Massenkommunikation 1964-2020: Mediennutzung im Langzeitvergleich - ARD-Werbung
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Media 410 Perspektiven 7-8/2020 Ergebnisse der ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation 1964-2020: Mediennutzung im Langzeitvergleich Von Christian Breunig*, Marlene Handel** und Bernhard Kessler*** Dynamik im Immer mehr Medienanbieter treten mit Fernsehen, verteilt und vor allem, welche Entwicklungen sich im Medienmarkt nimmt Radio und Printtiteln in den Wettbewerb. Den Be- langfristigen Vergleich ergeben. weiter zu wegtbild-, Audio- und Printangeboten der klassischen Medien stehen Streamingdienste wie Netflix, Amazon Kurz und knapp Prime Video, DAZN, Disney+ und Spotify oder Platt- formen wie YouTube, Facebook und TikTok gegen- • Der Umfang der Mediennutzung ist im Vergleich zu 2015 insgesamt über. Die etablierten Medienunternehmen verfügen stabil, bei den 14- bis 29-Jährigen weiter steigend. über eigene digitale Angebote, wie etwa die Media • Der Wettbewerb um die Zeitbudgets der Menschen führt zu einer theken von ARD und ZDF, die ARD Audiothek, Strea- Verdichtung der Mediennutzung mit steigender Parallelnutzung, mingdienste wie Joyn von ProSiebenSat.1 und Dis- vor allem bei den Jüngeren. covery und viele weitere. Im Wettbewerb kommen • Der Anteil der Bewegtbildnutzung am gesamten Medienzeitbudget neue Spielarten hinzu, bei denen Texte, Fotos und ist gewachsen. Bewegtbild Teil eines Multimedia-Kosmos werden, • Die Mediennutzung über das Internet und damit das Bedürfnis nach wie am Beispiel von Instagram- bzw. Facebook- orts- und zeitsouveränem Medienkonsum nimmt zu. Stories zu beobachten ist. Die Dynamik im Medien- • Fernsehen und Radio sind in der Gesamtbevölkerung nach wie vor markt nimmt weiter zu. Klassische Printunternehmen die reichweitenstärksten und nutzungsintensivsten Angebote. verlassen ihr angestammtes Metier und steigen in • Streamingdienste und Videoportale haben an Bedeutung gewonnen. die Bewegtbild- und Audioproduktion ein: BILD macht Fernsehen, Der Spiegel, Die Zeit, Frankfurter Allge- meine, Süddeutsche Zeitung und andere bieten Pod Dieser Aufgabe, die gesellschaftliche Entwicklung Studie Massen casts an. Auch die Verbreitung von Fernsehinhalten und den Medienwandel in Deutschland zu begleiten, kommunikation im Radio ist möglich: Die „Tagesschau“ ist auf Radio stellt sich die ARD/ZDF-Massenkommunikation Lang- beobachtet Medien- wellen und in der ARD Audiothek zu hören. Umge- zeitstudie seit mehr als einem halben Jahrhundert. nutzung im Wandel kehrt werden Musiktitel auf dem Videoportal YouTube Die zwölfte, im Frühjahr 2020 durchgeführte Befra- gehört. Medieninhalte sind immer und überall ver- gungswelle der Studie wurde erneut von der ARD/ fügbar. Die klassischen Medien haben sich den ak- ZDF-Forschungskommission (ehemals Medienkom- tuellen Erfordernissen angepasst und stellen ihrer- mission) beauftragt. ARD und ZDF verfügen damit seits ausgewählte Inhalte auf Onlineplattformen (z. B. über eine einzigartige Untersuchung: Keine andere funk, YouTube) zur Verfügung. Ein solcher Anpas- Studie beobachtet derart differenziert die Medien- sungsprozess ist keineswegs neu. Auch das Radio nutzung und -bewertung der Bevölkerung über einen musste nach dem Aufkommen des Fernsehens einen so langen Zeitraum. Als Intermediastudie widmet neuen Weg finden und wandelte sich in den 1970er sich die Untersuchung einem breiten Tableau von Jahren vom Abendmedium zum flexiblen Tages Medienangeboten. begleiter. Als in der ersten Jahreshälfte 2019 die Weichen für Corona-Pandemie Welche Medien Die enorme Ausweitung des Medienangebots in den die zwölfte Erhebungswelle der ARD/ZDF-Massen- brach mitten im angebote profitieren vergangenen Jahren ändert jedoch nichts an der kommunikation Langzeitstudie 2020 gestellt wur- Untersuchungszeit- oder verlieren Ausgangssituation für die Rezipienten: Der Tag hat den, konnte noch niemand ahnen, dass sich wäh- raum aus im langfristigen nach wie vor 24 Stunden und ist für die meisten rend des Erhebungszeitraums im Frühjahr 2020 Vergleich? Menschen mit zahlreichen Verpflichtungen verbun- eine weltweite Pandemie ereignen würde, die auch den, sodass nur ein Teil des Zeitbudgets für die Me- in Deutschland nicht nur wirtschaftliche und ge- diennutzung verwendet werden kann. Umso span- sellschaftliche Auswirkungen nach sich ziehen, nender ist es herauszufinden, wie sich die Medien- sondern potenziell Auswirkungen auf die Medien- nutzung in Deutschland auf die zahlreichen Angebote nutzung haben würde. Der Ausbruch der Coro- na-Pandemie und die anschließenden Ausgangs- * Media Perspektiven, und sonstigen Beschränkungen (im Folgenden mit ARD/ZDF-Projektgruppe Massenkommunikation. „Lockdown“ bezeichnet) ab Montag, den 16. März ** WDR Medienforschung, 2020 – also in der Mitte des zwölfwöchigen Erhe- ARD/ZDF-Projektgruppe Massenkommunikation. bungszeitraums (Ende Januar bis Ende April 2020) *** ZDF-Medienforschung, der Studie Massenkommunikation – zeigten deut- ARD/ZDF-Projektgruppe Massenkommunikation. lich spürbare Folgen für das gesellschaftliche Le-
Massenkommunikation 1964-2020: Mediennutzung im Langzeitvergleich Media Perspektiven 411 7-8/2020 ben in Deutschland (Schließung von Schulen und Methode öffentlichen Einrichtungen, Verlagerung vieler Bü- Wie in den fünf Jahrzehnten zuvor strebt die Studie Langzeitstudie strebt rotätigkeiten ins Homeoffice, Absage von Veran- Massenkommunikation eine Balance zwischen der Balance zwischen staltungen etc.). Gleichzeitig war der Beginn der Fortschreibung der Daten im Zeitverlauf und der Be- Fortschreibung und Corona-Krise ein herausragendes Nachrichtener- rücksichtigung aktueller technischer und medialer Aktualität an eignis, das zu einem Anstieg der Mediennutzung Entwicklungen an. Dies stellt angesichts der Dynamik geführt hat. des Medienmarkts eine zunehmende Herausforde- rung dar. Hier ist insbesondere auf die Vielzahl von Da die Langzeitstudie Massenkommunikation den medialen und nicht-medialen Onlineanwendungen Anspruch erhebt, die Mediennutzung alle fünf Jahre hinzuweisen, die angemessen zu berücksichtigen repräsentativ abzubilden, ist die Prüfung der Aus- sind. Neben der quantitativen Mediennutzung (Reich- wirkungen dieses Ereignisses durchaus von Rele- weite und Zeitaufwand) stehen die Erwartungen und vanz. (1) Die ARD/ZDF-Projektgruppe Massenkom- Bewertungen der Bevölkerung im Mittelpunkt der Stu- munikation (2) hat entschieden, im vorliegenden die Massenkommunikation. Ergebnisse zu Letzteren Beitrag in einem ersten Schritt die Daten des ge- werden in einem separaten