehen sehen. So denken die
Deutschen.

Einige der interessantesten Beiträge und Analysen zur Ukraine-
Krise hat der Journalist Lutz Herden im Freitag publiziert. Er
schreibt am 24. Februar 2022 um kurz vor 10 Uhr vormittags:
Wenn die USA auf den Vertragsentwurf für Frieden und Vertrauen von Russland von Dezember 2021 eingegangen wären - gäbe es dann den Krieg in der ...
Leider unterliegt die westliche, vor allem aber die deutsche
 Russland-Politik einer teils eklatanten Erfahrungsferne und
 Erkenntnisverweigerung, die sich von historischer
 Überlieferung und daraus resultierenden Verhaltensweisen in
 Russland nicht behelligen lässt. Man hat es verlernt, sich in
 einen Gegner hinein zu versetzen, um ihn zu verstehen.

 Dazu zählt die Kenntnis der bizarren Geschichte der Ukraine
 zwischen europäischen Groß- und Geltungsmächten, zu denen im
 20. Jahrhundert nicht nur Russland bzw. die Sowjetunion,
 sondern ebenso Deutschland und Polen gehörten. Als deutsch-
 kaiserliche Truppen im Frühjahr 1918 in der Ukraine
 einmarschierten und das Land besetzten, lautete das Mantra:
 „Wer Kiew hat, kann Russland zwingen.“ Und wer es nicht hat,
 eben nicht. Dies galt 1918/19 wie zwischen 1941 und 1944,
 während der zweiten deutschen Okkupation. Und es bleibt
 dabei.

Was soll man politisch von einer Stadt wie Kiew und ihrem in
Deutschland so obsessiv fanatisch verehrten Box-Bürgermeister
Vitali Klitschko halten, der in seiner Stadt solche Aufzüge
stattfinden lässt wie im April 2021? Ich erinnere mich an
einen Besuch in Kiew 2010, als ein paar wenige Antifas ein
Lenindenkmal beschützten, schon damals sahen sie die Gefahr,
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dass Neonazis das schleifen wollten.

Der Antisemit Oleh Tjahnybok war zusammen mit Vitali Klitschko
und Arsenij Jazenjuk im Komitee des nationalen Widerstands
2013 in der Ukraine aktiv.

Einige Jahre zuvor im Jahr 2004 hatte Tjahnybok gesagt:

 Das Zitat stammt aus einer Rede von Oleh Tjahnibok aus dem
 Jahr 2004. Er sprach auf einer Gedenkveranstaltung für einen
 UPA-Kommandeur. Auf der Veranstaltung hatten sich sowohl
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Veteranen der Bandera-Partisanen sowie Zuschauer versammelt.
 Das Zitat im o.g. Ausschnitt lautet in ganzer Länge nach
 unserer Übersetzung wie folgt:

 “Ihr seid ukrainische Nationalisten, ukrainische Patrioten!
 Ihr müsst die Helden werden, die heute die Erde unter unseren
 Füßen verteidigen! Sie hängten sich Gewehre um den Hals und
 gingen in die Wälder. Sie kämpften gegen Russen, gegen die
 Deutschen, gegen Judenschweine und sonstiges Gesindel,
 welches uns den ukrainischen Staat wegnehmen wollte! Man muss
 endlich die Ukraine den Ukrainern geben!”

Dass Tjahnybok von “Judenschweinen” spricht, gegen die die
Bandera-Faschisten gekämpft hätten und dass er von einer
heutigen “moskowitisch-jüdischen Mafia” fabuliert und somit
gegen Juden hetzt, das störte Klitschko 2013 nicht, er
kooperierte mit ihm.

   Update, 13:29 Uhr, dieses Bild, das ein Twitter-User
   gepostet hat:
Der völkerrechtswidrige Krieg von Putin muss sofort enden. Das
sieht auch Sahra Wagenknecht so, aber auch sie betont, dass
man die Aggression Putins ohne das nicht minder aggressive
Nicht-Reagieren   auf  seine      Friedensinitiativen   und
Abrüstungsvorschläge – keine     NATO-Osterweiterung, keine
Ausbildung von Soldaten z.B. der Ukraine an Waffensystemen,
die auch Atombomben transportieren können, was bei NATO-
Manövern auch in der Ukraine gerade nicht ausgeschlossen
werden kann – nicht verstehen kann.

Der Ukraine-Konflikt ist also weit komplexer, als es der
Mainstream in Deutschland, Europa und den USA darstellt.

Es ist frappierend, wie homogen schon wieder die deutsche
Volksgemeinschaft schreit, diktiert, bebt und lebt. Von Corona
hin zur Ukraine, Hauptsache es gibt immer nur eine Wahrheit,
nur eine Meinung, nur eine Perspektive!

