VORSTELLUNG DES HAUSHALTES 2020 - Oktober 2019 - Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens - ProDG
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Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens VORSTELLUNG DES HAUSHALTES 2020 14. Oktober 2019 Oliver Paasch, Ministerpräsident www.ostbelgienlive.be
1 Vor wenigen Wochen haben wir Ihnen unsere inhaltlichen Schwerpunkte für diese Legislaturperiode vorgestellt. Wir haben für die kommenden Jahre zahlreiche Reformen angekündigt, die notwendig sind, um unsere Heimat in einer sich rasant wandelnden Welt fit für die Zukunft zu machen. In unserer Regierungserklärung vom 16. September steht nicht ohne Grund: Wenn wir die Lebensqualität in Ostbelgien aufrechterhalten wollen; wenn wir die Lebensbedingungen der Menschen verbessern wollen; wenn wir den Menschen Zukunftsängste nehmen und ihnen stattdessen neue Zukunftschancen eröffnen wollen; wenn wir wollen, dass die Menschen in Ostbelgien hoffnungsfroh in die Zukunft schauen können; dann müssen wir den Mut zu Veränderungen aufbringen; dann müssen wir verändern um zu bewahren; dann müssen wir öffentliche Dienstleistungen so anpassen, dass sie mit globalen Entwicklungen Schritt halten können; kurzum dann müssen wir unsere Gemeinschaft zukunftsfähig machen! Vor diesem Hintergrund streben wir weitreichende Verbesserungen und Veränderungen an, zum Beispiel in unserer eigenen Verwaltung, in der Beschäftigungspolitik, bei der Gesundheitsversorgung, in unserer Ausbildungslandschaft, in der Förderpädagogik, bei der Lehrerausbildung,
2 bei der Aufwertung des Ehrenamtes, dem Klimaschutz, der Digitalisierung, bei der Stärkung von Dörfern, Vierteln und Städten, in der mentalen Gesundheit, in unserem Stipendiensystem für Medizinstudenten, bei der Arbeitsmarktintegration von Migranten, beim Ausbau der Kinderbetreuungsangebote, in der Berufswahlvorbereitung, bei der Sicherung von Fachkräften oder auch in der Seniorenpflege. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Vor uns liegt also eine herausfordernde Legislaturperiode; sowohl mit Blick auf unser ehrgeiziges Regierungsprogramm als auch mit Blick auf die finanzpolitischen Rahmenbedingungen, die unser politisches Handeln beeinflussen. Die makro-ökonomischen Parameter in unserem Land haben sich aufgrund von internationalen Krisen, Handelskonflikten, rückwärtsgewandtem Protektionismus und dem drohenden Brexit bekanntlich erheblich verschlechtert. Innerhalb eines Jahres ist das für 2019 in Belgien prognostizierte Wirtschaftswachstum von 1,7 % zunächst auf 1,5 %, dann auf 1,3 % und schließlich auf 1,1 % gesunken. Gleichzeitig ist die für 2019 vorhergesagte Inflationsrate von 1,9 % auf 1,5 % gesunken.
3 Dieser Abwärtstrend setzt sich 2020 fort. Das prognostizierte Wirtschaftswachstum sinkt von 1,4 % auf derzeit 1,1 %. Die vorausberechnete Inflationsrate sinkt von 2 % auf 1,4 % Diese Verschlechterungen haben massive Auswirkungen auf die Einnahmen der DG. Als einzige Gemeinschaft unseres Landes haben wir dieser Entwicklung kurz vor den Wahlen Rechnung zu tragen versucht und den Haushalt 2019 im Mai angepasst. Als einzige Gemeinschaft unseres Landes haben wir im Mai 2019 unsere Einnahmen nach unten korrigiert. So transparent wie wir ist kurz vor den Wahlen niemand in Belgien mit der finanzpolitischen Wahrheit umgegangen. Seitdem haben sich die Parameter weiter verschlechtert. Das gilt sowohl für das Wirtschaftswachstum als auch für die Inflation. Auf die laufende Legislaturperiode hochgerechnet, haben wir seit der letzten Haushaltanpassung, also in den letzten 5 Monaten, Einnahmen in Höhe von weiteren 29,7 Millionen EUR verloren. Auf der Grundlage der aktuellen Parameter sinken unsere Einnahmen in dieser Legislaturperiode noch einmal im Schnitt um 5 Millionen EUR pro Jahr.