Beitrag noch in diesem samten Erhebungszeitraums en bloc vorzustellen Jahr in Media Perspektiven publiziert. und nach Bedarf eine Differenzierung vor dem und während des Corona-Lockdowns vorzunehmen. Die Mediennutzungsdaten in der Massenkommuni- Neukonzeption Eine vertiefende Analyse der Corona-bedingten kation 2020 liefern im Rahmen der Langzeitstudie der Studie Massen- Veränderungen im Mediennutzungsverhalten folgt die erste Berichterstattung innerhalb einer Neukon- kommunikation noch im weiteren Verlauf des Jahres in Media zeption, die Ende 2015 von ARD und ZDF erarbeitet Perspektiven. und in den Massenkommunikation Trends 2017 erstmals umgesetzt wurde. (6) Auslöser für die Neu- Ursprung und Forschungsgegenstand konzeption war zum einen der Wunsch, der Etablie- der Studie Massenkommunikation rung und Allgegenwart des Internets im Bevölke- Wettbewerb Die zunächst von der ARD beauftragte Studie Mas- rungsalltag gerecht zu werden, und zum anderen, zwischen Tages senkommunikation wurde zum ersten Mal in den ein neu entwickeltes modulares Studienkonzept von zeitung, Hörfunk und Jahren 1964/65 durchgeführt. (3) Anlass war die ARD und ZDF anzuwenden, welches Grundlagenstu- „neuem“ Medium TV Etablierung des Fernsehens als „neues“ Medium dien verschiedener Medien unter ein gemeinsames Anfang der 1960er Jahre. Analysiert werden sollte, Dach (Studienreihe Medien und ihr Publikum) führt. inwieweit sich Fernsehen und Tageszeitung in einem Die Neukonzeption der Studie Massenkommuni- wirtschaftlichen und publizistischen Wettbewerbs- kation berücksichtigt die Dynamik der veränderten verhältnis befanden und ob es gar – wie von den Rahmenbedingungen, ohne die Relevanz des Lang- Zeitungsverlegern befürchtet – zu einem Verdrän- zeitansatzes zu vernachlässigen. Jährlich werden gungswettbewerb kommen könne. (4) Geklärt wer- Trends der Massenkommunikation, das heißt Kern- den sollte daher die Frage, wie sich das Fernsehen daten zur Mediennutzung und -bewertung, erhoben auf die Tageszeitung und den Hörfunk auswirkte, und veröffentlicht. (7) Die Langzeitstudie Massen- insbesondere hinsichtlich der Nutzung des politischen kommunikation berichtet im Unterschied zu den Informationsangebots. (5) MK-Trends alle fünf Jahre sehr differenziert über die langfristigen Entwicklungen der Medienrezeption Internet wird seit Bereits in den 1970er Jahren deuteten die Ergeb- und -bewertung in der Bevölkerung. dem Jahr 2000 nisse der Studie darauf hin, dass das Fernsehen in Studie Massen- die beiden anderen Massenmedien nicht ver- Ausführendes Institut der bevölkerungsrepräsen- Repräsentative kommunikation drängte, sondern ergänzte. Eine ähnliche Diskussi- tativen Befragung war 2020 das Institut GIM, Gesell- Befragung der berücksichtigt on kam mit der Etablierung des Internets auf, das schaft für Innovative Marktforschung, das vom 27. deutschsprachigen in der Studie Massenkommunikation seit dem Jahr Januar bis 27. April 2020 – repräsentativ für die Bevölkerung ab 2000 berücksichtigt wird. Seit 2010 erhebt die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren – ins- 14 Jahren Studie Fragen zum Internet unter Berücksichtigung gesamt 3 003 Personen in Telefoninterviews (CATI) von dessen komplexen Strukturen sowohl als In- befragte. (8) halts- und Anwendungsmedium als auch als Ver- breitungsplattform für klassische Medienange Das Fragenprogramm des Interviews besteht aus ei- Tagesablauf ist Kern bote. Das Internet hat die Medienzuwendung und ner strukturierten Tagesablauferhebung und einem der Erhebung Rezeptionssituation bisher stärker beeinflusst als quantitativ geschlossenen Frageszenario. Der Kern alle neu entwickelten Medien in den Jahrzehnten des Telefoninterviews ist der Tagesablauf der Befrag- zuvor. Onlineangebote ergänzen und verändern ten. Die Personen werden gebeten, sich anhand des das klassische Fernsehen ebenso wie das Radio gestrigen Tagesverlaufs in 15-Minutenintervallen an (z. B. durch neue Angebotsformen). Zu einer voll- ihre Aktivitäten zu erinnern, unter besonderer Berück- ständigen Verdrängung ist es auch hier nicht ge- sichtigung der Mediennutzung. Im Tagesablauf 2020 kommen. wurden – anders als es bis 2015 geschah – nicht in
Christian Breunig/Marlene Handel/Bernhard Kessler Media 412 Perspektiven 7-8/2020 Abbildung 1 Tägliches Zeitbudget für Medien 1964 bis 2020 – Gesamtbevölkerung BRD gesamt1), Personen ab 14 Jahren2), Mo-So3), 5.00-24.00 Uhr4), in Std.:Min. 10:00 9:43 9:26 9:27 ab 1980: 6 Medien, Alle abgefragten Medien ab 1985: 7 Medien 8:22 und Anwendungen brutto 9:15 (ab 2000 inkl. Internet) 8:53 vor 1980: 3 Medien 8:35 8:08 Alle abgefragten Medien TV, Radio, Zeitung 6:20 6:33 7:53 und Anwendungen netto 5:46 5:51 (inkl. Internet) 4:36 3:40 ab 2000: 8 Medien 2020: 3:14 Video, Audio, Text (mit Internet) 1964 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Ab 1980: zusätzlich Tonträger, Bücher, Zeitschriften; ab 1985: zusätzlich Video; ab 2000: zusätzlich Internet; ab 2020: zahlreiche Medienangebote aus den Gattungen Bewegtbild (Video), Audio und Text einschl. Onlineangeboten und klassischen Medien (lineares TV, lineares Radio und Zeitungen/Zeitschriften) sowie nicht-mediales Internet (Onlineshopping, Kommunikation, Onlinespiele etc.). 1) Bis 1990 nur alte Bundesländer. 2) 1964: Personen ab 15 Jahren; bis 2005 Deutsche; ab 2010 deutschspr. Bevölkerung. 3) Vor 1990: Mo-Sa. 4) 1964/1970: 5.00-1.00 Uhr, 1974-1985: 5.30-24.00 Uhr. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie. erster Linie die „tagesaktuellen“ Medien Fernsehen, Internets in Deutschland neue Nutzungswege auch Radio, Tageszeitung und Internet erfasst, sondern in für vorhandene Medienangebote geschaffen. Das einem neuen Konzept alle Medienangebote nach den Nutzungsvolumen für alle berücksichtigten Medien Wahrnehmungsdimensionen Sehen (Bewegtbild/Vi- gattungen lag als Bruttowert inklusive Internet im deo), Hören (Audio) und Lesen (Text) erhoben. Auch Jahr 2000 bei 502 Minuten (8:22 Std.) und stieg auf der Konsum nicht-medialer Internetangebote wurde 600 Minuten (10:00 Std.) im Jahr 2005, der bisher einbezogen. Aus dem Tagesablauf wurden wie bisher höchste Wert seit Erfassung der Mediennutzung (vgl. die Tagesreichweiten und Nutzungsdauern generiert. Abbildung 1). Dieses Niveau wurde 2010 mit 583 Minuten (9:43 Std.) nicht mehr erreicht und lag auch Entwicklung des Zeitbudgets im Jahr 2015 mit 566 Minuten (9:26 Std.) niedriger. für Mediennutzung 2020 befindet sich die tägliche Mediennutzungs- Mediennutzungs Bei jeder Tätigkeit wird in der Langzeitstudie Massen- dauer (brutto) inklusive des Internets mitsamt all dauer brutto