Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern - Reformoptionen auf dem deutschen Arbeitsmarkt
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Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern Standortpolitik Reformoptionen auf dem deutschen Arbeitsmarkt Ergebnisse einer DIHK-Unternehmensbefragung Herbst 2008 Deutscher Industrie- und Handelskammertag
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat im Rahmen seiner Umfrage zu „Wirtschaftslage und Erwartungen“ im Herbst 2008 die Industrie- und Handelskammern (IHKs) gebeten, die Unternehmen auch zu den Themen Beschäftigungshindernisse, Min- destlohn und Kanäle der Stellenbesetzung zu befragen. Die einzelnen Fragen sind im Anhang aufgeführt. Der DIHK-Auswertung liegen knapp 20.000 Unternehmensantworten zugrunde. Nach Wirtschaftsbereichen stammen die Antworten aus der Industrie (35 Prozent), aus der Bauwirtschaft (6 Prozent), aus dem Handel (22 Prozent) und aus den Dienstleistungen (37 Prozent). Die Untergliederung nach Unternehmensgröße weist 42 Prozent kleine Unternehmen mit bis zu 19 Beschäftigten aus, 45 Prozent mittlere Unternehmen mit 20 bis 199 Beschäftigten sowie 11 Prozent mittelgroße Unternehmen mit bis zu 999 Beschäftigten. Zwei Prozent der Antworten entfallen auf große Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Herausgeber © DIHK | Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V. DIHK Berlin: Postanschrift: 11052 Berlin | Besucheranschrift: Breite Straße 29 | 10178 Berlin-Mitte Telefon 030-20308-0 | Fax 030-20308-1000 DIHK Brüssel: 19 A-D, Avenue des Arts | B-1000 Bruxelles | Tel. ++32-2-286-1611 | Fax ++32-2-286-1605 Internet: www.dihk.de Redaktion Dr. Achim Dercks, Dr. Stefan Hardege | DIHK Stand November 2008
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt Inhaltsverzeichnis Seite Ergebnisse und Empfehlungen 2 I. Hindernisse für den Beschäftigungsaufbau 5 II. Mindestlöhne verringern Beschäftigung 15 III. Stellenbesetzung hauptsächlich über Zeitungsanzeigen 19 Fragebogen 25 DIHK-Veröffentlichungen zum Arbeitsmarkt 26 1
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt Ergebnisse einer DIHK-Umfrage und Empfehlungen (1) Einstellungshürden Ergebnisse in Kurzform: x Für die Hälfte der Unternehmen sind die hohen Arbeitskosten ein Haupthindernis, mehr Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen. Insbesondere im Baugewerbe erschweren diese Kosten den Beschäftigungs- aufbau. x Auch die Vorgaben beim Kündigungsschutz und der befristeten Beschäftigung wirken als Jobbremse. Mehr als jedes dritte Unternehmen würde bei flexibleren Regelungen zusätzliche Personen einstellen. x In 35 Prozent der Unternehmen verhindert der Fachkräftemangel zusätzliche Einstellungen, weil qualifi- zierte Bewerber fehlen. Besonders in technikorientierten Wirtschaftszweigen ist diese Knappheit groß: So geben 60 Prozent der Maschinenbauunternehmen das Fehlen von Fachkräften als Einstellungshemm- nis an. x Für 13 Prozent der Unternehmen ist das komplexe Tarifrecht ein Hindernis für mehr Beschäftigung. Besonders im Baugewerbe ist dies wichtig, jedes fünfte Unternehmen sieht sich hier negativ betroffen. x Ebenfalls 13 Prozent der Unternehmen berichten über gesetzliche oder tarifvertragliche Einschränkun- gen bei der Arbeitszeit als Einstellungsbremse. Im Osten sind es mit neun Prozent weniger – dort sind die Wochenarbeitszeiten in der Regel höher. DIHK-Empfehlungen: x Die Beschäftigungshindernisse am deutschen Arbeitsmarkt müssen abgebaut werden. Zur Verringerung der Arbeitskosten sollte die Finanzierung der sozialen Sicherung vom Arbeitseinkommen abgekoppelt werden: Einkommensunabhängige Prämien in der Kranken- und Pflegeversicherung würden den Faktor Arbeit entlasten. x Damit die Lohnkosten keine negativen Beschäftigungseffekte entfalten, müssen die Tarifvertragsparteien auf verantwortungsbewusste und maßvolle Abschlüsse hinwirken. Gerade bei der aktuellen Konjunktur- eintrübung und rückläufigen Auftragseingängen darf der Verteilungsspielraum nicht überschritten wer- den. Die Sicherung der im Aufschwung geschaffenen Arbeitsplätze muss an erster Stelle stehen. x Das deutsche Tarifrecht muss flexibler werden. Dazu sollten betriebliche Bündnisse rechtlich abgesichert werden und ohne Vetorecht der Tarifparteien möglich sein. Das Günstigkeitsprinzip ist zu modifizieren, so dass auch die Sicherung von Arbeitsplätzen dieses Kriterium erfüllt. x Zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sollte der Kündigungsschutz gelockert werden, der vielfach von den Unternehmen als Beschäftigungsbarriere gesehen wird. Erst in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbei- tern sollten die gesetzlichen Regelungen greifen. Ferner bedarf es der Option, bereits bei Beginn des Ar- beitsverhältnisses alternativ zur Anwendung des Kündigungsschutzes für den Fall einer betriebsbeding- ten Entlassung die Zahlung einer Abfindung zu vereinbaren. x Der Einstieg in Beschäftigung kann gerade für Geringqualifizierte erleichtert werden, wenn die Vor- schriften zur Befristung flexibilisiert werden. Deshalb sollten Unternehmen eine sachgrundlose Befris- 2
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt tung bis zu vier Jahren anbieten dürfen, sofern der Arbeitnehmer in den letzten sechs Monaten nicht bei diesem Arbeitgeber tätig war. x Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, der nach Ende der Wirtschaftskrise sofort wieder offenbar sein wird, sollte vor allem in zwei Bereichen angesetzt werden. Erstens muss die Erwerbsbeteiligung steigen, wozu eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf der richtige Weg ist. Damit können mehr qualifi- zierte Eltern am Erwerbsleben überhaupt oder im gewünschten Ausmaß teilnehmen. x Zweitens muss das Qualifikationsniveau insgesamt steigen, wozu Bund und Länder mit einer Reform des Bildungssystems beitragen können. Dies gilt für alle Ebenen: Im Bereich der frühkindlichen Bildung soll- ten das letzte Kindergartenjahr verpflichtend sein und der Erwerb der deutschen Sprache ganz oben ste- hen. Im Schulsystem können Ganztagsangebote die individuelle Förderung verbessern. Im tertiären Be- reich müssen die Hochschulen vorhandene Spielräume nutzen und mehr Autonomie erhalten, damit sich im Wettbewerb die Qualität der Studienangebote verbessert. Da lebenslanges Lernen immer wichtiger wird, muss zudem die Weiterbildungsbeteiligung steigen – gerade bei älteren Arbeitnehmern. x Auch die erfolgreiche duale Berufsausbildung muss gestärkt werden. Dazu braucht es Anpassungen der