4 Im Vergleich zum Ursprungshaushalt 2019, den wir vor 11 Monaten hier verabschiedet hatten, sinken unsere Einnahmen in dieser Legislaturperiode sogar um knapp 38 Millionen, also im Schnitt um 6,3 Millionen pro Jahr. 38 Millionen EUR Mindereinnahmen, die nur zum Teil durch spätere Indexsprünge ausgeglichen werden… das entspricht 8 % eines Jahreshaushaltes. In den anderen Landesteilen sieht es natürlich nicht besser aus. Das ist der Grund dafür, dass die Wallonische Region, die Französische Gemeinschaft und sogar die Flämische Gemeinschaft das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts mittlerweile aufgegeben haben. Wallonen und Flamen haben in ihren Regierungserklärungen für die kommenden Jahre hohe Haushaltsdefizite angekündigt und wollen erst 2024 einen ausgeglichenen Haushalt hinterlegen. Zudem haben sie genau wie die Region Brüssel vereinbart, einen Großteil ihrer Investitionen zu amortisieren bzw. zu neutralisieren, also aus der SEC-Norm herauszurechnen. Das klingt technisch; hat aber einen enormen Einfluss auf ihre Investitionsfähigkeit.
5 Alle belgischen Gliedstaaten wenden diese Technik an. Darauf komme ich gleich noch einmal zurück. Kolleginnen und Kollegen, im Gegensatz zu unseren wallonischen, frankophonen und flämischen Freunden, darf ich Ihnen heute ausgeglichene Haushalte vorstellen. Der mittlerweile vom Rechnungshof zertifizierte und Ihnen jetzt zur Abstimmung vorliegende konsolidierte Jahresabschluss 2018 weist für das Jahr 2018 einen Überschuss 1.101.883,24 EUR aus. Die nachträglich erfolgten sogenannten „SEC-Korrekturen“ durch das ICN sind statistischer Natur. Wir schließen also das Jahr 2018 mit einem Überschuss ab. Das hat es in den letzten 27 Jahren kein einziges Mal gegeben. Hinzukommt, dass wir 2018 erneut auf 4 Millionen EUR der im Haushalt vorgesehenen Ausgaben verzichtet haben. Das wiederum ist ein Resultat der erfolgreichen Durchforstung unserer fakultativen Ausgaben und zeugt von einer vorsichtigen Haushaltsplanung. Für 2019 schlagen wir Ihnen jetzt einen kleinen Überschuss von 123.000 EUR vor. Der Haushalt 2019 befindet sich also ebenfalls im Gleichgewicht.
6 Da wir am 01.01.2020 die Zuständigkeit für den Wohnungsbau von der Wallonischen Region übernehmen, werden wir auf der Grundlage der Übertragungsdekrete in Kürze auch die Immobilien und die damit verbundenen Altlasten von der Wallonischen Region übernehmen. Das ist gut für uns. Aber es hat natürlich Auswirkungen auf unsere Buchhaltung. So werden wir zum Beispiel knapp 40 Millionen Altlasten von der WR übernehmen, die uns in der Folge von den Wohnungsbaugesellschaften wiedererstattet werden. Finanzpolitisch betrachtet ist das natürlich eine Nulloperation; auch wenn buchhalterisch betrachtet die nominale Schuld der Gemeinschaft dadurch ansteigt. Für 2020 hinterlegen wir heute ebenfalls einen ausgeglichenen Haushalt. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Zumal wir im Gegensatz zu allen anderen Gemeinschaften und Regionen unseres Landes keine Investitionen amortisieren oder neutralisieren. Wie schon in der vergangenen Legislaturperiode durchforsten wir weiterhin konsequent alle fakultativen Ausgaben und nehmen überall dort,