und kommunikation mittels einer Rückfrage erfasst, ob seinen Anwendungen für die deutschsprachige Be- netto währenddessen eine Mediennutzung erfolgt ist. Wer- völkerung mit 567 Minuten pro Tag (9:27 Std.) auf den in einem Zeitintervall von 15 Minuten mehrere einem stabil hohen Niveau. (9) Die Mediennutzung in Medien angegeben, liegt eine parallele und gleichzei- Deutschland ist somit, wie in den Jahren zuvor, ein tige Nutzung vor. Mathematisch wird somit eine Brut- sehr zeitintensiver und fester Bestandteil im Alltags- to- und eine Netto-Mediennutzungsdauer ermittelt. leben der Menschen und ein Bindeglied für die Ta- Die Mediennutzung brutto summiert die Zeitvolumina. gesstruktur im Alltag. Dies zeigt auch die Tages- Die Mediennutzung netto bezieht sich auf die Zeit, die reichweite für alle in der Studie abgefragten Me- mit mindestens einem Medium verbracht wird. Im dienangebote, die bei aktuell 99 Prozent liegt, das Folgenden werden die mathematisch ermittelte Brut- heißt, faktisch alle Befragten nutzten täglich min- to- und Netto-Mediennutzung gegenübergestellt. destens eines der abgefragten (Medien-)Angebote. Stabiler Bis ins Jahr 2000 bestimmten die drei Leitmedien Aktuell findet kein Zuwachs der Mediennutzungszeit Sättigungsgrenze Medienkonsum Fernsehen, Radio und Tageszeitung den Alltag zu- statt, anders als es bis 2005 kontinuierlich und lang- der täglichen von 9,5 Stunden sammen mit Büchern, Zeitschriften, Tonträgern und fristig geschehen ist. Der 2005 erreichte Höchstwert Medienzuwendung pro Tag Videos. Seit dem Jahr 2000 hat die Entwicklung des von 10 Stunden täglich war offenbar eine (z. T. me- scheint erreicht
Massenkommunikation 1964-2020: Mediennutzung im Langzeitvergleich Media Perspektiven 413 7-8/2020 thodisch bedingte) Ausnahme. Trotz universeller Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass im Jahr 2020 Noch nie haben Nutzungsmöglichkeiten und Zugänge kam es zu ei- die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen im Altersgrup- junge Menschen so ner Stagnation von Nutzungsvolumina. Die Stabilität penvergleich mit Abstand die höchste Brutto-Medien- intensiv Medien der Brutto-Mediennutzungsdauer 2020 (einschließ- nutzungsdauer von 621 Minuten (10:21 Std.) erreicht genutzt wie heute lich nicht-medialer Internetnutzung) im Vergleich zu (vgl. Abbildung 2). Das Zeitvolumen der 14- bis 29- den Studienergebnissen 2015 könnte ein Indiz dafür Jährigen von weit über zehn Stunden pro Tag ist der sein, dass den Rezipienten trotz der Vielfalt und des bisher höchste Wert seit Erhebung der Mediennut- kontinuierlichen Wachstums von Angeboten mit zung. Vor fünf Jahren lag dieser Wert noch um genau multiplen Zugangswegen eine zeitliche Grenze im eine Stunde niedriger (9:21 Std.). Jüngere Menschen Alltagsleben gegenübersteht, und die Nutzungsvolu- verhalten sich somit in ihren Nutzungsgewohnheiten mina sich dieser angenähert haben. Eine Sättigungs- deutlich medial zugewandter als die Gesamtbevöl- grenze scheint erreicht. kerung. In der Nettobetrachtung verbringt die Gesamtbevöl- Ein Vergleich der Brutto- und Nettowerte zur Me- kerung täglich 488 Minuten mit Medienangeboten diennutzungsdauer zeigt, dass die junge Generation (8:08 Std.) (vgl. Abbildung 1). Der Nettowert ist seit in ausgeprägter Weise einen parallelen Medienkon- 2005 von 555 Minuten (9:15 Std.), dem bisher sum im Alltag lebt. Die parallele Mediennutzung der höchsten Wert, kontinuierlich gesunken. Der Rück- 14- bis 29-Jährigen beträgt inzwischen exakt zwei gang war bereits in den Jahren 2010 und 2015 Stunden pro Tag, und damit fast eine ganze Stunde sichtbar und dauert an. Trotz der Vielfalt von Zu- mehr als vor fünf Jahren (64 Min.). Zusatzanalysen gangswegen, Angeboten und Geräten tritt der Effekt haben ergeben, dass es vor allem zu einer Über- einer zeitlichen Sättigung in der Nettobetrachtung schneidung mit nicht-medialen Internetanwendun- noch deutlicher hervor. gen kommt, das heißt, die junge Generation inves- tiert während ihrer Mediennutzung ein vergleichs- Zunehmende Die Differenz aus Brutto- und Nettowert (1:19 Std.) weise großes Zeitvolumen in Kommunikation, Suche, Verdichtung der beschreibt die von 2000 bis 2015 konstante (10), Transaktion und Gaming. Insgesamt 201 Minuten Mediennutzung inzwischen aber um fast eine halbe Stunde (28 Min.) verbringen junge Menschen täglich mit der nicht- gestiegene parallele Mediennutzung, wobei mediale medialen Internetnutzung. Der rasante Anstieg in der und nicht-mediale Internetanwendungen einbezo- Brutto-Mediennutzungszeit bei konstantem Netto- gen sind. Nach den aktuellen Ergebnissen der ARD/ volumen weist darauf hin, dass sich die Wettbe- ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie befinden werbssituation um die Zeitkontingente und die darin sich Medien im Jahr 2020 in einer Wettbewerbssitua- zu verteilende Aufmerksamkeit verschärft hat. tion um zeitliche Kontingente, die von den Nutzern eher zeitlich konzentriert als ausgebaut werden. Die Netto-Mediennutzungsdauer, die mit mindes- Mediennutzung wird nicht weniger, sie wird aber tens einem Medium verbrachte Zeit, der 14- bis zeitlich zunehmend verdichtet. In der jüngsten Alters- 29-Jährigen liegt 2020 bei 501 Minuten (8:21 Std.). gruppe ist die Parallelnutzung allerdings höher als in Auf einem ähnlichen Niveau lagen die Werte schon der Gesamtbevölkerung. (11) in den Jahren 2010 und 2015. Junge Generation Im Langzeitvergleich ist der Blick auf die junge Al- Bruttobetrachtung nach Altersgruppen ist Trendsetter tersgruppe der 14- bis 29-Jährigen besonders pro- Gerade mediale und nicht-mediale Internetanwen- Nutzung von gnoserelevant für zukünftige Mediennutzungssze- dungen – flexibel nutzbar auf mobilen Endgeräten – Medieninhalten über narien. Diese Altersdekaden sind es, die sich wie in führen dazu, dass sich Mediennutzung verdichtet das Internet nimmt den Jahrzehnten zuvor am stärksten auf neue Trends und sich Angebotsumfelder verändern. Interessant stark zu der Nutzung konzentrieren und im weiteren Verlauf ist daher, wie sich das Verhältnis nicht-medialer breite Bevölkerungsgruppen zu neuen Nutzungs- Internetnutzung im Verhältnis zu medialer Internet- mustern inspirieren. In der Vergangenheit hat sich nutzung und Mediennutzung ohne Verwendung des diese Altersgruppe in der Langzeitbetrachtung im- Internets entwickelt. Insgesamt zeigt sich, dass so- mer wieder technologischen Neuerungen und neuen wohl die mit nicht-medialen Internetanwendungen Angeboten (z. B. Walkman, MP3-Player, Videoportale als auch die mit medialer Internetnutzung verbrachte wie YouTube) besonders intensiv zugewandt. Die Zeit steigt (vgl. Abbildung 3). Gegenüber 2015 hat große Vielfalt internetfähiger Endgeräte, die stets sich die Zeit fast verfünffacht, die mit über das Inter- einen mobilen Internetzugang ermöglichen, die Viel- net ausgespielten Medieninhalten verbracht wird, falt von Anwendungen und auch deren gesunkenes und liegt nun bei 126 Minuten pro Tag (2:06 Std.). Anschaffungsinvestment haben vor allem in den Während sich von 2010 auf 2015 noch vergleichs- jungen Altersgruppen Nutzungsmuster verändert. weise wenig Dynamik zeigte, haben sich die Aus- Der wichtigste Internetzugang ist heute gerade für spielwege im Medienkonsum von 2015 auf 2020 die jungen Menschen das Smartphone. Es ist multi- stärker verschoben. Die mit dem Internet verbrachte funktional im Alltag. Zeit verteilt sich 2020 etwa hälftig auf mediale und
