Warum 93% aller Züge der SBB pünktlich sind - LITRA ...

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Warum 93% aller Züge der SBB pünktlich sind

17|05|18|litra. Das Schweizer Eisenbahnnetz ist das meistbefahrene der Welt. Trotzdem weist
die SBB europaweit die höchsten Pünktlichkeitswerte auf: 2017 waren 93.1% aller Züge
pünktlich. Wie schafft es die SBB, trotz der rekordhohen Auslastung, eine so hohe
Pünktlichkeit zu erreichen? Anlässlich eines Besuchs unseres externen Autors Marc Vetterli in
der Betriebsleitzentrale Mitte der SBB zeigte sich eindrücklich, wie das Bahnnetz vom
Fahrplan bis zur Steuerung perfektioniert wurde, wo die Risiken liegen und welche
Herausforderungen noch anstehen.

«Wenn der ICN aus Zürich hier in Olten mehr als 3 Minuten Verspätung hat, dann wird es
kompliziert: Ich muss ihn auf ein anderes Gleis umleiten, weil sonst ein Abkreuzungskonflikt
entsteht. Das Problem ist aber die niedrigere Weichengeschwindigkeit, deshalb muss die
nachfolgende S-Bahn auf einem anderen Gleis einfahren, weil diese wiederum den Güterzug
blockiert», erklärt der Zugverkehrsleiter der Betriebsleitzentrale (BLZ) Mitte in Olten. Es sind
Sekunden, die zählen in einem System, das perfektioniert wurde. Vor jeweils 10 Monitoren
überwacht jeder Disponent seinen Abschnitt. In Olten wird der gesamte Bahnverkehr von
Luzern bis nach Basel und Bern gesteuert. Die BZ Mitte ist dabei eine von vier
Steuerungszentralen der SBB, in welchen der gesamte Bahnbetrieb koordiniert wird. Die
tägliche Arbeit in den Betriebsleitzentralen steht als Sinnbild für das Dilemma der SBB:
Während 1996 noch 107 Züge pro Tag und Strecke auf dem SBB-Netz verkehrten, sind es im
Jahr 2016 bereits 171, eine Zunahme also von fast 60%. Der beeindruckende Weltrekord
bringt jedoch grosse Herausforderungen mit sich.

Foto: Zugverkehrsleiter in der BZ Olten, Quelle: Lüthy, Patrick (2016)

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Stabilität als zentrales Kriterium
Die Pünktlichkeit ist abgesehen von der Sicherheit das zentrale Qualitätsmerkmal im
öffentlichen Verkehr. Von der Verfügbarkeit des Rollmaterials und der Anlagen bis hin zum
Fahrplan haben eine Vielzahl von Faktoren einen Einfluss auf die Pünktlichkeit. Die Stabilität
des Gesamtsystems wird dabei massgeblich durch die Zugzahl, die
Durchschnittsgeschwindigkeit und die Heterogenität der Züge beeinflusst. Der Fahrplan ist
daher die Grundlage für ein stabiles System. Die SBB hat deshalb gemäss Daniel Pallecchi,
Pressesprecher der SBB, nebst Massnahmen bei Infrastruktur und Rollmaterial den Fahrplan
laufend optimiert und punktuell die Halte- und Fahrzeiten angepasst.
Für den Fahrplan im Rahmen des Ausbauschritts 2030/35 plant die SBB zudem, die
Geschwindigkeiten aller Züge zu homogenisieren und das Angebot zu systematisieren. Da die
Stabilität von der Heterogenität der Züge und deren Durchschnittsgeschwindigkeit abhängt,
will die SBB die Geschwindigkeiten angleichen. S-Bahn-Züge nutzen die maximale
Streckengeschwindigkeit bereits aus und Güterzüge können kaum schneller fahren. Es
resultiert der Schritt, dass die Geschwindigkeit der Schnellzüge punktuell reduziert wird –
allerdings ohne dass die Anschlüsse in den Knotenbahnhöfen beeinträchtigt werden. Damit
lässt sich die Kapazität beispielsweise im Heitersbergtunnel um bis zu 40% erhöhen und die
Stabilität nimmt weiter zu.

Grafik: Beim Heitersbergtunnel lässt sich die Kapazität dank der konsequenten Systematisierung von
heute 14 auf 20 Trassen pro Stunde und Richtung erhöhen, Quelle: SBB (2017)

Die Perfektionierung auf der Ebene der Steuerung
Da aber kein perfektes System existiert und Störungen auch in einem optimierten
Gesamtsystem nach wie vor zum Alltag gehören, versucht die SBB, auch auf der Ebene der
Zugsteuerung Lösungen zu entwickeln. Störungen können immer auftreten, so dass die
Zugsteuerung ein zentraler Faktor bei der Pünktlichkeit ist.

