WASCHBÄR-VOR- ORT-BERATUNG BERLIN - ZWISCHENBERICHT ZUM PILOTPROJEKT
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In diesem Dokument wird stellvertretend für die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, die am 21.12.2021 in Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz umbenannt wurde, die Bezeichnung Senatsum- weltverwaltung verwendet.
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ INHALT 1 HINTERGRUND..................................................................................... 7 1.1 WASCHBÄREN IN DEUTSCHLAND....................................................................................................................................... 8 1.2 PROBLEME MIT WASCHBÄREN IM SIEDLUNGSBEREICH.............................................................................................. 10 1.3 DATEN ZU BERLINER WASCHBÄREN DER LETZTEN JAHRE............................................................................................11 Wildtiertelefon...........................................................................................................................................................................11 Landeslabor Berlin-Brandenburg..........................................................................................................................................13 1.4 „UNIONSLISTE“ DER INVASIVEN ARTEN............................................................................................................................15 Direkte und indirekte anthropogene Förderung...................................................................................................................16 2 WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN......................................17 2.1 ABLAUF VOR-ORT-BERATUNG UND MONITORING.......................................................................................................20 Kontaktaufnahme....................................................................................................................................................................20 Erstberatung.............................................................................................................................................................................21 Nachberatung..........................................................................................................................................................................21 Monitoring............................................................................................................................................................................... 22 2.2 AUFTRAGSSTATISTIK............................................................................................................................................................ 23 2.3 PROBLEMATIK BEI DER VOR-ORT-BERATUNG................................................................................................................26 2.4 DURCH WASCHBÄREN VERURSACHTE SCHÄDEN UND SPUREN............................................................................... 27 Schäden am und im Dach..................................................................................................................................................... 27 Probleme im Garten...............................................................................................................................................................28 Spuren......................................................................................................................................................................................29 2.5 VON HILFESUCHENDEN UMGESETZTE MAẞNAHMEN..................................................................................................30 Schlecht umgesetzte und somit wirkungslose Maẞnahmen...............................................................................................30 Sinnvoll umgesetzte und somit wirksame Maẞnahmen...................................................................................................... 32 Individuelle Maẞnahmen....................................................................................................................................................... 34 2
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ 3 ERGEBNISSE, AUSWERTUNG MONITORINGBLÄTTER.................... 37 3.1 VERTEILUNG DER EINSÄTZE AUF DIE BERLINER ORTSTEILE........................................................................................38 3.2 VORHERRSCHENDE PROBLEMATIK MIT WASCHBÄREN...............................................................................................39 3.3 SELBSTSTÄNDIG DURCHGEFÜHRTE MAẞNAHMEN IM VORFELD DER BERATUNG..................................................41 3.4 EMPFOHLENE MAẞNAHMEN............................................................................................................................................... 43 3.5 UMSETZUNG DER MAẞNAHMEN....................................................................................................................................... 44 3.6 ZUFRIEDENHEIT MIT DEN UMGESETZTEN MAẞNAHMEN.............................................................................................. 47 3.7 VERÄNDERUNGEN IM GRAD DER EMPFUNDENEN BEEINTRÄCHTIGUNGEN...............................................................48 3.8 BELASTUNG DURCH VERHALTENSÄNDERUNG.............................................................................................................. 49 3.9 EINSTELLUNG DER BETROFFENEN ZU WASCHBÄREN..................................................................................................50 4 EMPFEHLUNGEN................................................................................. 51 4.1 WÜNSCHE UND VERBESSERUNGSVORSCHLÄGE DER BETROFFENEN.....................................................................53 4.2 WÜNSCHE VOM WILDTIERTELEFON.................................................................................................................................54 4.3 ALLGEMEINE EMPFEHLUNGEN...........................................................................................................................................55 Verstärkte Bekanntmachung und Fortführung des Projektes..............................................................................................56 Ausweitung des Angebots...................................................................................................................................................... 