Wahlrecht für alle!? Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich - Materialien für den Schulunterricht - Haus der Geschichte Österreich
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Wahlrecht für alle!? Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich Materialien für den Schulunterricht
Wahlrecht für alle!? Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich Das Unterrichtsbeispiel setzt sich mit der Entwicklung des Wahlrechts seit dem 19. Jahrhundert und den ersten Wahlen 1919 auseinander. Die Einschätzungen der SchülerInnen zur gegenwärtigen Bedeutung des Wahlrechts werden reflektiert sowie dessen mögliche Weiterentwicklungen diskutiert. In Zusammenhang mit dem letzten Punkt befassen sich die SchülerInnen kontrovers mit dem Vorschlag der Ausweitung des Wahlrechts auf Personen, die nicht die österreichische StaatsbürgerInnenschaft besitzen, aber im Land leben. Lernziele Die SchülerInnen … analysieren Veränderungen im Wahlrecht seit dem 19. Jahrhundert. beziehen Position in Debatten und vertreten Argumente. setzen sich mit anderen Argumenten auseinander und bewerten diese. Bezüge zu den aktuellen Lehrplänen BS: Politische Bildung Umfang Kompetenzbereich Mitgestalten in der Gesellschaft: Demokratie, Politische Meinungsbildung. ca. 3 Unterrichtseinheiten Politisches System Österreichs. Auch geeignet im Rahmen des Unterrichts in folgenden Schultypen bzw. -fächern: AHS / NMS: Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung Inhalt Sekundarstufe I 1 Einleitung/Hintergrundwissen für 3. Klasse: Modul 9 (Politische Bildung): Wahlen und Wählen LehrerInnen 4. Klasse: Modul 8 (Politische Bildung): Politische Mitbestimmung Sekundarstufe II 2 Methodisch-didaktische Überlegungen 8. Klasse: Kompetenzmodul 7 BAfEP: Geschichte und Sozialkunde, Politische Bildung 3 Ablauf 1. Jahrgang: 1. und 2. Semester 4 Arbeitsmaterialien 5. Jahrgang: 10. Semester HAK: Politische Bildung und Geschichte M1 Arbeitsblatt: Flugblatt 2. Jahrgang: 3. Semester – Kompetenzmodul 3 M2: Arbeitsblatt: Die Entwicklung des 2. Jahrgang: 4. Semester – Kompetenzmodul 4 Wahlrechts in Österreich M2-1: Arbeitswissen: Die Entwicklung des HAS: Politische Bildung und Zeitgeschichte Wahlrechts in Österreich 1. Jahrgang: 1. und 2. Semester M3: Arbeitsblatt: Wahlrecht für alle, die hier HLW: Geschichte und Kultur leben? HTL: Geografie, Geschichte und Politische Bildung 2. Jahrgang: 3. Semester – Kompetenzmodul 3 5 Impressum Unterrichtsmaterialien des Wahlrecht für alle!? www.hdgoe.at/unterrichtsmaterialien 1/11 Hauses der Geschichte Österreich Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich Stand: November 2018
1 Einleitung/Hintergrundwissen für LehrerInnen Das Unterrichtsbeispiel setzt sich mit der Entwick- ist grundsätzlich nicht als moralische Verpflichtung, lung des Wahlrechts seit dem 19. Jahrhundert und sondern nur im Zusammenhang mit einer kritischen den ersten Wahlen 1919 auseinander. Die Einschät- Auseinandersetzung mit der Gesellschaft zielgerich- zungen der SchülerInnen zur gegenwärtigen Bedeu- tet zu vermitteln. Dabei stehen die Weiterentwick- tung des Wahlrechts werden reflektiert sowie dessen lung der Demokratie, die Kritik an Machtverhältnis- mögliche Weiterentwicklungen diskutiert. In Zusam- sen sowie Mitbestimmungsmöglichkeiten auf allen menhang mit dem letzten Punkt befassen sich die Ebenen als Ziele der Politischen Bildung im Zentrum.1 SchülerInnen kontrovers mit dem Vorschlag der Aus- weitung des Wahlrechts auf Personen, die nicht die österreichische StaatsbürgerInnenschaft besitzen, 1 Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, aber im Land leben. Unterrichtsprinzip Politische Bildung, Grundsatzerlass 