Christian Breunig/Marlene Handel/Bernhard Kessler Media 414 Perspektiven 7-8/2020 Abbildung 2 Tägliches Zeitbudget für Medien 1970 bis 2020 – junge Altersgruppe BRD gesamt1), Personen 14-29 Jahre2), Mo-So3), 5.00-24.00 Uhr4), in Std.:Min. 10:21 9:55 Alle abgefragten Medien ab 1980: 6 Medien, 9:23 und Anwendungen brutto 9:21 ab 1985: 7 Medien (ab 2000 inkl. Internet) 8:23 vor 1980: 3 Medien 9:02 Alle abgefragten Medien TV, Radio, Zeitung 8:20 8:17 8:21 und Anwendungen netto 6:27 6:18 7:52 (inkl. Internet) 5:47 5:32 4:17 ab 2000: 8 Medien 2020: 3:27 (mit Internet) Video, Audio, Text 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Ab 1980: zusätzlich Tonträger, Bücher, Zeitschriften; ab 1985: zusätzlich Video; ab 2000: zusätzlich Internet; ab 2020: zahlreiche Medienangebote aus den Gattungen Bewegtbild (Video), Audio und Text einschl. Onlineangeboten und klassischen Medien (lineares TV, lineares Radio und Zeitungen/Zeitschriften) sowie nicht-mediales Internet (Onlineshopping, Kommunikation, Onlinespiele etc.). 1) Bis 1990 nur alte Bundesländer. 2) 1964: Personen ab 15 Jahren; bis 2005 Deutsche; ab 2010 deutschspr. Bevölkerung. 3) Vor 1990: Mo-Sa. 4) 1964/1970: 5.00-1.00 Uhr, 1974-1985: 5.30-24.00 Uhr. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie. Abbildung 3 Tägliches Zeitbudget für Medien 1964 bis 2020 – Gesamtbevölkerung BRD gesamt1), Personen ab 14 Jahren2), Mo-So3), 5.00-24.00 Uhr4), in Std.:Min. 10:00 9:43 9:26 9:27 Alle abgefragten Medien ab 1980: 6 Medien, und Anwendungen ab 1985: 7 Medien 8:22 8:44 brutto (ab 2000 inkl. 9:16 8:05 Internet) vor 1980: 3 Medien 7:31 Mediennutzung gesamt 8:09 8:18 TV, Radio, Zeitung 6:33 7:39 brutto (inkl. mediales 6:20 Internet) 5:46 5:51 Abgefragte Medien ohne 4:36 5:25 Internet brutto (ab 2000) 3:40 ab 2000: 8 Medien 3:14 (mit Internet) 2020: Video, Audio, Text 1964 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Ab 1980: zusätzlich Tonträger, Bücher, Zeitschriften; ab 1985: zusätzlich Video; ab 2000: zusätzlich Internet; ab 2020: zahlreiche Medienangebote aus den Gattungen Bewegtbild (Video), Audio und Text einschl. Onlineangeboten und klassischen Medien (lineares TV, lineares Radio und Zeitungen/Zeitschriften) sowie nicht-mediales Internet (Onlineshopping, Kommunikation, Onlinespiele etc.). 1) Bis 1990 nur alte Bundesländer. 2) 1964: Personen ab 15 Jahren; bis 2005 Deutsche; ab 2010 deutschspr. Bevölkerung. 3) Vor 1990: Mo-Sa. 4) 1964/1970: 5.00-1.00 Uhr, 1974-1985: 5.30-24.00 Uhr. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie.
Massenkommunikation 1964-2020: Mediennutzung im Langzeitvergleich Media Perspektiven 415 7-8/2020 nicht-mediale Anwendungen. Die Mediennutzung diengattungen. Dies gilt für die Hauptvertreter der ohne Internetanwendungen liegt dagegen bei 325 audiovisuellen Medien – Fernsehen und Radio – Minuten (5:25 h) und macht noch rund 57 Prozent schon seit 1970, als das Fernsehen erstmals die bis des gesamten Medienkonsums aus. dahin führenden Medien Hörfunk und Tageszeitung überholte (vgl. Abbildung 5 und Tabellen 1 bis 3). Bis 14- bis 29-Jährige Deutlicher wird diese Entwicklung bei 14- bis 29- 2005 stieg die Tagesreichweite des Fernsehens kon- nutzen täglich Jährigen. Die Bedeutung des nicht-medialen Inter- tinuierlich an: Während Anfang der 1960er Jahre noch 4,5 Stunden mediale nets wurde bereits ausgeführt. Viel stärker als ins- längst nicht in jedem Haushalt ein Fernsehgerät vor- Inhalte über das gesamt zeigt sich in dieser Altersgruppe aber auch handen war und dieses „neue“ Medium täglich we- Internet die Bedeutung des Internets als Träger für Medienin- niger als die Hälfte der Bevölkerung (1964: 47 %) halte. Mit 276 Minuten (4:36 Std.) medialer Internet- erreichte, waren es 1970 schon mehr als zwei Drittel nutzung spielt das Internet für die Mediennutzung (71 %). In den 1990er Jahren führte die Einführung eine größere Rolle als für nicht-mediale Anwendun- des privaten Fernsehens und die damit verbundene gen. Auf Mediennutzung ohne Internetkontext entfal- höhere Programmanzahl zu einer erhöhten Fernseh- len nur noch 145 Minuten (2:25 h) (vgl. Abbildung 4). nutzung. Hinzu kam die Schließung der Programm- Waren es 2015 noch 66 Prozent der gesamten Me- lücken („Sendepausen“) und die Einführung von 24- diennutzung, die bei den 14- bis 29-Jährigen ohne Stunden-Programmen. Der Spitzenwert wurde 2005 das Internet stattfand, sind es 2020 nur noch 23 mit einer Tagesreichweite von 89 Prozent der Bundes- Prozent. Es findet eine deutlich sichtbare Verschie- bürger ab 14 Jahren erreicht. Im Jahr 2010 waren es bung der Ausspielplattform von Medieninhalten 86 Prozent, und 2015 sahen vier von fünf Personen statt: Physische Datenträger, wie CDs, DVDs, Bücher ab 14 Jahren täglich fern (80 %). Im Jahr 2020 ist und Zeitungen treten ebenso wie das lineare Fern- das Fernsehen gemeinsam mit dem Radio trotz ge- sehprogramm in den Hintergrund. Die Mediennutzung sunkener Reichweiten nach wie vor das stärkste der 14- bis 29-Jährigen findet immer mehr über das Medienangebot. Mehr als zwei Drittel der Bevölke- Internet statt. Für Medienanbieter bedeutet das, rung ab 14 Jahren (jeweils 70 %) werden von jedem dass ihre Inhalte zunehmend auf Endgeräten konsu- dieser beiden Angebote täglich erreicht. miert werden, auf denen klassische Mediennutzung nur eine Option unter mehreren ist. Zudem sind die Damit hat die Tagesreichweite des Fernsehens nach Corona-Krise führte Markteintrittsbarrieren für neue Anbieter über inter- den Befragungsergebnissen der Studie im Vergleich zu höherer netbasierte Ausspielwege vergleichsweise gering. zu vor fünf Jahren zwar 10 Prozentpunkte einge- TV-Tagesreichweite büßt. (12) Teilweise ausgeglichen wurden die Verluste Ähnlich, aber nicht ganz so stark ausgeprägt, ist die des linearen Fernsehens (2020: 65 %) durch die Entwicklung bei 30- bis 49- Jährigen. Auch hier hat TV-Nutzung per Livestream oder online auf Abruf die Entwicklung von 2015 auf 2020 deutlich an Dy- (z. B. in Mediatheken). Auch die Corona-Krise und namik gewonnen und macht die mediale Internet- deren Thematisierung hat sich – bezogen auf die nutzung inzwischen etwas mehr aus als die nicht- Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren – offenbar auf die mediale Internetnutzung. Die Brutto-Mediennutzung Tagesreichweite des Fernsehens ausgewirkt (+4 %- ohne Verwendung des Internets liegt noch bei 247 Punkte Unterschied während der Ausgangsbeschrän- Minuten (4:07 Std.) und stellt damit nur noch etwas kungen gegenüber vorher). Bei den 30- bis 49-Jäh- weniger als die Hälfte der gesamten Mediennutzung. rigen (+6 %-Punkte) und den ab 70-Jährigen (+8 %- Punkte) war der Zuwachs noch etwas höher. Ältere nutzen das Einzig die Gruppe der ab 50-Jährigen verwendet nur Internet überwiegend einen vergleichsweise geringen Anteil ihrer Medien- Die Reichweitenentwicklung von Online-Bewegtbild Bedürfnis nach für nicht-mediale zeit auf das mediale Internet. Auch wenn mit dem angeboten weist auf einen Wandel im Mediennut- Zeitsouveränität Zwecke medialen Internet täglich erst 55 Minuten verbracht zungsverhalten hin, der auf das Bedürfnis nach verändert Medien- werden, bedeutet dies im Vergleich zu 2015 mehr als zeitsouveräner Verfügbarkeit von Inhalten zurückzu- nutzungsverhalten eine Vervierfachung. Die nicht-medialen Möglichkei- führen ist. Dieses Bedürfnis zeigte sich in Ansätzen ten des Internets werden mit 70 Minuten jedoch 2020 bereits in der ARD/ZDF-Langzeitstudie Massen- immer noch etwas länger genutzt. Die klassischen kommunikation 2010, als erstmals eine Differenzie- Ausspielkanäle nehmen mit 445 Minuten (7:25 Std.) rung medialer und nicht-medialer Internetnutzung weiterhin fast vier Fünftel des Medienzeitbudgets der vorgenommen wurde und nachgewiesen werden älteren Menschen in Deutschland ein. konnte, dass ein (damals noch geringer) Teil der Fernseh- (und Radio-)Nutzung über das Internet er- Tagesreichweiten und Nutzungsdauern folgte und auf Abrufdienste zurückgegriffen wurde. der Medienangebote – Bewegtbildnutzung Fernsehen und Bewegtbild- und Audioangebote weisen im Lang- Hinzu kommt ein kontinuierlicher Nutzungsanstieg Videoportale und Radio sind zeitvergleich eine stabile Tagesreichweite („gestern bei Streamingdiensten wie Netflix und Amazon Prime Streamingdienste reichweitenstärkste genutzt“) auf und sind weit vor Textangeboten die Video, die 2020 eine Tagesreichweite von 17 Pro- werden zunehmend Medienangebote reichweitenstärksten (und nutzungsintensivsten) Me- zent aufweisen. Daneben steigt auch der Konsum nachgefragt
Christian Breunig/Marlene Handel/Bernhard Kessler Media 416 Perspektiven 7-8/2020 Abbildung 4 Tägliches Zeitbudget für Medien 1970 bis 2020 – Bruttobetrachtung nach Altersgruppen BRD gesamt¹), Mo-So2), 5.00-24.00 Uhr3), in Std.:Min. 14-29 Jahre 10:21 9:55 9:23 9:21 8:23 7:52 8:36 7:02 7:00 6:27 6:18 5:47 7:58 5:32 6:59 4:17 6:13 3:27 2:25 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 30 bis 49 Jahre 9:48 9:51 9:10 8:46 8:17 8:33 Alle abgefragten 7:38 Medien und 8:54 Anwendungen brutto 6:20 6:24 7:59 8:08 6:30 5:51 5:56 (ab 2000 inkl. Internet) 7:07 4:47 3:52 Mediennutzung gesamt 4:07 brutto (ab 2010 inkl. mediales Internet) Abgefragte Medien 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 ohne Internet brutto Ab 50 Jahren 10:10 10:04 9:38 9:29 9:36 8:23 8:48 9:49 8:19 9:26 6:47 8:36 6:04 6:16 8:19 5:40 7:25 4:39 3:39 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Ab 1980: außer TV, Radio, Tageszeitung zusätzlich Tonträger, Bücher, Zeitschriften. Ab 1985: zusätzlich Video. Ab 2000-2015: zusätzlich Internet. Ab 2020: Zahlreiche Medienangebote aus den Gattungen Bewegtbild (Video), Audio und Text einschl. Onlineangeboten und der klassischen Medien (lineares Fernsehen, lineares Radio und Zeitungen/Zeitschriften) sowie in der jeweils obersten Kurve nicht-mediales Internet (Onlineshopping, Kommunikation, Onlinespiele etc.). 1) Bis 1990 nur alte Bundesländer. 1964: Personen ab 15 Jahren; bis 2005 Deutsche, ab 2010 deutschspr. Bevölkerung. 2) Vor 1990: Mo-Sa. 3) 1964/1970: 5.00-1.00 Uhr, 1974-1985: 5.30-24.00 Uhr. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie.
Massenkommunikation 1964-2020: Mediennutzung im Langzeitvergleich Media Perspektiven 417 7-8/2020 Abbildung 5 Tagesreichweite ausgewählter Medienangebote 1964 bis 2020 - Gesamtbevölkerung Personen ab 14 Jahren, Mediennutzung "gestern", 5.00-24.00 Uhr, in % 100 90 Bewegtbild/Video 86 gesamt (netto) 82 80 Audio gesamt (netto) 70 70 70 Fernsehen/Fernseh- sendungen ansehen 60 gesamt (netto) Radio hören gesamt 50 (netto) 47 Text gesamt (netto) 40 30 Tageszeitung lesen 22 20 Gedruckte Zeitungen oder Zeitschriften 10 lesen (netto) Zeitschriften lesen 0 1964 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Bis 1990: nur alte Bundesländer; 1964: Personen ab 15 Jahren; bis 2005: Deutsche, ab 2010 deutschspr. Bevölkerung; vor 1990: Mo-Sa; 1964/1970: 5.00-1.00 Uhr, 1974-1985: 5.30-24.00 Uhr. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie. auf Videoportalen wie YouTube (Tagesreichweite (vgl. Abbildung 6). Gewinner dieser Entwicklung sind 2020: 10 %) sowie die Nachfrage nach Fernsehin- Videos auf Portalen wie YouTube (2015: 17 %, 2020: halten in Mediatheken der Sender (Tagesreichweite 28 %) und vor allem Streamingdienste wie Netflix, 2020: 5 %). (13) Auch auf Facebook und in anderen Amazon Prime Video und andere, die 2020 eine sozialen Medien werden Videos angeschaut (4 %). Tagesreichweite in der jungen Altersgruppe von 42 Im Ergebnis erzielt die Gattung Bewegtbild im Jahr Prozent erzielen, deutlich mehr als lineares Fern- 2020 eine Tagesreichweite in der Gesamtbevölke- sehen. Die Corona-Epidemie hat diesen Effekt vor rung ab 14 Jahren von 86 Prozent (netto), 4 Prozent- allem in der jüngsten Zielgruppe verstärkt (+5 %- punkte mehr als fünf Jahre zuvor, aber etwas weni- Punkte), was unter anderem damit zusammenhän- ger als in den Jahren 2005 (90 %) und 2010 (88 %). gen dürfte, dass junge Menschen aufgrund des Lock- downs weniger Zeit außer Haus verbracht haben. Die Offlinemedien Video/DVD bzw. Blu-ray, die ohne- hin seit ihrer Berücksichtigung in der Studie Massen- Aber schon bei der nächst älteren Gruppe, den 30- Ab 50-Jährige kommunikation im Jahr 1985 keine große Rolle spiel- bis 49-Jährigen, haben noch fast zwei Drittel (62 %) bleiben dem linearen ten, haben weiter an Bedeutung verloren (Tages- täglichen Kontakt