Und wer jetzt meint, ich sei mit der Kritik an der
Coronapolitik und der antirussischen Agitation im Lager der
typischen ‘Kritiker’, die doch meist nur Ressentiment haben,
irrt gewaltig. So nervt mich zum Beispiel stark, dass die Ex-
ZDF-Journalistin Katrin Seibold jetzt auch noch von einem
Rubikon-Autor interviewt wurde – kann sie nicht mal schauen,
mit wem sie da spricht und was für höchst problematische
Ideologeme dort sonst so vertreten werden? Oder wenigstens
schauen, wen ihr Interviewer Jens Lehrich sonst so zu seinem
ach-so-fairen      Talk    bittet,    nämlich     den   AfD-
Bundespräsidentschaftskandidaten Max Otte, den Heidegger- und
Ernst Jünger Leser Gunnar Kaiser oder den wegen seiner
antisemitischen Invektiven bekannten Autoren Ken Jebsen sowie
den rechten und antifeministischen Journalisten Boris
Reitschuster, einer der Stars der Coronapolitik-
Kritiker*innen-Szene, der auch schon mal als neutral oder
informativ getarnte positive Beiträge über die AfD auf seiner
Seite bringt.

Es braucht eine linke Kritik der Ukraine Politik und eine
linke Coronapolitik-Kritik. Beide sollten sich gegen die
vorherrschende deutsche Volksgemeinschaft wenden, die nur
rudimentär, wenn überhaupt etwas von Geopolitik, Diplomatie
oder Public Health, Epidemiologie und Demokratie versteht.

Es muss um ein Ende der NATO-Osterweiterung gehen, um eine
Demokratisierung der Ukraine, um ein Ende der russischen
Aggression, um eine vertragliche Kooperation von Ukraine und
Russland, inklusive dem Autonomiestatus des Donbass und
anderer Gebiete, die von der Ukraine auf antirussische Weise
diskriminiert und bekämpft werden, und es muss natürlich um
eine Entnazifizierung der Ukraine gehen, um eine Umbenennung
jener Straßen und Plätze, die nach Stepan Bandera, anderen
OUN-Verbrechern, Antisemiten und Pro-Nazi Aktivisten benannt
wurden, um nur dieses eine Beispiel einer Demokratisierung zu
nennen. Dass Putin selbst auch Gruppen und Strömungen
unterstützt, direkt oder indirekt, die in Westeuropa genau
solche nationalistischen, antisemitischen, Querfront- und
geschichtsrevisionistischen Tendenzen pushen, das ist Teil
einer völlig absurden geopolitischen Konstellation seit
1989/90, die nicht auf Frieden und Neutralität, sondern auf
Siegergebaren, Häme und Nicht-Ernstnehmen gebaut waren und
sind. Putin ist eine große Gefahr für den Frieden – aber er
wurde geradezu gezielt vom Westen zu so einer Gefahr gemacht,
weil der Kapitalismus es offenkundig oder immanent nicht
ertragen kann, dass es womöglich nicht marktwirtschaftliche
oder neutrale Staaten geben könnte (was im Weltmarkt-System
ohnehin unmöglich ist).

Noch einmal Lutz Herden im Freitag:

 Was ihn seit 2014 – mal mehr, mal weniger, zuletzt aber
 heftig – zuspitzte: Russland durfte nicht teilhaben an der
 nach 1990 errichteten Sicherheitsordnung. Nun errichtet es
 eine eigene, seinen Regeln gehorchend, zu denen der Einsatz
 militärischer Gewalt gehört, um sich Geltung zu verschaffen.
 Machtentfaltung steht über dem Völkerrecht. Auch das ist fast
 so etwas wie ein Gesetz der Geschichte, dass Länder, die um
 ihre strategischen Kerninteressen fürchten, zu härtesten
 Maßnahmen greifen können.

 Alle sonstigen Optionen, vor allem die diplomatischen, werden
 in Moskau inzwischen offenbar als sinnlos und unergiebig
 betrachtet. Man muss der Regierung Putin zugestehen, dass sie
 mit ihren den USA und der NATO im Dezember zugesandten
 Vertragsentwürfen über gegenseitige (!) Sicherheitsgarantien
 den Versuch der politischen Entspannung unternahm. Und man
sollte sich erinnern, dass sie die ihr zugegangenen Antworten
als unzureichend und ungeeignet eingestuft hat, um in
substantielle Verhandlungen einzutreten. Wenn die
Bundesregierung in Berlin auch ständig beteuert hat, man
wolle eine diplomatische Lösung, hat sie doch nichts dafür
getan, dass es die geben konnte. Vielmehr wurde in den
entscheidenden Fragen – der NATO-Osterweiterung und der
Verlagerung von militärischer Infrastruktur in osteuropäische
NATO-Länder – gemauert und auf dem Status quo beharrt.
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