57 Zusätzliches Anliegen: Regelung zum Umgang mit Waschbären in Berlin......................................................................58 5 ANHANG..............................................................................................59 QUELLEN..........................................................................................................................................................................................60 TABELLE............................................................................................................................................................................................62 PRINTMATERIALIEN DER VOR-ORT-BERATUNG.......................................................................................................................63 3
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ ABBILDUNGEN ABBILDUNG 1: WASCHBÄR- UND FUCHSSTRECKE, JAGDJAHRE 2005/06 BIS 2019/20............................................................................9 ABBILDUNG 2: ANRUFE WEGEN WASCHBÄREN BEIM NABU-WILDTIERTELEFON 2017–2021.......................................................................11 ABBILDUNG 3: ANRUFE BEIM NABU-WILDTIERTELEFON IM JAHRESVERLAUF............................................................................................. 11 ABBILDUNG 4: DIE AM HÄUFIGSTEN GENANNTEN PROBLEME MIT WASCHBÄREN DER LETZTEN JAHRE........................................... 12 ABBILDUNG 5: WASCHBÄRMELDUNGEN BEIM NABU-WILDTIERTELEFON 2016–2020 ............................................................................ 12 ABBILDUNG 6: SEKTIONEN IM LLBB DER LETZTEN JAHRE.............................................................................................................................. 13 ABBILDUNG 7: TOTFUNDE VON WASCHBÄREN IN BERLIN 2015–2019......................................................................................................... 14 ABBILDUNG 8: TOTFUNDE VON WASCHBÄREN IN BERLIN 2020–2021........................................................................................................ 14 ABBILDUNG 9: WASCHBÄRMELDUNGEN BEIM NABU-WILDTIERTELEFON 2019........................................................................................... 14 ABBILDUNG 10: WASCHBÄRMELDUNGEN BEIM NABU-WILDTIERTELEFON 2020............................................................................................ 14 ABBILDUNG 11: ANZAHL DER EINSÄTZE PRO MONAT......................................................................................................................................24 ABBILDUNG 12: VERRUTSCHTE ZIEGEL...............................................................................................................................................................27 ABBILDUNG 13: SCHADEN AUẞEN AM DACH....................................................................................................................................................27 ABBILDUNG 14: VON WASCHBÄREN VERURSACHTE SCHÄDEN IM DACH..................................................................................................27 ABBILDUNGEN 15 UND 16: WASCHBÄRLATRINEN AUF DEM DACH VON WOHNHÄUSERN..................................................................... 28 ABBILDUNG 17: WASCHBÄRLATRINE IN EINEM DACH.................................................................................................................................... 28 ABBILDUNG 18: WASCHBÄREN AM VOGELFUTTERHAUS............................................................................................................................... 28 ABBILDUNG 19: TYPISCHE GRABSPUR EINES WASCHBÄREN....................................................................................................................... 28 ABBILDUNG 20: WASCHBÄRKRATZSPUREN AM FALLROHR.......................................................................................................................... 29 ABBILDUNG 21: WASCHBÄRKRATZSPUREN AM BAUMSTAMM....................................................................................................................... 29 ABBILDUNG 22: SCHMUTZSPUREN AN DER HAUSWAND NEBEN EINEM FALLROHR............................................................................... 29 ABBILDUNG 23: FUẞABDRUCK EINES WASCHBÄREN AM FALLROHR......................................................................................................... 29 ABBILDUNG 24: UMWICKELTES FALLROHR....................................................................................................................................................... 30 ABBILDUNG 25: NICHT FACHGERECHT ANGEBRACHTER VORGEFERTIGTER FALLROHRSCHUTZ...................................................... 30 ABBILDUNG 26: ZU LOCKER ANGEBRACHTER SELBST GEFERTIGTER FALLROHRSCHUTZ................................................................... 30 ABBILDUNG 27: FALLROHRSCHUTZ MIT ZU GROẞER LÜCKE....................................................................................................................... 31 ABBILDUNG 28: FALLROHRSCHUTZ MIT VERSCHLOSSENER DURCHSTIEGSMÖGLICHKEIT.................................................................. 31 ABBILDUNG 29: GESCHÜTZTER BLITZABLEITER MIT UMSTIEGSMÖGLICHKEIT......................................................................................... 31 ABBILDUNG 30: FALLROHRSCHUTZ MIT UMSTIEGSMÖGLICHKEIT............................................................................................................. 31 ABBILDUNG 31: FALLROHRSCHUTZ MIT UMSTIEGSMÖGLICHKEIT.............................................................................................................. 31 ABBILDUNG 32: SELBST GEBAUTER FALLROHRSCHUTZ AUS WELLPLATTEN............................................................................................. 32 ABBILDUNG 33: SELBST GEBAUTER FALLROHRSCHUTZ AUS PET-FOLIE................................................................................................... 