Was ist "gute Psychotherapie" heute und welche Versorgungsstrukturen braucht sie? - Unith-Festveranstaltung in Trier 8. Mai 2013

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Was ist "gute Psychotherapie" heute und welche Versorgungsstrukturen braucht sie? - Unith-Festveranstaltung in Trier 8. Mai 2013
Was ist „gute Psychotherapie“ heute
und welche Versorgungsstrukturen
            braucht sie?
                     Jürgen Hoyer

        Klinische Psychologie und Psychotherapie
              Technische Universität Dresden

        Unith-Festveranstaltung in Trier
                  8. Mai 2013
Was ist "gute Psychotherapie" heute und welche Versorgungsstrukturen braucht sie? - Unith-Festveranstaltung in Trier 8. Mai 2013
Psychotherapie wirkt…
Was ist "gute Psychotherapie" heute und welche Versorgungsstrukturen braucht sie? - Unith-Festveranstaltung in Trier 8. Mai 2013
Bei wie vielen derjenigen, die die Therapie beginnen,
      ist die Soziale Phobie voll remittiert?

                           36%                                                             26%

                                                                                                                  Manualis. TP
KT nach Clark & Wells

  BMBF Forschungsverbünde Psychotherapie: Sophonet; N = 494; Leichsenring et al., in press, Amer. J. Psychiatry
Was ist "gute Psychotherapie" heute und welche Versorgungsstrukturen braucht sie? - Unith-Festveranstaltung in Trier 8. Mai 2013
Wie viele von denjenigen, die die Therapie beginnen,
       leiden am Ende nicht mehr unter Panikattacken?

                           58%                                                              47%

Unbegleitete Exposition                                                                                  Begleitete Exposition

  BMBF Forschungsverbünde Psychotherapie: Panicnet; N = 494; Gloster et al., 2011, J. Consult Clin Psychol
Was ist "gute Psychotherapie" heute und welche Versorgungsstrukturen braucht sie? - Unith-Festveranstaltung in Trier 8. Mai 2013
Zum Vergleich: Response bei der Behandlung von
Angststörungen (Arch et al., 2012)

                                                 Arch et al., 2012
Was ist "gute Psychotherapie" heute und welche Versorgungsstrukturen braucht sie? - Unith-Festveranstaltung in Trier 8. Mai 2013
Drop-Out bei Sozialer Phobie:
  Wie attraktiv ist unser Angebot eigentlich?

                   151 Angemeldete
                   116 Erschienene
                       93 Therapie-
                        Beginner

                           61
D(completer) = 1.43!                  Gebler, TU Dresden (2012)
Was ist "gute Psychotherapie" heute und welche Versorgungsstrukturen braucht sie? - Unith-Festveranstaltung in Trier 8. Mai 2013
Hypothese: die allermeisten melden sich
                nicht an
                             ???
                       151 Angemeldete
                       116 Erschienene
                          93 Therapie-
                           Beginner

                              61
 d(completer) = 1.43                     Gebler, TU Dresden (2012)
Was ist "gute Psychotherapie" heute und welche Versorgungsstrukturen braucht sie? - Unith-Festveranstaltung in Trier 8. Mai 2013
Psychotherapie wirkt!

Perspektiven:

•   Verbesserung der
    „Mitmach-Raten“
•   der Stigmatisierung von
    psychischen Störungen
    weiter entgegenwirken
Was ist "gute Psychotherapie" heute und welche Versorgungsstrukturen braucht sie? - Unith-Festveranstaltung in Trier 8. Mai 2013
Psychotherapie wirkt!

Perspektiven:

•   Verbesserung der
    „Mitmach-Raten“
•   der Stigmatisierung von
    psychischen Störungen
    weiter entgegenwirken
Was ist "gute Psychotherapie" heute und welche Versorgungsstrukturen braucht sie? - Unith-Festveranstaltung in Trier 8. Mai 2013
Psychotherapie kann noch mehr…
Kompetenzen entwickeln…

                          Linden und Langhoff, 2010
Wesentlich für die Zukunft:
Orientierung an umfassenden Erfolgskriterien
                                                 UND
                          Patientenzufriedenheit!

(z.B. Cougle, 2012; Geiser et al., 2001; Hoyer, Schneider & Margraf, 2009; Knappe & Hoyer, in press; Margraf,
2009, Wilson, Sandoz & Kitchens, 2010)
Was ist eine „gute Psychotherapie“?

•    Symptomreduktion (Linderung)
•    Remission
•    Nachhaltigkeit
•    Verbesserung der Funktionsfähigkeit
•    Zugewinn an Ressourcen und Lebensmöglichkeiten
Was ist eine „gute Psychotherapie“?