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Die SBB hat zwei Systeme entwickelt, welche die Stabilität und Pünktlichkeit weiter
verbessern. Mit RCS-HOT (Rail Control System - Hub Optimization Technology) hat die SBB
ein hochkomplexes Programm entwickelt, welches in besonders belasteten Bereichen des
Netzes, insbesondere an Knoten, eingesetzt wird. Es berechnet laufend für jeden einzelnen
Zug das optimale Fahrprofil und optimiert die Zugabfolge und die Fahrwege. Dazu werden
für jede Problemstellung (z.B. verspäteter Zug) zehntausende Möglichkeiten berechnet, wie
der aktuelle Verkehr optimiert werden könnte. Anschliessend wählt das Programm
automatisch die beste Lösung aus. So wird dann beispielsweise ein Zug auf ein anderes Gleis
umgeleitet, damit er von einem beschleunigten Zug überholt werden kann. Im Knoten Zürich
können so pro Monat 1.2 Mio. Reisendenverspätungsminuten vermieden werden.

Grafik: Beispiel für Optimierung mit RCS-HOT, Quelle: SBB Infrastruktur Verkauf (2018)

Parallel dazu läuft auf dem gesamten Netz der SBB RCS-ADL, die sogenannte «Adaptive
Lenkung». Das Grundproblem der Eisenbahnsteuerung liegt darin, dass mit wenigen
Ausnahmen (z.B. NEAT) nach wie vor konventionelle Signale mit fixen Blockeinteilungen
vorhanden sind. Dies reduziert die Kapazität und die Pünktlichkeit. Durch die fixen Blöcke
sind die einzelnen Streckenabschnitte viel länger belegt, als dies für den Bremsweg effektiv
nötig wäre. Die SBB versucht diesem Problem zwar mit einer Verkürzung der Signalabstände
entgegenzuwirken, das Grundproblem bleibt jedoch bestehen. Zudem verkehren die Züge
nicht in einem regelmässigen Abstand, sondern unregelmässig anhand von den
Blockeinteilungen. Dadurch fährt beispielsweise ein Schnellzug auf die vorausfahrende S-
Bahn bis zum Sicherheitsabstand auf und muss komplett anhalten, was Verspätungen
verursacht. Mit RCS-ADL wird nun dem Schnellzug die optimale Geschwindigkeit berechnet,
so dass er der S-Bahn konstant folgen kann, anstatt vor jedem Bahnhof anhalten zu müssen.
So verkehren die Züge konstanter, pünktlicher und sparen dabei auch noch Unmengen an
Energie.

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Strategie birgt Risiken
Die Optimierung auf Fahrplan- und Steuerungsebene bringt jedoch nicht zu
vernachlässigende Risiken mit sich. Je dichter das Netz befahren ist und je mehr das System
auf Steuerungsebene optimiert wird, desto grösser wird auch das Risiko von
Störungsübertragungen. Bei kleinen Störungen kann der entsprechende Zug isoliert werden,
so dass das System stabil bleibt. Was passiert jedoch, wenn an einem neuralgischen
Knotenpunkt eine Anlagenstörung auftritt? Mit der dichten Zugfolge und trotz der
perfektionierten Steuerung bestehen wenig Möglichkeiten, die Auswirkungen der Störung
schnell einzugrenzen. Eine einfache Lösung für dieses Problem gibt es nicht, denn eine
optimale Netznutzung ist zu begrüssen, da so weniger Infrastrukturausbauten nötig sind. Die
SBB hat mit innovativen Lösungen gezeigt, dass auch das bestehende Netz noch besser
genutzt werden kann. Wie stark die Infrastrukturnutzung aber weiter intensiviert werden
kann, wird die Zukunft zeigen.

Literaturverzeichnis

Eichenberger, Rudolf; Lüthy, Patrick (2016): Ich sehe eine SBB, die… «1-fach», persönlich,
vernetzt: CEO Andreas Meyer über die Kraft von Vision und Strategie. In: Unterwegs,
18.03.2016. Online verfügbar unter https://dima.sbb.ch/unterwegs/artikel/2779/ich-sehe-
eine-sbb-die.
SBB (2004): Geschäftsbericht 2004. Hg. v. SBB.
SBB (2016): Geschäftsbericht 2016. Hg. v. SBB.
SBB (2017): STEP Ausbauschritt 2030/35. Die Variante der SBB. Online verfügbar unter
https://company.sbb.ch/content/dam/sbb/de/pdf/sbb-konzern/medien/hintergrund-
dossier/170603_STEP_Hintergrund-Dossier.pdf.
SBB Infrastruktur (2018): RCS-ADL: Die grüne Welle. SBB Infrastruktur. Online verfügbar
unter
https://www.sbbrcs.ch/fileadmin/user_upload/dokumente/RCS%20Broschu%CC%88ren/RCS
-ADL%20Flyer/Factsheet_ADL_de_Web.pdf.
SBB Infrastruktur Verkauf (2018): RCS-HOT. der Koordinator für die optimale Zugabfolge.
Online verfügbar unter https://www.sbbrcs.ch/de/systemfamilie/rcs-hot/, zuletzt geprüft am
07.05.2018.
Vetterli, Marc (09.03.2018): Pünktlichkeit SBB. Interview mit Daniele Pallecchi. Rapperswil.
Weidmann, Ulrich; Frank, Patrick; Fumasoli, Tobias; Moll, Stephan (2012): Optimale
Netznutzung und Wirksamkeit der Instrumente zu deren Lenkung. Schriftenreihe 158. ETH
Zürich.

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