32 ABBILDUNG 34: PATENTIERTER FALLROHRSCHUTZ VOM PROFI................................................................................................................. 32 ABBILDUNGEN 35 UND 36: SELBST GEBAUTER FALLROHRSCHUTZ MIT KUNSTSTOFFTRICHTER........................................................ 32 ABBILDUNG 37: FALLROHRSCHUTZ MIT BLECHTRICHTER, VOM SCHLOSSER UMGESETZT.................................................................. 32 ABBILDUNG 38: HANDELSÜBLICHER STROMZAUN FÜR DIE DACHRINNE................................................................................................ 33 ABBILDUNG 39: STROMZAUN VON HANDWERKSFIRMA................................................................................................................................ 33 ABBILDUNGEN 40 UND 41: STROMZAUN VOM FACHUNTERNEHMEN........................................................................................................ 33 ABBILDUNG 42: ROLLTOR (VORHER)................................................................................................................................................................. 34 ABBILDUNG 43: ROLLTOR (NACHHER).............................................................................................................................................................. 34 ABBILDUNG 44: EINSTIEG INS DACH (VORHER).............................................................................................................................................. 34 ABBILDUNG 45: EINSTIEG INS DACH (NACHHER)........................................................................................................................................... 34 ABBILDUNG 46: LÜFTUNGSSYSTEM (VORHER)................................................................................................................................................ 35 ABBILDUNG 47: LÜFTUNGSSYSTEM (NACHHER).............................................................................................................................................. 35 ABBILDUNG 48: LÜFTUNGSSYSTEM (VORHER)................................................................................................................................................ 35 ABBILDUNG 49: LÜFTUNGSSYSTEM (NACHHER).............................................................................................................................................. 35 ABBILDUNG 50: ANZAHL DER EINSÄTZE PRO STADTTEIL.............................................................................................................................. 38 ABBILDUNG 51: BEEINTRÄCHTIGUNG DURCH WASCHBÄREN..................................................................................................................... 39 ABBILDUNG 52: EMPFUNDENE BEEINTRÄCHTIGUNG DURCH WASCHBÄREN......................................................................................... 40 ABBILDUNG 53: DAUER DER BEEINTRÄCHTIGUNG DURCH WASCHBÄREN............................................................................................. 40 ABBILDUNG 54: BEREITS SELBSTSTÄNDIG DURCHGEFÜHRTE ABWEHRMAẞNAHMEN............................................................................ 41 4
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ ABBILDUNGEN 55 UND 56: MARDERABWEHRGÜRTEL ALS KLETTERHILFE FÜR WASCHBÄREN............................................................. 41 ABBILDUNG 57: GENUTZTE VERGRÄMUNGSMETHODEN..............................................................................................................................42 ABBILDUNG 58: EMPFOHLENE MAẞNAHMEN.................................................................................................................................................. 43 ABBILDUNG 59: GRÜNDE FÜR NICHTUMSETZUNG DER EMPFOHLENEN MAẞNAHMEN, „VORHER“................................................... 44 ABBILDUNG 60: GRÜNDE FÜR NICHTUMSETZUNG, „NACHHER“................................................................................................................ 45 ABBILDUNG 61: UMGESETZTE MAẞNAHMEN.................................................................................................................................................... 46 ABBILDUNG 62: ZUFRIEDENHEIT MIT DEN UMGESETZTEN MAẞNAHMEN..................................................................................................47 ABBILDUNG 63: EMPFUNDENE BEEINTRÄCHTIGUNG DURCH DEN WASCHBÄREN VORHER – NACHHER.......................................... 48 ABBILDUNG 64: BELASTUNG DURCH VERHALTENSANPASSUNG VORHER – NACHHER.......................................................................... 49 ABBILDUNG 65: GENERELLE EINSTELLUNG ZU WASCHBÄREN.................................................................................................................... 50 ABBILDUNG 66: ZUFRIEDENHEIT MIT DEM KOSTENLOSEN ANGEBOT DER SENATSUMWELTVERWALTUNG....................................... 52 ABBILDUNG 67: WÜNSCHE UND VERBESSERUNGSVORSCHLÄGE DER HILFESUCHENDEN................................................................. 53 5
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ 1.1 WASCHBÄREN IN DEUTSCHLAND In den Zwanziger- und Dreißiger- Die brandenburgisch-mecklenbur- FISCHER ET AL. (2015) haben jahren des 20. Jahrhunderts wurden gische Population, zu der auch die anhand von genetischen Analysen Waschbären als wertvolle Pelzliefe- Berliner Waschbären zählen, geht der deutschen Waschbären heraus- ranten bewusst nach Deutschland auf Tiere aus einer ehemaligen gefunden, dass es mindestens vier eingeführt. Auch waren die damali- Pelzfarm im brandenburgischen verschiedene genetische Ursprünge gen Jagdgesellschaften an neuem Wolfshagen zurück. Es gibt ver- gab. Außerdem haben sie Hinweise jagdbarem Wild interessiert. 1934 schiedene Theorien, wie die circa darauf gefunden, dass noch immer wurden aus diesem Grund gezielt 25 Tiere freigekommen sein sollen. neue Tiere auf unterschiedlichen zwei Pärchen, jeweils mit trächtigen Ob es eine Fliegerbombe war, die Wegen zu der Population hinzuge- Weibchen, in Hessen erfolgreich aus- die Pelzfarm getroffen hat, oder kommen sein müssen. gesetzt. 1956, gute 20 Jahre später, ob die Tiere aus Kostengründen in wurde die Waschbärpopulation rund die Freiheit entlassen wurden, lässt um den Edersee auf 285 Tiere, 1970 sich vermutlich nicht mehr eindeutig bereits auf 20.000 bis 28.000 Tiere rekonstruieren. geschätzt (KAMPMANN 1972). WASCHBÄRPOPULATION AM EDERSEE, HESSEN 1934: 8 4 Tiere 1956: 285 Tiere 1970: 20.000 bis 28.000 Tiere