7 wo das möglich ist, Umschichtungen vor, um die inhaltlichen Schwerpunkte unseres Programms finanzieren zu können. So sind wir zum Beispiel in der Lage, die Mehrkosten für das Kindergeld zu finanzieren. Bekanntlich hatte die zuständige Behörde des Föderalstaates (Famifed) uns unzuverlässige Simulationen geliefert. Die Ausgaben für die Familienzulagen liegen um etwa 2,5 Millionen EUR höher als vorgesehen. Wir erhöhen jetzt unsere Ausgaben für das Kindergeld um die benötigten Summen. Dieses Geld kommt nun integral und unmittelbar den Kindern in unserer Gemeinschaft zugute. Ich bekräftige an dieser Stelle, was ich im Ausschuss vor einer Woche dazu gesagt habe: Die Erhöhung der Mittel für das Kindergeld belegt, dass wir mit 3 Kernaussagen zu unseren Familienzulagensystem von Anfang Recht hatten: 1. Wir geben sehr viel mehr Geld für das Kindergeld aus, als wir dafür vom Föderalstaat bekommen. Das haben wir immer wieder gesagt. Den neuen Schätzungen zufolge stellen wir den Familien in unserer Gemeinschaft immerhin knapp 3 Millionen EUR mehr zur Verfügung,
8 als die Familien vorher vom Föderalstaat erhalten haben. 2. Wir sind die einzige Gemeinschaft unseres Landes, die die Mittel für das Kindergeld erhöht hat. Keine Gemeinschaft oder Region in Belgien investiert so viel in die Familienzulagen wie wir. 3. Der unabhängige Bund der Familien hatte schon vor Monaten öffentlich mitgeteilt, dass das neue Kindergeldsystem der DG das „großzügigste“ und „kinderfreundlichste“ im ganzen Land sei. Diese Feststellung des Bundes der Familien wird durch die neuen Zahlen eindrucksvoll bestätigt. Sowohl 2019 als auch 2020 erhöhen wir zudem die Mittel für die Bildung von Kindern und Jugendlichen, und zwar - im Vergleich zur ersten Haushaltsanpassung 2019 – um immerhin 2 Millionen EUR. Ich darf daran erinnern, dass wir unsere Investitionen in die Bildungspolitik bereits in der letzten Legislaturperiode – trotz sinkender Schülerzahlen – in einem nie gekannten Ausmaß erhöht haben.
9 Der Bildungshaushalt wurde in den letzten 5 Jahren um sage und schreibe 22 % erhöht, … um zusätzliche Förderpädagogen einzustellen, die Sprachförderung zu verbessern, die Schulbesuchskosten zu senken, die Teamarbeit in Schulen zu verbessern, die Klassengrößen zu senken, die duale Ausbildung aufzuwerten oder auch um die Verwaltungsstrukturen von Grundschulen zu stärken. Trotz dieser großen Anstrengungen erhöhen wir den Bildungshaushalt jetzt noch einmal um 771.000 EUR in 2019 und um weitere 1,3 Millionen EUR in 2020. Mit diesem Geld finanzieren wir zum Beispiel die Einstellung von zusätzlichen Lehrpersonen in den Sekundarschulen, eine weitere Aufwertung der mittelständischen Ausbildung, und die Schaffung von zusätzlichen Stellen für Kindergartenassistenten. Zu Beginn dieses Schuljahres wurden nämlich erneut 12,25 zusätzliche Stellen für Kindergartenassistenten geschaffen. Insgesamt haben wir den Kindergärten mittlerweile 26,75 zusätzliche Stellen für Kindergartenassistenten zur Verfügung gestellt; obwohl die Herabsenkung des Eintrittsalters in den Kindergarten um 3 Jahre verschoben wurde. Von Sparmaßnahmen kann also in diesem Bereich keine Rede sein.