Struktur: Das Modell „Dual mit Wahl“, das der DIHK mit Unternehmen zusammen entwickelt hat, ver- bindet die Vorzüge der dualen Ausbildung mit flexiblen berufsspezifischen Wahlmöglichkeiten. Die öf- fentlich-rechtliche Ausbildungsprüfung garantiert bundesweit anerkannte Qualität und damit Mobilität der Fachkräfte. (2) Mindestlohngefahren Ergebnisse in Kurzform: x Die Einführung eines Mindestlohns in Höhe von 7,50 Euro beträfe 45 Prozent der Unternehmen. Mehr als jedes fünfte dieser betroffenen Unternehmen würde darauf mit einem Jobabbau reagieren. In Ost- deutschland wären 56 Prozent der Unternehmen von einem 7,50-Euro-Mindestlohn betroffen. Mehr als ein Drittel dieser Betriebe würde den Mitarbeiterbestand verringern, 13 Prozent sogar in beträchtlichem Ausmaß. x Geringqualifizierte wären vielfach die Leidtragenden der Mindestlöhne. Branchen wie Sicherheitswirt- schaft, Reinigungsdienste oder das Gastgewerbe, die für Personen mit geringer beruflicher Qualifikation Arbeitsplätze anbieten, würden in besonders hohem Maße Stellen streichen. x Von den Betrieben im Baugewerbe geben 27 Prozent an, ihre Beschäftigtenzahl zu erhöhen, wenn ein solcher Mindestlohn für sie gelten würde. Diese atypische Reaktion erklärt sich dadurch, dass dort zur- zeit deutlich höhere Mindestlöhne gelten. Auch diese Antworten sind damit ein Indiz für die Beschäfti- gung hemmenden Effekte von zu hohen Mindestlöhnen. DIHK-Empfehlungen: x Mindestlöhne steigern die Arbeitskosten zusätzlich und verschlechtern gerade die Beschäftigungsmög- lichkeiten für Geringqualifizierte. Ob branchenbezogen oder flächendeckend – die Einführung weiterer Mindestlöhne muss unterbleiben. x Sofern geringe Einkommen aus Erwerbsarbeit nicht zum Lebensunterhalt ausreichen, werden sie zu Recht schon heute durch staatliche Transfers aufgestockt. Die Beschäftigten müssen aber im Sinne des Subsidiaritätsprinzips einen möglichst großen Eigenbeitrag leisten – auch durch niedrig entlohnte Tätig- keiten. 3
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt (3) Wege der Stellenbesetzung Ergebnisse in Kurzform: x Freie Stellen versuchen die Unternehmen in erster Linie über Anzeigen in Zeitungen und Fachzeitschrif- ten zu besetzten (66 Prozent). Erst an zweiter Stelle folgt die Meldung an die Bundesagentur für Arbeit (47 Prozent). An dritter Stelle steht die Einschaltung privater Arbeitsvermittler und Zeitarbeitsunter- nehmen (35 Prozent). Private Internetjobportale werden von 23 Prozent der Betriebe genutzt. x Die Unternehmen in Branchen, die besonders vom Mangel an qualifizierten Fachkräften betroffen sind, greifen in überdurchschnittlichem Maße auf Zeitungsannoncen und nur unterdurchschnittlich auf die Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit zurück. Letztere wird eher dann genutzt, wenn weniger quali- fizierte Mitarbeiter gesucht werden. DIHK-Empfehlungen: x Um Arbeitslose und freie Stellen besser zueinander zu führen, muss die Vermittlungstätigkeit der Bun- desagentur für Arbeit effizienter werden. Eine engere Kooperation der Agenturen und Betriebe vor Ort – auch unterstützt durch die IHKs – kann hier ebenso helfen, wie eine hohe Qualifikation der Mitarbeiter sowie leistungsorientierte Vergütungselemente. Hinsichtlich der SGB II-Verwaltung bedarf es klarer Zu- ständigkeiten bei der Betreuung von ALG II-Empfängern. Die Verantwortung sollte hier bei den kommu- nalen Trägern liegen. x Auch von den Arbeitslosen ist ein höheres Maß an Kooperationsbereitschaft und Verantwortung nötig, um den vollen Transferbezug zu erhalten. Dazu gehören auch berufliche und räumliche Flexibilität. 4
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt I. Hindernisse für den Beschäftigungs- Bereich der MINT-Berufe (Mathematik, Informa- tik, Naturwissenschaften, Technik). Diese Kräfte- aufbau engpässe führen zu einem erheblichen Verlust an Wertschöpfung. Zum anderen haben es gerade In den zurückliegenden drei Jahren hat sich der Personen ohne Berufsausbildung schwer, eine deutsche Arbeitsmarkt erfreulich entwickelt. Die Beschäftigung zu finden – die Arbeitslosenquote Zahl der Arbeitslosen ist um mehr als 1,5 Millio- der Geringqualifizierten liegt bei etwa 20 Prozent. nen auf unter 3 Millionen gesunken und die Ein weiteres Problem besteht in der hohen Lang- Erwerbstätigenzahl liegt mit mehr als 40 Millio- zeitarbeitslosigkeit: Mehr als die Hälfte aller nen auf Rekordniveau. Profitiert hat Deutschland Arbeitslosen ist schon seit 12 Monaten oder von der bis vor kurzem weltweit positiven Kon- länger ohne Job, so viele wie in kaum einem junkturentwicklung, aber auch von den Reform- anderen Industrieland. Je länger aber die Arbeits- maßnahmen am Arbeitsmarkt im Rahmen der losigkeit andauert, desto schwerer wird es für die Agenda 2010. Auf diesen Erfolgen darf sich die Betroffenen, eine neue Stelle zu finden. Politik jedoch nicht ausruhen. Was sind – abgesehen von Auftragslage und sonstiger Kostenbelastung – die Haupthindernisse für Ihr Unternehmen, im Inland (mehr) Arbeitsplätze zu schaffen? nach Wirtschaftszweigen - in Prozent (Mehrfachantworten möglich) 70 61 60 56 50 50 48 48 41 41 keine Hindernisse 40 39 40 38 Fachkräftemangel 36 35 36 zu hohe Arbeitskosten Arbeitszeitregelungen 30 30 komplexes Tarifrecht 26 25 Vorgaben bei Kündigungsschutz und Befristung 22 23 23 20 20 15 15 14 12 12 12 13 13 10 10 8 0 Industrie Bauwirtschaft Handel Dienstleistungen insgesamt Gerade die aktuelle Konjunkturschwäche macht Auf dem Arbeitsmarkt zeigen sich nach wie vor es erforderlich, die nach wie vor bestehenden unterschiedliche Problemfelder. Zum einen su- Beschäftigungshürden am Arbeitsmarkt abzubau- chen viele Unternehmen händeringend nach en und keine neuen zu errichten, damit Arbeits- geeigneten Fachkräften und können offene Stel- len häufig nicht besetzen – insbesondere im 5