•    Symptomreduktion (Linderung)
•    Remission
•    Nachhaltigkeit
•    Verbesserung der Funktionsfähigkeit
•    Zugewinn an Ressourcen und Lebensmöglichkeiten
aber auch:
•    Gute und schnelle Zugänglichkeit
•    Gute Umsetzbarkeit
•    Angenehme Behandlungsumstände
•    Ökonomie…
Was wir in den nächsten 11
Jahren besser machen
können…
Was untersucht die
         Psychotherapieforschung?
Symptomreduktion
Remission
Nachhaltigkeit
Verbesserung der Funktionsfähigkeit

Zugewinn an Ressourcen und Lebensmöglichkeiten

Ökonomie…
Gute Umsetzbarkeit
Angenehme Behandlungsumstände
Gute, schnelle und allgemeine Zugänglichkeit
Cougle (2012):

Sparsame/einfache Psychotherapie

• leichter zu erlernen und zu verbreiten
• bessere Behandlungs-Integrität
• verbesserte Mitarbeit auf Patientenseite

 Extrembeispiel: Psychoanalyse
Cougle (2012) (II):

Weniger „unangenehme“ Psychotherapie

•   geringere Ausfallrate
•   geringere Dauer der Therapie (und des Leidens)
•   geringerer Umfang therapeutischer Hausaufgaben (!)
•   geringere Kosten

    Extrembeispiel: Stationäre Entwöhnungstherapie bei Substanzbezogenen Störungen
Cougle (2012) (III):

Effizientere Psychotherapie

• schnelleres Eintreten der Symptomreduktion
• „transdiagnostischer“ Nutzen (sind erworbene
  Kompetenzen übertragbar?)

    Negativbeispiele: Mangelndes Erkennen, Zuweisungsprobleme, Wartezeiten
Hypothetischer Vergleich von Behandlungsvarianten
                   11 Kriterien
Diskussion Cougle (2012)

•   Nicht alle Kriterien sind gleich-wertig!
•   Neben- und Hauptkriterien werden vermischt
•   Nicht alle Kriterien sind gleichzeitig zu bedienen;
    Wertekonflikte sind unvermeidbar
•   In den meisten Aspekten schneidet die
    Verhaltenstherapie auch heute schon gut ab!
•   Beispiele: Lehrbarkeit/Einfachheit; Schnelligkeit (?)
Begrenzungen durch die
  Versorgungsstruktur
Fallbeispiel

•   38-jähriger Mann
•   Standardisierte Diagnostik: Depression, einzelne
    Episode, schwer; BDI: 33
•   Auslöser: Arbeitsplatzverlust, Trennung der Frau
•   Ausgeprägtes Hilflosigkeitserleben
•   Emotional nicht aufhellbar
•   Intensiver Hilfeappell, jedoch geringe Einsicht in
    psychische Problemdeterminanten
Fallbeispiel

•   38-jähriger Mann
•   Standardisierte Diagnostik: Depression, einzelne
    Episode, schwer; BDI: 33
•   Auslöser: Arbeitsplatzverlust, Trennung der Frau
•   Ausgeprägtes Hilflosigkeitserleben
•   Emotional nicht aufhellbar
•   Intensiver Hilfeappell, jedoch geringe Einsicht in
    psychische Problemdeterminanten
•   Sofortige, intensive und interdisziplinäre Therapie
    deutlich indiziert
Fallbeispiel (2)

•   Wartezeit auf Termin beim Psychiater: ca. 4 Monate
•   Wartezeit auf Termin bei Psychotherapeuten: 6 Monate
•   Wahrscheinlicher Beginn einer gemeinsam geplanten
    Kombinationsbehandlung: unklar, wenn überhaupt
    realistisch
________________

•   Wäre Behandlung im Wochenrhythmus
    angemessen/ausreichend?
•   Löst eine verbesserte Bedarfsplanung/Bedarfsdeckung
    (Niederlassungen für Psychologische
    Psychotherapeuten) das Problem?
Optionen für eine flexiblere,
patientennahe Versorgung
•   Selektivverträge                            (als Reaktion auf fehlende
    Innovationsbereitschaft/als Basis integrierter Versorgung)

•   Internettherapie
•   Gruppentherapie
•   Erweiterte Spielräume in der
    Richtlinienpsychotherapie
    (Beispiel Substanzbezogene Störungen)
Selektivverträge
Selektivverträge „kompensieren Mängel in der kollektivvertraglichen
        Versorgung der Versicherten“ (Tophoven, 2012, S.19)

  •     Vertrag zur Versorgung in den
        Fachgebieten der Neurologie,
        Psychiatrie, Psychosomatik und
        Psychotherapie in Baden-Würtemberg
        gemäß § 73c SGB V (AOK Baden-
        Württemberg/BKK Bosch):
        Erstgespräch in 2 Wochen,
        Erstbehandlung binnen 4 Wochen
  •     Zahlreiche weitere Beispiele (NwpG/TK,
        Hamburger Modell, etc.
Beispiel: Intensivierte Verhaltenstherapie

                                  N = 14 kein Befund oder
N = 122 Zugewiesene                  Drop-Out während
                                         Diagnostik

                   N = 12
            Intensivbehandlung
                   Angst

                             N = 10
                      Intensivbehandlung
                          Essstörung

                             N = 86 Behandlung in
                            Institutsambulanz oder
                                  im Netzwerk

112 von 122 Pat. konnten die Therapie binnen 4 Wo. beginnen (92%)
        (Gründe für Überschreitungen: Urlaub, Krankheit, Prüfung, Schichtarbeit)
Internettherapie

                   Sceenshot DEPREXIS
Gruppentherapie?