10 Zusätzliche bildungspolitische Investitionen sehen wir zudem vor für die geplante Gesamtvision, die Umsetzung des mit den Gewerkschaften vereinbarten Sektorenabkommens zur Aufwertung des Lehrerberufs, die Initiativen von Kaleido zur Eltern-Kind-Bildung, die Digitalisierung unserer Schulen, die Einstellung von Fachteamleitern in Sekundarschulen und die Schaffung zusätzlicher Stellen für die Förderpädagogik. Wir halten also trotz schwieriger Rahmenbedingungen an unserer finanzpolitischen Weichenstellung fest. Investitionen in die Bildung sind die besten, die wir überhaupt tätigen können. Bildung entscheidet über die Lebensperspektiven jedes einzelnen Menschen. Wir sind deshalb fest entschlossen, den Bildungshaushalt auch in den kommenden Jahren weiter zu erhöhen. Dasselbe gilt für die Kinderbetreuung. Wie in unserer Regierungserklärung angekündigt, wollen wir unseren Masterplan für die Kinderbetreuung umsetzen. Wir halten an unserem Anspruch fest, für jedes Kind, das einen Betreuungsplatz braucht, einen Betreuungsplatz zu finanzieren.
11 Deshalb haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode die Mittel für die Kleinkindbetreuung glatt verdoppelt, die Entschädigungen für Tagesmütter um 9 % angehoben, die Gehaltsbaremen für Kinderbetreuer deutlich verbessert und 4 zusätzliche Standorte für die AUBE (außerschulische Betreuung) ermöglicht. Wir haben heute schon die höchste Kleinkindbetreuungsquote im ganzen Land. Derzeit werden etwa 900 Kinder in Kinderkrippen und von Tagesmüttern betreut. Über 2500 Kinder nehmen die Angebote der AUBE in Anspruch. Aber wir wollen mehr! Wir wollen den Bedarf zu 100 % abdecken. Deshalb erhöhen wir die entsprechenden Finanzmittel im kommenden Jahr erneut um mehr als 10 %. Auch die Sozial- und Gesundheitspolitik ist ein ganz großer Schwerpunkt unserer Arbeit. Das war so und das bleibt so. Darauf sind wir in unserer Regierungserklärung bereits ausführlich eingegangen. In den letzten 5 Jahren haben wir die Mittel für häusliche Hilfen bereits um 40 % erhöht. In den APH (heute Wohn- und Pflegezentren) sind 111 zusätzliche Plätze entstanden.
12 Die Anzahl betreuter Wohnungen konnte fast verdoppelt werden. Zusätzliche neue alternative Wohnformen sind entstanden. Mit den heute vorliegenden Haushaltsentwürfen erhöhen wir den Sozialhaushalt im kommenden Jahr um weitere 4 Millionen EUR. Darin enthalten sind die bereits erwähnten zusätzlichen Mittel für das Kindergeld, zusätzliche Mittel für die Begleitung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund, neue Projekte zur Gesundheitsförderung, Reha-Maßnahmen im Ausland, zusätzliche Mittel für die Seniorenpflege und neue Projekte für alternative Wohnformen. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz schwieriger Rahmenbedingungen werden wir auch unserer sozial-politischen Verantwortung gerecht. Beachtliche Erhöhungen sehen wir im kommenden Jahr für den Kultur-, Medien, Tourismus und Sporthaushalt vor. Wir schlagen vor, die laufenden Ausgaben für diese Bereiche - im Vergleich zur ersten Haushaltsanpassung – um 1,6 Millionen EUR anzuheben.
13 Das entspricht einer Steigerungsrate von 10,9 %. Die Dotation des BRF soll um knapp 500.000 EUR erhöht werden, um das neue Statut für das BRF Personal und die DAB+ Verbreitung im Inland zu finanzieren. Die Pressebeihilfe wollen wir um 139.000 EUR erhöhen. Die Mittel für die professionellen Kulturträger wollen wir auf der Grundlage des abgeänderten Kulturförderdekrets im kommenden Jahr um 30% anheben. Darüber hinaus wollen wir mit MEAKUSMA einen weiteren regionalen Kulturveranstalter finanzieren. Zusätzliche Mittel sehen wir auch vor für die Umsetzung des neuen Rahmenabkommens mit dem Nicht kommerziellen Sektor (NKS). Mehr Geld wollen wir zudem in den Ausbau des Streetwork investieren. Wie in der Regierungserklärung angekündigt sehen wir erstmals Finanzmittel vor für den Leitverband des Ostbelgischen Sports. Wir gehen davon aus, dass dieser Verband im Laufe des Jahres 2020 seine Arbeit aufnehmen kann.