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt plätze erhalten und spätestens im nächsten zu hohen Arbeitskosten als Hauptmotiv an, wäh- Aufschwung schnell neue Stellen geschaffen rend es zum Beispiel im Maschinenbau 42 Prozent werden. Der Handlungsbedarf ist groß: Über drei sind. Im internationalen Vergleich haben sich Viertel der Unternehmen sehen mindestens ein zudem die Lohnstückkosten in Deutschland Hindernis, das der Einstellung zusätzlichen Perso- günstig entwickelt, auch hiervon profitiert die nals entgegen steht. Industrie im internationalen Wettbewerb. Bei kleinen Unternehmen verhindern die hohen Hohe Arbeitskosten sind Jobbremse Nr.1 Arbeitskosten eher die Entstehung neuer Arbeits- plätze als in Großunternehmen. In Relation zum Die Arbeitskosten in Deutschland stellen das Umsatz fallen diese Kosten dort sehr viel stärker Haupthindernis für das Schaffen von mehr Ar- ins Gewicht und verhindern Neueinstellungen. beitsplätzen im Inland dar. Für jedes zweite Mit steigender Größe nimmt die Bedeutung der Unternehmen sind die Lohn- und Gehaltskosten Arbeitskosten als Einstellungshürde sukzessive ab, zusammen mit den Sozialabgaben eine zentrale sie ist allerdings auch bei Großunternehmen nicht Begründung dafür, keine zusätzlichen Arbeitsplät- zu vernachlässigen. Nahezu 60 Prozent der Un- ze anzubieten. Insbesondere im Baugewerbe ternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern sehen erweisen sich diese Belastungen als Jobbremse – in den Arbeitskosten ein Haupthindernis für mehr über 61 Prozent der Unternehmen geben zu hohe Beschäftigung. Für Unternehmen mit mehr als Arbeitskosten als Haupthindernis an, mehr Men- 1.000 Beschäftigten sind es „nur“ 40 Prozent. schen zu beschäftigen. Im Handel gilt dies für mehr als die Hälfte der Unternehmen, während Auch in regionaler Betrachtung zeigen sich der Anteil in der Industrie und im Dienstleis- Unterschiede: In Ostdeutschland ist der Anteil der tungsbereich mit 48 Prozent etwas geringer Unternehmen, die durch hohe Arbeitskosten ausfällt. davon abgehalten werden, mehr Jobs zu schaffen, mit 57 Prozent höher als in den alten Bundeslän- Generell gilt: Je binnenorientierter die Unterneh- dern, wo dieser Anteil bei 49 Prozent liegt. Ob- men, desto eher stellen die Arbeitskosten das wohl die Löhne in den neuen Ländern nach wie dominante Problem dar. Die Absatzmärkte für die vor niedriger sind, stellen diese die Unternehmen vielfach exportorientierten Industrieunternehmen dort vor größere Hürden. Davon ausgenommen ist haben sich in den letzten Jahren besser entwi- die Industrie, wo der Wert mit 46 Prozent sogar ckelt als diejenigen für Einzelhandel und Bau. etwas unterhalb des bundesweiten Durchschnitts Insofern fallen die hohen Arbeitskosten hierzu- liegt – ein Indiz für die zunehmende Wettbe- lande für die Industrie weniger stark ins Gewicht. werbsfähigkeit ostdeutscher Industriebetriebe. So führen 62 Prozent der Einzelhändler und 56 Besonders auffallend ist, wie häufig die hohen Prozent der personenbezogenen Dienstleister die Arbeitskosten gerade ostdeutsche Bauunterneh- 6
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt men von der Schaffung neuer Jobs abhalten auch dem Einzelhandel (62 Prozent).1 Die weitere (70 Prozent). Hier wird die beschäftigungsfeindli- Erhöhung der Lohnzusatzkosten im Zuge der che Wirkung von Mindestlöhnen in dieser Bran- Einführung des Gesundheitsfonds ist vor diesem che deutlich, die die Arbeitskosten zusätzlich Hintergrund kontraproduktiv. Die Senkung des erhöhen und somit die Beschäftigung verringern. Was sind – abgesehen von Auftragslage und sonstiger Kostenbelastung – die Haupthindernisse für Ihr Unternehmen, im Inland (mehr) Arbeitsplätze zu schaffen? nach Beschäftigtengrößenklassen - in Prozent (Mehrfachantworten möglich) 70 60 58 54 50 47 41 41 42 42 keine Hindernisse 39 40 40 37 Fachkräftemangel 36 34 zu hohe Arbeitskosten 31 Arbeitszeitregelungen 29 29 30 komplexes Tarifrecht 26 24 24 Vorgaben bei Kündigungsschutz und Befristung 22 22 20 18 15 15 11 11 12 13 13 13 10 10 0 1-9 10 - 19 20 - 199 200 - 999 mehr als 1000 Arbeitskosten senken Beitrags zur Arbeitslosenversicherung auf 2,8 Prozent ist zwar ein Schritt in die richtige Die Reduktion der Arbeitskosten gehört nach wie Richtung. Der bereits beschlossene Wiederanstieg vor auf die erste Seite im wirtschaftspolitischen auf 3,0 Prozent zum 1. Juli 2010 verhindert Pflichtenheft. Gerade der Problemgruppe der allerdings eine dauerhafte Entlastung. Geringqualifizierten würde damit geholfen. Denn in Wirtschaftszweigen, in denen diese vornehm- Die Finanzierung der Kranken- und Pflegeversi- lich Beschäftigung finden, stellen die Arbeitskos- cherung sollte vom Arbeitseinkommen entkoppelt ten eine besonders hohe Beschäftigungshürde dar, so zum Beispiel bei den Reinigungsdiensten 1 Vgl. zu den Beschäftigungshindernissen für Geringqualifi- (68 Prozent), dem Gastgewerbe (66 Prozent) oder zierte auch Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Chancen nutzen, Hemmnisse beseitigen – Beschäfti- gung Geringqualifizierter in Deutschland, Berlin 2006. 7
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt werden, was auch in Anbetracht der demografi- Dazu ist eine begleitende und hochwertige Wirk- schen Entwicklung dringend geboten ist. Dazu samkeitskontrolle unerlässlich. Das Arbeitslosen- bieten sich einkommensunabhängige Prämien an, geld sollte für alle Arbeitslosen maximal wodurch der Faktor Arbeit entlastet und die 12 Monate gezahlt werden. Es stellt eine Versi- Arbeitsnachfrage der Unternehmen gestärkt wird. cherungsleistung dar, die keinen Bezug zum Alter Auch in der Rentenversicherung müssen die oder zur Dauer der Beitragszahlungen hat. Die Beiträge auf den Prüfstand. Um hier die Kosten- längere Bezugsdauer für Ältere ist daher verfehlt. entwicklung im Zaum zu halten, ist das höhere Schließlich lassen sich die Beiträge und damit die Renteneintrittsalter von 67 Jahren sinnvoll, es Arbeitskosten auch senken, indem versicherungs- muss allerdings auch faktisch zu einer längeren fremde Leistungen gestrichen werden. Dies gilt Lebensarbeitszeit führen. nicht zuletzt für den Eingliederungsbeitrag, den die Arbeitslosenversicherung an den Bund für Die Frühverrentung ist hingegen der falsche Weg, Verwaltung und Programme für ALG II-Empfänger weshalb Anreize dazu konsequent abgebaut überweisen muss. Dies sind allgemeine Fürsorge- werden müssen und die Förderung der Altersteil- leistungen, die aus Steuermitteln finanziert zeit beendet werden sollte. Letztere hat in der werden sollten. Vergangenheit zur Frühverrentung beigetragen, was zu Lasten der Steuer- und Beitragszahler ging. Auch die Vorstellung, frei werdende Arbeits- Maßvolle Tarifabschlüsse vereinbaren plätze Älterer mit jungen Arbeitnehmern zu besetzen, wurde nicht erfüllt. Beschäftigung ist Aber nicht nur die Politik, auch die Tarifpartner keine statische Größe, die zwischen Jung und Alt sind gefordert, wenn es um die Arbeitskosten verteilt werden kann. Stattdessen sind flexible geht. Die positive Arbeitsmarktentwicklung der Übergänge in den Rentenbezug sinnvoll, wie sie vergangenen Jahre geht zu einem guten Teil auf zum Beispiel eine Teilrente bietet. Bei einem die maß- und verantwortungsvollen Tarifab- vorzeitigen