Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern - Reformoptionen auf dem deutschen Arbeitsmarkt

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Beschäftigungshürden
abbauen, Jobs sichern

                                                Standortpolitik
Reformoptionen auf dem deutschen Arbeitsmarkt

Ergebnisse einer
DIHK-Unternehmensbefragung
Herbst 2008

              Deutscher
              Industrie- und Handelskammertag
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat im Rahmen seiner Umfrage
              zu „Wirtschaftslage und Erwartungen“ im Herbst 2008 die Industrie- und Handelskammern
              (IHKs) gebeten, die Unternehmen auch zu den Themen Beschäftigungshindernisse, Min-
              destlohn und Kanäle der Stellenbesetzung zu befragen. Die einzelnen Fragen sind im
              Anhang aufgeführt.

              Der DIHK-Auswertung liegen knapp 20.000 Unternehmensantworten zugrunde. Nach
              Wirtschaftsbereichen stammen die Antworten aus der Industrie (35 Prozent), aus der
              Bauwirtschaft (6 Prozent), aus dem Handel (22 Prozent) und aus den Dienstleistungen
              (37 Prozent).

              Die Untergliederung nach Unternehmensgröße weist 42 Prozent kleine Unternehmen mit
              bis zu 19 Beschäftigten aus, 45 Prozent mittlere Unternehmen mit 20 bis 199 Beschäftigten
              sowie 11 Prozent mittelgroße Unternehmen mit bis zu 999 Beschäftigten. Zwei Prozent
              der Antworten entfallen auf große Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern.

Herausgeber   © DIHK | Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V.
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              Internet: www.dihk.de

Redaktion     Dr. Achim Dercks, Dr. Stefan Hardege | DIHK

Stand         November 2008
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

Inhaltsverzeichnis                                                                           Seite

Ergebnisse und Empfehlungen                                                                     2

I. Hindernisse für den Beschäftigungsaufbau                                                     5

II. Mindestlöhne verringern Beschäftigung                                                      15

III. Stellenbesetzung hauptsächlich über Zeitungsanzeigen                                      19

Fragebogen                                                                                     25

DIHK-Veröffentlichungen zum Arbeitsmarkt                                                       26

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Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

                                   Ergebnisse einer DIHK-Umfrage und Empfehlungen

(1)       Einstellungshürden

Ergebnisse in Kurzform:

x     Für die Hälfte der Unternehmen sind die hohen Arbeitskosten ein Haupthindernis, mehr Arbeitsplätze in
      Deutschland zu schaffen. Insbesondere im Baugewerbe erschweren diese Kosten den Beschäftigungs-
      aufbau.

x     Auch die Vorgaben beim Kündigungsschutz und der befristeten Beschäftigung wirken als Jobbremse.
      Mehr als jedes dritte Unternehmen würde bei flexibleren Regelungen zusätzliche Personen einstellen.

x     In 35 Prozent der Unternehmen verhindert der Fachkräftemangel zusätzliche Einstellungen, weil qualifi-
      zierte Bewerber fehlen. Besonders in technikorientierten Wirtschaftszweigen ist diese Knappheit groß:
      So geben 60 Prozent der Maschinenbauunternehmen das Fehlen von Fachkräften als Einstellungshemm-
      nis an.

x     Für 13 Prozent der Unternehmen ist das komplexe Tarifrecht ein Hindernis für mehr Beschäftigung.
      Besonders im Baugewerbe ist dies wichtig, jedes fünfte Unternehmen sieht sich hier negativ betroffen.

x     Ebenfalls 13 Prozent der Unternehmen berichten über gesetzliche oder tarifvertragliche Einschränkun-
      gen bei der Arbeitszeit als Einstellungsbremse. Im Osten sind es mit neun Prozent weniger – dort sind
      die Wochenarbeitszeiten in der Regel höher.

DIHK-Empfehlungen:

x     Die Beschäftigungshindernisse am deutschen Arbeitsmarkt müssen abgebaut werden. Zur Verringerung
      der Arbeitskosten sollte die Finanzierung der sozialen Sicherung vom Arbeitseinkommen abgekoppelt
      werden: Einkommensunabhängige Prämien in der Kranken- und Pflegeversicherung würden den Faktor
      Arbeit entlasten.

x     Damit die Lohnkosten keine negativen Beschäftigungseffekte entfalten, müssen die Tarifvertragsparteien
      auf verantwortungsbewusste und maßvolle Abschlüsse hinwirken. Gerade bei der aktuellen Konjunktur-
      eintrübung und rückläufigen Auftragseingängen darf der Verteilungsspielraum nicht überschritten wer-
      den. Die Sicherung der im Aufschwung geschaffenen Arbeitsplätze muss an erster Stelle stehen.

x     Das deutsche Tarifrecht muss flexibler werden. Dazu sollten betriebliche Bündnisse rechtlich abgesichert
      werden und ohne Vetorecht der Tarifparteien möglich sein. Das Günstigkeitsprinzip ist zu modifizieren,
      so dass auch die Sicherung von Arbeitsplätzen dieses Kriterium erfüllt.

x     Zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sollte der Kündigungsschutz gelockert werden, der vielfach von
      den Unternehmen als Beschäftigungsbarriere gesehen wird. Erst in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbei-
      tern sollten die gesetzlichen Regelungen greifen. Ferner bedarf es der Option, bereits bei Beginn des Ar-
      beitsverhältnisses alternativ zur Anwendung des Kündigungsschutzes für den Fall einer betriebsbeding-
      ten Entlassung die Zahlung einer Abfindung zu vereinbaren.

x     Der Einstieg in Beschäftigung kann gerade für Geringqualifizierte erleichtert werden, wenn die Vor-
      schriften zur Befristung flexibilisiert werden. Deshalb sollten Unternehmen eine sachgrundlose Befris-

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Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

      tung bis zu vier Jahren anbieten dürfen, sofern der Arbeitnehmer in den letzten sechs Monaten nicht bei
      diesem Arbeitgeber tätig war.

x     Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, der nach Ende der Wirtschaftskrise sofort wieder offenbar sein
      wird, sollte vor allem in zwei Bereichen angesetzt werden. Erstens muss die Erwerbsbeteiligung steigen,
      wozu eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf der richtige Weg ist. Damit können mehr qualifi-
      zierte Eltern am Erwerbsleben überhaupt oder im gewünschten Ausmaß teilnehmen.

x     Zweitens muss das Qualifikationsniveau insgesamt steigen, wozu Bund und Länder mit einer Reform des
      Bildungssystems beitragen können. Dies gilt für alle Ebenen: Im Bereich der frühkindlichen Bildung soll-
      ten das letzte Kindergartenjahr verpflichtend sein und der Erwerb der deutschen Sprache ganz oben ste-
      hen. Im Schulsystem können Ganztagsangebote die individuelle Förderung verbessern. Im tertiären Be-
      reich müssen die Hochschulen vorhandene Spielräume nutzen und mehr Autonomie erhalten, damit sich
      im Wettbewerb die Qualität der Studienangebote verbessert. Da lebenslanges Lernen immer wichtiger
      wird, muss zudem die Weiterbildungsbeteiligung steigen – gerade bei älteren Arbeitnehmern.

x     Auch die erfolgreiche duale Berufsausbildung muss gestärkt werden. Dazu braucht es Anpassungen der
      Struktur: Das Modell „Dual mit Wahl“, das der DIHK mit Unternehmen zusammen entwickelt hat, ver-
      bindet die Vorzüge der dualen Ausbildung mit flexiblen berufsspezifischen Wahlmöglichkeiten. Die öf-
      fentlich-rechtliche Ausbildungsprüfung garantiert bundesweit anerkannte Qualität und damit Mobilität
      der Fachkräfte.