2015, S. 2, https://bildung.bmbwf.gv.at/ministerium/rs/2015_12.pdf?61edq7 (abgerufen am 28.6.2018). Die immer wieder erhobene Forderung nach einem sogenannten AusländerInnenwahlrecht ist ein kon- fliktreiches Thema. Die Bedeutung dieser Ausein- andersetzung für die schulische Politische Bildung hängt allerdings nicht bloß von aktuellen Debatten und ihrer Brisanz ab. Vielmehr geht es darum, dass sich der Unterricht an alle SchülerInnen unabhängig von ihrer StaatsbürgerInnenschaft richtet. Wahlen und das Wahlrecht nehmen in einer Demokratie einen zentralen Stellenwert ein und sind dementspre- chend wichtig für die Politische Bildung wie auch für den Geschichtsunterricht. Daher dürfen SchülerInnen mit einer ausländischen StaatsbürgerInnenschaft nicht außen vor bleiben. Das geschieht etwa, wenn versucht wird, die Wichtigkeit des Wahlrechts und der Teilnahme an Wahlen herauszuarbeiten, ohne auf den Umstand einzugehen, dass 15 Prozent der in Österreich lebenden Menschen davon aufgrund ihrer StaatsbürgerInnenschaft ausgeschlossen sind. Im vorliegenden Unterrichtsbeispiel liegt der kontro versen und ergebnisoffenen Auseinandersetzung mit der Ausweitung des Wahlrechts auf Personen ohne österreichische StaatsbürgerInnenschaft die Reflexion der bisherigen Veränderungen im Wahl- recht zugrunde. Hierbei zeigt sich, dass seit den Anfängen des Wahlrechts dieses – mit Unterbre- chungen durch Diktaturen – schrittweise auf gesell- schaftliche Gruppen (Männer, Frauen, Jugendliche) ausgeweitet wurde. Diese Veränderungen standen mittel- und längerfristig in einem Zusammenhang mit einer fortschreitenden Demokratisierung der Gesellschaft, wobei die Interessen der betroffenen Gruppen für eine Öffnung des Wahlrechts jeweils maßgeblich waren. Die Bedeutung des Wahlrechts Unterrichtsmaterialien des Wahlrecht für alle!? www.hdgoe.at/unterrichtsmaterialien 2/11 Hauses der Geschichte Österreich Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich Stand: November 2018
2 Methodisch-didaktische Überlegungen Konfrontation mit dem Thema Wahlrecht: PartnerInnenarbeit zum historischen Flugblatt Positionierung im Raum Im zweiten Schritt erhalten die SchülerInnen das Zum Einstieg werden die SchülerInnen nach ihren Arbeitsblatt M1 und bearbeiten die Fragestellungen Meinungen zum Wahlrecht gefragt, indem sie gebe- in PartnerInnenarbeit. Im Anschluss an die Partner- ten werden, sich zu einigen vorgelesenen Aussagen Innenarbeit werden die Aufgabenstellungen/Fragen im Klassenraum entlang einer gedachten Linie zu gemeinsam besprochen. positionieren. Die Linie lässt sich auch mittels Klebe band auf dem Boden, das quer durch den Klassen Besprechung in der Klasse: Entwicklung des raum angebracht wird, visualisieren. Wer einer Wahlrechts vorgelesenen Aussage zu 100 Prozent zustimmt, steht In der dritten Sequenz steht die Entwicklung des zum Beispiel bei der Tafel, wer sie gänzlich ablehnt, Wahlrechts in Österreich im Mittelpunkt. Klären Sie steht an der gegenüberliegenden Wand. Dazwischen zunächst, welches Vorwissen vorhanden ist: Wer darf liegen viele Abstufungen. Die SchülerInnen sollen er- wählen? Seit wann ist das so (in Bezug auf die Grup- mutigt werden, sich spontan zu positionieren. pen Jugendliche ab 16, Frauen und Männer)? Bitten Sie einzelne SchülerInnen um eine Begründung Kleingruppenarbeit oder Erläuterung ihrer Positionierung, aber akzeptie- Mithilfe des Arbeitswissens (Die Entwicklung des ren Sie jedenfalls, wenn das abgelehnt wird. Zu die- Wahlrechts in Österreich, Arbeitsblatt M2-1) können sem Zeitpunkt stehen die Meinungsäußerungen der die Aufgaben 1 und 2 eigenständig erledigt werden SchülerInnen grundsätzlich nicht zur Diskussion, aber (Arbeitsblatt M2). Zentral ist, dass die SchülerInnen gegensätzliche Standpunkte können selbstverständ- erkennen, wie das Wahlrecht seit seiner Einführung lich geäußert werden. erweitert wurde (zuletzt 2007) und welche Gruppen davon betroffen waren: Zuerst wurde die erforderli- Aussagen zur „Positionierung“: che Mindeststeuerleistung reduziert, dann wurden alle Männer wahlberechtigt und 1918 schließlich alle Für mich ist wählen gehen eine BürgerInnenpflicht, Männer und Frauen (mit StaatsbürgerInnenschaft). die ich immer erfüllen werde, wenn ich Seit den 1960er Jahren wurde schrittweise das aktive wahlberechtigt bin. Wahlalter von 20 auf 16 und das passive Wahlalter von 26 auf 18 Jahre gesenkt. Wahlen ändern sowieso nichts. Also kann man gleich daheimbleiben. Aufgabe 3 fokussiert vor diesem Hintergrund auf die Bedeutung des Wahlrechts, die über das unmittelba- Wenn nur wenige Leute an Wahlen teilnehmen, re Recht zu wählen und gewählt zu werden hinaus- ist das ein Problem. geht. Die jeweilige Einschätzung als „richtig“, „unklar“ oder „falsch“ ist dabei in den allermeisten Fällen nicht Wer nicht wählt, darf sich nachher auch nicht über eindeutig. Klar ist, dass zum Beispiel das Wahlrecht die Arbeit der gewählten Parteien beschweren. nicht garantiert, dass sich jemand besser über Politik informieren wird oder nicht diskriminiert wird. Den- Es sollte eine gesetzliche Wahlpflicht eingeführt noch kommt dem Wahlrecht wohl in beiden Fällen werden. Wer trotzdem nicht hingeht, zahlt eine eine gewisse Bedeutung zu. Dieser Diskussionsspiel- Strafe wie beim Falschparken. raum trifft auch auf die Antwortmöglichkeiten bei der Aufgabe 4 (Veränderungen durch die Ausweitung des Wer mehr Steuern zahlt, dessen Stimme sollte Wahlrechts für jene, die bereits zuvor wählen konn- bei Wahlen auch mehr Gewicht haben. ten) zu. So könnte durchaus argumentiert werden, dass eine Ausweitung des Wahlrechts ein Macht- Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem es verlust für jene ist, die bereits wählen durften, dass keine Wahlen gibt. sie aber auch einen Gewinn für die Gesellschaft Unterrichtsmaterialien des Wahlrecht für alle!? www.hdgoe.at/unterrichtsmaterialien 3/11 Hauses der Geschichte Österreich Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich Stand: November 2018
insgesamt mit sich bringt. Aufgrund der Vielfalt bis zwei Runden ausreichen. Bitten Sie jeweils die zu- möglicher Einschätzungen bleibt auch Raum für eine hörenden Gruppen, das vorgetragene Argument nach individuelle Einschätzung. den folgenden Kategorien einzuschätzen:1 Diskussion der Einschätzungen in der Klasse Gesichertes Urteil Beruht auf gesicherten Untersu- chungen oder ist daraus abzuleiten. Wie in den vorangehenden Absätzen beschrieben, Vorausurteil Ist nicht gesichert und wenig verlangt nur die Aufgabe 1 nach einer eindeutigen hinterfragt. Antwort. Bei der Besprechung der Aufgabe 2 sollen Vorurteil Ist einerseits leicht widerlegbar, aber jeweils die subjektiven Gründe der SchülerInnen für andererseits ändern Informationen die Wahl von bedeutenden Daten im Mittelpunkt oft nichts an den Standpunkten. stehen. Die Aufgaben 3 und 4 verlangen nach einer kontroversen Auseinandersetzung in der Klasse, Stellen Sie sicher, dass alle SchülerInnen diese Kri- wobei das Hauptaugenmerk eben nicht auf „richtig“ terien sehen können (Projektion, Tafel, Kopie), aber oder „falsch“, sondern auf den jeweiligen Argumenten stellen Sie sie nicht vorab zur Verfügung. Alle Ein- liegt. Stellen Sie deshalb sicher, dass unterschiedli- schätzungen sind in einem gewissen Rahmen subjek- che Standpunkte aufkommen, und bringen Sie diese tiv. Sollten in der Klasse verschiedene Standpunkte