Rentenbezug – auch im Rahmen einer schlüsse zurück. Auch für die Zukunft gilt, dass Teilrente bei flexiblen Übergängen – sind versi- der Verteilungsspielraum nicht überdehnt werden cherungsmathematisch korrekte Abschläge vorzu- darf, um Beschäftigungschancen nicht zu verbau- nehmen. Diese sollten sich auf 0,5 Prozent pro en. Gerade vor dem Hintergrund der Konjunktur- Monat vorzeitiger Inanspruchnahme belaufen, um abkühlung muss die Sicherung der im Auf- so den längeren Bezugszeitraum auszugleichen. schwung geschaffenen Arbeitsplätze oberste Priorität haben. Die Auftragseingänge der Indust- Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung lassen rie zeigen derzeit eine deutlich rückläufige Ent- sich nachhaltig senken, indem der Instrumenten- wicklung. Die weltweit sinkende Nachfrage trifft kasten der Arbeitsmarktpolitik auf die nachweis- die exportorientierten Branchen in Deutschland, lich wirksamen Maßnahmen beschränkt wird. die zuletzt die Konjunkturlokomotive waren. Zu 8
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt hohe Lohnabschlüsse würden in diesem Umfeld aufgrund ihrer Mitarbeiterzahl nicht dem gesetz- die Beschäftigung gefährden und im nächsten lichen Kündigungsschutz unterliegen, der erst bei Aufschwung die Einstellung Arbeitsloser verzö- mehr als 10 Beschäftigten greift. So ist dann auch gern. der entsprechende Wert für die Unternehmen mit ein bis neun Beschäftigten mit 29 Prozent am Geringsten. Zudem ist der gewerkschaftliche Kündigungsschutz und Befristung hindern Organisationsgrad in kleineren Betrieben geringer Beschäftigungsaufbau und auch die Existenz von Betriebsräten ist dort weniger verbreitet. Dies hat zur Folge, dass die In der Gesamtbetrachtung der Beschäftigungs- Negativeffekte der Regulierungen weniger stark hindernisse folgen an zweiter Stelle die gesetzli- ins Gewicht fallen. chen Regelungen des Kündigungsschutzes und der befristeten Beschäftigung. Wenn die Unter- Es ist dennoch bemerkenswert, dass nahezu jedes nehmen bei potenziellen Kündigungen mit lang- dritte dieser Unternehmen die Regelungen zu wierigen Gerichtsverfahren mit unsicherem Kündigungsschutz und Befristung als Beschäfti- Ausgang rechnen müssen und hohe Kosten anfal- gungshemmnis anführt. Ausschlaggebend hierfür len, sind sie mit ihren Einstellungen von vornher- ist zum einen das nach wie vor relativ starre ein zurückhaltend. Untersuchungen deuten darauf Befristungsrecht. So kann zum Beispiel ein Ar- hin, dass bis zu jede dritte arbeitgeberseitige beitnehmer nur ein Mal sachgrundlos befristet bei Kündigung zu einer Klage vor dem Arbeitsgericht ein und demselben Arbeitgeber tätig sein, selbst führt. Somit ist es wenig überraschend, dass für wenn zwischen zwei möglichen Anstellungen 36 Prozent der Unternehmen die entsprechenden viele Jahre vergangen sind. Stellt beispielsweise Vorgaben möglichen Neueinstellungen im Wege ein Betrieb jemanden sachgrundlos befristet ein, stehen. Dies gilt insbesondere bei eingetrübten der zuvor schon einmal als Werksstudent dort konjunkturellen Erwartungen, weil gerade dann tätig war, so wandelt sich die Befristung in ein die betriebliche Entwicklung auch Beschäfti- unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Möglichkeiten gungsanpassungen kurzfristig notwendig machen der befristeten Beschäftigung sollten erweitert kann. werden. Auch für Langzeitarbeitslose würde dies den Einstieg in Arbeit erleichtern. Deshalb muss Für Industrie und Bau (jeweils 41 Prozent) sind eine vierjährige sachgrundlose Befristung möglich die negativen Beschäftigungseffekte der Regelun- sein, sofern der Arbeitnehmer in den letzten sechs gen zu Kündigungsschutz und Befristung etwas Monaten nicht bei demselben Arbeitgeber tätig ausgeprägter als für Handel und Dienstleistung war. (38 und 30 Prozent). Hierfür ist ursächlich, dass in den beiden letztgenannten Bereichen vergleichs- Zum anderen verzichten Betriebe gerade dann auf weise viele kleinere Unternehmen bestehen, die Einstellungen, wenn sie dadurch den Schwellen- 9
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt wert des Kündigungsschutzes überschreiten. An die Unsicherheit der Beschäftigten steigt, können dieser Schwelle steigt auch der Anteil der Unter- relativiert werden. Denn unterschiedliche Studien nehmen deutlich an (um acht Prozentpunkte), die sowie der Blick ins Ausland zeigen, dass nicht ein in den arbeitsrechtlichen Regelungen ein gravie- intensiver Kündigungsschutz, sondern vielmehr rendes Hindernis für mehr Beschäftigung sehen – gute Beschäftigungsperspektiven und eine gerin- ein klares Indiz für die negativen Effekte des ge Arbeitslosigkeit das Sicherheitsempfinden Kündigungsschutzes. erhöhen. Gerade dazu trägt ein flexibler Arbeits- markt bei. Mittelständische Unternehmen mit 20 bis 199 Mitarbeitern nennen die Vorgaben bei Kündi- Als ein Problem der deutschen Kündigungs- gungsschutz und Befristung am häufigsten als schutzpraxis wird vielfach die hohe Rechtsunsi- Beschäftigungshürde (41 Prozent). Hier sind cherheit und nicht allein die Kostenbelastung Entlassungen häufiger als in kleinen Betrieben genannt, die im Zuge eines Kündigungsschutzpro- und die Gefahr langwieriger arbeitsrechtlicher zesses anfällt – zum Beispiel bei Abfindungszah- Prozesse mit ungewissem Ausgang ist damit lungen. Konkrete Abfindungsregelungen können höher. Im Vergleich zu größeren Unternehmen die Rechtssicherheit steigern. Hierzu müssen verfügen Mittelständler aber oftmals nicht über Unternehmen und Beschäftigte die Option haben, eigene Personal- oder Rechtsabteilungen, weshalb schon bei der Einstellung anstelle des Kündi- die komplexen Vorgaben in größerem Maße zu gungsschutzes eine Abfindung zu vereinbaren, die betrieblichen Belastungen werden und letztlich im Falle einer arbeitgeberseitigen betriebsbeding- Neueinstellungen verhindern. ten Kündigung fällig wird. Der Arbeitgeber hat dann von vornherein die Gewissheit über mögli- che Kosten im Entlassungsfall. Der Arbeitnehmer Mehr Flexibilität ermöglichen wird für entstehende Kosten des Arbeitsplatzver- lustes entschädigt. Die zurzeit gültige Abfin- Damit die Unternehmen auch bei unsicheren dungsregelung im Rahmen des § 1a KSchG ist konjunkturellen Erwartungen ausreichend Spiel- diesbezüglich unzureichend. Denn hier kann der raum haben und Arbeitsplätze schaffen, sollten Arbeitgeber erst zum Zeitpunkt der Kündigung die Vorgaben beim Kündigungsschutz und der eine Abfindung anstelle des Kündigungsschutzes Befristung flexibilisiert werden. Der Kündigungs- anbieten. Da der Arbeitnehmer dies jedoch ableh- schutz sollte erst für Unternehmen mit mehr als nen und stattdessen eine Klage einreichen kann, 20 Mitarbeitern gelten. Kleine Betriebe würden bleibt die Rechtsunsicherheit bestehen. dadurch entlastet und die Einstellungschancen auch von Geringqualifizierten ließen sich so steigern, weil schneller neue Arbeitsplätze ange- boten würden. Bedenken, dass dadurch insgesamt 10