(2)       Mindestlohngefahren

Ergebnisse in Kurzform:

x     Die Einführung eines Mindestlohns in Höhe von 7,50 Euro beträfe 45 Prozent der Unternehmen. Mehr
      als jedes fünfte dieser betroffenen Unternehmen würde darauf mit einem Jobabbau reagieren. In Ost-
      deutschland wären 56 Prozent der Unternehmen von einem 7,50-Euro-Mindestlohn betroffen. Mehr als
      ein Drittel dieser Betriebe würde den Mitarbeiterbestand verringern, 13 Prozent sogar in beträchtlichem
      Ausmaß.

x     Geringqualifizierte wären vielfach die Leidtragenden der Mindestlöhne. Branchen wie Sicherheitswirt-
      schaft, Reinigungsdienste oder das Gastgewerbe, die für Personen mit geringer beruflicher Qualifikation
      Arbeitsplätze anbieten, würden in besonders hohem Maße Stellen streichen.

x     Von den Betrieben im Baugewerbe geben 27 Prozent an, ihre Beschäftigtenzahl zu erhöhen, wenn ein
      solcher Mindestlohn für sie gelten würde. Diese atypische Reaktion erklärt sich dadurch, dass dort zur-
      zeit deutlich höhere Mindestlöhne gelten. Auch diese Antworten sind damit ein Indiz für die Beschäfti-
      gung hemmenden Effekte von zu hohen Mindestlöhnen.

DIHK-Empfehlungen:

x     Mindestlöhne steigern die Arbeitskosten zusätzlich und verschlechtern gerade die Beschäftigungsmög-
      lichkeiten für Geringqualifizierte. Ob branchenbezogen oder flächendeckend – die Einführung weiterer
      Mindestlöhne muss unterbleiben.

x     Sofern geringe Einkommen aus Erwerbsarbeit nicht zum Lebensunterhalt ausreichen, werden sie zu
      Recht schon heute durch staatliche Transfers aufgestockt. Die Beschäftigten müssen aber im Sinne des
      Subsidiaritätsprinzips einen möglichst großen Eigenbeitrag leisten – auch durch niedrig entlohnte Tätig-
      keiten.

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Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

(3)       Wege der Stellenbesetzung

Ergebnisse in Kurzform:

x     Freie Stellen versuchen die Unternehmen in erster Linie über Anzeigen in Zeitungen und Fachzeitschrif-
      ten zu besetzten (66 Prozent). Erst an zweiter Stelle folgt die Meldung an die Bundesagentur für Arbeit
      (47 Prozent). An dritter Stelle steht die Einschaltung privater Arbeitsvermittler und Zeitarbeitsunter-
      nehmen (35 Prozent). Private Internetjobportale werden von 23 Prozent der Betriebe genutzt.

x     Die Unternehmen in Branchen, die besonders vom Mangel an qualifizierten Fachkräften betroffen sind,
      greifen in überdurchschnittlichem Maße auf Zeitungsannoncen und nur unterdurchschnittlich auf die
      Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit zurück. Letztere wird eher dann genutzt, wenn weniger quali-
      fizierte Mitarbeiter gesucht werden.

DIHK-Empfehlungen:

x     Um Arbeitslose und freie Stellen besser zueinander zu führen, muss die Vermittlungstätigkeit der Bun-
      desagentur für Arbeit effizienter werden. Eine engere Kooperation der Agenturen und Betriebe vor Ort –
      auch unterstützt durch die IHKs – kann hier ebenso helfen, wie eine hohe Qualifikation der Mitarbeiter
      sowie leistungsorientierte Vergütungselemente. Hinsichtlich der SGB II-Verwaltung bedarf es klarer Zu-
      ständigkeiten bei der Betreuung von ALG II-Empfängern. Die Verantwortung sollte hier bei den kommu-
      nalen Trägern liegen.

x     Auch von den Arbeitslosen ist ein höheres Maß an Kooperationsbereitschaft und Verantwortung nötig,
      um den vollen Transferbezug zu erhalten. Dazu gehören auch berufliche und räumliche Flexibilität.

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Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

I. Hindernisse für den Beschäftigungs-                                                                                      Bereich der MINT-Berufe (Mathematik, Informa-
                                                                                                                            tik, Naturwissenschaften, Technik). Diese Kräfte-
aufbau
                                                                                                                            engpässe führen zu einem erheblichen Verlust an
                                                                                                                            Wertschöpfung. Zum anderen haben es gerade
In den zurückliegenden drei Jahren hat sich der
                                                                                                                            Personen ohne Berufsausbildung schwer, eine
deutsche Arbeitsmarkt erfreulich entwickelt. Die
                                                                                                                            Beschäftigung zu finden – die Arbeitslosenquote
Zahl der Arbeitslosen ist um mehr als 1,5 Millio-
                                                                                                                            der Geringqualifizierten liegt bei etwa 20 Prozent.
nen auf unter 3 Millionen gesunken und die
                                                                                                                            Ein weiteres Problem besteht in der hohen Lang-
Erwerbstätigenzahl liegt mit mehr als 40 Millio-
                                                                                                                            zeitarbeitslosigkeit: Mehr als die Hälfte aller
nen auf Rekordniveau. Profitiert hat Deutschland
                                                                                                                            Arbeitslosen ist schon seit 12 Monaten oder
von der bis vor kurzem weltweit positiven Kon-
                                                                                                                            länger ohne Job, so viele wie in kaum einem
junkturentwicklung, aber auch von den Reform-
                                                                                                                            anderen Industrieland. Je länger aber die Arbeits-
maßnahmen am Arbeitsmarkt im Rahmen der
                                                                                                                            losigkeit andauert, desto schwerer wird es für die
Agenda 2010. Auf diesen Erfolgen darf sich die
                                                                                                                            Betroffenen, eine neue Stelle zu finden.
Politik jedoch nicht ausruhen.

                      Was sind – abgesehen von Auftragslage und sonstiger Kostenbelastung – die Haupthindernisse für
                                       Ihr Unternehmen, im Inland (mehr) Arbeitsplätze zu schaffen?
                                                    nach Wirtschaftszweigen - in Prozent
                                                       (Mehrfachantworten möglich)

  70

                                               61
  60
                                                                            56

                                                                                                                                        50
  50             48                                                                                     48

                                41                           41                                                                                           keine Hindernisse
            40                            39
  40                                                                                     38                                                               Fachkräftemangel
                                                                                                   36                              35                36
                                                                                                                                                          zu hohe Arbeitskosten
                                                                                                                                                          Arbeitszeitregelungen
                                                                                                                       30
  30                                                                                                                                                      komplexes Tarifrecht
                                                                       26                     25                                                          Vorgaben bei Kündigungsschutz und Befristung
       22                                                         23                                                          23
                                                        20
  20
                           15        15                                                                      14
                      12                                                         12 12                                                       13 13
                                                                                                                  10
  10                                                8

   0
            Industrie                 Bauwirtschaft                     Handel                Dienstleistungen                     insgesamt

                                                                                                                            Gerade die aktuelle Konjunkturschwäche macht
Auf dem Arbeitsmarkt zeigen sich nach wie vor
                                                                                                                            es erforderlich, die nach wie vor bestehenden
unterschiedliche Problemfelder. Zum einen su-
                                                                                                                            Beschäftigungshürden am Arbeitsmarkt abzubau-
chen viele Unternehmen händeringend nach
                                                                                                                            en und keine neuen zu errichten, damit Arbeits-
geeigneten Fachkräften und können offene Stel-
len häufig nicht besetzen – insbesondere im

                                                                                                                                                                                                         5
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

plätze erhalten und spätestens im nächsten              zu hohen Arbeitskosten als Hauptmotiv an, wäh-
Aufschwung schnell neue Stellen geschaffen              rend es zum Beispiel im Maschinenbau 42 Prozent
werden. Der Handlungsbedarf ist groß: Über drei         sind. Im internationalen Vergleich haben sich
Viertel der Unternehmen sehen mindestens ein            zudem die Lohnstückkosten in Deutschland
Hindernis, das der Einstellung zusätzlichen Perso-      günstig entwickelt, auch hiervon profitiert die
nals entgegen steht.                                    Industrie im internationalen Wettbewerb.