gegebenenfalls – unabhängig von Ihrer eigenen Posi- zum Ausdruck kommen und gehört werden, können tion – selbst ein. Sie sich zurückhalten. Sollte ein Standpunkt domi- nieren, bringen Sie – unabhängig von Ihrer eigenen Meinungsbild, Gruppenteilung Meinung – Gegenstandpunkte ein. Machen Sie anschließend zum Thema, dass eine Gruppe von in Österreich lebenden Menschen kein Urteilsbildung und Reflexion Wahlrecht hat: Menschen ohne österreichische Abschließend stimmen die SchülerInnen noch ein- (bzw. ohne EU-)StaatsbürgerInnenschaft. Bitten Sie mal über einen Vorschlag zum Wahlrecht für alle die Klasse, sich so wie beim Stundeneinstieg zur im Land lebenden Menschen ab: „Wer schon fünf folgenden Aussage zu positionieren: „Wer schon fünf oder zehn Jahre in Österreich lebt, sollte zumindest oder zehn Jahre in Österreich lebt, sollte zumindest auf Gemeinde- oder Bezirksebene wählen dürfen.“ auf Gemeinde- oder Bezirksebene wählen dürfen.“ Reflektieren Sie gemeinsam, ob bzw. wie die Ausei- Vermeiden Sie an dieser Stelle Diskussionen über die nandersetzung einen Einfluss auf die Positionierung Aussage. Verweisen Sie auf einen späteren Zeitpunkt einzelner SchülerInnen hatte. und die folgende Auseinandersetzung. 1 Vgl. Heinrich Ammerer, Warum denke ich, was ich denke? Politische Kleingruppenarbeit: Argumente finden Teilurteile sichtbar machen und bewerten, in: Informationen zur Politi- Bilden Sie Kleingruppen (drei bis sechs Personen), schen Bildung 29 (2008), S. 15–19. die möglichst meinungshomogen sind, also entspre- chend der Positionierung entlang der gedachten Linie. Wenn alle in der Klasse zu einer Seite neigen, trifft das für die Einzelnen trotzdem mit mehr oder weniger Intensität zu. Lassen Sie die möglichst homogenen Gruppen das Material M3 lesen und die Aufgaben bearbeiten. Helfen Sie wenn nötig bei der Klärung von Verständnisfragen in den Kleingruppen. Gehen Sie zum nächsten Schritt über, wenn alle Gruppen zumindest drei Argumente aufgeschrieben und diese nach ihrem Gewicht gereiht haben. Austausch und Bewertung von Argumenten Ersuchen Sie die Gruppen, ihre Argumente – begin- nend mit dem gewichtigsten – vorzulesen. Nach jedem Argument folgt eine andere Gruppe, wobei ein Unterrichtsmaterialien des Wahlrecht für alle!? www.hdgoe.at/unterrichtsmaterialien 4/11 Hauses der Geschichte Österreich Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich Stand: November 2018
3 Ablauf Aktivität Materialien Einstieg Konfrontation mit dem Thema Wahlrecht: Positionierung im Raum Arbeitsphase PartnerInnenarbeit zum historischen Flugblatt Arbeitsblatt (M1) Besprechung in der Klasse: Entwicklung des Wahlrechts Kleingruppenarbeit zur Entwicklung des Wahlrechts Arbeitsblatt (M2) Arbeitswissen „Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich“ (M2-1) Diskussion der Einschätzungen in der Klasse Meinungsbild, Gruppenteilung Gruppenteilung in möglichst meinungshomogene Gruppen nach Einschätzung zur Ausweitung des Wahlrechts Kleingruppenarbeit: Argumente finden Arbeitsblatt (M3) Bearbeitung der Aufgabenstellung M3 Abschluss / Diskussion Austausch und Bewertung von Argumenten Urteilsbildung und Reflexion Kriterien zur Einstufung Abschließende Urteilsbildung und Reflexion der Auseinandersetzung (Projektion, Tafel, Kopie) Unterrichtsmaterialien des Wahlrecht für alle!? www.hdgoe.at/unterrichtsmaterialien 5/11 Hauses der Geschichte Österreich Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich Stand: November 2018
4 Arbeitsmaterialien M1 Arbeitsblatt: Flugblatt M2 Arbeitsblatt: Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich M2-1 Arbeitswissen: Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich M3 Arbeitsblatt: Wahlrecht für alle, die hier leben? Unterrichtsmaterialien des Wahlrecht für alle!? www.hdgoe.at/unterrichtsmaterialien 6/11 Hauses der Geschichte Österreich Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich Stand: November 2018