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ Seit Einbringung der Tiere in Deutschland breiten sie sich Es lässt sich vermuten, dass in bereits länger besiedel- auch über die Landesgrenzen hinaus aus. Doch auch in- ten Bereichen die Anzahl der Tiere stabil bleibt. So hielt nerhalb des Landes gibt es noch Gebiete, die noch nicht sich die Zahl der Waschbären im Serrahn (Teilgebiet komplett von Waschbären besiedelt sind. Die Population des Müritz-Nationalparks) über Jahre bei 2,6 adulten wächst. Es gibt allerdings kein bundesweites Monitoring, Tieren pro 100 Hektar (MICHLER 2007, KÖHNEMANN & das es erlauben würde, diese Entwicklung mit genauen MICHLER 2009, MICHLER 2016, MICHLER & MICHLER Zahlen zu belegen. Die einzigen belegbaren Zahlen, die 2018). Auch nach starken Populationseinbrüchen durch man zur Einschätzung der Populationsgröße der Wasch- Krankheiten oder Bejagung weisen die Populationen bären bekommen kann, sind die Jagdstrecken der Tiere bereits ein Jahr später wieder die gleiche Dichte auf. (Abbildung 1). Bei der Interpretation der Daten darf aber ROBEL & BARNES (1990) untersuchten den Einfluss einer nicht außer Acht gelassen werden, dass diese Daten vor regulierenden Jagd auf Waschbären in zwei Gebieten allem das Bestreben der jagdausübenden Personen zur in Kansas (USA). In dem Gebiet A wurde innerhalb eines Reduzierung einer Art widerspiegeln. Es wäre also nicht Jahres die Waschbärpopulation durch Jagd und Verkehr ratsam, diese Zahlen mit dem Populationswachstum einer um 52,5 Prozent reduziert. In dem Vergleichsgebiet B Art gleichzusetzen. Im Vergleich zeigt die Entwicklung der wurde keine Jagd ausgeführt. Im selben Jahr kamen hier Fuchsstrecke beispielsweise einen negativen Trend. Die 26,5 Prozent aller Tiere, vor allem durch Verkehr, ums Fuchspopulation in Deutschland ist in diesem Zeitraum Leben. In dieser ungestörten Population B machten die aber nicht deutlich kleiner geworden, sondern vermutlich Jungtiere lediglich 28 Prozent aus. In der gestörten Popu- auf dem gleichen Niveau geblieben (BELLEBAUM 2003, lation A betrug der Anteil der Jungtiere an der Gesamt- PELLER 2018). population hingegen 62 Prozent – und 38 Prozent aller einjährigen Fähen waren trächtig, während im Gebiet B keine der Jungfähen trächtig war. Die Population A wies trotz ausgiebiger Bejagung keine geringe Anzahl auf. Waschbären gleichen also eine Bestandsdezimierung mit einer erhöhten Geburtenrate aus. Dieses Phänomen wird als „kompensatorische Fertilität“ bezeichnet; eine ABBILDUNG 1: Bestandsdezimierung durch Jagd ist demnach nicht WASCHBÄR- UND FUCHSSTRECKE, zielführend. JAGDJAHRE 2005/06 BIS 2019/20 (Datenquelle: Statista) 700.000 Füchse 600.000 Waschbären 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 0 06 07 08 09 10 011 012 /201 3 14 015 016 17 018 /201 9 02 0 /20 6 /20 7/20 /20 9/20 10/2 1/2 2 3/ 20 4/2 015/2 016/ 20 7/2 9/2 05 0 0 0 8 0 0 0 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 8 0 1 20 20 20 20 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 9
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ 1.2 PROBLEME MIT WASCHBÄREN IM SIEDLUNGSBEREICH Waschbären gehören wie beispielsweise Füchse oder Krähen zu den sogenannten Kulturfolgern und neigen wie kaum eine andere Tierart zur Urbanisierung (VOS ET AL. 2012). Mut, Neugierde und Intelligenz ermöglichen es dem Circa 70 Prozent aller Tagesschlafplätze der Kasseler Waschbären, sich schnell und meist erfolgreich neue Ge- Stadtwaschbären fand MICHLER (2004) in Gebäuden. biete zu erschließen. Aufgrund ihrer hohen Anpassungs- Allerdings war nur die Hälfte dieser Gebäude von Men- fähigkeit, ihrer Kletterkünste und guten Manipulations- schen bewohnt. In diesen bewohnten Häusern nutzten fähigkeiten sind sie in der Lage, Nahrungs- und sonstige die Waschbären vor allem Dachböden (56 Prozent) und Ressourcen zu nutzen, die anderen landlebenden Tieren Kaminschächte (43 Prozent) als Schlafplatz. Eine Un- unzugänglich bleiben (VOS ET AL. 2012). Waschbären tersuchung zu den Tagesschlafplätzen von 13 mit GPS- sind zum Beispiel in der Lage, Mülltonnen zu öffnen. Halsbandsendern ausgestatteten Waschbären in Berlin ergab, dass 26,4 Prozent beziehungsweise 9,8 Prozent Städte stellen für den Waschbären ein Überangebot an der Schlafplätze in Nutz- oder Wohnhäusern lagen (ZILL- Nahrungsquellen bereit. Als bedingungslose Oppor- MANN 2019). tunisten profitieren sie enorm von dem hochwertigen Nahrungsangebot, das wir Menschen ihnen schaffen. In Siedlungsräumen mit einer hohen Populationsdichte Die Mülleimer an Imbissbuden oder in Parks stellen eine können die Tiere erhebliche Schäden durch die Nutzung fast endlose und ganzjährige Nahrungsquelle für viele von Dachböden und Kaminschächten als Schlaf- und Tierarten dar; nicht zu vergessen auch vernachlässig- Wurfplatz anrichten. Sie zerstören Dachisolierungen und te Kleingärten mit ihren Obstbäumen und das für die verursachen Schäden durch Kot und Urin. Für Menschen geliebten Haustiere oder tatsächlich gezielt für Wildtiere mit Eigenheimen kann dies Kosten von mehreren Tausend bereitgestellte Futter. Diese hervorragende Versorgung Euro bedeuten (MICHLER & MICHLER 2012). In Kassel versetzt urbane Waschbären in die Lage, mit deutlich klei- sind derartige Probleme bereits durch ein nachhaltiges neren Streifgebieten als auf dem Land zurechtzukommen Konfliktmanagement reduziert worden (MICHLER 2004). („resource dispersion hypothesis“; MACDONALD 1983). Das führt dazu, dass die Waschbärdichte in Städten um Es lässt sich vermuten, dass wir Menschen die urbanen ein Vielfaches über der im ländlichen Bereich liegen Waschbären noch intelligenter machen. So zeigten kann. Während in ländlichen Bereichen weniger als zehn Verhaltensstudien zu Waschbären aus den USA bei- Tiere auf einem Quadratkilometer vorkommen, leben spielsweise, dass städtische Waschbären verschlossene beispielsweise in Kassel, der deutschen Waschbärmetro- Mülltonnen öffnen konnten, um an den Inhalt zu kom- pole, circa 90 Tiere auf der gleichen Fläche (HOHMANN men, während ihre ländlichen Artgenossen sich deutlich 1998, HOHMANN ET AL. 2001, MICHLER 2004, 2007). Je zögernder näherten und sehr schnell aufgaben (MAC- besser ein Habitat bezüglich Nahrung und Unterschlupf- DONALD 2016). In einer anderen Studie wurde gezeigt, möglichkeiten ausgestattet ist, desto mehr Waschbären dass sich Waschbären auch nach drei Jahren noch an können dort mit- und nebeneinander leben. Mit zuneh- eine ihnen gestellte Aufgabe erinnern und diese lösen mender Flächenversiegelung geht auch ein Dichtegra- konnten. Sie sind somit in ihrer Denk- und Problemlö- dient der Waschbärenpopulation vom Stadtrand zum sungsfähigkeit gleichauf mit Rhesusaffen (DAVIS 1907, Stadtkern einher (MICHLER 2004). LÖHMER 1973, 1975). 10