                                                        Bei kleinen Unternehmen verhindern die hohen
Hohe Arbeitskosten sind Jobbremse Nr.1                  Arbeitskosten eher die Entstehung neuer Arbeits-
                                                        plätze als in Großunternehmen. In Relation zum
Die Arbeitskosten in Deutschland stellen das            Umsatz fallen diese Kosten dort sehr viel stärker
Haupthindernis für das Schaffen von mehr Ar-            ins Gewicht und verhindern Neueinstellungen.
beitsplätzen im Inland dar. Für jedes zweite            Mit steigender Größe nimmt die Bedeutung der
Unternehmen sind die Lohn- und Gehaltskosten            Arbeitskosten als Einstellungshürde sukzessive ab,
zusammen mit den Sozialabgaben eine zentrale            sie ist allerdings auch bei Großunternehmen nicht
Begründung dafür, keine zusätzlichen Arbeitsplät-       zu vernachlässigen. Nahezu 60 Prozent der Un-
ze anzubieten. Insbesondere im Baugewerbe               ternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern sehen
erweisen sich diese Belastungen als Jobbremse –         in den Arbeitskosten ein Haupthindernis für mehr
über 61 Prozent der Unternehmen geben zu hohe           Beschäftigung. Für Unternehmen mit mehr als
Arbeitskosten als Haupthindernis an, mehr Men-          1.000 Beschäftigten sind es „nur“ 40 Prozent.
schen zu beschäftigen. Im Handel gilt dies für
mehr als die Hälfte der Unternehmen, während            Auch in regionaler Betrachtung zeigen sich
der Anteil in der Industrie und im Dienstleis-          Unterschiede: In Ostdeutschland ist der Anteil der
tungsbereich mit 48 Prozent etwas geringer              Unternehmen, die durch hohe Arbeitskosten
ausfällt.                                               davon abgehalten werden, mehr Jobs zu schaffen,
                                                        mit 57 Prozent höher als in den alten Bundeslän-
Generell gilt: Je binnenorientierter die Unterneh-      dern, wo dieser Anteil bei 49 Prozent liegt. Ob-
men, desto eher stellen die Arbeitskosten das           wohl die Löhne in den neuen Ländern nach wie
dominante Problem dar. Die Absatzmärkte für die         vor niedriger sind, stellen diese die Unternehmen
vielfach exportorientierten Industrieunternehmen        dort vor größere Hürden. Davon ausgenommen ist
haben sich in den letzten Jahren besser entwi-          die Industrie, wo der Wert mit 46 Prozent sogar
ckelt als diejenigen für Einzelhandel und Bau.          etwas unterhalb des bundesweiten Durchschnitts
Insofern fallen die hohen Arbeitskosten hierzu-         liegt – ein Indiz für die zunehmende Wettbe-
lande für die Industrie weniger stark ins Gewicht.      werbsfähigkeit ostdeutscher Industriebetriebe.
So führen 62 Prozent der Einzelhändler und 56           Besonders auffallend ist, wie häufig die hohen
Prozent der personenbezogenen Dienstleister die         Arbeitskosten gerade ostdeutsche Bauunterneh-

                                                                                                            6
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

men von der Schaffung neuer Jobs abhalten                                                                             auch dem Einzelhandel (62 Prozent).1 Die weitere
(70 Prozent). Hier wird die beschäftigungsfeindli-                                                                    Erhöhung der Lohnzusatzkosten im Zuge der
che Wirkung von Mindestlöhnen in dieser Bran-                                                                         Einführung des Gesundheitsfonds ist vor diesem
che deutlich, die die Arbeitskosten zusätzlich                                                                        Hintergrund kontraproduktiv. Die Senkung des
erhöhen und somit die Beschäftigung verringern.

                       Was sind – abgesehen von Auftragslage und sonstiger Kostenbelastung – die Haupthindernisse für
                                        Ihr Unternehmen, im Inland (mehr) Arbeitsplätze zu schaffen?
                                                 nach Beschäftigtengrößenklassen - in Prozent
                                                        (Mehrfachantworten möglich)

   70

   60             58
                                              54

   50                                                                       47

                                                                                         41        41 42                       42                       keine Hindernisse
                                                                       39                                                           40
   40                                                        37                                                                                         Fachkräftemangel
                                                                                                                     36
                                         34                                                                                                             zu hohe Arbeitskosten
                                                                                                                          31                            Arbeitszeitregelungen
                               29                                                                                                                  29
   30                                                                                                                                                   komplexes Tarifrecht
             26
        24                                                                                    24                                                        Vorgaben bei Kündigungsschutz und Befristung
                                    22                            22
   20                                                                                                           18
                                                                                                           15                                 15
                       11 11                       12                            13 13                                                   13
                                                        10
   10

    0
                  1-9                     10 - 19                      20 - 199                    200 - 999              mehr als 1000

Arbeitskosten senken                                                                                                  Beitrags zur Arbeitslosenversicherung auf
                                                                                                                      2,8 Prozent ist zwar ein Schritt in die richtige
Die Reduktion der Arbeitskosten gehört nach wie
                                                                                                                      Richtung. Der bereits beschlossene Wiederanstieg
vor auf die erste Seite im wirtschaftspolitischen
                                                                                                                      auf 3,0 Prozent zum 1. Juli 2010 verhindert
Pflichtenheft. Gerade der Problemgruppe der
                                                                                                                      allerdings eine dauerhafte Entlastung.
Geringqualifizierten würde damit geholfen. Denn
in Wirtschaftszweigen, in denen diese vornehm-
                                                                                                                      Die Finanzierung der Kranken- und Pflegeversi-
lich Beschäftigung finden, stellen die Arbeitskos-
                                                                                                                      cherung sollte vom Arbeitseinkommen entkoppelt
ten eine besonders hohe Beschäftigungshürde
dar, so zum Beispiel bei den Reinigungsdiensten
                                                                                                                      1
                                                                                                                       Vgl. zu den Beschäftigungshindernissen für Geringqualifi-
(68 Prozent), dem Gastgewerbe (66 Prozent) oder                                                                       zierte auch Deutscher Industrie- und Handelskammertag
                                                                                                                      (DIHK), Chancen nutzen, Hemmnisse beseitigen – Beschäfti-
                                                                                                                      gung Geringqualifizierter in Deutschland, Berlin 2006.

                                                                                                                                                                                                       7
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

werden, was auch in Anbetracht der demografi-           Dazu ist eine begleitende und hochwertige Wirk-
schen Entwicklung dringend geboten ist. Dazu            samkeitskontrolle unerlässlich. Das Arbeitslosen-
bieten sich einkommensunabhängige Prämien an,           geld sollte für alle Arbeitslosen maximal
wodurch der Faktor Arbeit entlastet und die             12 Monate gezahlt werden. Es stellt eine Versi-
Arbeitsnachfrage der Unternehmen gestärkt wird.         cherungsleistung dar, die keinen Bezug zum Alter
Auch in der Rentenversicherung müssen die               oder zur Dauer der Beitragszahlungen hat. Die
Beiträge auf den Prüfstand. Um hier die Kosten-         längere Bezugsdauer für Ältere ist daher verfehlt.
entwicklung im Zaum zu halten, ist das höhere           Schließlich lassen sich die Beiträge und damit die
Renteneintrittsalter von 67 Jahren sinnvoll, es         Arbeitskosten auch senken, indem versicherungs-
muss allerdings auch faktisch zu einer längeren         fremde Leistungen gestrichen werden. Dies gilt
Lebensarbeitszeit führen.                               nicht zuletzt für den Eingliederungsbeitrag, den
                                                        die Arbeitslosenversicherung an den Bund für
Die Frühverrentung ist hingegen der falsche Weg,        Verwaltung und Programme für ALG II-Empfänger
weshalb Anreize dazu konsequent abgebaut                überweisen muss. Dies sind allgemeine Fürsorge-
werden müssen und die Förderung der Altersteil-         leistungen, die aus Steuermitteln finanziert
zeit beendet werden sollte. Letztere hat in der         werden sollten.
Vergangenheit zur Frühverrentung beigetragen,
was zu Lasten der Steuer- und Beitragszahler
ging. Auch die Vorstellung, frei werdende Arbeits-      Maßvolle Tarifabschlüsse vereinbaren
plätze Älterer mit jungen Arbeitnehmern zu
besetzen, wurde nicht erfüllt. Beschäftigung ist        Aber nicht nur die Politik, auch die Tarifpartner
keine statische Größe, die zwischen Jung und Alt        sind gefordert, wenn es um die Arbeitskosten
verteilt werden kann. Stattdessen sind flexible         geht. Die positive Arbeitsmarktentwicklung der
Übergänge in den Rentenbezug sinnvoll, wie sie          vergangenen Jahre geht zu einem guten Teil auf
zum Beispiel eine Teilrente bietet. Bei einem           die maß- und verantwortungsvollen Tarifab-
vorzeitigen Rentenbezug – auch im Rahmen einer          schlüsse zurück. Auch für die Zukunft gilt, dass
Teilrente bei flexiblen Übergängen – sind versi-        der Verteilungsspielraum nicht überdehnt werden
cherungsmathematisch korrekte Abschläge vorzu-          darf, um Beschäftigungschancen nicht zu verbau-
nehmen. Diese sollten sich auf 0,5 Prozent pro          en. Gerade vor dem Hintergrund der Konjunktur-
Monat vorzeitiger Inanspruchnahme belaufen, um          abkühlung muss die Sicherung der im Auf-
so den längeren Bezugszeitraum auszugleichen.           schwung geschaffenen Arbeitsplätze oberste
                                                        Priorität haben. Die Auftragseingänge der Indust-
Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung lassen        rie zeigen derzeit eine deutlich rückläufige Ent-
sich nachhaltig senken, indem der Instrumenten-         wicklung. Die weltweit sinkende Nachfrage trifft
kasten der Arbeitsmarktpolitik auf die nachweis-        die exportorientierten Branchen in Deutschland,
lich wirksamen Maßnahmen beschränkt wird.               die zuletzt die Konjunkturlokomotive waren. Zu