14 Die Zuschüsse an die TAO sollen ebenfalls angehoben werden, unter anderem um die Kosten für den Stoneman und die Realisierung des Ardennensteigs finanzieren zu können. Kolleginnen und Kollegen, wie Sie anhand all dieser Beispiele laufender Ausgaben festgestellt haben, sind wir weiterhin in der Lage, die Schwerpunkte unseres Regierungsprogramms zu finanzieren. Wir sind auch weiterhin in der Lage, die schwarze Null aufrechtzuerhalten. Das verdanken wir der konsequenten Umsetzung unserer finanzpolitischen Strategie, der Durchforstung aller fakultativen Ausgaben und der klaren inhaltlichen Schwerpunktsetzung in unserem Haushalt. Aber wir sind nicht in der Lage, mathematische Gesetze ausser Kraft zu setzen. Wenn einerseits die Einnahmen sinken, andererseits die laufenden Ausgaben steigen und man trotzdem den Haushalt im Gleichgewicht behält; dann kann man logischerweise weniger in Infrastruktur, Ausstattungen und Ausrüstungen investieren; dann sinkt zwangsläufig die sogenannte „Investitionsfähigkeit“ der öffentlichen Hand.
15 Wir sind dauerhaft in der Lage die schwarze Null zu halten, weil wir voraussichtlich auch in den kommenden Jahren Überschüsse im laufenden Haushalt erzielen werden; aber wir werden sehr viel weniger in Infrastruktur, Ausstattungen und Ausrüstungen investieren können. Das hat übrigens nicht nur mit den sinkenden Einnahmen zu tun; das ist nicht zuletzt auf die Anwendung der strengen SEC-Buchhaltungsnormen zu tun. Am vergangenen Montag habe ich das in einer öffentlichen Ausschusssitzung noch mal in Erinnerung gerufen: Eine staatliche Einrichtung wie die DG darf wegen dieser europäischen Buchhaltungsnormen nur laufende Haushaltsüberschüsse in Infrastruktur investieren. Wir müssen also im laufenden Haushalt einen Überschuss erzielen, um überhaupt investieren zu können. Wir dürfen wegen der SEC-Normen im Gegensatz zur privaten Wirtschaft keine Überschüsse ansparen, um sie später investieren zu können. Nein, wir dürfen in jedem Jahr nur genau den Überschuss investieren, den wir in diesem Jahr erwirtschaften.
16 Abschreibungen sind nicht erlaubt. Wenn nun die Einnahmen wegen schlechter Konjunkturdaten sinken, dann verschlechtert sich auch das Ergebnis des laufenden Haushaltes und somit die Investitionskapazität des Staates. Das ist der Grund dafür, dass wir seit Jahren gemeinsam mit allen belgischen Gliedstaaten und der Föderalregierung eine Abänderung der europäischen Buchhaltungsregeln beziehungsweise eine flexiblere Auslegung dieser Regeln einfordern. Wenn ich mir die Diskussionen auf europäischer Ebene anschaue, dann gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass die europäischen Mitgliedsstaaten irgendwann erkennen, dass diese Normen absolut kontraproduktiv sind und sowohl der Gesellschaft als auch der wirtschaftlichen Entwicklung schaden. Weil wir in der DG unseren Haushalt in den letzten Jahren konsequent saniert haben, gehört die DG zu den wenigen staatlichen Einrichtungen, die im laufenden Haushalt immer noch Überschüsse erzielen. 2020 werden wir voraussichtlich einen laufenden Haushaltsüberschuss in Höhe von 11,3 Millionen EUR erwirtschaften können.