ARBEITSBLATT M1 Objekt Flugblatt Wahlaufruf der Sozialdemokratischen Partei, Flugzettel, VGA, Wien Auf dem Foto seht ihr ein Dokument aus der Ausstellung Aufbruch ins Ungewisse – Österreich seit 1918 im Haus der Geschichte Österreich: ein Flugblatt, das zum Wählen aufruft. Seht euch zu zweit das Flublatt genauer an! 1. Beurteilt, ob ein Wahlaufruf heute noch so geschrieben werden könnte. 2. Aus welcher Zeit könnte das Dokument stammen? Erklärt, wie ihr zu eurer Einschätzung kommt. 3. Vergleicht den oben abgebildeten Wahlaufruf mit jenem der Stadt Wien von 2017: Benennt Unterschiede und zieht Rückschlüsse auf gesellschaftliche Veränderungen. Wahlaufruf, Stadt Wien Wahlrecht für alle!? 7/11 Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich
ARBEITSBLATT M2 Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich Lest den Text „Arbeitswissen“ zur Entwicklung des Wahlrechts in Österreich! 1. Beschreibt, wie sich die Zusammensetzung der Wahlberechtigten seit dem Jahr 1848 verändert hat. 2. Nennt die aus eurer Sicht zwei wichtigsten Daten im Zusammenhang mit dem Wahlrecht in Österreich. Begründet eure Auswahl. 3. Welche Rolle spielt das Wahlrecht für Einzelne bzw. für betroffene Gruppen eurer Einschätzung nach? Wer das Wahlrecht hat … richtig falsch unklar a) kann selbst zum Beispiel als Abgeordnete/r kandidieren. b) informiert sich besser über Politik. c) wird nicht diskriminiert. d) fühlt sich von gewählten PolitikerInnen besser vertreten. e) kann sich leichter für eigene Interessen einsetzen. f) wird in politischen Entscheidungen nicht übergangen. g) wird sich eher politisch engagieren und die Gesellschaft mitgestalten. 4. Beurteile die Wahlrechtsänderungen von 1907 und 1918 aus der Sicht eines Großgrundbesitzers, der bereits 1873 wählen durfte. Was hat sich aus seiner Sicht verändert? a) Er musste Macht abgeben. b) Er profitierte von der Veränderung durch die Ausweitung der Demokratie und der Wahlberechtigten. c) Nichts. Er konnte ja schon wählen. d) ……………………………………………………………………………………………… Wahlrecht für alle!? 8/11 Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich
ARBEITSBLATT M2-1 Arbeitswissen Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich 1848: Erste Anfänge 1938 bis 1945: Nationalsozialismus 1848 finden in vielen Ländern Europas Revolutionen gegen Auch im Nationalsozialismus finden keine freien Wahlen die Herrschenden statt. In der Folge entsteht zwar keine statt. Nach der Befreiung 1945 wird das Wahlrecht Demokratie, aber es gibt zum Beispiel erstmals eine Ver- von 1923 im Wesentlichen wieder eingeführt. Etwa fassung und so etwas wie ein Parlament. Dieses hat aller- 500.000 ehemalige NationalsozialistInnen dürfen bei dings sehr wenig Macht. Wählen dürfen nur sehr wenige der ersten Wahl 1945 nicht teilnehmen. Menschen, wie zum Beispiel reiche Großgrundbesitzer. 1968 und 1992: Herabsetzung des Wahlalters 1867: Staatsgrundgesetz Das aktive Wahlalter wird 1968 auf 19 und das passive auf Erstmals beschließt der Reichsrat und nicht der Kaiser 25 Jahre herabgesetzt. 