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ 1.3 DATEN ZU BERLINER WASCHBÄREN DER LETZTEN JAHRE ABBILDUNG 2: WILDTIERTELEFON ANRUFE WEGEN WASCHBÄREN BEIM NABU-WILDTIERTELEFON 2017–2021 (Datenquelle: NABU-Wildtiertelefon) Das Wildtiertelefon des NABU registriert 700 seit April 2014 im Auftrag der Senatsum- weltverwaltung adressgenau eingehende Anrufe wegen verschiedener Waschbär- 600 problematiken. Anhand dieser Daten lässt sich ein Anstieg der jährlichen Zahl der 500 Anrufe verzeichnen (Abbildung 2). In einigen Monaten häufen sich die An- 400 rufe. So fällt auf, dass besonders im Juni die Zahlen der Waschbäranrufe steigen 300 (Abbildung 3). Der Juni ist die Zeit, in der die Welpen die ersten Ausflüge gemein- sam mit ihren Müttern unternehmen. Dies 200 ist demnach auch die Zeit, in der (ver- meintlich) verwaiste Welpen beobachtet 100 oder leider auch häufiger eingesammelt werden. 0 2017 2018 2019 2020 2021 160 2017 (347) 2018 (313) 2019 (454) 2020 (622) ABBILDUNG 3: 140 ANRUFE BEIM NABU- 120 2021 (673) WILDTIERTELEFON IM JAHRESVERLAUF 100 (Datenquelle: NABU- Wildtiertelefon) 80 60 40 20 0 Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. 11
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ ABBILDUNG 4: Abbildung 4 zeigt die Häufigkeiten DIE AM HÄUFIGSTEN GENANNTEN PROBLEME der unterschiedlichen Waschbär- MIT WASCHBÄREN DER LETZTEN JAHRE problematiken der letzten Jahre. Vor (Datenquelle: NABU-Wildtiertelefon) allem die Probleme mit Waschbä- ren in Dächern von Wohnhäusern haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Dass 2020 deutlich mehr Anrufe eingingen, in denen von zerstörten Rasenflächen berichtet 160 wurde, liegt vermutlich am Entwick- lungszyklus größerer Käferarten, wie 140 Mai- oder Junikäfer. Diese Käferar- 120 ten haben mehrjährige Entwicklungs- 100 zyklen, die die Larven vor allem in 80 den Sommermonaten näher an der Erdoberfläche verbringen, um an 60 Wurzeln zu fressen. Waschbären ha- 40 ben ein ausgezeichnetes Gehör und 20 können die Larven unter der Gras- 0 narbe hören und gezielt ausgraben. 2017 2018 2019 2020 2021 Dies zeigt sich in typischen spitzen Grablöchern. Kommen in einem Teil im Haus im Garten, auf Terrasse, auf Gelände zerstört Rasen viele Larven vor, kann der Rasen im Dach/-boden in Garage/Schuppen/Scheune Sonstiges regelrecht umgedreht werden. ABBILDUNG 5: WASCHBÄRMELDUNGEN BEIM NABU-WILDTIERTELEFON 2016–2020 (Quelle: NABU-Wildtiertelefon) In Abbildung 5 sind die Standorte zu den eingegangenen Meldungen nach Jahren dargestellt (2016–2020). Die Punkte zeigen nicht einzelne Indi- viduen, sondern einzelne Sichtungen. Es könnte sich also auch mehrfach um das gleiche Tier gehandelt ha- ben. Die meisten Anrufe kommen aus Spandau, Reinickendorf, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow- Köpenick. Da es sich bei den meisten Berliner Waschbären vermutlich um Nachkommen ehemaliger Pelzfarm- tiere aus Wolfshagen (heute Altlands- berg) nordöstlich von Berlin handelt, ist es nicht verwunderlich, dass diese Bezirke als erste erobert wurden. Bei der Besiedelung von Spandau ist zu vermuten, dass sich die Tiere aus nördlicher Richtung über die Havel, sowie den Tegeler und Spandauer Forst angenähert haben. 12
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ LANDESLABOR BERLIN-BRANDENBURG Das Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB) untersucht Besonders im Oktober werden viele tote Waschbären im am Standort Frankfurt (Oder) die Waschbärstrecke Berlins LLBB eingeliefert. Dies ist die Zeit, in der sich Familien- auf Erkrankungen. In den letzten sieben Jahren lässt sich verbände langsam auflösen und gerade die männlichen auch bei der Anzahl der Waschbär-Totfunde, die im LLBB Jungtiere anfangen, allein unterwegs zu sein. Zudem ist untersucht wurden, ein Anstieg erkennen (Abbildung 6; die dies auch die Zeit, in der die Tiere auf der Suche nach letzten zwei Jahre sind als Verlaufslinien besonders her- Nahrung teilweise größere Gebiete belaufen, um sich für vorgehoben, um die Zunahme der Totfunde in den letzten den Winter eine Fettschicht anzufressen. Somit ist die Ge- Jahren zu verdeutlichen). fahr, im Straßenverkehr getötet zu werden, für die Stadt- waschbären vermutlich erhöht. ABBILDUNG 6: SEKTIONEN IM LLBB DER LETZTEN JAHRE (Datenquelle: LLBB) 18 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 16 14 12 10 8 6 4 2 0 ar ruar z il ust ber r tobe ovemb er emb er Jan u Feb Mär Apr Mai Juni Juli Aug eptem Ok N Dez S 13
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ Die Karten (Abbildungen 7 und 8) zeigen neben der Zunahme der Anzahl der Funde auch eine fortschreitende Aus- breitung über die Stadt. Während sich die Funde 2015–2019 noch auf die Bereiche Reinickendorf, Hohenschönhausen, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf konzentrierten, scheinen sich die beiden Hauptverbreitungen in den zwei darauf- folgenden Jahren weniger deutlich voneinander abzugrenzen und die Waschbären auch weiter zum Zentrum der Stadt vorzudringen. Die gleiche Entwicklung lässt sich auch bei den Karten des NABU-Wildtiertelefons von 2019 auf 2020 erkennen (Abbildungen 9 und 10). ABBILDUNG 7: ABBILDUNG 8: TOTFUNDE VON WASCHBÄREN IN BERLIN 2015–2019 TOTFUNDE VON WASCHBÄREN IN BERLIN 2020–2021 (Datenquelle: LLBB) (Datenquelle: LLBB) ABBILDUNG 9: ABBILDUNG 10: WASCHBÄRMELDUNGEN BEIM NABU-WILDTIERTELEFON 2019 WASCHBÄRMELDUNGEN BEIM NABU-WILDTIERTELEFON 2020 (Quelle: NABU-Wildtiertelefon) (Quelle: NABU-Wildtiertelefon) 14