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt Fachkräftemangel ist Beschäftigungsbremse und sind mittlerweile auch für größere Unter- nehmen ein Hemmschuh. Bei diesen finden Fachkräftemangel ist ein Kernthema, das gegen- häufiger Personalwechsel statt, womit die Wie- wärtig nur kurzfristig durch die Wirtschaftskrise derbesetzungsprobleme dringender sind. Fast in den Hintergrund gedrängt wird. Mehr als ein 42 Prozent der Unternehmen mit mehr als Drittel der Unternehmen gibt an, dass fehlende 200 Beschäftigten führen die Kräfteengpässe als Fachkräfte ein Haupthindernis sind, Beschäfti- Beschäftigungshindernis an, während dies nur für gung aufzubauen. In der Industrie ist die Kräfte- etwa ein Viertel der Betriebe mit bis zu neun knappheit am größten: 40 Prozent der Unterneh- Mitarbeitern gilt. Im Vergleich zu der früheren men sehen hierin die Ursache, nicht mehr Ar- DIHK-Umfrage3 aus dem Jahr 2003 zeigt sich eine beitsplätze zu schaffen. Doch auch im Baugewer- interessante Veränderung: Mittlerweile haben be und bei Dienstleistungsunternehmen sind die auch Großbetriebe mit mehr als 1.000 Beschäftig- jeweiligen Anteile kaum geringer (39 und ten Stellenbesetzungsprobleme, die noch vor fünf 36 Prozent), im Handel hat das Problem hingegen Jahren vergleichsweise gering betroffen waren. weniger Gewicht (26 Prozent). Dies ist ein Hinweis auf den sich verstärkenden Fachkräftemangel, da Großbetriebe in der Regel 2 Verglichen mit einer DIHK-Untersuchung aus besser in der Lage sind, ihre Stellen adäquat zu dem Jahr 2003 wird deutlich, dass sich das Prob- besetzen und auch in den Augen vieler Bewerber lem des Fachkräftemangels im Jahr 2008 intensi- als attraktivere Arbeitgeber gelten. Zudem hat der viert hat. Auch damals wurde es zwar als Be- in erster Linie exportgetriebene konjunkturelle schäftigungsbremse erkannt, doch der Stellenwert Aufschwung der letzten Jahre dafür gesorgt, dass geringer eingeschätzt. Wurde Kräfteengpässen in gerade international agierende Großunternehmen etwa die gleiche – oder zum Teil eine geringere – verstärkt Fachkräfte nachfragen. Bedeutung beigemessen wie zum Beispiel Arbeits- zeitregelungen oder dem komplexen Tarifrecht, so übersteigen sie diese in der aktuellen Untersu- Besonders technisch Qualifizierte gesucht chung deutlich. Da es bei Letzteren in den ver- gangenen fünf Jahren kaum Änderungen der Der Fachkräftemangel betrifft nicht nur Akademi- Rahmenbedingungen gegeben hat, kommen ker, sondern eine ganze Bandbreite der techni- solche nicht als Ursache für die Veränderung in schen Qualifikationen.4 Dies spiegelt auch die Betracht. genauere Betrachtung der einzelnen Wirtschafts- zweige wider: Knapp 60 Prozent der Maschinen- Die Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung mit bauunternehmen (und 64 Prozent der Werkzeug- Fachkräften steigen mit der Zahl der Mitarbeiter 2 3 Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Ebenda. 4 Noch viel Arbeit – Zum Reformbedarf auf dem Arbeitsmarkt, Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Berlin 2003. Kluge Köpfe – vergeblich gesucht, Berlin 2007. 11
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt maschinenbauer) führen die Probleme bei der verschärfend wirkt. Doch selbst in der schwierigen Stellenbesetzung als Beschäftigungsbremse an. konjunkturellen Lage derzeit planen Unternehmen Ähnlich ist die Situation im Bereich der Metaller- solcher Wirtschaftszweige, in denen der Fachkräf- zeugung oder auch im Kraftfahrzeugbau, wo etwa temangel stark ist, noch einen Beschäftigungs- jedes zweite Unternehmen den Mangel an qualifi- aufbau (z. B. Maschinenbau, Zeitarbeit) in be- ziertem Personal als Hemmnis für Beschäftigung stimmten Qualifikationsbereichen.6 Es fehlen anführt. jedoch die nötigen Bewerber. Besondere Schwierigkeiten, geeignete Bewerber zu finden, werden zudem von der Zeitarbeitsbran- Potenziale nutzen che gemeldet – 82 Prozent der Unternehmen würden mehr Arbeitsplätze schaffen, wenn aus- Bereits heute kostet der Fachkräftemangel jähr- reichend Fachkräfte zur Verfügung stünden. Wie lich mehr als 20 Milliarden Euro an Wertschöp- die aktuelle DIHK-Konjunkturumfrage zeigt, ist fung. Um hier gegenzusteuern und einem lang- die Nachfrage der Zeitarbeitsunternehmen nach fristigen Verlust an Innovationsfähigkeit vorzu- geeignetem Personal nach wie vor hoch, so dass beugen, muss auf unterschiedlichen Ebenen Fachkräfteengpässe deutlich zu Tage treten.5 Des angesetzt werden. Zum einen sollte das bereits Weiteren bieten viele Unternehmen in anderen heute verfügbare Arbeitskräftepotenzial besser ins Wirtschaftszweigen attraktive Beschäftigungsper- Erwerbsleben integriert werden. Das betrifft spektiven für Hochqualifizierte, was die Suche beispielsweise eine höhere Erwerbsbeteiligung weiter erschwert. von Eltern, wozu die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden muss. Dazu eignet sich Aber auch im Gesundheitsbereich (44 Prozent) der weitere Ausbau, aber auch die zeitliche Flexi- oder den unternehmensnahen Dienstleistungen bilisierung der Kinderbetreuung.7 Auch die Erwei- (43 Prozent) sind bestehende Kräfteengpässe terung der Ganztagsschulangebote ist hier zu nicht zu unterschätzen. Im Konjunkturabschwung nennen. wird die Nachfrage nach Arbeitskräften allgemein nachlassen und damit gegebenenfalls auch die Daneben müssen die Qualifikationen Älterer Knappheitsproblematik kurzfristig ausgeblendet. länger und besser genutzt werden. Die Erwerbsbe- Da es sich dabei jedoch um ein strukturelles teiligung der 55 bis 64-Jährigen ist in Deutsch- Problem handelt, werden sich spätestens im land in den letzten Jahren ausgehend von sehr nächsten Aufschwung die gleichen Fragen erneut geringem Niveau bereits deutlich gestiegen – gut stellen – zumal die demografische Entwicklung jeder Zweite Ältere steht im Job, womit Deutsch- 5 6 Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Ebenda. 7 Wirtschaftslage und Erwartungen – Ergebnisse der DIHK- Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Umfrage bei den Industrie- und Handelskammern, Berlin, Der Kita-Check – Kinderbetreuung in Deutschland 2008, Herbst 2008. Berlin 2008. 12