17 Genau diese Summe dürfen wir also als Ausgabeermächtigungen für Infrastruktur, Ausstattungen und Ausrüstungen vorsehen. Für den Infrastrukturplan 2020 sehen wir Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 9,9 Millionen EUR vor. Insgesamt wollen wir damit 67 Infrastrukturvorhaben bezuschussen. Zu 60 % wollen wir beispielsweise folgende Projekte finanzieren: den geplanten Neubau für die VoG „Dabei“ in St.Vith mit einem Zuschuss von knapp 1,7 Millionen EUR, den Abriss und Neubau des Saales Jaspesch in Mürringen mit einem Zusschuss von 937.000 EUR, die Erneuerung von Fenstern und Fassaden der Dorfgemeinschaft Concordia Hünningen, die Anschaffung einer Bühne für den Dorfsaal Oudler, die Erneuerung der Heizung der VoG Brunefa, den Einbau einer neuen Küche in der Patronage Kelmis, Instandsetzungsarbeiten im Bergscheider Hof Raeren, einen elektrischen Sonnenschutz an der Halle des TLZ Amel, die Erweiterung der Reithalle in Büllingen, ein Langlauf- und Biathlonzentrum in Elsenborn mit einem Zuschuss von immerhin 871.000 EUR, die Erneuerung der Heizungsanlage in der Skihütte Weywertz, die Erneuerung der Toiletten, Duschen und der Kantine der Sport- und Kulturgemeinschaft Lommersweiler, das Anlegen einer Multisportanlage in Amel, die Sanierung von Beleuchtung und Sportböden in den Tennishallen
18 des KTC Eupen, die Erweiterung von Kinderspielplätzen in der Gemeinde Kelmis, die Anschaffung neuer Spielgeräte für die GS Lontzen, den Umbau des Rathauses in Eupen für das Tourist Info und das Stadtmarketing, Arbeiten an der Kapelle in Krewinkel, die Sanierung des Turms der Burg Raeren, die Erneuerung von Fenstern in der Pfarrkirche Amel, die Instandsetzung des Aufzugs im Begleitzentrum Griesdeck, die Erneuerung der Dächer des Mosaik Zentrums in Eupen, Instandsetzungsarbeiten des PRT in Eupen, und die Sanierung von Notaufnahmewohnungen in Eupen. Zu 80 % wollen wir unter anderem finanzieren: die Erneuerung von Fenstern im KG Schoppen, die Erneuerung von Dachfenstern in der GS Nidrum und im KG Hauset, die Renovierung der Sanitäranlagen in der GS Weywertz, die Schaffung eines behindertengerechten Zugangs für die GS Weywertz, den Austausch der Heizung in der Schule Hauset, die Erneuerung der Heizungsanlage in der GS Emmels, die Installation von Brandmeldeanlagen in den Gemeindeschulen von Kelmis und Hergenrath, die Erneuerung der Fassadenbekleidung am KG Eynatten, den Sanitärtrakt in der Schule Lichtenbusch, das Anlegen eines Notausgangs in der GS Neidingen, das Anbringen von Sonnenblenden in den Schulen von Recht und Rodt, die Renovierung der Sporthalle am BIB Büllingen mit einem Zuschuss von knapp 1,1 Millionen EUR, und die Renovierung von sanitären Räumen in der MG St.Vith.
19 All diese und viele andere Projekte haben wir in den letzten Wochen mit jedem einzelnen betroffenen Gemeindekollegium in unserer Gemeinschaft ausführlich besprochen. Wo außerhalb unserer Gemeinschaft gibt es das schon? Die gesamte Regierung bespricht jedes Jahr mit jedem Gemeindekollegium jedes einzelne Infrastrukturvorhaben, von der Erneuerung einer Toilette bis hin zum Bau einer Sporthalle. Über jedes Projekt führen wir einen breiten Dialog mit den Gemeinden. Diese direkten Wege sind ein großer Vorteil unserer Autonomie. Viele der eben erwähnten, konkreten und für die Menschen in unserer Heimat wichtigen Projekte wären anderswo im Land gar nicht mit der Regierung besprochen und erst recht nicht bezuschusst worden. Ich erinnere zum Beispiel daran, dass wir die einzige Gemeinschaft unseres Landes sind, die bezuschusst. Auch das ist ein Vorteil unserer Autonomie.