1992 wird es auf 18 (aktiv) bzw. eine Verfassung. Damit wird die Macht des Kaisers 19 Jahre (passiv) nochmals gesenkt. beschränkt und Österreich wird zu einer konstitutionellen Monarchie. Es werden Grundrechte und auch ein neues 1999: Erste EU-Wahl Vereins- und Versammlungsrecht beschlossen. In der Folge Nach dem EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 werden wird etwa die Gründung von Gewerkschaften und Parteien erstmals Abgeordnete zum Europäischen Parlament möglich. gewählt. BürgerInnen aus anderen EU-Ländern dürfen in dem Land, in dem sie leben, an Wahlen auf Gemeinde 1873: Kurienwahlrecht für den Reichsrat ebene (in Wien: Bezirksvertretung) teilnehmen. Menschen werden nach ihrem Besitz in bestimmte Kurien (= Gruppen) eingeteilt. Wie viel Grundbesitz man hat oder 2000: Wählen mit 16 in Bundesländern wie viel Steuern man zahlt, bestimmt die Zugehörigkeit In den Bundesländern Burgenland und Kärnten darf erst- zu einer Kurie. Davon hängt ab, ob man wählen darf und mals mit 16 Jahren gewählt werden. Das passive Wahlalter wie viel die Stimme zählt. Wahlberechtigt sind nur sechs liegt bei 18 Jahren. Die anderen Bundesländer folgen. Prozent der männlichen Bevölkerung ab 24 Jahren. In den 2002: Beschluss des „AusländerInnenwahlrechts“ folgenden Jahren wird die für das Wahlrecht erforderliche auf Bezirksebene in Wien Steuerleistung reduziert. Im Wiener Landtag wird beschlossen, dass Personen ohne 1896: Alle Männer dürfen wählen österreichische StaatsbürgerInnenschaft, die fünf Jahre Erstmals dürfen auch Männer wählen, die keinen nennens ununterbrochen in Wien wohnen, den Bezirksrat wählen werten Besitz haben. Ihre Stimmen zählen allerdings deut- dürfen. Der Verfassungsgerichtshof hebt diesen Beschluss lich weniger. Sie können nur 72 von insgesamt 425 Abge- 2004 auf, weil er die StaatsbürgerInnenschaft als notwen- ordneten bestimmen. dige Voraussetzung sieht. 1907: Allgemeines, gleiches Wahlrecht für alle 2007: Wählen mit 16 Männer Jugendliche, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet Die Kurien werden abgeschafft. Jeder Mann ab 24 Jahren haben, dürfen an Nationalratswahlen, an Gemeinderats-, bekommt eine Stimme (= aktives Wahlrecht). Um gewählt Landtags- und Bundespräsidentenwahlen und an den zu werden (= passives Wahlrecht), müssen Männer min- Wahlen zum Europäischen Parlament teilnehmen. Das destens 30 Jahre alt sein. passive Wahlalter wird auf 18 Jahre gesenkt. Österreich nimmt mit der Senkung des aktiven Wahlalters auf 1918: Allgemeines und gleiches Wahlrecht für 16 Jahre in der EU eine Vorreiterrolle ein. Frauen und Männer Nach der Gründung der demokratischen Republik im November 1918 erhalten alle Frauen und Männer, die Staats- bürgerInnen sind, eine Stimme (ausgenommen waren Prostituierte: Diese erhielten das Wahlrecht erst 1923). Die erste Nationalversammlung der Republik wird im Februar 1919 gewählt. 1923 wird das Wahlalter zunächst gesenkt und 1929 auf 21 Jahre (aktives Wahlrecht) bzw. auf 29 Jahre (passives Wahlrecht) hinaufgesetzt. 1933/34 bis 1938: Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur Infolge der Ausschaltung der Demokratie werden Parteien verboten – es finden keine Wahlen mehr statt. Wahlrecht für alle!? 9/11 Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich
ARBEITSBLATT M3 Diskussion Wahlrecht für alle, die hier leben? Bei der Nationalratswahl im Oktober 2017 hatten 15 Prozent der in Österreich lebenden Personen über 16 Jahre kein Wahlrecht, weil sie nicht die österreichische StaatsbürgerInnenschaft besitzen. Das sind rund 1,1 Millionen Menschen. In Österreich lebende EU-BürgerInnen dürfen auf Gemeindeebene (in Wien: Bezirksebene) wählen. In Wien wurde bereits 2002 ein Wahlrecht für alle in der Stadt lebenden Men- schen auf Bezirksebene beschlossen. Der Verfassungsgerichtshof hat diesen Beschluss im Jahr 2004 aufgehoben. Ob die StaatsbürgerInnen- schaft eine Voraussetzung für das Wahlrecht sein muss, wird immer wieder diskutiert. Auch innerhalb der Parteien gibt es dazu unterschiedliche Positionen. Vor Wahlen sind die Parteien gefordert, klar Stellung zu den verschie- densten