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt land das Lissabon-Ziel erfüllt. Dass es noch besser Studier- und Ausbildungsfähigkeit kann so ge- geht, zeigt beispielsweise Schweden mit einer steigert werden. Die Schulen brauchen zudem Quote von ca. 70 Prozent. Anreize zur Frühverren- mehr Autonomie und die Entlohnung der Lehrer tung müssen deshalb der Vergangenheit angehö- sollte stärker leistungsorientiert ausgestaltet ren und die Weiterbildungsaktivitäten der älteren werden. Im Hochschulbereich steht die Steigerung Beschäftigten müssen intensiviert werden. In der MINT-Absolventen im Vordergrund, obgleich einer Informations- und Wissensgesellschaft ist insgesamt die Akademikerersatzquoten zu denken lebenslanges Lernen wichtiger den je – auch und geben. Bedarfsprojektionen des Bundesministeri- gerade für Ältere. ums für Bildung und Forschung (BMBF) gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2014 zwischen 180.000 und 490.000 Akademiker fehlen. Über Qualifikation steigern bessere Darlehensmöglichkeiten ließe sich die Attraktivität eines Studiums weiter steigern. Auch Neben der Integration vorhandener Qualifikatio- die Hochschulen müssten mit mehr Freiheit und nen muss der Anteil an hoch qualifizierten Perso- Eigenverantwortung ausgestattet werden, damit nen steigen. Die Unternehmen versuchen bereits sie im Wettbewerb untereinander mit den besten durch vermehrte Investitionen in Aus- und Wei- Angeboten um die besten Studenten konkurrieren terbildung dem Fachkräftemangel zu begegnen. können. Schließlich müssen die Verantwortlichen Im Vergleich zum Vorjahr konnte die ohnehin in Bund und Ländern darauf hinwirken, dass Wege schon hohe Zahl an neu abgeschlossenen Ausbil- von der beruflichen Bildung in die Hochschulen dungsverträgen im IHK-Bereich bis Ende Oktober erleichtert werden. Die auf dem so genannten 2008 noch einmal um 1,5 Prozent auf fast „Bildungsgipfel“ beschlossenen Maßnahmen zur 362.000 gesteigert werden. Doch auch die Politik Qualifizierungsinitiative sind ein Schritt in die steht in der Pflicht, das Bildungssystem fit für die richtige Richtung. Beruflich Qualifizierte ohne Zukunft zu machen. Dies beginnt im frühkindli- schulische Hochschulzugangsberechtigung sollen chen Bereich, wo nicht nur die Quantität, sondern demnach bessere Zugangsmöglichkeiten zur auch die Qualität gesteigert werden sollte. Hierzu Hochschule erhalten. brauchen Kindergärten auch wissenschaftlich ausgebildetes Personal. Das letzte Kindergarten- jahr sollte verpflichtend sein, nicht zuletzt damit Zuwanderung erleichtern alle Schulanfänger über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen. Als dritte Säule zur Linderung des Fachkräfte- mangels sollte die Zuwanderung qualifizierter Im Schulsystem müssen Ganztagsschulangebote Ausländer noch transparenter gestaltet werden. ausgebaut werden, damit unter anderem auch Die jüngst ergriffenen Maßnahmen der Bundesre- eine individuelle Förderung besser möglich ist. Die gierung sind ein Schritt in die richtige Richtung, 13
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt gehen aber nicht weit genug. Deutschland müssen deshalb rechtlich abgesichert werden und braucht mittelfristig ein effizientes, wirtschaftori- sollten ohne Vetorecht der Tarifparteien möglich entiertes Zuwanderungssystem, das den Unter- sein. Es bedarf einer gesetzlichen Klarstellung des nehmen erlaubt, schnell und ohne bürokratische Günstigkeitsprinzips, wobei auch die Beschäfti- Hürden geeignete Fachkräfte einzustellen. Dies gungssicherheit als günstig eingestuft werden kann ein Punkteverfahren leisten, wie es zum muss, selbst wenn dazu in gewissem Umfang und Beispiel in Kanada oder Australien angewendet temporär auf Lohn verzichtet oder länger gearbei- wird. Kurzfristig sollte zumindest die volle Freizü- tet wird. gigkeit für alle Arbeitnehmer aus den neuen EU- Beitrittsländern gelten. Aktuelle Untersuchungen der EU-Kommission kommen zu dem Schluss, dass Arbeitszeit – mehr Spielraum gewähren die EU-15-Länder, die diesen Schritt bereits gegangen sind, davon profitiert haben. Gesetzliche und tarifvertragliche Vorschriften zur Arbeitszeitregelung werden von 13 Prozent der Unternehmen als ausschlaggebend für die Zu- rückhaltung bei neuen Stellen gesehen. Hierbei Tarifrecht – mehr Freiheit wagen handelt es sich sowohl um gesetzliche Regulie- Für 13 Prozent der Unternehmen verhindert das rungen wie zum Beispiel Höchstarbeitszeiten und komplexe Tarifrecht weitere Einstellungen. Be- den Rechtsanspruch auf Teilzeit als auch um sonders das Baugewerbe ist betroffen, wo tarifvertragliche Bestimmungen. Im Osten ist der 20 Prozent der Unternehmen die geltenden Anteil der Unternehmen, die in der Arbeitszeitre- Regelungen beklagen. In der Industrie sind es mit gelung Probleme sehen, mit knapp neun Prozent 15 Prozent etwas weniger. In größeren Betrieben geringer als im Westen (13 Prozent). Die vertrag- wird das Tarifrecht stärker als Beschäftigungshin- lichen Wochenarbeitszeiten sind in den neuen dernis gesehen als in kleinen. Während 18 Pro- Ländern im Durchschnitt höher, was nicht zuletzt zent der Unternehmen mit 200 bis 999 Mitarbei- mit dem vergleichsweise geringen Tarifbindungs- tern tarifliche Regelungen monieren, sind es in grad zu tun hat. Besonders auffällig sind bei der Betrieben mit ein bis neun Beschäftigten nur Betrachtung der einzelnen Wirtschaftszweige die knapp 11 Prozent. Dies dürfte darauf zurückzu- hohen Werte, die von der Verkehrsbranche (mehr führen sein, dass die Tarifbindung in der Regel mit als 30 Prozent), der Sicherheitswirtschaft der Mitarbeiterzahl steigt. (27 Prozent) und den Reinigungsdiensten (25 Prozent) genannt werden. Aus Sicht des DIHK sollte der Flächentarifvertrag flexibler ausgestaltet werden, um so den unter- Die Einschätzung der Unternehmen insgesamt schiedlichen betrieblichen Realitäten besser lässt darauf schließen, dass es bei der Umsetzung Rechnung zu tragen. Betriebliche Bündnisse der Wünsche zur Arbeitszeitflexibilisierung keine 14