mit dem Fernsehen (2015: 75 %). Fernsehen treu reichweite 2020: 2 %). Bei den ab 50-Jährigen ist der tägliche Kontakt mit dem Fernsehen völlig stabil (2015: 88 %, 2020: 87 %). Immer mehr junge Die zunehmende Hinwendung zu Online-Bewegtbil- Menschen nutzen dangeboten ist am deutlichsten in der Altersgruppe Neben der Tagesreichweite ist die tägliche Nut- Fernsehen und Radio Bewegtbildangebote der 14- bis 29-Jährigen zu beobachten: Bei jungen zungsdauer ein Indikator für die Einbindung der Me- werden am im Internet Menschen ist die Tagesreichweite der Gattung Be- dien in den Alltag. Bewegtbild- und Audioangebote, intensivsten genutzt wegtbild von 71 Prozent im Jahr 2015 auf 86 Prozent und hier insbesondere Fernsehen und Radio, sind im Jahr 2020 angestiegen und hat mit der Audionut- nicht nur die reichweitenstärksten, sondern seit Be- zung gleichgezogen, während im gleichen Zeitraum ginn der Studie Massenkommunikation im Jahr 1964 die Reichweite des Fernsehens von 67 Prozent auf auch die nutzungsintensivsten Medien(gattungen) 38 Prozent (lineares Fernsehen: 32 %) gesunken ist (vgl. Abbildung 7 und Tabellen 4 bis 6). (14) Die täg-
Christian Breunig/Marlene Handel/Bernhard Kessler Media 418 Perspektiven 7-8/2020 Tabelle 1 Tagesreichweite von Bewegtbild-/Videoangeboten 1964 bis 2020 Personen ab 14 Jahren, Mediennutzung „gestern“, 5.00-24.00 Uhr, in % 1964 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Bewegtbild/Video gesamt (netto) – – – – – – – – 90 88 82 86 Fernsehen/Fernsehsendungen ansehen gesamt (netto) 47 71 78 77 72 79 83 85 89 86 80 70 Fernsehsendungen zum Zeitpunkt der Ausstrahlung ansehen1) 47 71 78 77 72 79 83 85 89 86 80 65 Selbst aufgenommene Fernsehsendungen ansehen 2) – – – – – – – – – – – 3 Fernsehsendungen z. B. bei Mediatheken oder YouTube zeitversetzt im Internet ansehen3) – – – – – – – – – 2 3 5 Fernsehsendungen oder Videos in Mediatheken ansehen – – – – – – – – – – – 3 Fernsehsendungen auf YouTube ansehen – – – – – – – – – – – 2 (Andere) Videos auf YouTube ansehen 4) – – – – – – – – – 5 6 10 Videos bei Netflix, Amazon Prime Video oder anderen Streamingdiensten ansehen – – – – – – – – – – – 17 Videos auf Facebook, Instagram oder anderen sozialen Medien ansehen – – – – – – – – – – – 4 Videos bei anderen Anbietern im Internet ansehen, z. B. auf Nachrichtenportalen – – – – – – – – – – – 1 Video/DVD oder Blu-ray ansehen – – – – 2 4 3 5 4 4 4 2 Bis 1990: nur alte Bundesländer; 1964: Personen ab 15 Jahren; bis 2005: Deutsche, ab 2010 deutschspr. Bevölkerung; vor 1990: Mo-Sa; 1964/1970: 5.00-1.00 Uhr, 1974-1985: 5.30-24.00 Uhr. 1) 1964-2015: „Fernsehen“; 2020: „Fernsehen, also Fernsehsendungen zum Zeitpunkt der Ausstrahlung ansehen.“ 2) „Selbst aufgenommene Fernsehsendungen ansehen“ („Selbst“ kann der Befragte oder jemand anderes im Haushalt sein). 3) 2010/2015: Bewegtbildnutzung im Internet: „Fernsehsendungen zu einem späteren Zeitpunkt gesehen, ganz oder teilweise“. 4) 2010/2015: Bewegtbildnutzung im Internet: „Videodateien angesehen“. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie. Tabelle 2 Tagesreichweite von Audioangeboten 1964 bis 2020 Personen ab 14 Jahren, Mediennutzung „gestern“, 5.00-24.00 Uhr, in % 1964 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Audio gesamt (netto) – – – – – – – – 90 86 80 82 Radio hören gesamt (netto) 68 67 69 69 76 76 74 85 84 79 74 70 Radio hören1) 68 67 69 69 76 76 74 85 84 79 74 70 Radiosendungen oder Beiträge aus Radiosendungen auf Abruf im Internet hören – – – – – – – – – – – 1 Podcasts hören – – – – – – – – – – – 2 Podcasts hören oder Radiosendungen zeitversetzt im Internet hören2) – – – – – – – – – 0,5 0,25 3 Musik über YouTube/Streamingdienste hören (netto) – – – – – – – – – – – 20 Musik über YouTube hören – – – – – – – – – – – 5 Musik über Spotify, Amazon Music oder andere Streamingdienste hören – – – – – – – – – – – 16 Musik über CDs, Schallplatte, MP3 oder Download hören3) – – – 15 14 15 14 21 28 25 16 6 Hörbücher oder Hörspiele über CDs, Schallplatte, MP3 oder Download hören – – – – – – – – – – – 3 Bis 1990: nur alte Bundesländer; 1964: Personen ab 15 Jahren; bis 2005: Deutsche, ab 2010 deutschspr. Bevölkerung; vor 1990: Mo-Sa; 1964/1970: 5.00-1.00 Uhr, 1974-1985: 5.30-24.00 Uhr. 1) 1964-2015: „Radio hören“; 2020: „Radio hören (Das ist das, was man hört, wenn man einen Radiosender einschaltet oder Live-Streams nutzt)“. 2) 2010/2015: Audionutzung im Internet: „Podcasts von Radiosendungen gehört“; 2020: Radiosendungen/Beiträge aus Radiosendungen auf Abruf/Podcast (netto). 3) 1980-2015: „Musik hören: (MP3)/CD Kassette/(Schallplatte)“, ab 2010 Nutzungsdauern einschl. Musikdateien im Internet. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie.
Massenkommunikation 1964-2020: Mediennutzung im Langzeitvergleich Media Perspektiven 419 7-8/2020 Tabelle 3 Tagesreichweite von Textangeboten 1964 bis 2020 Personen ab 14 Jahren, Mediennutzung „gestern“, 5.00-24.00 Uhr, in % 1964 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Text gesamt (netto)1) – – – – – – – – 69 69 60 47 (Gedruckte) Zeitungen oder Zeitschriften lesen – – – – – – – – 60 50 37 22 Tageszeitung lesen 69 64 67 64 61 50 53 54 51 44 33 – Zeitschriften lesen – – – 19 17 19 20 16 17 11 6 – Artikel/Berichte digital im Internet lesen (netto) – – – – – – – – – 22 23 17 Artikel/Berichte auf Websites oder in Apps von Zeitungen und Zeitschriften lesen2) – – – – – – – – – 9 13 8 Artikel/Berichte auf Websites oder in Apps von Fernseh- oder Radiosendern lesen3) – – – – – – – – – 3 2 1 Artikel/Berichte auf Facebook, Instagram oder anderen sozialen Medien lesen – – – – – – – – – – – 7 Artikel/Berichte auf Websites oder in Apps von anderen Anbietern im Internet lesen4) – – – – – – – – – 13 10 3 (Gedruckte) Bücher lesen – – – 20 18 20 19 18 23 21 18 15 E-Books lesen – – – – – – – – – – – 3 Bis 1990: nur alte Bundesländer; 1964: Personen ab 15 Jahren; bis 2005: Deutsche, ab 2010 deutschspr. Bevölkerung; vor 1990: Mo-Sa; 1964/1970: 5.00-1.00 Uhr, 1974-1985: 5.30-24.00 Uhr. 1) Bis 2005 nur gedruckte Texte. 2) 2010-2015: Nettowert aus: „Aktuelle Nachrichten auf einer Homepage einer Tageszeitung, wie z. B. FAZ, Süddeutsche oder einer regionalen Tageszeitung gelesen“ und „Aktuelle Nachrichten bei bei einem Nachrichtenmagazin, wie z. B. Spiegel-Online, Focus-Online gelesen“. 3) 2010-2015: „Aktuelle Nachrichten (im Internet) bei einem TV-Sender gelesen“. 4) 2010-2015: Nettowert aus: „Aktuelle Nachrichten bei einem Internet- oder E-Mail-Provider, z. B. t-online, web.de, gmx.de/bei einer Suchmaschine, z. B. Google, Yahoo/ woanders im Internet gelesen“. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie. liche Dauer der Bewegtbildnutzung ist bis zum Jahr hinzugewonnen, und zwar vor allem Streaming- 2010 aufgrund der Erfolgsgeschichte des Fernse- dienste (2020: 31 Min. pro Tag), die in der Befragung hens immer weiter angestiegen (229 Min. brutto), 2015 noch keine Rolle spielten, und Videoportale betrug 2015 noch 220 Minuten und hat sich seitdem (2010 und 2015: jeweils 3 Min., 2020: 12 Min.). Aber auf 216 Minuten (brutto) stabilisiert. Die tägliche auch das Anschauen von Fernsehsendungen in Me- Fernsehdauer der Bevölkerung ab 14 Jahren hat sich diatheken oder auf YouTube (Steigerung von täglich im Zeitraum von 1970 (15) bis 2010 nahezu verdop- insgesamt 1 Min. 2010 auf 6 Min. 2020) sowie Videos pelt, von 112 Minuten auf 221 Minuten, ehe sie 2015 in sozialen Medien (2020: 4 Min.) haben zugelegt. etwas nachließ (211 Min.) und sich bis zum Jahr Während der Corona-Krise hat sich auch bei den 2020 auf 165 Minuten pro Tag (brutto) verringerte. Streamingdiensten (+9 Min.) und Videoportalen (+4 Die Fernsehnutzungsdauer liegt aktuell über dem Min.) eine intensivere Nutzung ergeben. Niveau von 1995 (158 Min.), aber deutlich unter den Rekordjahren 2005 und 2010 (220 bzw. 221 Min.). Wie in der Gesamtbevölkerung erhöhten sich von Jüngere nutzen 1985 bis 2010 auch bei den 14- bis 29-Jährigen 2020 mehr Lineares Fernsehen Die Corona-Pandemie führte bei Personen ab 14 Jah- die Tagesreichweite und Nutzungsdauer des Fern- Streamingdienste profitierte von ren aufgrund der vermehrt zu Hause verbrachten Zeit sehens (Abbildung 8). Seit 2015 sehen junge Men- als Fernsehen Corona-Krise und wegen des hohen Interesses an medialen Infor- schen tendenziell weniger fern, während die Be- mationen zur Corona-Krise zu einer Steigerung der wegtbildnutzung insgesamt ansteigt. Mit einer Nutzung des klassischen, linearen Fernsehens um täglichen Nutzungsdauer der 14- bis 29-Jährigen täglich 14 Minuten. Bei den 30- bis 49-Jährigen im Jahr 2020 von 195 Minuten (brutto) wurden (+20 Min.) und den ab 70-Jährigen (+31 Min.) war erstmals die Audioangebote (183 Min.) übertroffen. der Zuwachs noch höher. Der Höchststand aus dem Jahr 2005 mit 202 Mi- nuten wurde fast erreicht. Von den aktuell 195 Mi- Diversifizierung der Da sich die Fernsehnutzungsdauer in den vergange- nuten Bewegtbildnutzung werden aber anders als Bewegtbildnutzung nen fünf Jahren bei annähernder Stabilität der ge- 2015 (147 Min.) nur noch 65 Minuten pro Tag mit samten Bewegtbildnutzung verringert hat, weist dies Fernsehangeboten verbracht (lineares Fernsehen: auf eine Diversifizierung der Bewegtbildnutzung hin: 54 Min.). An erster Stelle stehen Streamingdienste Andere Bewegtbildangebote haben Nutzungsdauer wie Netflix (77 Min.), auch Videos auf YouTube (34
Christian Breunig/Marlene Handel/Bernhard Kessler Media 420 Perspektiven 7-8/2020 Abbildung 6 Tagesreichweite ausgewählter Medienangebote 1970 bis 2020 - junge Altersgruppe Personen 14 bis 29 Jahre, Mediennutzung "gestern", 5.00-24.00 Uhr, in % 100 Bewegtbild/Video 90 86 gesamt (netto) 86 80 Audio gesamt (netto) 70 Fernsehen/Fernseh- sendungen ansehen 60 gesamt (netto) Radio hören gesamt 50 51 (netto) Text gesamt (netto) 40 38 37 30 Gedruckte Zeitungen oder Zeitschriften lesen 20 Tageszeitung lesen 10 6 Zeitschriften lesen 0 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Bis 1990: nur alte Bundesländer; 1964: Personen ab 15 Jahren; bis 2005: Deutsche, ab 2010 deutschspr. Bevölkerung; vor 1990: Mo-Sa; 1964/1970: 5.00-1.00 Uhr, 1974-1985: 5.30-24.00 Uhr. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie. Min.) sowie Videos in sozialen Medien (14 Min.) verfolgt werden können. Gab es bei der Tagesreich- erfreuen sich steigender Beliebtheit. Die Coro- weite vor 56 Jahren noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen na-Pandemie hat diese Entwicklung noch ver- zwischen der Tageszeitung und dem Radio, entwi- stärkt. Der Konsum von Streamingdiensten wie ckelten sich beide Angebote in den folgenden Jahr- Netflix hat sich nach dem Lockdown um 22 Minu- zehnten stetig auseinander: Das Radio wurde von ten erhöht. immer mehr Menschen erreicht, die Tageszeitung von immer weniger. Mit steigendem Mit steigendem Alter nimmt die Fernsehnutzung zu, Alter nimmt während Streamingdiensten und Videoportalen we- Mit dem neuen Medium Fernsehen und später mit In Konkurrenz Fernsehnutzung zu niger Zeit gewidmet wird: 30- bis 49-Jährige sehen den elektronischen Speichermedien (Kassettenrecor- situation entwickelte täglich 101 Minuten lineares Fernsehen, 40 Minuten der, Walkman, MP3-Player etc.) sowie der Verbrei- sich das Radio Streamingdienste und 12 Minuten Videoportale. Bei tung des Internets sah sich das Radio schon mehr- zum flexiblen den ab 50-Jährigen stehen einer täglichen Fernseh- fach einer Konkurrenz ausgesetzt, die seiner Reich- Tagesbegleiter nutzung von 229 Minuten nur 6 Minuten Streaming- weite nachhaltig hätte schaden können. Aber es dienste und 4 Minuten Videoportale gegenüber. kam anders: Seit 1990 liegt der Hörfunk hinsichtlich der Anzahl täglich erreichter Menschen auf Rang 2 Audionutzung der reichweitenstärksten Medienangebote. Das Radio Radio bleibt Audioangebote erreichen 2020 eine Tagesreichweite behauptete sich als flexibler Tagesbegleiter. 70 Pro- reichweitenstärkstes von 82 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren, ge- zent der ab 14-Jährigen schalten 2020 täglich das Audioangebot ringfügig mehr als vor fünf Jahren (80 %) und etwas Radio ein. Damit hat der Hörfunk ähnlich dem weniger als in den Befragungswellen 2010 (86 %) Fernsehen im Vergleich zum Jahr 2000 (85 %) an und 2005 (90 %) (vgl. Tabelle 2 und Abbildung 5). (16) Reichweite eingebüßt. Diese Entwicklung ist in den Wichtigstes Audioangebot ist nach wie vor das Radio vergangenen fünf Jahren vor allem auf den Wett- (70 %), dessen Nutzungsdaten – ebenso wie jene des bewerb mit Musik-Streamingplattformen und Video- Fernsehens und der Tageszeitung – in der Studie portalen zurückzuführen, die zusammen eine Tages- Massenkommunikation bis ins Jahr 1964 zurück- reichweite (für Musikangebote) von 20 Prozent er-