                                                                                                            8
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

hohe Lohnabschlüsse würden in diesem Umfeld             aufgrund ihrer Mitarbeiterzahl nicht dem gesetz-
die Beschäftigung gefährden und im nächsten             lichen Kündigungsschutz unterliegen, der erst bei
Aufschwung die Einstellung Arbeitsloser verzö-          mehr als 10 Beschäftigten greift. So ist dann auch
gern.                                                   der entsprechende Wert für die Unternehmen mit
                                                        ein bis neun Beschäftigten mit 29 Prozent am
                                                        Geringsten. Zudem ist der gewerkschaftliche
Kündigungsschutz und Befristung hindern                 Organisationsgrad in kleineren Betrieben geringer
Beschäftigungsaufbau                                    und auch die Existenz von Betriebsräten ist dort
                                                        weniger verbreitet. Dies hat zur Folge, dass die
In der Gesamtbetrachtung der Beschäftigungs-
                                                        Negativeffekte der Regulierungen weniger stark
hindernisse folgen an zweiter Stelle die gesetzli-
                                                        ins Gewicht fallen.
chen Regelungen des Kündigungsschutzes und
der befristeten Beschäftigung. Wenn die Unter-
                                                        Es ist dennoch bemerkenswert, dass nahezu jedes
nehmen bei potenziellen Kündigungen mit lang-
                                                        dritte dieser Unternehmen die Regelungen zu
wierigen Gerichtsverfahren mit unsicherem
                                                        Kündigungsschutz und Befristung als Beschäfti-
Ausgang rechnen müssen und hohe Kosten anfal-
                                                        gungshemmnis anführt. Ausschlaggebend hierfür
len, sind sie mit ihren Einstellungen von vornher-
                                                        ist zum einen das nach wie vor relativ starre
ein zurückhaltend. Untersuchungen deuten darauf
                                                        Befristungsrecht. So kann zum Beispiel ein Ar-
hin, dass bis zu jede dritte arbeitgeberseitige
                                                        beitnehmer nur ein Mal sachgrundlos befristet bei
Kündigung zu einer Klage vor dem Arbeitsgericht
                                                        ein und demselben Arbeitgeber tätig sein, selbst
führt. Somit ist es wenig überraschend, dass für
                                                        wenn zwischen zwei möglichen Anstellungen
36 Prozent der Unternehmen die entsprechenden
                                                        viele Jahre vergangen sind. Stellt beispielsweise
Vorgaben möglichen Neueinstellungen im Wege
                                                        ein Betrieb jemanden sachgrundlos befristet ein,
stehen. Dies gilt insbesondere bei eingetrübten
                                                        der zuvor schon einmal als Werksstudent dort
konjunkturellen Erwartungen, weil gerade dann
                                                        tätig war, so wandelt sich die Befristung in ein
die betriebliche Entwicklung auch Beschäfti-
                                                        unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Möglichkeiten
gungsanpassungen kurzfristig notwendig machen
                                                        der befristeten Beschäftigung sollten erweitert
kann.
                                                        werden. Auch für Langzeitarbeitslose würde dies
                                                        den Einstieg in Arbeit erleichtern. Deshalb muss
Für Industrie und Bau (jeweils 41 Prozent) sind
                                                        eine vierjährige sachgrundlose Befristung möglich
die negativen Beschäftigungseffekte der Regelun-
                                                        sein, sofern der Arbeitnehmer in den letzten sechs
gen zu Kündigungsschutz und Befristung etwas
                                                        Monaten nicht bei demselben Arbeitgeber tätig
ausgeprägter als für Handel und Dienstleistung
                                                        war.
(38 und 30 Prozent). Hierfür ist ursächlich, dass in
den beiden letztgenannten Bereichen vergleichs-
                                                        Zum anderen verzichten Betriebe gerade dann auf
weise viele kleinere Unternehmen bestehen, die
                                                        Einstellungen, wenn sie dadurch den Schwellen-

                                                                                                            9
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

wert des Kündigungsschutzes überschreiten. An           die Unsicherheit der Beschäftigten steigt, können
dieser Schwelle steigt auch der Anteil der Unter-       relativiert werden. Denn unterschiedliche Studien
nehmen deutlich an (um acht Prozentpunkte), die         sowie der Blick ins Ausland zeigen, dass nicht ein
in den arbeitsrechtlichen Regelungen ein gravie-        intensiver Kündigungsschutz, sondern vielmehr
rendes Hindernis für mehr Beschäftigung sehen –         gute Beschäftigungsperspektiven und eine gerin-
ein klares Indiz für die negativen Effekte des          ge Arbeitslosigkeit das Sicherheitsempfinden
Kündigungsschutzes.                                     erhöhen. Gerade dazu trägt ein flexibler Arbeits-
                                                        markt bei.
Mittelständische Unternehmen mit 20 bis
199 Mitarbeitern nennen die Vorgaben bei Kündi-         Als ein Problem der deutschen Kündigungs-
gungsschutz und Befristung am häufigsten als            schutzpraxis wird vielfach die hohe Rechtsunsi-
Beschäftigungshürde (41 Prozent). Hier sind             cherheit und nicht allein die Kostenbelastung
Entlassungen häufiger als in kleinen Betrieben          genannt, die im Zuge eines Kündigungsschutzpro-
und die Gefahr langwieriger arbeitsrechtlicher          zesses anfällt – zum Beispiel bei Abfindungszah-
Prozesse mit ungewissem Ausgang ist damit               lungen. Konkrete Abfindungsregelungen können
höher. Im Vergleich zu größeren Unternehmen             die Rechtssicherheit steigern. Hierzu müssen
verfügen Mittelständler aber oftmals nicht über         Unternehmen und Beschäftigte die Option haben,
eigene Personal- oder Rechtsabteilungen, weshalb        schon bei der Einstellung anstelle des Kündi-
die komplexen Vorgaben in größerem Maße zu              gungsschutzes eine Abfindung zu vereinbaren, die
betrieblichen Belastungen werden und letztlich          im Falle einer arbeitgeberseitigen betriebsbeding-
Neueinstellungen verhindern.                            ten Kündigung fällig wird. Der Arbeitgeber hat
                                                        dann von vornherein die Gewissheit über mögli-
                                                        che Kosten im Entlassungsfall. Der Arbeitnehmer
Mehr Flexibilität ermöglichen                           wird für entstehende Kosten des Arbeitsplatzver-
                                                        lustes entschädigt. Die zurzeit gültige Abfin-
Damit die Unternehmen auch bei unsicheren               dungsregelung im Rahmen des § 1a KSchG ist
konjunkturellen Erwartungen ausreichend Spiel-          diesbezüglich unzureichend. Denn hier kann der
raum haben und Arbeitsplätze schaffen, sollten          Arbeitgeber erst zum Zeitpunkt der Kündigung
die Vorgaben beim Kündigungsschutz und der              eine Abfindung anstelle des Kündigungsschutzes
Befristung flexibilisiert werden. Der Kündigungs-       anbieten. Da der Arbeitnehmer dies jedoch ableh-
schutz sollte erst für Unternehmen mit mehr als         nen und stattdessen eine Klage einreichen kann,
20 Mitarbeitern gelten. Kleine Betriebe würden          bleibt die Rechtsunsicherheit bestehen.
dadurch entlastet und die Einstellungschancen
auch von Geringqualifizierten ließen sich so
steigern, weil schneller neue Arbeitsplätze ange-
boten würden. Bedenken, dass dadurch insgesamt