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ 1.4 „UNIONSLISTE“ DER INVASIVEN ARTEN Am 1. Januar 2015 trat die EU-Verordnung 1143/2014 über die Prävention und das Ma- nagement der Einbringung und Ausbreitung invasiver und gebietsfremder Arten (VO [EU]) in Kraft. Auf Grundlage der in dieser Verord- nung genannten Kriterien (Artikel 4 Absatz 3 VO [EU]) wurden Waschbären 2016 als inva- sive gebietsfremde Art von unionsweiter Be- deutung gelistet (DVO [EU]). „UNIONSLISTE“ Diese Liste („Unionsliste“) ist am 3. August 2016 mit insgesamt Das Bundesamt für Naturschutz hat den Waschbären für Deutschland als 37 Tier- und Pflanzenarten rechts- bereits weit verbreitete Art eingestuft. 03.08.2016 verbindlich geworden. Bisher kamen Somit ist laut der EU-Verordnung zwei Erweiterungen der Liste hinzu eine Beseitigung nicht verpflichtend 37 Arten (2. August 2017 + 12 Arten; 15. Au- und Managementmaßnahmen soll- + gust 2019 + 17 Arten). Aktuell sind ten sich auf eine Kosten-Nutzen-Ana- somit 66 Tier- und Pflanzenarten als lyse stützen (VO [EU] Art. 13 Abs. 4). 02.08.2017 invasive gebietsfremde Arten von Eine nachhaltig bestandsreduzieren- 12 Arten unionsweiter Bedeutung gelistet. de Bejagung ist für den Waschbären in Deutschland nicht praktikabel. + Das Management- und Maßnah- 15.08.2019 menblatt zu VO (EU) Nr. 1143/2014 (MMB) sieht für Waschbären keine 17 Arten flächendeckende Bejagung zur = Ausrottung der Tiere in Deutschland vor. Bei den dort aufgeführten Maß- 66 nahmen handelt es sich vielmehr um Schutzmaßnahmen für bedrohte Ar- ten und somit gegebenenfalls lokale Bejagung sowie um Aufklärung zum invasive gebietsfremde richtigen Umgang mit Waschbären. Tier- und Pflanzenarten 15
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ DIREKTE UND INDIREKTE ANTHROPOGENE FÖRDERUNG Für Berlin und andere urbane Regionen ist vor allem die Um diese Förderung des Waschbä- Durchsetzung der Maßnahme M 7 „Öffentlichkeitsarbeit zur Verminderung der direkten und indirekten anthropo- ren zu reduzieren, ist in den meisten genen Förderung der Art“ von besonders großer Bedeu- Fällen eine Verhaltensanpassung tung (MMB). durch uns Menschen unabdingbar. DIREKTE FÖRDERUNG INDIREKTE FÖRDERUNG VON WASCHBÄREN VON WASCHBÄREN Gezieltes Füttern Indirektes Füttern durch Herum- Indirekte Bereitstellung von liegenlassen von Lebensmitteln Schlaf- und Wurfplätzen oder unzureichende Sicherung von Futterstellen Eine direkte Förderung stellt zum Häufiger ist die indirekte Förderung Mögliche von Menschen geschaffe- Beispiel das gezielte Füttern von von Waschbären, die in den meisten ne Schlafplätze sind: Kellergewölbe, Waschbären dar. Fällen durch eine Unterlassung be- Abflussrohre, Lüftungsschächte, stimmter Verhaltensweisen zustande Kamine, Gartenlauben, Wirtschafts- kommt. So sollten beispielsweise gebäude, Dachböden – wobei Menschen mit Eigenheimen, aber die beiden letztgenannten Orte auch Kleingartenvereine und alle in Großstädten mit überwiegend Menschen, die eine öffentliche Grün- mehrstöckiger Bebauung trotz guter anlage nutzen, darauf achten, dass Kletterkünste schwer zu erreichen sie Wildtiere nicht indirekt füttern, sein dürften. Auch eine indirekte indem sie Lebensmittelreste offen Bereitstellung dieser Schlaf- und liegen lassen. Eine gezielte Fütte- gegebenenfalls Wurfplätze kann rung von Wildtieren wird in Berlin nur als Förderung der Art angesehen bei Vögeln (außer Entenvögeln) und werden. Es sollte also angestrebt Eichhörnchen geduldet. Aber auch werden, die Zugänge zu solchen hier sollte darauf geachtet werden, Strukturen zu versperren. die Futterstellen unerreichbar für andere Tiere anzubringen oder aber das Futter abends einzusammeln. 16
2 WASCHBÄR-VOR-ORT- BERATUNG BERLIN
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ Die Berliner Senatsumweltver- Hierüber wird den Menschen in Berlin ein kostenloses Be- ratungsangebot bei Waschbärproblemen bereitgestellt. waltung hat zur Erfüllung der Betroffene Personen bekommen die Möglichkeit, sich Maßnahme M 7 das Pilotprojekt vor Ort über Waschbären aufklären zu lassen, es werden die bestehenden Probleme besprochen und geeignete „Waschbär-Vor-Ort-Beratung“ Maßnahmen zur Abhilfe vorgeschlagen. Zudem wird die ins Leben gerufen. individuelle direkte und indirekte Förderung angespro- chen und Tipps zur Verhaltensanpassung gegeben. Der Ablauf der Beratung gestaltet sich zusammengefasst folgendermaßen: KONTAKTAUFNAHME ERSTBERATUNG NACHBERATUNG Es gibt Probleme mit Vor Ort wird das Wasch- Circa vier Monate später Waschbären auf einem bärproblem besprochen; erfolgt zunächst eine tele- Grundstück und Hilfe wird bereits selbstständig fonische Befragung über benötigt. durchgeführte Maßnah- die Erfolge der umgesetz- men werden begutachtet. ten Maßnahmen: Die Kontaktaufnahme erfolgt über das NABU- Mithilfe von Bildern und • Wurden Empfehlungen Wildtiertelefon und ab dem Hinweisblatt werden umgesetzt? August 2021 auch direkt. geeignete und durch- • Waren sie wirksam? führbare Maßnahmen • Sind Anpassungen, Es wird ein Termin für eine vorgeschlagen und deren Erweiterungen, zu- Vor-Ort-Beratung verein- Umsetzung erläutert. sätzliche Maßnahmen bart. notwendig? Das Monitoringblatt Gegebenenfalls wird ein „Vorher“ sowie die Daten- weiterer Vor-Ort-Termin schutzerklärung werden vereinbart. gemeinsam ausgefüllt; der Projektflyer wird Das Monitoringblatt verteilt. „Nachher“ wird abge- fragt. 18
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ Zur Bekanntmachung und Unterstützung des Pilotprojektes wurden ein Flyer, ein Hinweisblatt „Kletterprofi Waschbär – was hilft?“, eine familiengerechte Schautafel für den Frei- zeitpark Marienfelde sowie ein kleiner Videospot über das Pilotprojekt erstellt (siehe Anhang). Februar 2021 In einer online stattfindenden Kick-off-Veranstaltung am 11. Februar 2021 mit Mitarbeitenden aus den Bereichen Berliner Forsten und Jagdbehörde, Derk Ehlert als Wild- tierbeauftragtem der Senatsumweltverwaltung und dem Wildtiertelefon wurde das Projekt vorgestellt. April 2021 Der Inhalt des Projektflyers wurde als barrierefreies PDF auf der Website der Senatsumweltverwaltung veröffentlicht. Juni 2021 Zur weiteren Bekanntmachung wurde das Projekt im Newsletter der Senatsumweltverwaltung aufgeführt. Vorstände der verschiedenen Kleingartenverbände, alle Zuständigen der Veterinärämter, Dachdeckerinnung, Polizei Berlin, Berliner Feuerwehr, Tierheim Berlin sowie die Unteren Naturschutzbehörden wurden per E-Mail über das Projekt informiert. Die Flyer wurden über die hausinterne Broschürenstelle beworben, versendet und im Dienstgebäude ausgelegt. Dezember 2021 Der Videoclip „Parkfluencer*innen – Waschechte Neubär- liner“ wird auf der Website von meingruenes.berlin – „Zusammen sind wir Park“ – online gestellt sowie auf You- Tube, Instagram und Twitter veröffentlicht. 19