Themen zu beziehen. Das sind die Parteimeinungen zu diesem Thema vor der Nationalratswahl im Oktober 2017: Positionen der Parlamentsparteien vor der Nationalratswahl 2017: Welche Parteien fordern ein Wahlrecht für (EU-)Ausländer? Am weitesten gehen die Neos: EU-Ausländerinnen und EU-Ausländer, die in Österreich leben, sollten nicht nur an Gemeinderatswahlen teilnehmen dür- fen, sondern an allen Wahlen – also auch den Nationalrat wählen und selbst kandidieren dürfen. Ausländer von außerhalb der EU sollten nach Vorstellung der Neos erst nach einer Mindestzeit, etwa 10 Jahren, an Wahlen teilnehmen dürfen, aber nicht kandidieren. SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grüne wollen am Wahl- recht für den Nationalrat nichts ändern. Die Staatsbürgerschaft sei ein hohes Gut und solle Voraussetzung bleiben. Damit sind am 15. Oktober rund 15% der Bevölkerung im Wahlalter (ab 16) nicht wahlberechtigt. Quelle: https://oe1.orf.at/artikel/636904 (abgerufen am 21.6.2018). Arbeitsaufgaben (Gruppenarbeit) 1. Findet in der Kleingruppe drei bis vier Argumente zum Thema. Schreibt diese verständlich auf. Sucht zumindest ein Argument, das nicht eure eigene Position unter- stützt. Auch wer eine klare Position hat, soll Gegenargumente kennen. 2. Einigt euch in der Gruppe darauf, welches Argument am meisten und welches am wenigsten Gewicht hat. Reiht alle Argumente danach, für wie wichtig ihr sie haltet. Wahlrecht für alle!? 10/11 Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich
5 Impressum Autor: Stefan Schmid-Heher Redaktion: Eva Meran, Louise Beckershaus Lektorat: Julia Teresa Friehs Grafik: zunder zwo © 2018 Haus der Geschichte Österreich Österreichische Nationalbibliothek Standort: Heldenplatz Postadresse: Josefsplatz 1, 1015 Wien www.hdgoe.at Diese Unterrichtsmaterialien erscheinen im Kontext der Eröffnungsausstellung des Hauses der Geschichte Österreich Aufbruch ins Ungewisse – Österreich seit 1918 (11/2018–05/2020) und wurden realisiert mit freundlicher Unterstützung von: In Kooperation mit: PH Wien Für Anregungen danken wir: Andrea Brait (Institut für Zeitgeschichte/Institut für Fachdidaktik, Universität Innsbruck) Alois Ecker (Fachdidaktikzentrum „Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung“/Institut für Geschichte, Universität Graz) Thomas Hellmuth (Didaktik der Geschichte und Politischen Bildung /Institut für Geschichte, Universität Wien) Philipp Mittnik (Zentrum für Politische Bildung/Pädagogische Hochschule Wien) Lara Möller (Didaktik der Politischen Bildung/Zentrum für LehrerInnenbildung, Universität Wien) Dirk Rupnow (Institut für Zeitgeschichte, Universität Innsbruck) Heidemarie Uhl (Österreichische Akademie der Wissenschaften) Moritz Wein (erinnern.at) Bildnachweis: Titelseite: Großdemonstration in Wien für ein allgemeines Wahlrecht, Fotografie, Körperschaft: R. Lechner (Wilh. Müller), Wien, 28.11.1905. ÖNB Bildarchiv und Grafiksammlung Frauenwahlrechtstag, Fotograf: Karl Seebald, 19.3.1911. ÖNB, Bildarchiv und Grafiksammlung Arbeitsblatt M1: Wahlaufruf der Sozialdemokratischen Partei, Flugzettel, 1919. VGA, Wien Wahlaufruf, 2017. Stadt Wien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Die Materialien dürfen in Schulen zu Unterrichtszwecken vergütungsfrei vervielfältigt werden. Jede andere Verwertung ist unzulässig. Haftungsausschluss: Die Redaktion ist für den Inhalt der angeführten Internetseiten nicht verantwortlich. Unterrichtsmaterialien des Wahlrecht für alle!? www.hdgoe.at/unterrichtsmaterialien 11/11 Hauses der Geschichte Österreich Die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich Stand: November 2018
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