                                                                                                         10
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

Fachkräftemangel ist Beschäftigungsbremse                   und sind mittlerweile auch für größere Unter-
                                                            nehmen ein Hemmschuh. Bei diesen finden
Fachkräftemangel ist ein Kernthema, das gegen-              häufiger Personalwechsel statt, womit die Wie-
wärtig nur kurzfristig durch die Wirtschaftskrise           derbesetzungsprobleme dringender sind. Fast
in den Hintergrund gedrängt wird. Mehr als ein              42 Prozent der Unternehmen mit mehr als
Drittel der Unternehmen gibt an, dass fehlende              200 Beschäftigten führen die Kräfteengpässe als
Fachkräfte ein Haupthindernis sind, Beschäfti-              Beschäftigungshindernis an, während dies nur für
gung aufzubauen. In der Industrie ist die Kräfte-           etwa ein Viertel der Betriebe mit bis zu neun
knappheit am größten: 40 Prozent der Unterneh-              Mitarbeitern gilt. Im Vergleich zu der früheren
men sehen hierin die Ursache, nicht mehr Ar-                DIHK-Umfrage3 aus dem Jahr 2003 zeigt sich eine
beitsplätze zu schaffen. Doch auch im Baugewer-             interessante Veränderung: Mittlerweile haben
be und bei Dienstleistungsunternehmen sind die              auch Großbetriebe mit mehr als 1.000 Beschäftig-
jeweiligen Anteile kaum geringer (39 und                    ten Stellenbesetzungsprobleme, die noch vor fünf
36 Prozent), im Handel hat das Problem hingegen             Jahren vergleichsweise gering betroffen waren.
weniger Gewicht (26 Prozent).                               Dies ist ein Hinweis auf den sich verstärkenden
                                                            Fachkräftemangel, da Großbetriebe in der Regel
                                               2
Verglichen mit einer DIHK-Untersuchung aus                  besser in der Lage sind, ihre Stellen adäquat zu
dem Jahr 2003 wird deutlich, dass sich das Prob-            besetzen und auch in den Augen vieler Bewerber
lem des Fachkräftemangels im Jahr 2008 intensi-             als attraktivere Arbeitgeber gelten. Zudem hat der
viert hat. Auch damals wurde es zwar als Be-                in erster Linie exportgetriebene konjunkturelle
schäftigungsbremse erkannt, doch der Stellenwert            Aufschwung der letzten Jahre dafür gesorgt, dass
geringer eingeschätzt. Wurde Kräfteengpässen in             gerade international agierende Großunternehmen
etwa die gleiche – oder zum Teil eine geringere –           verstärkt Fachkräfte nachfragen.
Bedeutung beigemessen wie zum Beispiel Arbeits-
zeitregelungen oder dem komplexen Tarifrecht, so
übersteigen sie diese in der aktuellen Untersu-
                                                            Besonders technisch Qualifizierte gesucht
chung deutlich. Da es bei Letzteren in den ver-
gangenen fünf Jahren kaum Änderungen der
                                                            Der Fachkräftemangel betrifft nicht nur Akademi-
Rahmenbedingungen gegeben hat, kommen
                                                            ker, sondern eine ganze Bandbreite der techni-
solche nicht als Ursache für die Veränderung in
                                                            schen Qualifikationen.4 Dies spiegelt auch die
Betracht.
                                                            genauere Betrachtung der einzelnen Wirtschafts-
                                                            zweige wider: Knapp 60 Prozent der Maschinen-
Die Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung mit
                                                            bauunternehmen (und 64 Prozent der Werkzeug-
Fachkräften steigen mit der Zahl der Mitarbeiter

2                                                           3
 Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK),      Ebenda.
                                                            4
Noch viel Arbeit – Zum Reformbedarf auf dem Arbeitsmarkt,    Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK),
Berlin 2003.                                                Kluge Köpfe – vergeblich gesucht, Berlin 2007.

                                                                                                                      11
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

maschinenbauer) führen die Probleme bei der                verschärfend wirkt. Doch selbst in der schwierigen
Stellenbesetzung als Beschäftigungsbremse an.              konjunkturellen Lage derzeit planen Unternehmen
Ähnlich ist die Situation im Bereich der Metaller-         solcher Wirtschaftszweige, in denen der Fachkräf-
zeugung oder auch im Kraftfahrzeugbau, wo etwa             temangel stark ist, noch einen Beschäftigungs-
jedes zweite Unternehmen den Mangel an qualifi-            aufbau (z. B. Maschinenbau, Zeitarbeit) in be-
ziertem Personal als Hemmnis für Beschäftigung             stimmten Qualifikationsbereichen.6 Es fehlen
anführt.                                                   jedoch die nötigen Bewerber.

Besondere Schwierigkeiten, geeignete Bewerber
zu finden, werden zudem von der Zeitarbeitsbran-           Potenziale nutzen
che gemeldet – 82 Prozent der Unternehmen
würden mehr Arbeitsplätze schaffen, wenn aus-              Bereits heute kostet der Fachkräftemangel jähr-

reichend Fachkräfte zur Verfügung stünden. Wie             lich mehr als 20 Milliarden Euro an Wertschöp-

die aktuelle DIHK-Konjunkturumfrage zeigt, ist             fung. Um hier gegenzusteuern und einem lang-

die Nachfrage der Zeitarbeitsunternehmen nach              fristigen Verlust an Innovationsfähigkeit vorzu-

geeignetem Personal nach wie vor hoch, so dass             beugen, muss auf unterschiedlichen Ebenen

Fachkräfteengpässe deutlich zu Tage treten.5 Des           angesetzt werden. Zum einen sollte das bereits

Weiteren bieten viele Unternehmen in anderen               heute verfügbare Arbeitskräftepotenzial besser ins

Wirtschaftszweigen attraktive Beschäftigungsper-           Erwerbsleben integriert werden. Das betrifft

spektiven für Hochqualifizierte, was die Suche             beispielsweise eine höhere Erwerbsbeteiligung

weiter erschwert.                                          von Eltern, wozu die Vereinbarkeit von Beruf und
                                                           Familie verbessert werden muss. Dazu eignet sich

Aber auch im Gesundheitsbereich (44 Prozent)               der weitere Ausbau, aber auch die zeitliche Flexi-

oder den unternehmensnahen Dienstleistungen                bilisierung der Kinderbetreuung.7 Auch die Erwei-

(43 Prozent) sind bestehende Kräfteengpässe                terung der Ganztagsschulangebote ist hier zu

nicht zu unterschätzen. Im Konjunkturabschwung             nennen.

wird die Nachfrage nach Arbeitskräften allgemein
nachlassen und damit gegebenenfalls auch die               Daneben müssen die Qualifikationen Älterer

Knappheitsproblematik kurzfristig ausgeblendet.            länger und besser genutzt werden. Die Erwerbsbe-

Da es sich dabei jedoch um ein strukturelles               teiligung der 55 bis 64-Jährigen ist in Deutsch-

Problem handelt, werden sich spätestens im                 land in den letzten Jahren ausgehend von sehr

nächsten Aufschwung die gleichen Fragen erneut             geringem Niveau bereits deutlich gestiegen – gut

stellen – zumal die demografische Entwicklung              jeder Zweite Ältere steht im Job, womit Deutsch-

5                                                          6
  Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK),    Ebenda.
                                                           7
Wirtschaftslage und Erwartungen – Ergebnisse der DIHK-      Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK),
Umfrage bei den Industrie- und Handelskammern, Berlin,     Der Kita-Check – Kinderbetreuung in Deutschland 2008,
Herbst 2008.                                               Berlin 2008.