20 Insgesamt sehen wir also für das kommende Jahr Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 9,9 Millionen für Infrastrukturprojekte vor. Das ist immer noch ein vergleichsweise hoher Betrag. Wenn ich von außergewöhnlich großen Projekten wie dem 2. PPP-Schulbauprogramm, für das wir jetzt 150 Millionen EUR einplanen, und dem geplanten Neubau eines Seniorenzentrum in St.Vith, das mit Projektkosten in Höhe von 52,6 Millionen EUR angemeldet wurde, absehe, dann bleiben im Registrierungskatalog noch 86 „klassische“ Projekte mit einem Zuschussvolumen von 22 Millionen EUR übrig, die bislang nicht genehmigt wurden. Aufgrund der absehbaren laufenden Haushaltsüberschüsse werden wir wohl auch nach 2020 in Infrastrukturen investieren können; aber deutlich weniger als zuvor. Ich hatte dem Parlament bei der Vorstellung der Eckdaten des Haushaltes 2020 versprochen, den voraussichtlich notwendigen Verzicht auf Investitionen zu beziffern und in die Simulation eingetragen. Dieses Versprechen lösen wir heute ein:
21 Aufgrund der schlechten Wirtschaftsparameter, den dadurch sinkenden Einnahmen der Gemeinschaft und der strikten Anwendung der SEC-Buchhaltungsnormen, wird die Investitionskapazität unserer Gemeinschaft – in Ausgabeermächtigungen ausgedrückt – in den Jahren 2021, 2022 und 2023 um jeweils etwa 5 Millionen, sprich um 40 % sinken. Deshalb werden wir zum Beispiel schon jetzt präventiv auf eine weitere Erhöhung der Wegedotation verzichten, die wir in der letzten Legislaturperiode noch um 73 % angehoben hatten und die wir gerne weiter angehoben hätten. Wir dürfen uns in diesen Zeiten darüber freuen, dass die Vorgängerregierungen massiv Investitionen in Infrastruktur vorgezogen haben, um einen Investitionsstau zu vermeiden. Die Infrastrukturen auf dem Gebiet unserer Gemeinschaft sind größtenteils in einem guten Zustand. Der Blick über die Sprach- und Staatsgrenzen zeigt, dass wir hierzulande vergleichsweise über sehr gut unterhaltene Schulen, Wohn- und Pflegezentren, Kulturzentren und Sportanlagen verfügen.
22 Angesichts der großen globalen Herausforderungen, vor denen auch wir in unserer Gemeinschaft stehen – man denke nur an den Klimaschutz oder an die Digitalisierung – sollten wir uns trotzdem mit der Grundsatzfrage beschäftigen, wie wir die Investitionsfähigkeit unserer Gemeinschaft in den kommenden Jahren verbessern können. Andere Regionen in Belgien und in Europa haben aufgezeigt, dass es solche Möglichkeiten durchaus geben kann. Viele Regionen greifen derzeit zum Beispiel massiv auf alternative Finanzierungstechniken zurück. Man denke nur an PPP-Verfahren, Contracting-Systeme oder an öffentlich-private Beteiligungsgesellschaften. Diese Techniken müssen nicht alle hier Anwendung finden; sie machen nicht überall Sinn; aber sich damit zu beschäftigen, sich solche Modelle im Detail anzuschauen, das kann eine lohnende Aufgabe sein. Alle anderen Gemeinschaften und Regionen unseres Landes neutralisieren zum Beispiel darüber hinaus in erheblichem Ausmaß ihre Investitionen in Infrastruktur und Ausstattungen, um sich zumindest teilweise aus den kontraproduktiven Fesseln der SEC-Normen zu befreien.
23 Bislang haben wir als DG auf solche Techniken nicht zurückgegriffen. Aber es lohnt sich zu beobachten, wie unsere Haushaltministerkonferenz, der belgische Konzertierungsausschuss und die Europäische Union darauf reagieren werden. Immerhin hatte die Föderalregierung gemeinsam mit allen Gemeinschaften und Regionen in der letzten Legislaturperiode einen Investitionsplan ausgearbeitet und hierfür von der EU die Anwendung der Flexibilitätsklausel gefordert. Eine definitive Antwort der EU steht noch aus. Die strikte und kompromisslose Anwendung der SEC-Normen wirkt jedenfalls in diesen Zeiten wie eine brutale Investitionsbremse. Das kann nicht im Interesse der Menschen auf diesem Kontinent sein. Wir blicken gespannt auf die Diskussionen darüber in anderen Mitgliedsstaaten der EU. Vielleicht kehren ja doch irgendwann noch Einsicht und Vernunft ein. Wir blicken auch mit großem Interesse auf die anstehenden innerbelgischen Verhandlungen über den eigentlichen Haushaltspfad für die kommenden Jahre. Dabei gilt es natürlich – wie in den letzten Jahren - die Interessen der DG zu wahren; nicht zuletzt mit Blick auf unsere Investitionsfähigkeit. Auch über diesen Weg könnte die Investitionsfähigkeit der DG erweitert werden.