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ 2.1 ABLAUF VOR-ORT- BERATUNG UND MONITORING KONTAKTAUFNAHME Der Kontakt wird den Betroffenen entweder durch das NABU-Wildtiertelefon vermittelt oder seit August 2021 direkt durch die auf der Website der Senatsumweltverwal- tung veröffentlichte Telefonnummer und Mailadresse der Waschbärexpertin ermöglicht. Häufiger wird telefonisch, seltener per E-Mail das Problem im Vorfeld erörtert und in den meisten Fällen ein Termin für eine Vor-Ort-Beratung abgesprochen. 20
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ ERSTBERATUNG NACHBERATUNG • Bei einer Vor-Ort-Beratung wird zunächst das kom- Die Nachberatungen finden im Durchschnitt 128 Tage plette Gebäude von außen begutachtet. Aufstiegs- (circa vier Monate) nach der Vor-Ort-Beratung statt. Der möglichkeiten werden ausfindig gemacht und genauer Zeitraum wurde relativ groß gehalten, da einige der untersucht, um möglicherweise den Hauptaufstieg Betroffenen angaben, so viel Zeit für die selbstständige detektieren zu können. Umsetzung der Maßnahmen zu benötigen. Auch wurde von den Hilfesuchenden des Öfteren befürchtet, dass • Sämtliche Aufstiegsmöglichkeiten werden den Betrof- aufgrund der Pandemie Plexiglas oder Ähnliches schwer fenen gezeigt und erläutert. zu bekommen sei. Zudem wurde häufiger angemerkt, dass es derzeit extrem schwierig sei, geeignete Firmen zu • Zudem wird das gesamte Grundstück begutachtet, beauftragen, da diese völlig ausgelastet seien. um eventuelle Nahrungsquellen für die Waschbären auszumachen oder andere Probleme zu erkennen. Die Betroffenen werden telefonisch kontaktiert und nach der Umsetzung der Maßnahmen gefragt. • Gegebenenfalls werden die Dachböden gemeinsam angeschaut, um festzustellen, ob die Waschbären • Wurden die Maßnahmen umgesetzt, zeigten aber „nur“ im Dach (in der Zwischendecke) oder bereits auf keine Wirkung, wird ein weiterer Vor-Ort-Termin dem Dachboden sind. vereinbart – sofern gewünscht. Vor Ort werden die umgesetzten Maßnahmen begutachtet, die richtige • In seltenen Fällen werden auch die Dächer bestiegen Umsetzung überprüft und Nachbesserungsvorschläge und von oben begutachtet, um nach eventuellen Spu- oder andere Maßnahmen empfohlen. ren, verschobenen Ziegeln oder Ähnlichem zu sehen. • Auch bei wirksam umgesetzten Maßnahmen wird in • Im Anschluss an die gemeinsame Ortsbegehung gibt einigen Fällen ein Vor-Ort-Termin ausgemacht, um die es ein Gespräch mit den betroffenen Personen. In Maßnahmen zu begutachten, zu dokumentieren und diesem werden geeignete Maßnahmen vorgeschla- gegebenenfalls über Nachbesserungsmöglichkeiten gen. Zuerst wird mittels Bildern und später im Projekt zu beraten. mithilfe des nachträglich erstellten Hinweisblattes die entsprechende Umsetzung genau erläutert. • In vielen Fällen kann die Nachberatung und Befra- gung auch am Telefon durchgeführt werden. Dies ist • Mit dem zweiten Teil des „Vorher“-Monitoringblattes vor allem der Fall, wenn (bisher) noch keine der emp- wird über den aktuellen Wissensstand über die Biolo- fohlenen Maßnahmen umgesetzt wurden. In anderen gie und das Verhalten der Waschbären aufgeklärt. Situationen reicht es aus, per E-Mail erhaltene Fotos der umgesetzten Maßnahmen zu beurteilen. 21
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ MONITORING Für die Dokumentation der Vor-Ort-Einsätze wurden zwei Die Betroffenen können Wünsche und Verbesserungsvor- Monitoringblätter erstellt. schläge für das Projekt äußern und werden nach einer Gebührenhöhe gefragt, die sie für eine derartige Bera- Das „Vorher“-Monitoringblatt erfasst auf seiner ersten tung zu bezahlen bereit wären. Seite: Die persönliche Befragung der Betroffenen aus der • die vorherrschenden Probleme Erstberatung wird in Teilen bei der Nachbefragung wie- • Informationen zu bereits selbstständig durchgeführten derholt, um einen eventuellen Einfluss der Beratung auf Maßnahmen die Beeinträchtigung durch den Waschbären und auf die • Empfehlungen für sinnvolle Maßnahmen Einstellungen der Hilfesuchenden zu den Tieren und den • Informationen über die Bereitschaft der Hilfesuchen- Umgang mit ihnen untersuchen zu können. den, die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen Auf der zweiten Seite des „Vorher“-Monitoringblattes werden: • die persönlichen Einstellungen der Betroffenen »» zum Grad der Beeinträchtigung durch den Wasch- bären. »» zur Belastung durch eigene Verhaltensanpassun- gen und »» zu Waschbären generell, • der Wissenstand über vermeintliche Waschbärproble- matiken und • die Kenntnisse zum Umgang mit Waschbären erfragt. Im Zuge der Nachberatung wird ein zweites „Nachher“- Monitoringblatt mit den Hilfesuchenden ausgefüllt. Es wird vermerkt: • ob die Maßnahmen umgesetzt wurden • von wem sie umgesetzt wurden • wie gut sie wirken • Gründe für eine eventuell Nichtumsetzung • ob sich aufgrund der weggefallenen oder reduzierten persönlichen Beeinträchtigung auch die Einstellung zu den Tieren verändert hat • wie zufrieden die Betroffenen mit dem Angebot der Senatsumweltverwaltung sind 22