                                                                                                                 12
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

land das Lissabon-Ziel erfüllt. Dass es noch besser     Studier- und Ausbildungsfähigkeit kann so ge-
geht, zeigt beispielsweise Schweden mit einer           steigert werden. Die Schulen brauchen zudem
Quote von ca. 70 Prozent. Anreize zur Frühverren-       mehr Autonomie und die Entlohnung der Lehrer
tung müssen deshalb der Vergangenheit angehö-           sollte stärker leistungsorientiert ausgestaltet
ren und die Weiterbildungsaktivitäten der älteren       werden. Im Hochschulbereich steht die Steigerung
Beschäftigten müssen intensiviert werden. In            der MINT-Absolventen im Vordergrund, obgleich
einer Informations- und Wissensgesellschaft ist         insgesamt die Akademikerersatzquoten zu denken
lebenslanges Lernen wichtiger den je – auch und         geben. Bedarfsprojektionen des Bundesministeri-
gerade für Ältere.                                      ums für Bildung und Forschung (BMBF) gehen
                                                        davon aus, dass bis zum Jahr 2014 zwischen
                                                        180.000 und 490.000 Akademiker fehlen. Über
Qualifikation steigern                                  bessere Darlehensmöglichkeiten ließe sich die
                                                        Attraktivität eines Studiums weiter steigern. Auch
Neben der Integration vorhandener Qualifikatio-         die Hochschulen müssten mit mehr Freiheit und
nen muss der Anteil an hoch qualifizierten Perso-       Eigenverantwortung ausgestattet werden, damit
nen steigen. Die Unternehmen versuchen bereits          sie im Wettbewerb untereinander mit den besten
durch vermehrte Investitionen in Aus- und Wei-          Angeboten um die besten Studenten konkurrieren
terbildung dem Fachkräftemangel zu begegnen.            können. Schließlich müssen die Verantwortlichen
Im Vergleich zum Vorjahr konnte die ohnehin             in Bund und Ländern darauf hinwirken, dass Wege
schon hohe Zahl an neu abgeschlossenen Ausbil-          von der beruflichen Bildung in die Hochschulen
dungsverträgen im IHK-Bereich bis Ende Oktober          erleichtert werden. Die auf dem so genannten
2008 noch einmal um 1,5 Prozent auf fast                „Bildungsgipfel“ beschlossenen Maßnahmen zur
362.000 gesteigert werden. Doch auch die Politik        Qualifizierungsinitiative sind ein Schritt in die
steht in der Pflicht, das Bildungssystem fit für die    richtige Richtung. Beruflich Qualifizierte ohne
Zukunft zu machen. Dies beginnt im frühkindli-          schulische Hochschulzugangsberechtigung sollen
chen Bereich, wo nicht nur die Quantität, sondern       demnach bessere Zugangsmöglichkeiten zur
auch die Qualität gesteigert werden sollte. Hierzu      Hochschule erhalten.
brauchen Kindergärten auch wissenschaftlich
ausgebildetes Personal. Das letzte Kindergarten-
jahr sollte verpflichtend sein, nicht zuletzt damit
                                                        Zuwanderung erleichtern
alle Schulanfänger über ausreichende Kenntnisse
der deutschen Sprache verfügen.                         Als dritte Säule zur Linderung des Fachkräfte-
                                                        mangels sollte die Zuwanderung qualifizierter
Im Schulsystem müssen Ganztagsschulangebote             Ausländer noch transparenter gestaltet werden.
ausgebaut werden, damit unter anderem auch              Die jüngst ergriffenen Maßnahmen der Bundesre-
eine individuelle Förderung besser möglich ist. Die     gierung sind ein Schritt in die richtige Richtung,

                                                                                                            13
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

gehen aber nicht weit genug. Deutschland                müssen deshalb rechtlich abgesichert werden und
braucht mittelfristig ein effizientes, wirtschaftori-   sollten ohne Vetorecht der Tarifparteien möglich
entiertes Zuwanderungssystem, das den Unter-            sein. Es bedarf einer gesetzlichen Klarstellung des
nehmen erlaubt, schnell und ohne bürokratische          Günstigkeitsprinzips, wobei auch die Beschäfti-
Hürden geeignete Fachkräfte einzustellen. Dies          gungssicherheit als günstig eingestuft werden
kann ein Punkteverfahren leisten, wie es zum            muss, selbst wenn dazu in gewissem Umfang und
Beispiel in Kanada oder Australien angewendet           temporär auf Lohn verzichtet oder länger gearbei-
wird. Kurzfristig sollte zumindest die volle Freizü-    tet wird.
gigkeit für alle Arbeitnehmer aus den neuen EU-
Beitrittsländern gelten. Aktuelle Untersuchungen
der EU-Kommission kommen zu dem Schluss, dass           Arbeitszeit – mehr Spielraum gewähren
die EU-15-Länder, die diesen Schritt bereits
gegangen sind, davon profitiert haben.                  Gesetzliche und tarifvertragliche Vorschriften zur
                                                        Arbeitszeitregelung werden von 13 Prozent der
                                                        Unternehmen als ausschlaggebend für die Zu-
                                                        rückhaltung bei neuen Stellen gesehen. Hierbei
Tarifrecht – mehr Freiheit wagen
                                                        handelt es sich sowohl um gesetzliche Regulie-
Für 13 Prozent der Unternehmen verhindert das           rungen wie zum Beispiel Höchstarbeitszeiten und
komplexe Tarifrecht weitere Einstellungen. Be-          den Rechtsanspruch auf Teilzeit als auch um
sonders das Baugewerbe ist betroffen, wo                tarifvertragliche Bestimmungen. Im Osten ist der
20 Prozent der Unternehmen die geltenden                Anteil der Unternehmen, die in der Arbeitszeitre-
Regelungen beklagen. In der Industrie sind es mit       gelung Probleme sehen, mit knapp neun Prozent
15 Prozent etwas weniger. In größeren Betrieben         geringer als im Westen (13 Prozent). Die vertrag-
wird das Tarifrecht stärker als Beschäftigungshin-      lichen Wochenarbeitszeiten sind in den neuen
dernis gesehen als in kleinen. Während 18 Pro-          Ländern im Durchschnitt höher, was nicht zuletzt
zent der Unternehmen mit 200 bis 999 Mitarbei-          mit dem vergleichsweise geringen Tarifbindungs-
tern tarifliche Regelungen monieren, sind es in         grad zu tun hat. Besonders auffällig sind bei der
Betrieben mit ein bis neun Beschäftigten nur            Betrachtung der einzelnen Wirtschaftszweige die
knapp 11 Prozent. Dies dürfte darauf zurückzu-          hohen Werte, die von der Verkehrsbranche (mehr
führen sein, dass die Tarifbindung in der Regel mit     als 30 Prozent), der Sicherheitswirtschaft
der Mitarbeiterzahl steigt.                             (27 Prozent) und den Reinigungsdiensten
                                                        (25 Prozent) genannt werden.
Aus Sicht des DIHK sollte der Flächentarifvertrag
flexibler ausgestaltet werden, um so den unter-         Die Einschätzung der Unternehmen insgesamt
schiedlichen betrieblichen Realitäten besser            lässt darauf schließen, dass es bei der Umsetzung
Rechnung zu tragen. Betriebliche Bündnisse              der Wünsche zur Arbeitszeitflexibilisierung keine