24 Morgen früh reisen alle belgischen Ministerpräsidenten in Begleitung des Königs für 3 Tage zu einem Staatsbesuch nach Luxemburg. Ich werde die Gelegenheit nutzen, mit all meinen Amtskollegen darüber auszutauschen. Die Regierung ist zu einer Grundsatzdebatte über all diese Fragen gerne bereit; sowohl innerhalb des Parlaments in einem parteiübergreifenden Dialog – gegebenenfalls sogar mit externen Experten; als auch außerhalb dieses Hauses zum Beispiel mit den Sozialpartnern und Vertretern der organisierten Zivilgesellschaft. In der Zwischenzeit werden wir uns natürlich weiterhin bemühen, die laufenden Haushaltsüberschüsse in den kommenden Jahren zu erhöhen und auf diesem Weg unsere Investitionskapazität zu erweitern; zum Beispiel durch die Durchforstung aller fakultativen Ausgaben oder auch durch eine Abänderung des 1. PPP-Vertrags. Wir werden überall dort sparen, wo uns das vertretbar erscheint. Genau wie in der letzten Legislaturperiode wollen wir aber in den kommenden Jahren auf drastische, sozialunverträgliche Sparmaßnahmen verzichten. Kolleginnen und Kollegen, Ich fasse zusammen:
25 Im Jahre 2018 hat die DG einen Überschuss in Höhe von 1,1 Millionen erzielt. Die Verschlechterung der Wirtschaftsparameter führt zwar in dieser Legislaturperiode zu Mindereinnahmen in Höhe von weiteren 30 Millionen EUR. Trotzdem hinterlegen wir heute sowohl für 2019 als auch für 2020 einen ausgeglichenen Haushalt. Das ist weder der Wallonie noch Flandern gelungen. Wir haben unseren Haushalt konsequent durchforstet, um unsere inhaltlichen Schwerpunkte finanzieren zu können. Obwohl wir unsere Ausgaben für Bildung, Seniorenpolitik und Kinderbetreuung bereits in der letzten Legislaturperiode spürbar erhöht haben, werden wir die Finanzmittel für diese zentralen Bereiche im kommenden Jahr erneut anheben. Wir halten also an unseren inhaltlichen Schwerpunkten fest. Mehr als 70% unserer laufenden Ausgaben fließen in die Bereiche Bildung, Beschäftigung und Soziales. Hinzukommen im nächsten Jahr beachtliche Zusatzausgaben für die Kultur, die Medien, den Sport und den Tourismus. Aufgrund der sinkenden Einnahmen und der strengen europäischen Buchhaltungsregeln müssen wir aber gleichzeitig feststellen, dass unsere Fähigkeit in Infrastruktur, Ausstattungen und Ausrüstungen zu investieren erheblich sinkt.
26 Deshalb regen wir eine Grundsatzdebatte darüber an, wie die DG ihre Investitionsfähigkeit verbessern kann. Andere Regionen in Belgien und Europa haben aufgezeigt, wie das gelingen könnte. Damit möchten wir uns im kommenden Jahr in einem breiten Dialog auseinandersetzen. Sie werden festgestellt haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ich meine Redezeit nicht ausgeschöpft habe. Das kann ich mir erlauben, weil wir Ihnen heute auf mehr als 1000 Seiten unsere Haushaltplanung schriftlich unterbreitet und erläutert haben. Sie sehen, wir werden auch in diesem Jahr unserem Anspruch auf maximale Transparenz gerecht. Für weitere Erläuterungen verweise ich auf diese Unterlagen und die Diskussionen darüber in den Ausschüssen. Ich freue mich auf die anstehenden Arbeiten in den Ausschüssen und wünsche uns allen konstruktive Haushaltsdebatten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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