Massenkommunikation 1964-2020: Mediennutzung im Langzeitvergleich Media Perspektiven 421 7-8/2020 Abbildung 7 Nutzungsdauer von Medienangeboten 1964 bis 2020 - Gesamtbevölkerung Personen ab 14 Jahren, Mediennutzung "gestern", 5.00-24.00 Uhr, in Min. 300 Bewegtbild/Video gesamt (brutto) 250 Audio gesamt (brutto) 216 Fernsehen/Fernseh- 200 sendungen ansehen gesamt (brutto) 181 Radio hören gesamt 165 (brutto) 150 Text gesamt (brutto) 136 Tageszeitung lesen 100 Gedruckte Zeitungen oder Zeitschriften lesen (brutto) 50 54 Artikel/Berichte digital im Internet lesen (brutto) 22 Zeitschriften lesen 15 0 1964 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Bis 1990: nur alte Bundesländer; 1964: Personen ab 15 Jahren; bis 2005: Deutsche, ab 2010 deutschspr. Bevölkerung; vor 1990: Mo-Sa; 1964/1970: 5.00-1.00 Uhr, 1974-1985: 5.30-24.00 Uhr. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie. reichen (vgl. Tabelle 2). Auch hier zeigt das Radio Im Vergleich zur Tagesreichweite unterlag die täg Radio bleibt mit aber offensichtlich seine Flexibilität, wie an zahlrei- liche Nutzungsdauer des Radios im Verlauf der ver- Abstand nutzungs chen On-demand- bzw. Podcastangeboten öffent- gangenen mehr als fünf Jahrzehnte stärkeren intensivstes Audio- lich-rechtlicher und privater Radiosender zu erken- Schwankungen. Der kontinuierliche Anstieg der Hör- angebot nen ist. dauer von den 1980er bis zu den beginnenden 2000er Jahren (täglich mehr als 200 Min.) war über- Gattung Audio In der jüngsten Altersgruppe sind Audio- und vor al- wiegend durch die größere Programmvielfalt und mit 86 Prozent lem Musikangebote seit jeher reichweitenstark. Die den Umbau von Programmen in Tagesbegleitwellen Tagesreichweite Gattung Audio hat im Jahr 2020 bei 14- bis 29-Jäh- bedingt. Im Jahr 2015 wurden täglich 175 Minuten bei Jüngeren rigen eine Tagesreichweite von 86 Prozent (2015: mit Radiohören über die verschiedenen Verbreitungs- 76 %) und befindet sich damit gleichauf mit den wege verbracht, 2020 weisen die Ergebnisse der Bewegtbildangeboten (vgl. Abbildung 6). An erster Studie Massenkommunikation 136 Minuten (brutto) Stelle der Audioangebote liegt trotz Verlusten in den aus. Damit bleibt Radio trotz Verlusten das mit Ab- vergangenen Jahren immer noch das Radio mit einer stand nutzungsintensivste Audioangebot. Tagesreichweite von 51 Prozent, gefolgt von Strea- mingdiensten wie Spotify (Tagesreichweite: 48 %) Ein weiterer Effekt hat das Radio in dieser Unter Radionutzung erhöhte und Videoportalen zum Musikhören wie YouTube suchung getroffen: die Corona-Krise. Während die sich während der (14 %). Tagesreichweite praktisch auf unverändertem Niveau Corona-Krise nicht blieb (–1 %-Punkt), hat sich die tägliche Hördauer 30- bis 69-Jährige Die radioaffinsten Altersgruppen sind seit vielen nach dem Lockdown in der Gesamtbevölkerung um hören am meisten Jahren die 30- bis 49-Jährigen und die 50- bis täglich 8 Minuten verringert, bei den 50- bis 69-Jäh- Radio 69-Jährigen. Radio hören ist im Jahr 2020 für 72 rigen sogar um 17 Minuten. Der Lockdown hatte bzw. 80 Prozent dieser Altersgruppen in den Alltag unter anderem Auswirkungen auf die Radionutzung integriert. Dies entspricht ungefähr dem Niveau von im Auto, die normalerweise auf der Fahrt zum/vom vor fünf Jahren. Arbeitsplatz zum Alltag gehört. (17)
Christian Breunig/Marlene Handel/Bernhard Kessler Media 422 Perspektiven 7-8/2020 Tabelle 4 Nutzungsdauer von Bewegtbild-/Videoangeboten 1964 bis 2020 Personen ab 14 Jahren, Mediennutzung „gestern“, 5.00-24.00 Uhr, in Min. 1964 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Bewegtbild/Video gesamt (brutto) 70 112 125 125 123 139 161 189 225 229 220 216 Fernsehen / Fernsehsendungen ansehen gesamt (brutto) 70 112 125 125 121 135 158 185 220 221 211 165 Fernsehsendungen zum Zeitpunkt der Ausstrahlung ansehen1) 70 112 125 125 121 135 158 185 220 220 209 155 (brutto) Selbst aufgenommene Fernsehsendungen ansehen2) – – – – – – – – – – – 3 Fernsehsendungen z.B. bei Mediatheken oder YouTube zeitversetzt im Internet ansehen3) – – – – – – – – – 1 2 6 Fernsehsendungen oder Videos in Mediatheken ansehen – – – – – – – – – – – 4 Fernsehsendungen auf YouTube ansehen – – – – – – – – – – – 2 (Andere) Videos auf YouTube ansehen4) – – – – – – – – – 3 3 12 Videos bei Netflix, Amazon Prime Video oder anderen Streamingdiensten ansehen – – – – – – – – – – – 31 Videos auf Facebook, Instagram oder anderen sozialen Medien ansehen – – – – – – – – – – – 4 Videos bei anderen Anbietern im Internet ansehen, z. B. auf Nachrichtenportalen – – – – – – – – – – – 2 Video/DVD oder Bluray ansehen – – – – 2 4 3 4 5 5 6 2 Bis 1990: nur alte Bundesländer; 1964: Personen ab 15 Jahren; bis 2005: Deutsche, ab 2010 deutschspr. Bevölkerung; vor 1990: Mo-Sa; 1964/1970: 5.00-1.00 Uhr, 1974-1985: 5.30-24.00 Uhr. Rundungsdifferenzen möglich. 1) 1964-2015: „Fernsehen“; 2020: „Fernsehen, also Fernsehsendungen zum Zeitpunkt der Ausstrahlung ansehen.“ 2) „Selbst aufgenommene Fernsehsendungen ansehen“ („Selbst“ kann der Befragte oder jemand anderes im Haushalt sein). 3) 2010/2015: Bewegtbildnutzung im Internet: „Fernsehsendungen zu einem späteren Zeitpunkt gesehen, ganz oder teilweise“. 4) 2010/2015: Bewegtbildnutzung im Internet: „Videodateien angesehen“. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie. Tabelle 5 Nutzungsdauer von Audioangeboten 1964 bis 2020 Personen ab 14 Jahren, Mediennutzung „gestern“, 5.00-24.00 Uhr, in Min. Medienangebote 1964 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Audio gesamt (brutto) – – – 150 168 184 176 242 266 229 202 181 Radio hören gesamt (brutto) 89 73 113 135 154 170 162 206 221 190 175 136 Radio hören1) 89 73 113 135 154 170 162 206 221 190 175 135 Radiosendungen oder Beiträge aus Radiosendungen auf Abruf im Internet hören – – – – – – – – – – – 1 Podcasts hören – – – – – – – – – – – 2 Podcasts hören oder Radiosendungen zeitversetzt im Internet hören2) – – – - – – – – – 0,5 0,2 3 Musik über YouTube/Streamingdienste hören (netto) – – – – – – – – – – – 33 Musik über YouTube hören – – – – – – – – – – – 7 Musik über Spotify, Amazon Music oder andere Streamingdienste hören – – – – – – – – – – – 26 Musik über CDs, Schallplatte, MP3 oder Download hören3) – – – 15 14 14 14 36 45 39 27 7 Hörbücher oder Hörspiele über CDs, Schallplatte, MP3 oder Download hören – – – – – – – – – – – 3 Bis 1990: nur alte Bundesländer; 1964: Personen ab 15 Jahren; bis 2005: Deutsche, ab 2010 deutschspr. Bevölkerung; vor 1990: Mo-Sa; 1964/1970: 5.00-1.00 Uhr, 1974-1985: 5.30-24.00 Uhr. Rundungsdifferenzen möglich. 1) 1964-2015: „Radio hören“; 2020: „Radio hören (Das ist das, was man hört, wenn man einen Radiosender einschaltet oder Live-Streams nutzt)“. 2) 2010/2015: Audionutzung im Internet: „Podcasts von Radiosendungen gehört“; 2020: Radiosendungen/Beiträge aus Radiosendungen auf Abruf/Podcast (netto). 3) 1980-2015: „Musik hören: (MP3)/CD Kassette/(Schallplatte)“, ab 2010 Nutzungsdauern einschl. Musikdateien im Internet. Quelle: ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie.
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