                                                                                                          14
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

gravierenden Hindernisse gibt. Bereits heute                   indem sie das Arbeitszeitgesetz dahingehend
greifen die Betriebe verstärkt auf unterschiedliche            ändert, dass der Bezugszeitraum von derzeit sechs
Instrumente der Arbeitszeitflexibilisierung zu-                auf zwölf Monate verlängert wird, innerhalb
rück.8 Dies gilt insbesondere für flexible Wochen-             dessen die wöchentliche Höchstarbeitszeit von
arbeitszeiten und in etwas geringerem Ausmaß                   48 Stunden berechnet wird. Das heißt, eine
für Gleitzeit und für Jahresarbeitszeitkonten.                 werktägliche Arbeitszeit, die in bestimmten
Dennoch besteht Potenzial zur weiteren Flexibili-              Phasen acht Stunden überschreitet, müsste dann
sierung. Die Unternehmen müssen grundsätzlich                  innerhalb von zwölf und nicht von sechs Monaten
in der Lage sein, ihre Produktionskapazitäten                  ausgeglichen werden.
gemäß der aktuellen Auftragslage anzupassen
und kurzfristig zu reagieren, um wettbewerbsfä-
hig zu sein. Hier sind sowohl die Tarifvertragspar-            II. Mindestlöhne verringern Beschäfti-
teien als auch die Politik gefordert. Die Tarifver-
                                                               gung
träge müssen genügend Freiraum für unterschied-
liche Formen der betrieblichen Arbeitszeitgestal-
                                                               Die hohen Arbeitskosten sind das größte Beschäf-
tung erlauben. Auch kleine Unternehmen müssen
                                                               tigungshemmnis – so ein zentrales Ergebnis der
Flexibilitätspotenziale umsetzen können. Längere
                                                               Untersuchung. Vor diesem Hintergrund interes-
Arbeitszeiten, die vom Tarifvertrag abweichen,
                                                               siert die Wirkung von Mindestlöhnen, denn wenn
müssen innerbetrieblich vereinbar sein, um Be-
                                                               diese die Arbeitskosten weiter erhöhen, sind
schäftigung bei schwankenden Auslastungen der
                                                               negative Effekte programmiert. 45 Prozent der
Kapazitäten zu sichern. Die Ausweitung von
                                                               Unternehmen geben an, dass sie von einem
Arbeitszeitkorridoren wäre denkbar.
                                                               Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro, wie er derzeit
                                                               diskutiert wird, betroffen wären.9 Von diesen
Die tatsächliche jährliche Arbeitszeit der Erwerbs-
                                                               Unternehmen würde mehr als jedes fünfte mit
tätigen ist in Deutschland im Zeitraum von 2000
                                                               einem Jobabbau reagieren.10 In der Industrie sind
bis 2007 um 2,7 Prozent auf 1.433 Stunden
                                                               die Befürchtungen – 17 Prozent würden ihren
gesunken. Die Last der hohen Arbeitskosten ließe
                                                               Beschäftigungsstand verringern – etwas geringer
sich hierzulande verringern, wenn durch längere
Arbeitszeiten die Arbeitskosten pro Stunde verrin-
gert würden. Dadurch stiege die internationale
Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen.
                                                               9
                                                                 55 Prozent gaben an, nicht von diesen Mindestlöhnen
                                                               betroffen zu sein. Dies ist damit zu erklären, dass diese
Die Politik kann zu mehr Flexibilität verhelfen,               Unternehmen keine Einführung von Mindestlöhnen in ihrer
                                                               Branche erwarten oder weil ohnehin Löhne gezahlt werden,
                                                               die oberhalb der 7,50-Euro-Marke liegen.
                                                               10
                                                                  Die jeweiligen Anteile beziehen sich auf diejenigen
8
  Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK),       Unternehmen, die angegeben haben, von Mindestlöhnen
Individuell und flexibel – Wettbewerbsfaktor Arbeitszeitges-   betroffen zu sein. Die Bezugsbasis bilden also 45 Prozent der
taltung, Berlin 2004.                                          Unternehmen.

                                                                                                                         15
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

als im Handel (25 Prozent) und bei den Dienstleis-                  dieser Sonderstellung des Baugewerbes in der
tungen (27 Prozent), was daran liegt, dass die                      Gesamtbetrachtung der Branchen nur Industrie,
Industrielöhne selbst in den untersten Tarifgrup-                   Handel und Dienstleistungen zusammengefasst,
pen im Durchschnitt höher sind und sich die                         dann gehen 23 Prozent der betroffenen Unter-
Relevanz des Mindestlohns damit verringert.                         nehmen von einer Verringerung und sechs Prozent

                  Angenommen in Ihrer Branche würde der Gesetzgeber einen Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro
                    pro Stunde einführen: Würde sich dadurch die Beschäftigtenzahl in Ihrem Unternehmen am
                                               Standort Deutschland verändern?
                                              nach Wirtschaftszweigen - in Prozent

                                                  Rest zu 100: Keine Veränderung
     30

                                  27                                               27

                                                            25
     25

                                                                                                   22

     20

                     17

                                                                                                              ja, erhöhen
     15
                                                                                                              ja, verringern

     10                                   9

              7                                                                               7
                                                                            6
                                                       5
      5

      0
              Industrie          Bauwirtschaft         Handel            Dienstleistungen    insgesamt

Im Gegensatz zu diesen recht beachtlichen Ab-                       von einer Erhöhung ihrer Beschäftigung aus.
bauplänen würde mehr als ein Viertel der Unter-
nehmen des Baugewerbes (27 Prozent) hingegen                        Neben den bereits geltenden und höheren Min-
die Zahl der Beschäftigten erhöhen, wenn ein                        destlöhnen kommt zur Erklärung der sechs bzw.
Mindestlohn von 7,50 Euro gelten würde. Dies                        sieben Prozent der Unternehmen, die ihre Be-
erklärt sich damit, dass der unterstellte Wert von                  schäftigung infolge der Mindestlohneinführung
7,50 Euro zum Teil deutlich unter den derzeit                       ausweiten würden, die Wettbewerbssituation in
gültigen Mindestlöhnen im Baugewerbe liegt, die                     Betracht. Wie das jüngste Beispiel des Post-
je nach Lohngruppe zwischen 9 und 12,85 Euro                        Mindestlohns zeigt, ist es denkbar, dass bestimm-
betragen – die Arbeitskosten würden also sinken.                    te Unternehmen insofern von der staatlich fixier-
Diese Antworten der Bauunternehmen sind eben-                       ten Lohnuntergrenze profitieren, weil damit den
falls ein deutliches Indiz dafür, dass (zu hohe)                    Konkurrenzunternehmen ein gewichtiger Wett-
Mindestlöhne einem Beschäftigungsaufbau im                          bewerbsparameter geraubt wird und der Wettbe-
Wege stehen und deren Absenkung im Gegenzug                         werbsdruck sinkt. Konkurrenten sind dann nicht
zu mehr Beschäftigung führt. Werden aufgrund                        mehr in der Lage, ihre Produkte günstiger anzu-

                                                                                                                               16
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

bieten und verschwinden vom Markt. Für die              Jobverluste bei Geringqualifizierten …
eingesessenen Unternehmen entstehen dadurch
zwar zusätzliche Jobpotenziale weil der Kosten-         Dass es gerade Geringqualifizierte sind, denen
druck sinkt, insgesamt geht aber die Beschäfti-         man mit der Einführung eines Mindestlohns einen
gung in der Branche zurück. Die Rechnung dafür          Bärendienst erweisen würde, weil Jobmöglichkei-
zahlen letztlich die Verbraucher über höhere            ten wegfallen, wird durch die Betrachtung einzel-
Preise sowie die Beschäftigten der Konkurrenzun-        ner Wirtschaftszweige deutlich. Insbesondere
ternehmen, die ihren Job verlieren.                     dort, wo vielfach Einfacharbeiten ausgeführt
                                                        werden, ist der Anteil der Unternehmen besonders
                                                        hoch, die ihre Beschäftigtenzahl verringern wür-
Ostdeutschland besonders betroffen                      den. Spitzenreiter ist hier die Sicherheitswirt-
                                                        schaft: Mehr als jedes zweite Unternehmen (56
Bei regionaler Betrachtung wird deutlich, dass
                                                        Prozent) würde weniger Mitarbeiter beschäftigen
Mindestlöhne insbesondere in Ostdeutschland
                                                        als zurzeit, fast 19 Prozent sogar in erheblichem
beschäftigungsfeindliche Effekte haben. Hier
                                                        Umfang. Auch bei den Reinigungsdiensten (38
gaben 56 Prozent der Unternehmen an, von
                                                        Prozent) und dem Gastgewerbe (37 Prozent) sind
potenziellen Mindestlöhnen betroffen zu sein
                                                        die negativen Effekte besonders ausgeprägt. Von
(Norden: 42 Prozent, Süden: 37 Prozent, Westen:
                                                        den Unternehmen in diesen Wirtschaftszweigen
48 Prozent). Mehr als ein Drittel dieser Unter-
                                                        gaben – verglichen mit den Ergebnissen für die
nehmen würde den Mitarbeiterbestand verrin-
                                                        Gesamtwirtschaft – allerdings überdurchschnitt-
gern, 13 Prozent aller betroffenen Unternehmen
                                                        lich viele einen Beschäftigungsaufbau infolge des
sogar in beträchtlichem Ausmaß. Im Norden
                                                        Mindestlohns an. Dies ist aber nur ein scheinbar
gaben lediglich 20 Prozent der Unternehmen an,
                                                        paradoxes Ergebnis. Denn auf der einen Seite
die Zahl der Beschäftigten zu verringern, im
                                                        existiert eine Gruppe von Unternehmen, die in der
Süden sind es 19 Prozent und im Westen 16 Pro-
                                                        höheren Kostenbelastung ein Problem für die
zent. Die sowieso schon angespannte
                                                        Beschäftigung sieht. Auf der anderen Seite stehen
Arbeitsmarktlage in den neuen Ländern würde
                                                        Unternehmen, die im Mindestlohn ein Instrument
sich dort weiter verschärfen und gerade
                                                        sehen, um die Wettbewerbsintensität zu mindern
Geringqualifizierte würden vom Arbeitsmarkt
                                                        und sich dadurch einen Schutz vor kostengünsti-
verdrängt, weil diese in der Regel infolge
                                                        geren Konkurrenten versprechen. Betrachtet man
geringerer Produktivität auch geringere Löhne
                                                        aber den Saldo aus Auf- und Abbauplänen, so
erhalten. Ein Standortvorteil der ostdeutschen
                                                        überwiegt die Personalverringerung deutlich
Wirtschaft, in der die Arbeitskosten im Vergleich
                                                        (Sicherheitswirtschaft: -46 Punkte, Gastgewerbe:
zu Westdeutschland niedriger sind, würde damit
                                                        -34 Punkte, Reinigungsgewerbe: -28 Punkte).
quasi per Gesetz genommen.