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt gravierenden Hindernisse gibt. Bereits heute indem sie das Arbeitszeitgesetz dahingehend greifen die Betriebe verstärkt auf unterschiedliche ändert, dass der Bezugszeitraum von derzeit sechs Instrumente der Arbeitszeitflexibilisierung zu- auf zwölf Monate verlängert wird, innerhalb rück.8 Dies gilt insbesondere für flexible Wochen- dessen die wöchentliche Höchstarbeitszeit von arbeitszeiten und in etwas geringerem Ausmaß 48 Stunden berechnet wird. Das heißt, eine für Gleitzeit und für Jahresarbeitszeitkonten. werktägliche Arbeitszeit, die in bestimmten Dennoch besteht Potenzial zur weiteren Flexibili- Phasen acht Stunden überschreitet, müsste dann sierung. Die Unternehmen müssen grundsätzlich innerhalb von zwölf und nicht von sechs Monaten in der Lage sein, ihre Produktionskapazitäten ausgeglichen werden. gemäß der aktuellen Auftragslage anzupassen und kurzfristig zu reagieren, um wettbewerbsfä- hig zu sein. Hier sind sowohl die Tarifvertragspar- II. Mindestlöhne verringern Beschäfti- teien als auch die Politik gefordert. Die Tarifver- gung träge müssen genügend Freiraum für unterschied- liche Formen der betrieblichen Arbeitszeitgestal- Die hohen Arbeitskosten sind das größte Beschäf- tung erlauben. Auch kleine Unternehmen müssen tigungshemmnis – so ein zentrales Ergebnis der Flexibilitätspotenziale umsetzen können. Längere Untersuchung. Vor diesem Hintergrund interes- Arbeitszeiten, die vom Tarifvertrag abweichen, siert die Wirkung von Mindestlöhnen, denn wenn müssen innerbetrieblich vereinbar sein, um Be- diese die Arbeitskosten weiter erhöhen, sind schäftigung bei schwankenden Auslastungen der negative Effekte programmiert. 45 Prozent der Kapazitäten zu sichern. Die Ausweitung von Unternehmen geben an, dass sie von einem Arbeitszeitkorridoren wäre denkbar. Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro, wie er derzeit diskutiert wird, betroffen wären.9 Von diesen Die tatsächliche jährliche Arbeitszeit der Erwerbs- Unternehmen würde mehr als jedes fünfte mit tätigen ist in Deutschland im Zeitraum von 2000 einem Jobabbau reagieren.10 In der Industrie sind bis 2007 um 2,7 Prozent auf 1.433 Stunden die Befürchtungen – 17 Prozent würden ihren gesunken. Die Last der hohen Arbeitskosten ließe Beschäftigungsstand verringern – etwas geringer sich hierzulande verringern, wenn durch längere Arbeitszeiten die Arbeitskosten pro Stunde verrin- gert würden. Dadurch stiege die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. 9 55 Prozent gaben an, nicht von diesen Mindestlöhnen betroffen zu sein. Dies ist damit zu erklären, dass diese Die Politik kann zu mehr Flexibilität verhelfen, Unternehmen keine Einführung von Mindestlöhnen in ihrer Branche erwarten oder weil ohnehin Löhne gezahlt werden, die oberhalb der 7,50-Euro-Marke liegen. 10 Die jeweiligen Anteile beziehen sich auf diejenigen 8 Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Unternehmen, die angegeben haben, von Mindestlöhnen Individuell und flexibel – Wettbewerbsfaktor Arbeitszeitges- betroffen zu sein. Die Bezugsbasis bilden also 45 Prozent der taltung, Berlin 2004. Unternehmen. 15
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt als im Handel (25 Prozent) und bei den Dienstleis- dieser Sonderstellung des Baugewerbes in der tungen (27 Prozent), was daran liegt, dass die Gesamtbetrachtung der Branchen nur Industrie, Industrielöhne selbst in den untersten Tarifgrup- Handel und Dienstleistungen zusammengefasst, pen im Durchschnitt höher sind und sich die dann gehen 23 Prozent der betroffenen Unter- Relevanz des Mindestlohns damit verringert. nehmen von einer Verringerung und sechs Prozent Angenommen in Ihrer Branche würde der Gesetzgeber einen Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro pro Stunde einführen: Würde sich dadurch die Beschäftigtenzahl in Ihrem Unternehmen am Standort Deutschland verändern? nach Wirtschaftszweigen - in Prozent Rest zu 100: Keine Veränderung 30 27 27 25 25 22 20 17 ja, erhöhen 15 ja, verringern 10 9 7 7 6 5 5 0 Industrie Bauwirtschaft Handel Dienstleistungen insgesamt Im Gegensatz zu diesen recht beachtlichen Ab- von einer Erhöhung ihrer Beschäftigung aus. bauplänen würde mehr als ein Viertel der Unter- nehmen des Baugewerbes (27 Prozent) hingegen Neben den bereits geltenden und höheren Min- die Zahl der Beschäftigten erhöhen, wenn ein destlöhnen kommt zur Erklärung der sechs bzw. Mindestlohn von 7,50 Euro gelten würde. Dies sieben Prozent der Unternehmen, die ihre Be- erklärt sich damit, dass der unterstellte Wert von schäftigung infolge der Mindestlohneinführung 7,50 Euro zum Teil deutlich unter den derzeit ausweiten würden, die Wettbewerbssituation in gültigen Mindestlöhnen im Baugewerbe liegt, die Betracht. Wie das jüngste Beispiel des Post- je nach Lohngruppe zwischen 9 und 12,85 Euro Mindestlohns zeigt, ist es denkbar, dass bestimm- betragen – die Arbeitskosten würden also sinken. te Unternehmen insofern von der staatlich fixier- Diese Antworten der Bauunternehmen sind eben- ten Lohnuntergrenze profitieren, weil damit den falls ein deutliches Indiz dafür, dass (zu hohe) Konkurrenzunternehmen ein gewichtiger Wett- Mindestlöhne einem Beschäftigungsaufbau im bewerbsparameter geraubt wird und der Wettbe- Wege stehen und deren Absenkung im Gegenzug werbsdruck sinkt. Konkurrenten sind dann nicht zu mehr Beschäftigung führt. Werden aufgrund mehr in der Lage, ihre Produkte günstiger anzu- 16
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt bieten und verschwinden vom Markt. Für die Jobverluste bei Geringqualifizierten … eingesessenen Unternehmen entstehen dadurch zwar zusätzliche Jobpotenziale weil der Kosten- Dass es gerade Geringqualifizierte sind, denen druck sinkt, insgesamt geht aber die Beschäfti- man mit der Einführung eines Mindestlohns einen gung in der Branche zurück. Die Rechnung dafür Bärendienst erweisen würde, weil Jobmöglichkei- zahlen letztlich die Verbraucher über höhere ten wegfallen, wird durch die Betrachtung einzel- Preise sowie die Beschäftigten der Konkurrenzun- ner Wirtschaftszweige deutlich. Insbesondere ternehmen, die ihren Job verlieren. dort, wo vielfach Einfacharbeiten ausgeführt werden, ist der Anteil der Unternehmen besonders hoch, die ihre Beschäftigtenzahl verringern wür- Ostdeutschland besonders betroffen den. Spitzenreiter ist hier die Sicherheitswirt- schaft: Mehr als jedes zweite Unternehmen (56 Bei regionaler Betrachtung wird deutlich, dass Prozent) würde weniger Mitarbeiter beschäftigen Mindestlöhne insbesondere in Ostdeutschland als zurzeit, fast 19 Prozent sogar in erheblichem beschäftigungsfeindliche Effekte haben. Hier Umfang. Auch bei den Reinigungsdiensten (38 gaben 56 Prozent der Unternehmen an, von Prozent) und dem Gastgewerbe (37 Prozent) sind potenziellen Mindestlöhnen betroffen zu sein die negativen Effekte besonders ausgeprägt. Von (Norden: 42 Prozent, Süden: 37 Prozent, Westen: den Unternehmen in diesen Wirtschaftszweigen 48 Prozent). Mehr als ein Drittel dieser Unter- gaben – verglichen mit den Ergebnissen