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ 2.2 Anhand der Anzahl der beim Wild- AUFTRAGSSTATISTIK tiertelefon eingegangenen Anrufe wegen Waschbärproblemen der letzten Jahre wurde abgeschätzt, dass jährlich bis zu 250 Einsätze der Vor-Ort-Beratung möglich wä- ren. Bis Ende des Jahres wurden lediglich 89 Vor-Ort-Beratungen durchgeführt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mit den eigentlichen Vor-Ort-Beratungen erst im Mai begonnen wurde. Zudem hat sich das Wildtiertelefon anfangs zurückgehalten, den Kontakt herauszugeben – aufgrund der Befürchtung, die Vor-Ort-Beratung zu überlasten. März 2021 Der für Anfang März 2021 geplante Start der Vor-Ort- Beratungen wurde verschoben, da der Projektflyer, der zur Erläuterung des Pilotprojektes vor Ort genutzt werden sollte, noch nicht in gedruckter Form vorlag. Zum 29. März 2021 wurden die ersten besonders dringenden Fälle, die dem Wildtiertelefon gemeldet wurden, angenommen. August 2021 Am 11. August 2021 wurde die E-Mail-Adresse der Vor-Ort-Beratung auf der Website der Senatsumwelt- April 2021 verwaltung veröffentlicht. Ab dem 26. April 2021 lag der Flyer vor und es wurde mit dem geplanten Betrieb der Vor-Ort-Beratung begonnen. September 2021 Am 17. September 2021 wurde zusätzlich die Telefon- nummer der Vor-Ort-Beratung veröffentlicht. Juli 2021 Anfang Juli 2021 berichtete im Anschluss an die Antwort des Senats auf die schriftliche Anfrage Nr. 18/27970 die dpa über das Pilotprojekt. Oktober 2021 28. Oktober 2021: Der taz wird ein Interview für einen Artikel über Waschbären in Berlin und die Vor-Ort- Beratung gegeben. 23
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ Die Zeit zwischen der ersten Kontaktaufnahme durch die Die gestiegene Anzahl von Beratungsanfragen im Monat Betroffenenund dem Beratungstermin betrug im Mittel nur Oktober könnten durch die zusätzliche Veröffentlichung drei Tage. Fünf Beratungen mit einer „Wartezeit“ von mehr der Telefonnummer Mitte September zurückzuführen sein. als zwei Wochen wurden aus der Berechnung ausge- Da Waschbären im Herbst allerdings auch verstärkt auf schlossen. Diese größeren Zeiträume bis zur Beratung Nahrungssuche gehen, um sich auf den Winter vorzube- kamen durch die eingeschränkten Terminmöglichkeiten reiten, kann auch die Biologie der Tiere dazu geführt ha- der Betroffenen zustande. ben, dass sie von den Menschen stärker bemerkt wurden (vergleiche Abbildung 6 auf Seite 13). Die im Jahresver- Um eine bessere Erreichbarkeit der Beratung gewähr- lauf verhältnismäßig späte Veröffentlichung der Telefon- leisten zu können, wurde von der Auftraggeberin und der nummer der Vor-Ort-Beratung auf den Webseiten der Auftragnehmerin im August gemeinsam entschieden, Senatsumweltverwaltung erklärt auch, dass die Anzahl zusätzlich die Mailadresse und – ab Mitte September der beim Wildtiertelefon eingegangenen Anrufe wegen – auch die Telefonnummer auf der Website der Senats- Waschbärproblemen im Jahr 2021 nicht deutlich gesun- umweltverwaltung zu veröffentlichen. Dies war zunächst ken ist (Abbildung 2, Seite 11). Vergleicht man die Zahlen vermieden worden, da befürchtet wurde, dass so zu viele der Monate September bis Dezember von 2020 und 2021 telefonische Beratungsanfragen gestellt werden könnten. miteinander, ist ein leichter Rückgang der Anzahl der Weder die Pressemitteilung noch die Veröffentlichung der eingegangenen Anrufe zu bemerken. Mailadresse scheint einen großen Einfluss auf die Anzahl der Beratungsanfragen gehabt zu haben (Abbildung 11). Die durchschnittliche Beratungsdauer lag bei der Vor-Ort- Beratung bei 77 Minuten, die Fahrtzeit für den Hin- und Rückweg bei 82 Minuten, bei den Nachberatungen vor Ort bei 56 respektive 78 Minuten. ABBILDUNG 11: ANZAHL DER EINSÄTZE PRO MONAT 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. 24
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ Bisher wurden 65 Nachberatungen durchgeführt. Alle Die Vor-Ort-Beratung Hilfesuchenden, die vor November ihre Beratung hatten (74), wurden kontaktiert. In neun Fällen ist trotz wiederhol- 2021 in Zahlen ter Anrufe und auf der Mailbox hinterlassener Bitten um Rückrufe bisher kein Kontakt zustande gekommen. Anzahl Erstberatungen Lediglich 15 der Nachberatungen fanden vor Ort statt. bis Ende 2021 Der häufigste Grund für eine telefonische Nachberatung 89 lag darin, dass die Betroffenen die empfohlenen Maß- nahmen nicht oder nur teilweise umgesetzt hatten (29 beziehungsweise 13). Aufgrund der begrenzten Zeit am Ende des Jahres wurde in einigen Fällen, in denen Maß- nahmen umgesetzt und von den Betroffenen als wirksam beurteilt wurden, auf eine Nachberatung vor Ort verzich- durchschnittliche Anzahl der Tage tet, sofern es möglich war, Fotos geschickt zu bekommen, zwischen Kontaktaufnahme und die Maßnahmen so zu beurteilen und gegebenenfalls Beratung nachzuberaten (8). 3 durchschnittliche Beratungsdauer (Minuten) 77 durchschnittlicher Fahrtzeit zur Vor-Ort-Beratung (Minuten) 82 Anzahl der Nachberatungen bis Ende 2021 65 Anzahl der Nachberatungen vor Ort 15 25
ZWISCHENBERICHT DES PILOTPROJEKTS „WASCHBÄR-VOR-ORT-BERATUNG BERLIN“ 2.3 PROBLEMATIK BEI DER VOR-ORT-BERATUNG EINE FALSCHE UMSETZUNG ... SOWIE SCHLECHTE BERATUNG FÜHRTEN ZUR ERSTELLUNG DURCH „DRITTE“ ... EINES HINWEISBLATTES Leider wurde bei den Nachbera- In einem Fall hat ein nachträglich Aufgrund dieser Erfahrungen wurde tungen einige Male entdeckt, dass kontaktiertes Schädlingsbekämp- Ende 2021/Anfang 2022 innerhalb empfohlene Maßnahmen falsch fungsunternehmen offenbar sogar des Projektes das Hinweisblatt „Klet- umgesetzt wurden (siehe Kapitel von den empfohlenen Schutzmaß- terprofi Waschbär – was hilft?“ er- 2.4: Durch Waschbären verursachte nahmen abgeraten und ein teu- stellt (siehe Anhang). Dieses Hinweis- Schäden und Spuren). Fallrohre wur- res Pulver verkauft, das nicht den blatt dient dazu, den Hilfesuchenden den umwickelt oder es wurde auf die erhofften Effekt hatte (persönliche eine eindeutige und leicht verständ- sogenannten Marderabwehrgürtel Mitteilung der Betroffenen). liche Erklärung zu den einzelnen zurückgegriffen, trotz des Hinweises, Maßnahmen in die Hand zu geben. dass Letztere Waschbären nicht Mittels dieses Hinweisblattes können abhalten können. Zudem kam es die betroffenen Personen auch immer wieder (selten bis manchmal) beauftragte Unternehmen besser vor, dass von Betroffenen im An- über die empfohlenen und vor allem schluss an die Beratung angefragte sinnvollen Maßnahmen informieren. oder beauftragte Firmen zu diesen In diesem Hinweisblatt wird auch auf ungeeigneten Maßnahmen geraten das Patent Frank Beckers (Kassel; hatten. waschbaerschutz.de, Aktenzeichen 10 2010 044 9040) hingewiesen. Dieses Schutzrecht besteht für eine besondere Schutzvorrichtung gegen kletternde Säugetiere. Durch die Erwähnung im Hinweisblatt wird bei den entsprechenden Maßnahmen auf das bestehende Patent hinge- wiesen und somit das Patentrecht nicht verletzt. 26
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