                                                                                                           17
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

              Angenommen in Ihrer Branche würde der Gesetzgeber einen Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro
                pro Stunde einführen: Würde sich dadurch die Beschäftigtenzahl in Ihrem Unternehmen am
                                           Standort Deutschland verändern?
                                        ausgewählte Wirtschaftszweige - in Prozent
                                            Rest zu 100: Keine Veränderung
  60
                       56

  50

  40                                                                     38
                                             37

                                                                                                  31
                                                                                                            ja, erhöhen
  30
                                                                                                            ja, verringern

  20
                                                                                         16

             10                                                 10
  10

                                      3

  0
         Sicherheitswirtschaft       Gastgewerbe            Reinigungsgewerbe             Zeitarbeit

… und in der Zeitarbeit                                              abbauen, während nur 16 Prozent positive Be-
                                                                     schäftigungseffekte vermuten. Diese Branche

Derzeit wird diskutiert, neben Bauberufen, Ge-                       bietet aber für viele Arbeitslose einen Einstieg in

bäudereinigung und den Briefdienstleistungen                         Beschäftigung. Jeder Vierte wird vom Kundenun-

weitere Branchen in das Arbeitnehmerentsende-                        ternehmen übernommen und weitere 20 Prozent

gesetz aufzunehmen und damit dort Mindestlöh-                        finden einen neuen Arbeitgeber. Die nötigen

ne einzuführen. Ein möglicher Kandidat dafür ist                     Flexibilitätspotenziale dieser Branche dürfen

das bereits erwähnte Sicherheitsgewerbe, wo es                       daher nicht durch zusätzliche Regulierung be-

infolge der staatlich festgesetzten Löhne zu                         schnitten werden.

erheblichem Jobabbau kommen dürfte. Ein weite-
rer Kandidat ist die Zeitarbeit. Diese bietet den
                                                                     Keine neuen Mindestlöhne
Unternehmen ein hohes Maß an Flexibilität und
hat sich im letzten Aufschwung als Jobmotor                          Die Umfrageergebnisse verdeutlichen die beschäf-
erwiesen. Mit der Einführung eines Mindestlohns                      tigungsfeindlichen Wirkungen von Mindestlöh-
von 7,50 Euro würde hier Sand ins Getriebe                           nen. Aber auch zur Bekämpfung von Armut und
gestreut. 75 Prozent der Zeitarbeitsunternehmen                      zur Verringerung von ergänzendem ALG II-Bezug
geben an, dass sie von einem solchen Mindest-                        sind sie kein geeignetes Instrument, wie von
lohn betroffen wären. Fast ein Drittel dieser                        vielen Befürworten unterstellt wird. Nur ca.
Unternehmen würden als Reaktion darauf Jobs                          378.000 Personen, die zusätzlich zu einem gerin-

                                                                                                                             18
Beschäftigungshürden abbauen, Jobs sichern – DIHK-Umfrage zum Handlungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt

gen Lohn noch auf staatliche Unterstützung in           einkommen ist aber kein flächendeckendes Phä-
Form von ALG II angewiesen sind (Aufstocker),           nomen. Da wo es gemacht wird, ist es sinnvoll,
gingen im Juni 2008 einer Vollzeitbeschäftigung         weil die Aufstocker so einer Erwerbsarbeit nach-
nach und nur weniger als 60.000 Personen sind           gehen und zumindest teilweise für ihren Lebens-
alleinstehend und vollzeittätig – und nur hier ist      unterhalt selbst aufkommen. Die Alternative wäre
der Schluss zulässig, dass allein ein relativ niedri-   vielfach Arbeitslosigkeit mit ausschließlichem
ger Lohn die Ursache für Bedürftigkeit und ALG          ALG II-Bezug – die staatlichen Transfers wären
II-Bezug ist. Im Durchschnitt lag der Bruttostun-       dann noch größer.
denlohn der vollzeittätigen Aufstocker im Jahr
2006 bei neun Euro und damit deutlich höher als         Ein zweites Argument der Befürworter von Min-
ein Mindestlohn von z. B. 7,50 Euro. Bei Bedarfs-       destlöhnen zielt darauf ab, dass jeder, der einer
gemeinschaften mit Kindern sind die ALG II-             ordentlichen Vollzeitarbeit nachgeht, auch von
Leistungen höher als bei Alleinstehenden: Ein           seinem Verdienst leben können muss. Wie oben
verheirateter Alleinverdiener mit zwei Kindern          angedeutet, kann aber auch ein Mindestlohn
müsste bei einer 40-Stunden-Woche über zwölf            diese Forderung nicht erfüllen, da dazu z. B. bei
Euro brutto pro Stunde verdienen, um nicht in die       Singles und bei kinderreichen Familien ein unter-
Gruppe der Aufstocker – und damit in den ergän-         schiedlicher Verdienst nötig wäre. Ausschlagge-
zenden ALG II-Bezug – zu fallen. Ein Mindestlohn        bend für die Höhe der individuellen Entlohnung
würde hier den Transferbezug nicht beenden.             ist die Produktivität der Beschäftigten – nicht
                                                        eine staatlich definierte Einkommenshöhe. Die
Vielen Berufsanfängern würde der Mindestlohn            Verbesserung der Bildung muss deshalb ganz
Steine in den Weg legen und die ersten Schritte         oben auf der Prioritätenliste stehen, damit die
auf den Arbeitsmarkt erschweren. Niedrige Löhne         Produktivität und damit die für den einzelnen
sind häufig Einstiegslöhne für Berufsanfänger, die      erzielbaren Löhne steigen.
den Start ins Berufsleben erleichtern. Der Min-
destlohn würde dann zum Einstiegshemmnis
gerade für die, die keine Ausbildung und keine
                                                        III. Stellenbesetzung hauptsächlich über
Qualifizierung haben oder schon lange arbeitslos
sind.                                                   Zeitungsanzeigen

Auch weitere häufig vorgebrachte Argumente zur          Fachkräftemangel auf der einen Seite und weiter-
Rechtfertigung staatlicher Lohnuntergrenzen             hin zu hohe Arbeitslosenzahlen auf der anderen
können auf den zweiten Blick nicht überzeugen.          Seite rücken den Prozess der Stellensuche und
So solle verhindert werden, dass der Staat dauer-       -besetzung verstärkt ins Blickfeld. Die Unterneh-
haft zum Lohnzahler wird, weil er aufstockendes         men suchen geeignete Bewerber für freie Stellen
ALG II leistet. Die Aufstockung geringer Vollzeit-      in erster Linie über Zeitungen und Fachzeitschrif-

                                                                                                            19
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