für die nehmen würde den Mitarbeiterbestand verrin- Gesamtwirtschaft – allerdings überdurchschnitt- gern, 13 Prozent aller betroffenen Unternehmen lich viele einen Beschäftigungsaufbau infolge des sogar in beträchtlichem Ausmaß. Im Norden Mindestlohns an. Dies ist aber nur ein scheinbar gaben lediglich 20 Prozent der Unternehmen an, paradoxes Ergebnis. Denn auf der einen Seite die Zahl der Beschäftigten zu verringern, im existiert eine Gruppe von Unternehmen, die in der Süden sind es 19 Prozent und im Westen 16 Pro- höheren Kostenbelastung ein Problem für die zent. Die sowieso schon angespannte Beschäftigung sieht. Auf der anderen Seite stehen Arbeitsmarktlage in den neuen Ländern würde Unternehmen, die im Mindestlohn ein Instrument sich dort weiter verschärfen und gerade sehen, um die Wettbewerbsintensität zu mindern Geringqualifizierte würden vom Arbeitsmarkt und sich dadurch einen Schutz vor kostengünsti- verdrängt, weil diese in der Regel infolge geren Konkurrenten versprechen. Betrachtet man geringerer Produktivität auch geringere Löhne aber den Saldo aus Auf- und Abbauplänen, so erhalten. Ein Standortvorteil der ostdeutschen überwiegt die Personalverringerung deutlich Wirtschaft, in der die Arbeitskosten im Vergleich (Sicherheitswirtschaft: -46 Punkte, Gastgewerbe: zu Westdeutschland niedriger sind, würde damit -34 Punkte, Reinigungsgewerbe: -28 Punkte). quasi per Gesetz genommen. 17
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt Angenommen in Ihrer Branche würde der Gesetzgeber einen Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro pro Stunde einführen: Würde sich dadurch die Beschäftigtenzahl in Ihrem Unternehmen am Standort Deutschland verändern? ausgewählte Wirtschaftszweige - in Prozent Rest zu 100: Keine Veränderung 60 56 50 40 38 37 31 ja, erhöhen 30 ja, verringern 20 16 10 10 10 3 0 Sicherheitswirtschaft Gastgewerbe Reinigungsgewerbe Zeitarbeit … und in der Zeitarbeit abbauen, während nur 16 Prozent positive Be- schäftigungseffekte vermuten. Diese Branche Derzeit wird diskutiert, neben Bauberufen, Ge- bietet aber für viele Arbeitslose einen Einstieg in bäudereinigung und den Briefdienstleistungen Beschäftigung. Jeder Vierte wird vom Kundenun- weitere Branchen in das Arbeitnehmerentsende- ternehmen übernommen und weitere 20 Prozent gesetz aufzunehmen und damit dort Mindestlöh- finden einen neuen Arbeitgeber. Die nötigen ne einzuführen. Ein möglicher Kandidat dafür ist Flexibilitätspotenziale dieser Branche dürfen das bereits erwähnte Sicherheitsgewerbe, wo es daher nicht durch zusätzliche Regulierung be- infolge der staatlich festgesetzten Löhne zu schnitten werden. erheblichem Jobabbau kommen dürfte. Ein weite- rer Kandidat ist die Zeitarbeit. Diese bietet den Keine neuen Mindestlöhne Unternehmen ein hohes Maß an Flexibilität und hat sich im letzten Aufschwung als Jobmotor Die Umfrageergebnisse verdeutlichen die beschäf- erwiesen. Mit der Einführung eines Mindestlohns tigungsfeindlichen Wirkungen von Mindestlöh- von 7,50 Euro würde hier Sand ins Getriebe nen. Aber auch zur Bekämpfung von Armut und gestreut. 75 Prozent der Zeitarbeitsunternehmen zur Verringerung von ergänzendem ALG II-Bezug geben an, dass sie von einem solchen Mindest- sind sie kein geeignetes Instrument, wie von lohn betroffen wären. Fast ein Drittel dieser vielen Befürworten unterstellt wird. Nur ca. Unternehmen würden als Reaktion darauf Jobs 378.000 Personen, die zusätzlich zu einem gerin- 18
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt gen Lohn noch auf staatliche Unterstützung in einkommen ist aber kein flächendeckendes Phä- Form von ALG II angewiesen sind (Aufstocker), nomen. Da wo es gemacht wird, ist es sinnvoll, gingen im Juni 2008 einer Vollzeitbeschäftigung weil die Aufstocker so einer Erwerbsarbeit nach- nach und nur weniger als 60.000 Personen sind gehen und zumindest teilweise für ihren Lebens- alleinstehend und vollzeittätig – und nur hier ist unterhalt selbst aufkommen. Die Alternative wäre der Schluss zulässig, dass allein ein relativ niedri- vielfach Arbeitslosigkeit mit ausschließlichem ger Lohn die Ursache für Bedürftigkeit und ALG ALG II-Bezug – die staatlichen Transfers wären II-Bezug ist. Im Durchschnitt lag der Bruttostun- dann noch größer. denlohn der vollzeittätigen Aufstocker im Jahr 2006 bei neun Euro und damit deutlich höher als Ein zweites Argument der Befürworter von Min- ein Mindestlohn von z. B. 7,50 Euro. Bei Bedarfs- destlöhnen zielt darauf ab, dass jeder, der einer gemeinschaften mit Kindern sind die ALG II- ordentlichen Vollzeitarbeit nachgeht, auch von Leistungen höher als bei Alleinstehenden: Ein seinem Verdienst leben können muss. Wie oben verheirateter Alleinverdiener mit zwei Kindern angedeutet, kann aber auch ein Mindestlohn müsste bei einer 40-Stunden-Woche über zwölf diese Forderung nicht erfüllen, da dazu z. B. bei Euro brutto pro Stunde verdienen, um nicht in die Singles und bei kinderreichen Familien ein unter- Gruppe der Aufstocker – und damit in den ergän- schiedlicher Verdienst nötig wäre. Ausschlagge- zenden ALG II-Bezug – zu fallen. Ein Mindestlohn bend für die Höhe der individuellen Entlohnung würde hier den Transferbezug nicht beenden. ist die Produktivität der Beschäftigten – nicht eine staatlich definierte Einkommenshöhe. Die Vielen Berufsanfängern würde der Mindestlohn Verbesserung der Bildung muss deshalb ganz Steine in den Weg legen und die ersten Schritte oben auf der Prioritätenliste stehen, damit die auf den Arbeitsmarkt erschweren. Niedrige Löhne Produktivität und damit die für den einzelnen sind häufig Einstiegslöhne für Berufsanfänger, die erzielbaren Löhne steigen. den Start ins Berufsleben erleichtern. Der Min- destlohn würde dann zum Einstiegshemmnis gerade für die, die keine Ausbildung und keine III. Stellenbesetzung hauptsächlich über Qualifizierung haben oder schon lange arbeitslos sind. Zeitungsanzeigen Auch weitere häufig vorgebrachte Argumente zur Fachkräftemangel auf der einen Seite und weiter- Rechtfertigung staatlicher Lohnuntergrenzen hin zu hohe Arbeitslosenzahlen auf der anderen können auf den zweiten Blick nicht überzeugen. Seite rücken den Prozess der Stellensuche und So solle verhindert werden, dass der Staat dauer- -besetzung verstärkt ins Blickfeld. Die Unterneh- haft zum Lohnzahler wird, weil er aufstockendes men suchen geeignete Bewerber für freie Stellen ALG II leistet. Die Aufstockung geringer Vollzeit- in erster Linie über Zeitungen und Fachzeitschrif- 19
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