•   Keiner der bisher gezeigten Ansätze erhöht die
    Nettozahl der qualifiziert durchgeführten
    Sitzungen
•   Gruppentherapie kann das! (s. auch TK-
    Thesenpaper Mai 2013)
Gruppentherapie der Erythrophobie

•   Voraussetzung: Relativ homogenes Störungsbild
•   Bereitschaft zur Therapie in der Gruppe
•   Bereitschaft eigenständig Übungen
    durchzuführen
•   Logistische Erfordernisse!!
•   Aber: es kommt zu einer erheblichen
    Zeitersparnis
DFG-Studie Erythrophobie (S.Chaker)

            Aufmerk-    KVT
            samkeits-
            training

            KVT         Aufmerk-
   Zufall                             Training im
                        samkeits-     Alltag
                        training

            Warte-      Warte-
            gruppe      gruppe
DFG-Studie Erythrophobie (S.Chaker)

              Aufmerk-          KVT
              samkeits-
              training                          Training im
   Zufall
                                                Alltag

              KVT               Aufmerk-
                                samkeits-
                                training

                              62 Tage
  Zeitersparnis gg. Einzeltherapie der Sozialen Phobie: 70%
10
Errötungsangst 0-10

                      8
                                6,65
                                                            6,26
                      6
                                5,84                                 p < 0,001
                      4
                                                           3,53
                      2

                      0
                             Prä                              Post ES = 1,54
                                             Zeit

                           Wartegruppe; n = 29      Therapiegruppe; n = 60
Gruppentherapie II (Depression)

•   Verhaltensaktivierung in
    Gruppen (Lochmann & Hoyer, 2013)
•   8 Sitzungen, bisher N = 17 Patienten
•   Durchschnittl. Wartezeit: 31 Tage
•   Remittiert: 7 (41,3%)
Erweitere Spielräume: Substanzbezogene Störungen

•   Substanzstörungen: einer der
    wichtigsten Störungsbereiche!
•   Erweiterung der
    Psychotherapierichtlinie 2011
•   Ambulante Psychotherapie
    unter bestimmten Bedingungen
    auch bei substanzbezogenen
    Störungen abrechenbar
•   Gute Erfolgsaussichten auch
    bei illegalen Drogen!
•   Spezialambulanz TU Dresden: N =
    12 abgeschlossene Therapien F 10;
    unverändert: 3; Response: 3;
    Remission: 6
Ambulante Psychotherapie: Substanzbezogene Störungen

•      Befragung der Mitglieder der Ostdeutschen
       Psychotherapeutenkammer (Behrendt, Bühringer & Hoyer, i
       Vorb.): Fast 90% der Niedergelassenen sehen
       Patienten mit substanzbezogenen Störungen, die
       Mehrzahl der Kollegen hat aber Vorbehalte
       gegenüber der Behandlung im ambulanten Setting
•      Die neuen Möglichkeiten sind in der Praxis noch
       nicht angekommen!
Abschließender Vorschlag
•   Psychotherapie in der Versorgung sollte
    besser zwischen Akut-, Intensiv- und
    Transfer- bzw. Erhaltungsphase einer
    Psychotherapie unterscheiden.
                           100
                            90
                            80
                            70                                        Akut
                            60
                                                                      Diag
                            50
                                                                      Intens
                            40
                                                                      Transf.
                            30
                                                                      Erhalt.
                            20
                            10
                             0
                                 Akut   Diag Intens Transf. Erhalt.

•   Wenn akut in Not befindliche Patienten
    warten müssen, weil andere ihre 50. oder
    100. Sitzung erhalten, fördert das
    Stagnation, nicht Veränderung
Psychotherapie…
• wirkt
• wandelt sich
• kann noch mehr, wenn ihre
  Rahmenbedingungen eine flexiblere
  Anwendung ermöglichen (vgl. DPT/April 2013)
Psychotherapie…
• wirkt
• wandelt sich
• kann noch mehr, wenn ihre
  Rahmenbedingungen eine flexiblere
  Anwendung ermöglichen (vgl. DPT/April 2013)
• braucht gut ausgebildeten Nachwuchs, der
  Innovationen in die Praxis trägt!
Fakultät Mathematik und Naturwissenschaften Fachrichtung Psychologie

Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie

     Herzlichen Glückwunsch unith!
              Danke unith!

                hoyer@psychologie.tu-dresden.de
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